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Document 62016CN0531

Rechtssache C-531/16: Vorabentscheidungsersuchen des Lietuvos Aukščiausiasis Teismas (Litauen), eingereicht am 18. Oktober 2016 — Šiaulių regiono atliekų tvarkymo centras/Specializuotas transportas UAB

ABl. C 6 vom 9.1.2017, p. 27–28 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

9.1.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 6/27


Vorabentscheidungsersuchen des Lietuvos Aukščiausiasis Teismas (Litauen), eingereicht am 18. Oktober 2016 — Šiaulių regiono atliekų tvarkymo centras/Specializuotas transportas UAB

(Rechtssache C-531/16)

(2017/C 006/34)

Verfahrenssprache: Litauisch

Vorlegendes Gericht

Lietuvos Aukščiausiasis Teismas

Parteien des Ausgangsverfahrens

Kassationsbeschwerdeführer: Šiaulių regiono atliekų tvarkymo centras, Specializuotas transportas UAB

Beteiligte: VSA Vilnius UAB, Švarinta UAB, Specialus autotransportas UAB, Ecoservice UAB

Vorlagefragen

1.

Sind der freie Personen- und Dienstleistungsverkehr im Sinne der Art. 45 AEUV und 56 AEUV, die Grundsätze der Gleichbehandlung der Bieter und der Transparenz im Sinne von Art. 2 der Richtlinie 2004/18 (1) und der sich aus diesen Grundsätzen ergebende Grundsatz des freien und lauteren Wettbewerbs zwischen Wirtschaftsteilnehmern (zusammen oder gesondert, aber ohne Beschränkung auf diese Bestimmungen) dahin zu verstehen und auszulegen, dass dann,

wenn miteinander verbundene Bieter, deren wirtschaftliche, organisatorische, finanzielle oder andere Verbindungen Anlass zu Zweifeln an ihrer Unabhängigkeit und am Schutz vertraulicher Informationen geben können und/oder ihnen die (potenziellen) Voraussetzungen für einen Vorteil gegenüber anderen Bietern bieten können, beschlossen haben, in demselben öffentlichen Vergabeverfahren gesonderte (unabhängige) Angebote einzureichen, diese Bieter in jedem Fall, auch wenn es der öffentlichen Auftraggeber nicht ausdrücklich von ihnen verlangt, verpflichtet sind, die zwischen ihnen bestehenden Verbindungen gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber offenzulegen, ohne dass es darauf ankommt, ob die nationalen Rechtsvorschriften über die öffentliche Auftragsvergabe eine solche Pflicht tatsächlich vorsehen oder nicht?

2.

Wenn die erste Frage

a)

bejaht wird (d. h., Bieter in jedem Fall ihre Verbindungen gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber offenlegen müssen), ist dann der Umstand, dass diese Pflicht in einem solchen Fall nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllt wurde, ausreichend, um den öffentliche Auftraggeber zu der Auffassung oder ein Überprüfungsorgan (Gericht) zu der Entscheidung gelangen zu lassen, dass miteinander verbundene Bieter, die in demselben öffentlichen Vergabeverfahren gesonderte Angebote eingereicht haben, an diesem teilnehmen, ohne effektiv miteinander in Wettbewerb zu stehen (sondern dies nur vortäuschen)?

b)

verneint wird (d. h., Bieter keine — weder in Rechtsvorschriften noch in den Ausschreibungsbedingungen festgelegte — zusätzliche Pflicht zur Offenlegung ihrer Verbindungen trifft), sind dann das Risiko, das die Teilnahme miteinander verbundener Wirtschaftsteilnehmer birgt, und das Risiko der sich daraus ergebenden Folgen vom öffentlichen Auftraggeber zu tragen, wenn er in den Ausschreibungsunterlagen nicht darauf hingewiesen hat, dass Bieter eine solche Offenlegungspflicht haben?

3.

Sind unabhängig von der Antwort auf die erste Frage und unter Berücksichtigung des Urteils des Gerichtshofs in der Rechtssache C-538/13 (eVigilo) die in der ersten Frage genannten Rechtsvorschriften sowie Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 3 und Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/665 (2) (zusammen oder gesondert, aber ohne Beschränkung auf diese Bestimmungen) dahin zu verstehen und auszulegen, dass

a)

der öffentliche Auftraggeber, wenn er im Laufe des Vergabeverfahrens — egal in welcher Weise — davon Kenntnis erlangt, dass zwischen bestimmten Bietern besondere Verbindungen (Beziehungen) bestehen, ungeachtet seiner eigenen Bewertung dieses Umstands und (oder) anderer Umstände (wie beispielsweise der formalen und inhaltlichen Verschiedenheit der von den Bietern eingereichten Angebote, der öffentlichen Selbstverpflichtung eines Bieters, mit den anderen Bietern in einen lauteren Wettbewerb einzutreten, usw.) sich gesondert an die miteinander verbundenen Bieter wenden und sie ersuchen muss, zu erklären, ob und in welcher Weise ihre persönliche Situation mit einem freien und lauteren Wettbewerb zwischen Bietern vereinbar ist?

(b)

dann, wenn den öffentlichen Auftraggeber eine solche Pflicht trifft, er ihr jedoch nicht nachkommt, dies für das Gericht eine ausreichende Grundlage bildet, um die Handlungsweise des öffentlichen Auftraggebers für rechtswidrig zu erklären, weil er die Transparenz und Objektivität des Verfahrens nicht sichergestellt und nicht von sich aus vom Antragsteller Nachweise zu der Frage verlangt oder eine Entscheidung darüber getroffen hat, ob die persönliche Situation der miteinander verbundenen Personen den Ausgang des Vergabeverfahrens beeinflusst hat?

4.

Sind die in der dritten Frage angeführten Rechtsvorschriften und Art. 101 Abs. 1 AEUV (zusammen oder gesondert, aber ohne Beschränkung auf diese Bestimmungen) im Licht der Urteile des Gerichtshofs in den Rechtssachen C-538/13 (eVigilo), C-74/14 (Eturas u. a.) und C-542/14 (VM Remonts) dahin zu verstehen und auszulegen, dass

a)

dann, wenn ein Bieter (die Klägerin) von der Zurückweisung des preisgünstigsten Angebots, das von einem von der beiden miteinander verbundenen Bieter (Bieter A) in einem öffentlichen Vergabeverfahren eingereicht worden war, sowie davon Kenntnis erlangt hat, dass der andere Bieter (Bieter B) den Zuschlag erhalten hat, und unter Berücksichtigung auch der anderen Umstände, die mit diesen Bietern und ihrer Teilnahme am Vergabeverfahren zusammenhängen (der Tatsache, dass die Bieter A und B denselben Vorstand haben; der Tatsache, dass sie dieselbe Muttergesellschaft haben, die nicht an dem Vergabeverfahren teilgenommen hat; der Tatsache, dass die Bieter A und B ihre Verbindungen gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber nicht offengelegt haben und nicht jeder für sich zusätzliche Erläuterungen zu diesen Verbindungen gegeben haben, u. a. weil sie nicht darum ersucht worden waren; der Tatsache, dass Bieter A in seinem Angebot unstimmige Angaben dazu gemacht hat, ob die von ihm vorgeschlagenen Transportmittel (Müllabfuhrfahrzeuge) die Euro 5-Voraussetzung der Ausschreibung erfüllen; der Tatsache, dass der Bieter, der das preisgünstigste Angebot eingereicht hatte, das wegen der darin festgestellten Mängel zurückgewiesen worden war, die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers zunächst nicht angefochten hat und sodann ein Rechtsmittel gegen das Urteil des erstinstanzlichen Gerichts eingebracht hat, in dem er u. a. die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung seines Angebots [in Frage stellte]; usw.), und wenn — unter Berücksichtigung all dieser Umstände — der öffentliche Auftraggeber untätig geblieben ist, diese Angaben allein ausreichen, um einen Antrag bei dem Überprüfungsorgan als begründet erscheinen zu lassen, dass dieses die Handlungsweise des öffentlichen Auftraggebers für unrechtmäßig erklären möge, weil er nicht die Transparenz und Objektivität des Verfahrens sichergestellt und es überdies versäumt hat, die Klägerin dazu aufzufordern, konkrete Beweise für das unlautere Vorgehen der Bieter A und B beizubringen?

b)

die Bieter A und B gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber nicht ihre effektive und lautere Teilnahme an dem öffentlichen Vergabeverfahren nachgewiesen haben, nur weil Bieter B freiwillig eine Erklärung über seine echte Teilnahme abgegeben hat, die Managementqualität-Standards für die Teilnahme an öffentlichen Vergabeverfahren von Bieter B eingehalten worden sind und die von diesen Bietern eingereichten Angebote formal und inhaltlich nicht identisch waren?

5.

Können die Handlungsweisen miteinander (als Tochtergesellschaften derselben Gesellschaft) verbundener Wirtschaftsteilnehmer, die gesondert an demselben öffentlichen Vergabeverfahren teilnehmen, dessen Wert den Wert für eine internationale Ausschreibung erreicht und in dem der Sitz des öffentlichen Auftraggebers, der das Vergabeverfahren durchführt, sowie der Ort, an dem die Dienstleistungen erbracht werden sollen, nicht sehr weit von einem anderen Mitgliedstaat (der Republik Lettland) entfernt sind, grundsätzlich — u. a. im Hinblick auf die freiwillige Erklärung eines dieser Wirtschaftsteilnehmer, in einen lauteren Wettbewerb eintreten zu wollen — anhand von Art. 101 AEUV und der diesen Artikel auslegenden Rechtsprechung des Gerichtshofs beurteilt werden?


(1)  Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. 2004, L 134, S. 114).

(2)  Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (ABl. 1989, L 395, S. 33).


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