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Document 62010CN0465

Rechtssache C-465/10: Vorabentscheidungsersuchen des Conseil d’État (Frankreich), eingereicht am 27. September 2010 — Ministre de l’Intérieur, de l’Outre-mer et des Collectivités territoriales/Chambre de commerce et d’industrie de l’Indre

ABl. C 346 vom 18.12.2010, p. 30–31 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

18.12.2010   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 346/30


Vorabentscheidungsersuchen des Conseil d’État (Frankreich), eingereicht am 27. September 2010 — Ministre de l’Intérieur, de l’Outre-mer et des Collectivités territoriales/Chambre de commerce et d’industrie de l’Indre

(Rechtssache C-465/10)

()

2010/C 346/50

Verfahrenssprache: Französisch

Vorlegendes Gericht

Conseil d’État

Parteien des Ausgangsverfahrens

Kläger: Ministre de l’Intérieur, de l’Outre-mer et des Collectivités territoriales

Beklagter: Chambre de commerce et d’industrie de l’Indre

Vorlagefragen

1.

Zur rechtlichen Grundlage für eine Verpflichtung zur Rückforderung der an die CCI gezahlten Beihilfe:

Gibt es, wenn ein öffentlicher Auftraggeber, an den Subventionen im Rahmen des EFRE gezahlt wurden, eine oder mehrere Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge für die Durchführung des subventionierten Vorhabens nicht beachtet hat, obwohl es ansonsten unstreitig ist, dass das Vorhaben die Voraussetzungen für Beihilfen aus diesem Fonds erfüllt und durchgeführt worden ist, eine Vorschrift im Gemeinschaftsrecht, insbesondere in den Verordnungen (EWG) Nr. 2052/88 des Rates vom 24. Juni 1988 (1) und (EWG) Nr. 4253/88 des Rates vom 19. Dezember 1988 (2), die eine Verpflichtung zur Rückforderung der Subventionen begründet? Gilt, falls es sie gibt, diese Verpflichtung für jeden Verstoß gegen die Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge, oder lediglich für bestimmte Verstöße? Wenn nur für bestimmte, für welche?

2.

Im Fall einer Entscheidung über die Begründetheit hängt die Entscheidung des Rechtsstreits hinsichtlich der Modalitäten der Rückforderung der gezahlten Beihilfe auch von den Antworten auf die folgenden Fragen ab: Bei einer zumindest teilweisen Bejahung der ersten Frage:

a)

Stellt die Missachtung einer oder mehrerer Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge durch den öffentlichen Auftraggeber, dem eine Beihilfe im Rahmen des EFRE gewährt wurde, bei der Wahl des Dienstleisters, der mit der Durchführung des subventionierten Vorhabens beauftragt wurde, eine Unregelmäßigkeit im Sinne der Verordnung Nr. 2988/95 (3) dar? Hat der Umstand, dass der zuständigen nationalen Behörde im Zeitpunkt ihrer Entscheidung, die Beihilfe im Rahmen des EFRE zu gewähren, nicht verborgen geblieben sein konnte, dass der begünstigte Wirtschaftsteilnehmer die Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge bei der noch vor der Gewährung der Beihilfe erfolgten Beauftragung des Dienstleisters mit der Durchführung des durch diese finanzierten Vorhabens nicht beachtet hatte, Auswirkung auf die Einordnung als Unregelmäßigkeit im Sinne der Verordnung Nr. 2988/95?

b)

Bei Bejahung der Frage 2a. und aufgrund der nach der Entscheidung des Gerichtshofs (29. Januar 2009, Hauptzollamt Hamburg-Jonas/Josef Vosding Schlacht, Kühl- und Zerlegebetriebe GmbH & Co, C-278/07 bis C-280/07) bestehenden Möglichkeit, die in Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 2988/95 geregelte Verjährungsfrist auf Verwaltungsmaßnahmen wie die Rückforderung einer Beihilfe anzuwenden, die ein Wirtschaftsteilnehmer infolge von Unregelmäßigkeiten, die er begangen hat, zu Unrecht erlangt hat:

Beginnt die Verjährungsfrist im Zeitpunkt der Zahlung der Beihilfe an den Begünstigten oder im Zeitpunkt der Verwendung der erhaltenen Subvention durch den Letzteren zur Bezahlung des unter Missachtung einer oder mehrerer Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge beauftragten Dienstleisters?

Wird diese Frist unterbrochen, wenn die zuständige nationale Behörde dem Empfänger der Subvention einen Kontrollbericht übermittelt, in dem die Missachtung der Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge festgestellt und der nationalen Behörde deshalb die Rückforderung der gezahlten Beträge empfohlen wird?

Ist, wenn ein Mitgliedstaat von der ihm durch Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2988/95 eröffneten Möglichkeit Gebrauch macht, eine längere Verjährungsfrist anzuwenden — insbesondere wenn in Frankreich die im entscheidungserheblichen Zeitraum allgemein geltende Frist des Art. 2262 des Code civil angewendet wird, die lautet: „Alle Ansprüche, sowohl dingliche als auch schuldrechtliche, verjähren innerhalb von 30 Jahren …“—, die Vereinbarkeit einer solchen Frist mit dem Gemeinschaftsrecht, insbesondere mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, im Hinblick auf die Höchstdauer der Verjährung nach der nationalen Rechtsvorschrift, die als rechtliche Grundlage für die Rückforderung der nationalen Verwaltung dient, oder im Hinblick auf die im vorliegenden Fall tatsächlich angewandte Frist zu beurteilen?

c)

Bei Verneinung der Frage 2a.: Hindern die finanziellen Interessen der Gemeinschaft den Richter daran, für die Zahlung einer Beihilfe wie der verfahrensgegenständlichen die nationalen Vorschriften über die Rücknahme anspruchsbegründender Entscheidungen anzuwenden, wonach die Verwaltung außer in den Fällen des Nichtbestehens, der Erlangung durch Betrug oder auf Antrag des Begünstigten eine anspruchsbegründende Einzelentscheidung, sofern sie rechtswidrig ist, nur innerhalb einer Frist von vier Monaten nach ihrem Erlass zurücknehmen kann, wobei allerdings eine individuelle Verwaltungsentscheidung, insbesondere wenn sie der Zahlung einer Beihilfe entspricht, mit auflösenden Bedingungen verbunden werden kann, deren Eintritt die Rücknahme der betreffenden Beihilfe ohne Einhaltung einer Frist zulässt, und diese nationale Regel nach einer Entscheidung des Conseil d’État so ausgelegt werden muss, dass sie von dem Empfänger einer Beihilfe, die zu Unrecht aufgrund einer gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift gewährt wurde, nur geltend gemacht werden kann, wenn er im guten Glauben war?


(1)  Verordnung (EWG) Nr. 2052/88 des Rates vom 24. Juni 1988 über Aufgaben und Effizienz der Strukturfonds und über die Koordinierung ihrer Interventionen untereinander sowie mit denen der Europäischen Entwicklungsbank und der anderen vorhandenen Finanzinstrumente (ABl. L 185, S. 9).

(2)  Verordnung (EWG) Nr. 4253/88 des Rates vom 19. Dezember 1988 zur Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 2052/88 hinsichtlich der Koordinierung der Interventionen der verschiedenen Strukturfonds einerseits und zwischen diesen und den Interventionen der Europäischen Investitionsbank und der sonstigen vorhandenen Finanzinstrumente andererseits (ABl. L 374, S. 1).

(3)  Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 312, S. 1).


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