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Document 52008IE0268

Stellungnahme des Europäischen Wirtschaft- und Sozialausschusses zu dem Thema Förderung eines breiten Zugangs zur Europäischen Digitalen Bibliothek für alle Bürger

ABl. C 162 vom 25.6.2008, p. 46–52 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

25.6.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 162/46


Stellungnahme des Europäischen Wirtschaft- und Sozialausschusses zu dem Thema „Förderung eines breiten Zugangs zur Europäischen Digitalen Bibliothek für alle Bürger“

(2008/C 162/11)

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 16. Februar 2007 gemäß Artikel 29 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung, eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

„Förderung eines breiten Zugangs zur Europäischen Digitalen Bibliothek für alle Bürger“ (Initiativstellungnahme).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 23. Januar 2008 an. Berichterstatterin war Frau PICHENOT.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 442. Plenartagung am 13./14. Februar 2008 (Sitzung vom 13. Februar) mit 153 gegen 4 Stimmen bei 5 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Angesichts des näher rückenden Starts der „Europäischen Digitalen Bibliothek“ (EDB) (1) im Jahr 2008 möchte der Ausschuss mit dieser Stellungnahme seine Unterstützung für dieses Vorhaben, das kulturelle, wissenschaftliche und technische Erbe teilweise online verfügbar zu machen, sowie für die Arbeiten der europäischen Institutionen zur Einrichtung eines Internetportals für die breite Öffentlichkeit zum Ausdruck bringen. Dieses Portal ist ein Werkzeug zur organisierten Wissensverbreitung im Digitalzeitalter.

1.2

Der Ausschuss anerkannt die gemeinsam von der Europäischen Kommission und den EU-Mitgliedstaaten unternommenen Anstrengungen und begrüßt die von der Konferenz der Europäischen Nationalbibliothekare (CENL) eingeleitete Koordinierung der Kultureinrichtungen zur Gründung einer Stiftung, in der alle Einrichtungen zusammengefasst sind, die ihre digitalisierten Bestände auf freiwilliger Basis zur Verfügung stellen wollen. Er fordert die Organisationen der Zivilgesellschaft auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene auf, sich an diesem umfassenden europäischen Vorhaben zu beteiligen, um die Bereitstellung sinnvoller Informationen für die Bürger zu gewährleisten.

1.3

Die Mitwirkung der Zivilgesellschaft bei der Entwicklung der EDB ist aus vier Hauptgründen entscheidend, die auch die Auseinandersetzung des Ausschusses mit diesem Thema rechtfertigen, und zwar:

Mitsprache bei der Festlegung zielführender Kriterien für die Auswahl der zu digitalisierenden Inhalte;

Unterstützung seitens der Öffentlichkeit für die Finanzierung;

Förderung von Teilhabe und Innovation aller Akteure der Buchkette sowie der weiteren Kultureinrichtungen;

Förderung der Eingliederung aller Bürger in die Informationsgesellschaft.

1.4

Der Ausschuss ist sich aller im Rahmen der verschiedenen Ratsvorsitze in den Mitgliedstaaten seitens der Europäischen Kommission unter Einbindung der betroffenen Akteure bereits durchgeführten Arbeiten bewusst. Er unterstützt den jüngst vorgelegten Bericht des Europäischen Parlaments (2), in dem die bisherigen Fortschritte und die nächsten Schritte klar verständlich zusammengefasst worden sind. Der Ausschuss möchte seinerseits in seiner Stellungnahme den Schwerpunkt auf den unerlässlichen Beitrag der Zivilgesellschaft und die Einbindung ihrer Akteure in Lancierung der EDB und ihre Weiterentwicklung legen. Ferner will er die Erwartungen und Anforderungen der Nutzer in den Mittelpunkt rücken, um das Ziel des Zugangs der breiten Öffentlichkeit zu dieser EDB zu erreichen.

1.4.1

Der Ausschuss fordert die Organisationen der Zivilgesellschaft auf,

sich in die an die EU-Bürger gerichtete Kommunikationskampagne einzubringen, die 2008 gestartet werden soll;

den Anregungen der Testnutzer in Bezug auf die Zweckmäßigkeit, Benutzerfreundlichkeit und Barrierefreiheit („eAccessibility“) für Menschen mit Behinderungen (3) des gemeinsamen Internetportals nachzugehen;

in Absprache mit den lokalen Bibliotheken eine breite Debatte über die Inhalte anzustoßen;

innerhalb der Informationsgesellschaft Überlegungen zur Anpassung des Rechtsrahmens an die Anforderungen der Digitalisierung des zeitgenössischen intellektuellen, künstlerischen und wissenschaftlichen Werke anzuregen.

1.4.2

Der Ausschuss empfiehlt den Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission,

einen Lenkungsausschuss für das Vorhaben einzurichten, in dem ein Dialog mit der Zivilgesellschaft geführt wird;

sich auf einen Finanzbeitrag seitens der Mitgliedstaaten zu einigen, um bis 2010 die Digitalisierung im großem Maßstab unter Wahrung der Vielfalt der Quellen und Materialien voranzubringen;

die nationalen Digitalisierungspläne im Einklang mit einer europäischen Dokumentationscharta und mit Unterstützung der Kompetenzzentren und aufeinander abzustimmen;

ein umfangreiches EU-Programm zur Erforschung von Lösungen für technische Probleme im Zusammenhang mit Mehrsprachigkeit und Interoperabilität sowie mit Blick auf die Aufstellung gemeinsamer Leitlinien für die Sicherstellung der Barrierefreiheit („eAccessibility“) für Menschen mit Behinderungen auf den Weg zu bringen;

die Erwartungen, Bedürfnisse und Praktiken der Nutzer (insbesondere von Menschen mit Behinderungen) zu untersuchen und den Ausschuss in diese Untersuchungen einzubeziehen;

Schlussfolgerungen aus der Analyse der nationalen Vorgehensweisen in Bezug auf die in der Richtlinie 2001/29/EG (4) vorgesehenen Ausnahmebestimmungen für Menschen mit Behinderungen in den einzelnen Mitgliedstaaten zu ziehen und die Suche nach Lösungen für das in Bezug auf verwaiste und vergriffene Werke, Dokumente, die nur mehr digitalen Ursprungs sind usw. bestehende Rechtsvakuum voranzutreiben.

1.4.3

Der Ausschuss legt den Wirtschaftsakteuren und Kultureinrichtungen nahe,

einen breiten Zugang zu zeitgenössischen digitalen Inhalten bzw. digitalen Inhalten neueren Datums zu fördern, die im Internetportal der EDB zur Verfügung stehen;

Modelle für die Online-Bereitstellung urheberrechtlich geschützter Werke als kostenpflichtiges Angebot zu erschwinglichen Preisen zu entwickeln;

an einer Digitalisierung ihrer Bestände im Rahmen von öffentlich-privaten Partnerschaften teilzunehmen;

sich dem Sponsoring zugunsten der Digitalisierung zu öffnen;

in den öffentlichen Präsenzbibliotheken den Zugriff auf entmaterialisierte Inhalte durch einen lokalen Zugang vor Ort oder über ein eigens dafür vorbehaltenes Intranet-Portal zu fördern.

2.   Aufbau der zukünftigen Europäischen Digitalen Bibliothek (EDB): mehr Informationen für die Bürger und stärkere Einbindung der Zivilgesellschaft

2.1   Mehr Informationen für die Bürger über die künftige Europäische Digitale Bibliothek

2.1.1

Im Laufe des Jahres 2010 werden die EU-Bürger wie auch alle Bürger weltweit dank der Online-Verfügbarkeit des kulturellen Erbes in Europa, das in Bibliotheken, Archiven und Museen gepflegt wird, die Möglichkeit haben, sechs Millionen digitale Dokumente zu Freizeit-, Bildungs- und Forschungs- wie auch zu beruflichen Zwecken zu nutzen. Dieses quantitative Ziel ist die erste Etappe auf dem Weg hin zu einer Digitalisierung in großem Maßstab.

2.1.2

Dieses vorläufig „Europäische digitale Bibliothek“ (EDLnet) genannte Vorhaben wird der Einfachheit halber als „Bibliothek“ bezeichnet, obwohl die Europäische Kommission bereits in ihrer Mitteilung (5) einen breiteren Rahmen für die Digitalisierung festgelegt und alle Institutionen aufgefordert hat, zu diesem Vorhaben beizutragen. Dieses Vorhaben umfasst daher das gesamte kulturelle, wissenschaftliche und technische Wissen und jedwede Art von Dokument, d.h. Manuskripte, Bücher, Noten, Karten, Bild- und Tonaufnahmen, Zeitschriften, Fotos usw.

2.1.3

Nach Ansicht des Ausschusses und der Mitgliedstaaten, die dies in ihren einvernehmlichen Schlussfolgerungen der Ratstagung (Bildung, Jugend und Kultur) im November 2006 festgehalten haben, handelt es sich dabei um ein beispielloses Vorhaben, um die Teilhabe aller Bürger an der Informationsgesellschaft zu fördern und ihnen die europäische Identität zu erschließen.

2.1.4

Ferner wird mit diesem Vorhaben das Ziel verfolgt, die zukünftige EDB zu einem mehrsprachigen Zugangspunkt aufzubauen, der dank eines gemeinsamen Internetportals von allen Bürgern genutzt werden kann und nicht nur als Informationsquelle für Wissenschaft und Kunst dient. Im Hinblick darauf fordert der Ausschuss die Europäische Kommission auf, die Bürger besser zu informieren, um von Anfang an deren Unterstützung für die digitale Bibliothek zu gewinnen, insbesondere durch die Auflage von Informationsbroschüren in allen Sprachen. Die europäischen Institutionen und Mitgliedstaaten sollten in einem Kommunikationsplan erfasst werden, der im November 2008 auf den Weg gebracht wird.

2.1.5

Die gigantische Digitalisierungswelle wird ein Markstein in der Geschichte der Menschheit. Daher sollte sich diese Debatte auch auf die Auswahl und die Organisation der Inhalte und des Wissens auf europäischer Ebene erstrecken. Nach Meinung des Ausschuss sollten in einer breit angelegten Debatte über die Bedingungen für die Digitalisierung in großem Maßstab die finanziellen, technischen und rechtlichen Aspekte aufgegriffen werden, die für die Schaffung einer für alle Bürger offenen Wissensgesellschaft erforderlich sind:

die für die Digitalisierung des öffentlichen Bereichs erforderlichen finanziellen Mittel; hierfür muss ein Gleichgewicht zwischen der Digitalisierung seltener oder gefährdeter Werke und der von der Öffentlichkeit erwarteten Massen-Digitalisierung gefunden werden;

die finanzielle Unterstützung der Verleger, die eine Digitalisierung ihres vorhandenen Bestandes vornehmen und dessen Online-Verbreitung zustimmen;

die finanzielle Beteilung von Privatpersonen und Sponsoren an der Digitalisierung und Verbreitung;

die Beibehaltung der Gültigkeit des Urheberrechts bis 70 Jahre nach dem Tod des Autors;

die von Transparenz und Kollegialität gekennzeichnete Auswahl digitalisierbaren öffentlichen Kulturguts jeglicher Art (Dokumente, audiovisuelle Materialien, Museumsexponate, Archivgut usw.);

die Notwendigkeit der Erstellung einer „europäischen Dokumentationscharta“, in der alle wichtigen zu digitalisierenden Wissensbereiche erfasst sind; dem muss eine Bestandsaufnahme des bereits online zugänglichen digitalisierten Materials auf europäischer Ebene vorausgehen;

die Möglichkeit für die Autoren vergriffener Werke, für die keine Neuauflage vorgesehen ist, sich für eine digitale Veröffentlichung mit freizügiger Lizenz zu entscheiden (6);

die Schaffung einer interaktiven Datei, um die Suche nach den Rechtsinhabern eines als „verwaist“ eingestuften Werkes zu finden (7);

die Verarbeitung der wissenschaftlichen Informationen (8);

die Fragen im Zusammenhang mit der Barrierefreiheit des Internetportals und der digitalisierten Inhalte, um sie Menschen mit Behinderungen, insbesondere mit Sehbehinderungen, zugänglich zu machen.

2.2   Einbindung der Zivilgesellschaft in die europäische Kulturagenda im Zeitalter der Globalisierung

2.2.1

Allerdings ist dieses Vorhaben bislang ausschließlich Gegenstand von Expertendebatten geblieben; dies zeugt von der starken Mobilisierung der betroffenen Akteure (Kultureinrichtungen, Urheber, Verleger, Buchhändler usw.) und ihrer aktiven Teilnahme an der von der Europäischen Kommission eingerichteten hochrangigen Expertengruppe. Lediglich 7 % der Teilnehmer an der von der Europäischen Kommission 2005 eingeleiteten Konsultation zum Thema „i2010: Digitale Bibliotheken“ (9) waren Einzelpersonen und 14 % Hochschuleinrichtungen. Diese geringe Mitwirkung der breiten Öffentlichkeit ist keinesfalls verwunderlich, wenn man bedenkt, dass diese Debatte plötzlich wie aus dem Nichts nach der Ankündigung einer massiven Digitalisierung seitens Google entstanden ist und der Fragebogen rein auf jene wirtschaftlichen Interessengruppe ausgerichtet war, die von den Folgen einer Digitalisierung betroffen sind.

2.2.2

Die Alltäglichkeit des kostenlosen Informationszugangs, der jedoch über Werbeeinahmen finanziert wird, fördert die in der Öffentlichkeit herrschende Verwirrung über das Angebot jedweder digitaler Bibliothek. Die Zivilgesellschaft hat daher — insbesondere gegenüber den jungen Generationen — die weitreichende Verantwortung, sich an einer Informations- und Sensibilisierungskampagne hinsichtlich des Wertes des intellektuellen und künstlerischen Schaffens sowie der Notwendigkeit, die Achtung dieses Schaffen zu gewährleisten, zu beteiligen.

2.2.3

Der Ausschuss fordert die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Initiativen für eine bessere Einbindung der Zivilgesellschaft in die künftigen Entwicklungen auf dem Gebiet der Digitalisierung des Kulturerbes zu ergreifen. Die Mitwirkung der Organisationen der Zivilgesellschaft ist in vier Bereichen von entscheidender Bedeutung, und zwar bei der Festlegung gemeinsamer Kriterien für die Auswahl der Inhalte, bei der finanziellen Unterstützung des Vorhabens, bei der Ermutigung aller Teilnehmer zu innovativen Lösungsansätzen und bei der Förderung der Einbindung aller Bürger in die Informationsgesellschaft.

2.2.4

Der Ausschuss schlägt hierfür die Schaffung eines öffentlichen Diskussionsraums im März 2008 anlässlich der Lancierung des Prototyps vor, in dem Vereinigungen, Bildungs- und Kultureinrichtungen, Familienverbände sowie wirtschaftliche und soziale Gruppen als Vertreter der künftigen Nutzer die Möglichkeit haben, ihre Meinung vorzubringen. Die Beiträge der Zivilgesellschaft werden sich in den verschiedenen Phasen nach dem Start des Projekts im November 2008 sowie in der späteren Weiterentwicklung als hilfreich erweisen.

2.2.5

Die Debatte sollte den Zeitplan (2007-2010) ergänzen, der in der Anlage der Schlussfolgerungen des Rates (Bildung, Jugend und Kultur) enthalten ist, und diesen über diesen Zeitraum hinaus zur Sicherstellung einer Weiterentwicklung der Digitalisierung und einer Diversifizierung der Nutzungsmöglichkeiten fortführen. Der Ausschuss nimmt mit Interesse die Aufforderung zur Zusammenarbeit mit der Plattform der Zivilgesellschaft für den interkulturellen Dialog zur Kenntnis, einer Stakeholder-Plattform rund um digitale Bibliotheken.

2.2.6

Nach dem Europäischen Jahr des interkulturellen Dialogs 2008 könnte die Debatte fortgesetzt werden und eine neue Konsultation im Jahr 2009 anstoßen. Auf diese Weise sollte es der Zivilgesellschaft möglich sein, bei der Festlegung der längerfristig geplanten Etappen unter Berücksichtigung der europäischen Kulturagenda im Globalisierungszeitalter mitzuwirken (10).

2.3   Förderung des Aufbaus der künftigen Bibliothek

2.3.1

Der Ausschuss unterstützt den in dem Bericht des Europäischen Parlaments (11) unterbreiteten Vorschlag, einen Lenkungsausschuss für die Europäische Digitale Bibliothek einzurichten, dem die im EDLnet vertretenen Kultureinrichtungen angehören sollen. Dieser Lenkungsausschuss soll insbesondere die Weiterverfolgung des Vorhabens und die Verzahnung mit den nationalen Digitalisierungsplänen gewährleisten. Er sollte einen nutzbringenden Dialog mit den repräsentativen Einrichtungen der Nutzer, namentlich dem EWSA, führen.

2.3.2

Der Ausschuss anerkennt die wichtige Rolle der Konferenz der Europäischen Nationalbibliothekare (CENL), um das Vorhaben auf der Grundlage einer internationalen Kodifizierungsnorm (bibliografischer Eintrag) voranzubringen, und die bei der Digitalisierung von schriftlichen Inhalten erzielten Fortschritte. Er fordert die einzelstaatlichen Kultureinrichtungen auf, sich sowohl auf regionaler wie auch nationaler und europäischer Ebene in die Koordinierung des EDLnet für die Sammlungen von Archiven, nationalen Museen und audiovisuellen Einrichtungen einzubringen, vor allem im Rahmen der im November 2007 geschaffenen Stiftung.

2.3.3

In Bezug auf diesen wichtigen Aspekt befürwortet der Ausschuss die Anwendung der Richtlinie 2001/29/EG zum Schutz des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, insbesondere in den Bereichen Vervielfältigung und Verbreitung von Werken. Im Digitalzeitalter fehlt es dieser Richtlinie allerdings an Bestimmungen in Bezug auf verwaiste Werke, die Modalitäten für die digitale Erhaltung, den Status von Werken, die rein digitalen Ursprungs sind (digital born) und Lösungen für vergriffene Werke, für die keine Neuauflage vorgesehen ist.

2.3.4

In dieser Richtlinie sind Ausnahmeregelungen vorgesehen, namentlich für die Vervielfältigungshandlungen von öffentlich zugänglichen Bibliotheken, Bildungseinrichtungen, Museen oder von Archiven sowie für die Nutzung zugunsten von Menschen mit Behinderungen. Diese Ausnahmeregelungen sind allerdings nicht verbindlich, und ihre Umsetzung ist von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich.

2.3.5

Neben diesem rechtlichen Aspekt bestehen nach Ansicht des Ausschusses noch weitere Probleme technischer Natur, die zur Komplexität des Vorhabens beitragen. Der Ausschuss begrüßt ausdrücklich die Bemühungen der Europäischen Kommission der letzten Jahre zur Lösung der technischen Probleme. Er unterstützt die im Siebten Forschungsrahmenprogramm eingeleiteten Initiativen und das Programm „eContentplus“, insbesondere die Forschungsarbeiten in den Bereichen Interoperabilität und Kompetenzzentren für die Digitalisierung. Interoperabilität und Mehrsprachigkeit (bzw. die Mechanismen, über die die Inhalte der Museen, Bibliotheken und Archive in einem gemeinsamen Internetportal zugänglich sein werden) sind zwei der wichtigsten Garanten für den Erfolgt der EDB.

2.3.6

Die Organisationen der Zivilgesellschaft auf nationaler und regionaler Ebene, insbesondere die nationalen Wirtschafts- und Sozialräte, sollten die in jedem Mitgliedstaat erforderlichen Investitionen für die Digitalisierung unterstützen, um die kritische Masse an Inhalten zu erreichen und ihre Vielfalt sicherzustellen. Der Ausschuss fordert die Mitgliedstaaten auf, dem Vorbild Litauens zu folgen, das mit Erfolg auch die Strukturfondsmittel zur Finanzierung eines Projekts herangezogen hat.

3.   Förderung eines breiten Zugangs zur EDB durch das Angebot organisierter Inhalte historischer und zeitgenössischer Art

3.1   Berücksichtigung der Erwartungen und Bedürfnisse der Nutzer (12)

3.1.1

Der Ausschuss vertritt die Auffassung, dass das Potenzial dieses Schlüsselmoments der Digitalisierung gezielt für den sozialen und territorialen Zusammenhalt (13) genutzt werden muss. Der Ausschuss empfiehlt insbesondere, in Bezug auf das digitale Angebot und seine Zugangsmodalitäten die Erwartungen der verschiedenen Generationen zu berücksichtigen, um die Verknüpfungen und Übertragungen zu erleichtern. Ab dem Erwachsenenalter ist es sehr schwer, aus Menschen, die nie ein Buch zur Hand nehmen, begeisterte Leser zu machen. Die Herausforderung für die Wissensgesellschaft im Zusammenhang mit dem Zugang einer breiten Öffentlichkeit zu dieser digitalen Bibliothek liegt darin, diese Nicht- oder Gelegenheitsleser für ihre Nutzung zu gewinnen.

3.1.2

In Bezug auf das Konzept des lebenslangen Lernens (14) bietet die Digitalisierung kultureller Werke und insbesondere wissenschaftlicher Inhalte (15) ein erhebliches Potenzial für den Wissenszugang. In diesem Sinne muss u.a. die Lehreraus- und -weiterbildung (16) an diese Entwicklung angepasst werden, um dem neuen Rahmen der Wissensübermittlung gerecht zu werden.

3.1.3

Damit die EDB auch die in sie gesetzten Hoffnungen erfüllen kann, müssen die Erwartungen und Praktiken der Nutzer untersucht werden. Derzeit werden vorrangig Druckwerke behandelt (Manuskripte, Bücher, Zeitschriften oder Handbücher), für die drei wesentliche Nutzungszwecke ermittelt wurden: Volltextsuche, Online-Konsultation und Offline-Lektüre (persönliche virtuelle Bibliothek). Weitere neue Nutzungszwecke wie Kooperationswerkzeuge, Annotationsplattformen, hypertextuelle Anreicherung von Inhalten oder Multimedia-Unterstützung (Ton, Video, Animation) sollten getestet werden. Derartige neue Funktionen fördern nicht nur die Verbreitung, sondern zuallererst auch die Reflexion.

3.1.4

Für alle anderen Werke besteht seit 2007 das Internetportal Michael (ein mehrsprachiges Inventar des europäischen Kulturerbes), das Zugang zu den Internetportalen der bis dahin über ganz Europa verstreute digitale Museums-, Bibliotheks- und Archivbestände bietet. So werden nunmehr Beschreibungen der Bestände von zahlreichen Kultureinrichtungen auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene zur Verfügung gestellt. Ursprünglich waren an dieser Initiative nur das Vereinigte Königreich, Frankreich und Italien beteiligt, doch sie wird demnächst auf elf weitere Mitgliedstaaten ausgeweitet und neue Dienste für den Kulturtourismus bieten. Dieses Portal ist Teil einer Stiftung, in der seit November 2007 alle an diesem Vorhaben beteiligten Kultureinrichtungen zusammenarbeiten.

3.1.5

Der Ausschuss schlägt die Einrichtung einer „Nutzungsbeobachtungsstelle“ zur Analyse der breiten Palette an Möglichkeiten und Verfahrensweisen vor. Die EDB ist nicht nur wegen ihres Inhaltsreichtums von Belang, sondern auch aufgrund der Verbreitung neuer Verfahren für den intellektuellen Austausch und der Eignung für Forschungsthemen. Der Ausschuss wäre daran interessiert, sich in die Tätigkeiten der Arbeitsgruppe „Users and usability“ (Nutzer und Benutzerfreundlichkeit) des EDLnet einzubringen.

3.2   Förderung einer integrativen digitalen Gesellschaft für alle, in der insbesondere Lösungen für Menschen mit Behinderungen geboten werden (17)

3.2.1

Im Einklang mit der in Riga anlässlich der Ministerkonferenz „IKT für eine integrative Gesellschaft“ im Juni 2006 verabschiedeten Erklärung darf die EDB keinesfalls dazu führen, dass die Diskrepanzen bei der Internetnutzung zwischen herkömmlichen Nutzern einerseits und älteren Menschen, Menschen mit Behinderungen sowie benachteiligten Bevölkerungsgruppen weiter zunehmen. In vor Kurzem verabschiedeten Sondierungsstellungnahmen hat der Ausschuss mögliche Maßnahmen für die Sicherstellung der eAccessibility dieser Bevölkerungsgruppen einschl. der Nutzung des europäischen Sozialfonds dargelegt.

3.2.2

Die Digitalisierung und Online-Zugänglichkeit von Dokumenten aus Bibliotheks-, Archiv- und Museumsbeständen in ganz Europa sind unvergleichbar wertvolle Mittel zur Einbindung von Menschen mit Behinderungen. Allerdings können ein kompliziertes Design, ein ungeeignetes Format oder unangemessene Schutzmaßnahmen ihren Zugang zu diesen Inhalten erschweren.

3.2.3

In der Richtlinie 2001/29/EG ist ausdrücklich festgehalten, dass Ausnahmen in Bezug auf das Urheberrecht für Menschen mit Behinderungen zulässig sind, und zwar für Menschen mit Sehbehinderungen, Blinde, Menschen mit körperlichen Behinderungen sowie Menschen mit geistigen Behinderungen.

3.2.4

Um den Zugang aller Bürger zu diesem Kulturerbe zu gewährleisten, müssen das Internetportal der künftigen EDB und die damit vernetzten nationalen Portale von Beginn an derart angelegt sein, dass Menschen mit Behinderungen mittels besonderer technischer Vorrichtungen auf diese Portale zugreifen können.

3.2.5

Auch wenn die Mechanismen zum Schutz vor Raubkopien von geübten Nutzern oftmals umgangen werden können, so sind sie für den herkömmlichen Nutzer doch durchaus eine Einschränkung. Daher empfiehlt der Ausschuss, dass den Aspekten der Barrierefreiheit und der Interoperabilität bei der Ausarbeitung von technologischen Schutzmaßnahmen von Anfang an Rechnung getragen wird, damit Menschen mit Behinderungen die für sie geschaffenen Lese-Hilfsmittel wie Synthesizer zur Sprachausgabe einsetzen können.

3.3   Ausweitung des bestehenden Inhalte-Angebots durch die Bereitstellung zeitgenössischer Dokumente oder Dokumente jüngeren Datums

3.3.1

Ab Herbst 2008 werden in dem Internetportal zwei Millionen gemeinfreie Werke, Fotografien oder Karten kostenlos online zum Herunterladen zur Verfügung stehen. Dies ist vor allem in Bezug auf seltene, wertvolle oder vergriffene Werke eine unersetzliche Hilfestellung. Der Zugang darf sich auf lange Sicht allerdings nicht auf das Angebot von Archivgut beschränken.

3.3.2

Mit der EDB wurde von Anfang an auch das Ziel verfolgt, den Nutzern zeitgenössische Werke oder Werke jüngeren Datums, die noch Urheberrechten unterliegen, über dasselbe Internetportal anzubieten wie gemeinfreie Werke bzw. Archivgut.

3.3.3

Die Europäische Kommission hat eine hochrangige Expertengruppe eingerichtet, um Lösungen für den Zugang zu Werken jüngeren Datums auszuarbeiten. Diese Gruppe, die sich aus Vertretern von Verlagen, Nationalbibliotheken und Archiven sowie audiovisueller Einrichtungen zusammensetzt, hat im April 2007 Vorschläge zur Erleichterung des Zugangs zu verwaisten oder vergriffenen Werken sowie der digitalen Bewahrung unterbreitet, um die urheberrechtsschutzbedingte mangelnde Präsenz des 20. und 21. Jahrhunderts (18) in Grenzen zu halten.

3.3.4

Für eine Digitalisierung in großem Maßstab mit Zugang für die breite Öffentlichkeit bedarf es eines neuen wirtschaftlichen Konzepts, in dem eine ausgewogene Verteilung zwischen Urhebern, Verlegern und Anbietern gewährleistet ist. Den Internetnutzern muss ein kostenpflichtiges Angebot, allerdings zu vernünftigen Tarifen, zugänglich gemacht werden. Der Ausschuss fordert die wirtschaftlichen Akteure der „Buchkette“ auf, konkret nach Lösungen zu suchen (19). Verleger, Autoren und Buchhändler haben gegenüber den Verbrauchern die Verantwortung, unter Wahrung der Standpunkte der verschiedenen Akteure für ein attraktives Angebot zu sorgen, um diesen neuen Markt anzukurbeln und der Gefahr von Raubkopien und Fälschungen vorzubeugen.

3.3.5

Die Expertengruppe schlägt vor, dass Nutzern in Bezug auf geschützte Werke im Einklang mit den Rechteinhabern die Möglichkeit eingeräumt wird, auf dem Internetportal auf Auszüge zuzugreifen bzw. sogar über spezialisierte Websites in dem Werk virtuell zu blättern. Für einen Zugang zu dem gesamten geschützten Dokument würden die Nutzer an die Websites privater Betreiber einschl. das Netz der traditionellen Bibliotheken weitergeleitet werden, auf denen ihnen zu einem erschwinglichen Preis unter Sicherung der Einnahmen der Rechteinhaber mehrere Optionen geboten würden. Die Rechteinhaber werden bestärkt, für derart innovative Lösungen zu optieren.

3.3.6

Zur Förderung eines derartigen kostenpflichtigen Angebots zu erschwinglichen Preisen müssen die Mitgliedstaaten die Möglichkeit der Festlegung verringerter Mehrwertsteuersätze für Bücher und sonstige Veröffentlichungen auch auf Veröffentlichungen in elektronischem Format ausweiten.

3.3.7

In einer vor Kurzem verabschiedeten Stellungnahme (20) hat der Ausschuss zur Förderung von freizügigeren Lizenzen zur Bereicherung der verfügbaren zeitgenössischen Inhalte die Empfehlung ausgesprochen, einen angemessenen Schutz für Urheber/Kulturschaffende auf Gemeinschaftsebene sicherzustellen, die sich zu freizügigeren Lizenzen entschließen. Ihre Werke werden kostenlos zugänglich gemacht, doch müssen sie gleichzeitig auch über Garantien für den Schutz ihrer moralischen Rechte und vor einer missbräuchlichen kommerziellen Verwendung verfügen.

3.3.8

Der Ausschuss fordert die Europäische Kommission auf, die Initiative zu ergreifen und neue Lizenzen auszuarbeiten, in denen die urheberrechtlichen Vergütungen für die digitale Verbreitung von den auf die Druckveröffentlichung erhobenen Abgaben abgekoppelt werden.

3.3.9

Im Jahr 2007 hat die Europäische Kommission eine detaillierte vergleichende Studie über die nationalen Rechtsvorschriften (21) erstellt, mit Schwerpunkt auf der Umsetzung der Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte (22). Der Ausschuss wird den Schlussfolgerungen dieser Studie zur Verbesserung der Harmonisierung auf europäischer Ebene große Aufmerksamkeit widmen.

3.4   Notwendigkeit eines „organisierten Wissens“

3.4.1

Angesichts der Flut an Informationen über das Internet zu Beginn des 21. Jahrhunderts, die nicht ausdrücklich referenziert sind und deren Authentifizierung mehr schlecht als recht sichergestellt wird, bezieht das europäische Vorhaben seine Überlegenheit aus der Auswahl der Inhalte mit Blick auf ihre Objektivität und Pluralität und aus der Organisation und der Sortierung des Wissens sowie der Normung der Formate im Interesse der Übersichtlichkeit. Die Genauigkeit, Qualität und Zweckdienlichkeit der Antworten auf die Fragen bzw. die Suche der Nutzer hängt von der Entwicklung der Suchmaschinen in Verbindung mit einer besseren Koordinierung des digitalisierten Wissens auf europäischer Ebene ab.

3.4.2

Nach Ansicht des Ausschusses sollte im Hinblick auf den Zugang zu organisierten Sammlungen die potenziellen Vorzüge des Prototyps, der im März 2007 in Zusammenarbeit zwischen Einrichtungen in Frankreich, Ungarn und Portugal auf den Weg gebracht wurde, überprüft werden. Diese von Sachverständigen validierte europäische Matrix ist die Grundlage eines europäischen Digitalisierungskorpus, ein Beitrag auf dem Weg zur EGB. Darüber hinaus steht dieser Prototyp auch allen Suchmaschinen offen. Sie sollte die Suche anhand von Standardsuchformularen erleichtern, um die Anfrage des Nutzers klar zu formulieren und auszurichten.

3.5   Sicherstellung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt

3.5.1

Nach Ansicht des Ausschusses ist der vollkommen neue Ansatz der Einrichtung einer mehrsprachigen Bibliothek (23) im Internet ein grundlegendes Mittel für die Sicherstellung und Aufwertung der kulturellen Vielfalt. Europa, das über ein reichhaltiges und außergewöhnliches Kulturerbe und ein umfassendes Schaffen im Bereich Inhalte verfügt, muss einen entscheidenden Platz in der Digitalisierung von Wissen auf internationaler Ebene im Einklang mit der UNESCO-Konvention zur kulturellen Vielfalt einnehmen. Aufgrund der weltweiten Verbreitung der europäischen Sprachen wird die Zugänglichkeit dieser Inhalte nicht nur den EU-Bürgern, sondern auch Bürgern außerhalb Europas zu Gute kommen, die Zugang zum Weltkulturerbe und zu ihren eigenen kulturellen Wurzeln in Europa suchen.

3.5.2

Der Ausschuss empfiehlt, dass die Mitgliedstaaten in der Weiterentwicklung der EDB nach 2010 eine Auswahl ihrer wichtigsten literarischen Werke in verschiedenen Sprachen zur Verfügung stellen, um an der Verbreitung einer europäischen kulturellen Identität mitzuwirken und der Anforderung der Vielfalt zu entsprechen.

4.   Förderung und Modernisierung der Rolle der öffentlichen Präsenzbibliotheken in einem System der Online-Zugänglichkeit

4.1

Zur Sicherstellung eines lokalen Zugangs zu einem globalisierten System empfiehlt der Ausschuss die Stärkung der Rolle der öffentlichen Präsenzbibliotheken. Die Verbreitung kultureller Güter hat eine globale und multimodale Dimension erreicht, die dann effizient ist, wenn die Öffentlichkeit über die Mittel für den Zugriff auf dieses erhebliche Angebot verfügt. Öffentliche Präsenzbibliotheken als bürgernahe Kultureinrichtungen sind nach wie vor ein Garant für einen angemessenen Zugang für die größtmögliche Zahl an Bürgern. Im Hinblick auf die soziale Eingliederung muss Leihbibliotheken auch weiterhin eine Aufgabe bei der Bereitstellung entmaterialisierter Inhalte zukommen.

4.2

In der Kette, die vom Autor über Buchhändler zum Leser führt, haben Leihbibliotheken und Mediatheken ihre Bedeutung bei der Weitergabe eines organisierten Wissens und für den Zugang aller zu kulturellen Erzeugnissen unter Beweis gestellt. Diese lokalen Einrichtungen müssen diese Aufgaben in Zukunft auch für entmaterialisierte Inhalte erfüllen können. Es wäre daher sinnvoll, spezifische Verträge und Lizenzen, die diesen Einrichtungen und ihrer Zweckbestimmung zur Verbreitung der Kultur in ausgewogener Weise zugute kommen, zu unterstützen (24).

4.3

Die Digitalisierung der gemeinfreien Materialien der nationalen Kultureinrichtungen muss in Zusammenarbeit mit den lokalen Bibliotheken und Archivzentren erfolgen. Bei den Nutzern von Leihbibliotheken handelt es sich um ein breit gefächertes Publikum, dessen Erwartungen und Vielfalt bei der Auswahl gemeinfreier Inhalte für die Digitalisierung Rechnung getragen werden muss.

4.4   Es müssen wirtschaftliche Konzepte für Ankauf und öffentliche Bereitstellung zeitgenössischer digitaler Werke entworfen werden.

4.4.1

Bibliotheken kaufen Materialien (Bücher, CD, Noten, Sprachlernmethoden usw.) und stellen sie ihren Nutzern kostenlos oder gegen eine geringe Gebühr für einen begrenzten Zeitraum zur Verfügung und verhindern so, dass die wirtschaftliche Dimension zu einem systematischen Hindernis für den Zugang zu diesen Materialien wird. Ein neues wirtschaftliches Konzept für entmaterialisierte Inhalte muss den Erwartungen der Bibliotheks- und Mediatheksnutzer Rechnung tragen und sich ihren Verfahrensweisen anpassen. Außerdem sind Leihbibliotheken selbst wichtige Käufer aktueller Inhalte, in enger Verbindung mit dem Tagesgeschehen und den jüngsten kulturellen und technischen Entwicklungen. Sie müssen in die Konzipierung dieses neuen wirtschaftlichen Konzepts eingebunden werden.

4.4.2

Die Verbreitung von entmaterialisierten Inhalten, insbesondere von digitalen Inhalten, darf daher keinesfalls Leihbibliotheken an der Wahrnehmung ihrer Bildungsaufgabe hindern. Die wirtschaftlichen und technischen Konzepte für die Verbreitung digitaler Inhalte müssen der Rolle und den Aufgaben von Leihbibliotheken Rechnung tragen und ihre weitere Wahrnehmung ermöglichen, und zwar im Rahmen des Intranet-Portals dieser Bibliotheken wie auch eines eingeschriebenen Nutzern vorbehaltenen Leihangebots.

4.5   Sicherstellung eines Vor-Ort-Zugangs zu den Diensten für die Nutzer

4.5.1

Im Rahmen dieses Intranet-Portals müssen Bibliotheken ihren Nutzern vor Ort in gleichem Maße Zugang zu den materiellen Sammlungen wie auch zu den entmaterialisierten Inhalten bieten können: über Computer, Drucker, Software, Breitbandanschlüsse, Information, Hilfe und Coaching. Bei der Aus- und Weiterbildung des Bibliothekspersonals sowie der Organisation ihrer Arbeit müssen nunmehr auch entmaterialisierte Inhalte einbezogen werden.

4.6   Demonstrationsveranstaltungen und Coaching-Maßnahmen für die breite Öffentlichkeit für den Zugang zu digitalisierten Sammlungen und entmaterialisierten Inhalten

4.6.1

Ohne Anleitung und Information ist die breite Öffentlichkeit eher geneigt, den Computer, mit dem immer mehr Haushalte ausgestattet sind, als Multimedia-Freizeitvergnügen anzusehen und dabei die über Internet zugänglichen kulturellen, erzieherischen, pädagogischen und informativen Ressourcen zu übersehen. So wie Leihbibliotheken durch geeignete Veranstaltungen aktiv als Mittler zwischen allen Altersgruppen und Büchern bzw. Lektüre fungieren, müssen sie über entsprechende Veranstaltungen und Anleitungen diese Mittlerrolle auch für entmaterialisierte Inhalte übernehmen.

Brüssel, den 13. Februar 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  Europäische Digitale Bibliothek (EDB) ist die provisorische Bezeichnung des europäischen Projekts zur Digitalisierung von Dokumenten aus Beständen von Museen, Archiven, audiovisuellen Einrichtungen, Bibliotheken usw.

(2)  Bericht des Europäischen Parlaments über „i2010: Auf dem Weg zu einer Europäischen Digitalen Bibliothek“ (2006/2040(INI), Berichterstatterin: Marie-Hélène Descamps, MdEP, Juli 2007).

(3)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Künftige Rechtsvorschriften zur eAccessibility“ (Berichterstatter: Herr Hernández Bataller), ABl. C 175 vom 27.7.2007, S. 91; Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen“ (Berichterstatter: Herr Joost), ABl. C 93 vom 27.4.2007, S. 32.

(4)  Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, ABl. L 167 vom 22.6.2001, S. 10.

(5)  Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 30. September 2005: „i2010: Digitale Bibliotheken“ (KOM(2005) 465 endg.).

(6)  Siehe z.B. Creative Commons (www.creativecommons.org).

(7)  Bericht der hochrangigen Expertengruppe über digitale Bewahrung, verwaiste und vergriffene Werke — Ausgewählte Fragen der Implementierung (18. April 2007).

(8)  Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss vom 14. Februar 2007 über wissenschaftliche Informationen im Digitalzeitalter: Zugang, Verbreitung und Bewahrung (KOM (2007) 56 endg.).

(9)  Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 30. September 2005: „i2010: Digitale Bibliotheken“ (KOM(2005) 465 endg.).

(10)  Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 10. Mai 2007 über eine europäische Kulturagenda im Zeichen der Globalisierung (KOM(2007) 242 endg.).

(11)  Bericht des Europäischen Parlaments über „i2010: Auf dem Weg zu einer Europäischen Digitalen Bibliothek“ (2006/2040(INI), Berichterstatterin: Marie-Hélène Descamps, MdEP, Juli 2007).

(12)  Der Nutzer ist nicht einfach nur ein passiver Verbraucher, sondern vielmehr ein aktiver Anwender, der eine Rolle bei der Festlegung des von ihm gewünschten Dienstes und seiner Bewertung übernimmt.

(13)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Künftige Rechtsvorschriften zur eAccessibility“ (Berichterstatter: Herr Hernández Bataller), ABl. C 175 vom 27.7.2007, S. 91.

(14)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Empfehlung des Europäischen Parlaments und des Rates zu Schlüsselkompetenzen für lebenslanges Lernen (Berichterstatterin: Frau Herczog), ABl. C 195 vom 18.8.2006, S. 109.

(15)  Schlussfolgerungen des Rates (Wettbewerbsfähigkeit) über wissenschaftliche Informationen im Digitalzeitalter.

(16)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 16. Januar 2008 zu der Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament: Verbesserung der Qualität der Lehrerbildung (Berichterstatter: Herr Soares) (CESE 75/2008).

(17)  Sensibilisierungskampagne der Europäischen Kommission für 2008 „Die Informationsgesellschaft geht alle an!“ zur Eingliederung in die Informationsgesellschaft, die dem Rat vorgelegt wurde.

(18)  Siehe Rede von Kommissionsmitglied Vivianne Reding auf der EWSA-Plenartagung am 12. Dezember 2007.

(19)  Siehe Denis Zwirn, Numilog.com (April 2007): Studie im Hinblick auf die Ausarbeitung eines Wirtschaftsmodells für die Teilnahme von Verlegern an der Europäischen Digitalen Bibliothek.

(20)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums (kodifizierte Fassung)“, ABl. C 324 vom 30.12.2006, S. 7.

(21)  Studie über die Umsetzung der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft in nationales Recht und ihre Auswirkungen (ETD/2005/IM/D1/91).

(22)  Die Gültigkeit des Urheberrechts wurde auf bis 70 Jahre und der verwandten Schutzrechte auf bis 50 Jahre nach dem Tod des Autors festgesetzt.

(23)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Eine neue Rahmenstrategie für Mehrsprachigkeit“, ABl. C 324 vom 30.12.2006, S. 68.

(24)  Erwägungsgrund 40 der Richtlinie 2001/29/EG zum Schutz des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft.


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