Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52008AE0260

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament: Europäische Raumfahrtpolitik KOM(2007) 212 endg.

    ABl. C 162 vom 25.6.2008, p. 24–30 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    25.6.2008   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 162/24


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament: „Europäische Raumfahrtpolitik“

    KOM(2007) 212 endg.

    (2008/C 162/03)

    Die Kommission beschloss am 26. April 2007, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

    „Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament: Europäische Raumfahrtpolitik“

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 31. Januar 2008 an. Berichterstatter war Herr van IERSEL.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 442. Plenartagung am 13./14. Februar 2008 (Sitzung vom 13. Februar) mit 145 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 4 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1

    Aus strategischen, politischen und wirtschaftlichen Gründen spricht sich der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss ausdrücklich für einen unabhängigen europäischen Zugang zum Weltraum aus. Daher unterstützt er die Grundlinien der Papiere, die der Weltraumrat, die Kommission und die ESA (1) im April und Mai 2007 vorgelegt haben.

    1.2

    Eine europäische Raumfahrtpolitik muss friedlichen Zielen, einschließlich der Wahrung der kollektiven Sicherheit, dienen.

    1.3

    Der EWSA ist überzeugt, dass europäische Raumfahrtvorhaben, — ob auf einzelstaatlicher Ebene oder im EU- oder ESA-Rahmen — greifbare Vorteile in verschiedenen Bereichen bringen werden, u.a. wissenschaftliche Forschung, wünschenswerte Bereitstellung von Infrastruktur und Daten und vielfältige kommerzielle Anwendungen infolge der Integration weltraumbasierter und terrestrischer Systeme.

    1.4

    Bisher hat das ESA-Konzept sich als erfolgreich erwiesen. Seine Verbindung mit den Aktivitäten der Kommission soll und wird zusätzliches Potenzial freisetzen. Dazu sind Verfahren der Zusammenarbeit, Kompetenzabgrenzung und ein Kostenschlüssel zwischen Kommission und ESA zu entwickeln.

    1.5

    Globale Entwicklungen — USA, Russland, Japan, China und Indien und andere Weltraumstaaten — zwingen Europa als Mitbewerber und Partner im Weltraum zu noch stärkerem Handeln. Dies erfordert, rasch konkrete Programme zu erarbeiten und Entscheidungsprozeduren einzuleiten, dies mit der Beschlussfassung anderer globaler Akteure Schritt halten können.

    1.6

    Gleichzeitig würde eine schnellere, konzertierte Entscheidungsfindung bessere Möglichkeiten zur Festlegung und anschließenden Umsetzung von Raumfahrtmissionen entsprechend den Nutzerbedürfnissen schaffen.

    1.7

    GALILEO und GMES sind „Flaggschiffe“ europäischer Leistungsfähigkeit. Die GALILEO-Programme sollten unverzüglich umgesetzt werden.

    1.8

    Die Aufnahme der Raumfahrt in das Siebte Rahmenprogramm für Forschung und Entwicklung und in die gemeinschaftlichen Politikbereiche muss zu einem integrierten Ansatz aller betroffenen Generaldirektionen führen. Eine solche Verbreiterung der Grundlage für strategisches Denken in der Kommission wird sich vorteilig auf integrierte Konzepte auf einzelstaatlicher Ebene auswirken, an denen es häufig gebricht. Ein diesbezüglich konzertiertes Vorgehen ist wünschenswert.

    1.9

    Alle Mitgliedstaaten, also auch die kleineren und die neuen Mitgliedstaaten, müssen von der europäischen Raumfahrtpolitik profitieren, indem ausreichende Möglichkeiten für die Entwicklung wissenschaftlicher Kompetenzen und spitzentechnologischer industrieller Kapazitäten im vor- und nachgelagerten Bereich in ganz Europa geschaffen werden.

    1.10

    Nach dem industriepolitischen Grundsatz des „angemessenen Mittelrückflusses“ („fair return“) der ESA (2) erhält jedes Land seinen jeweiligen Finanzierungsbeitrag in Form von Subskriptionen und Konzessionen zurück. Das Beziehungsgeflecht zwischen den Regierungen, der ESA, Privatunternehmen und Forschungsinstituten ist entsprechend tief verwurzelt.

    1.11

    Dank des Grundsatzes des angemessenen Mittelrückflusses konnten die Fähigkeiten Europas in der Raumfahrt bisher erfolgreich entwickelt werden. Je ausgereifter der Raumfahrtmarkt jedoch wird, desto mehr Flexibilität ist nötig, denn starre Beziehungsmuster sind industrieller Innovation grundsätzlich abträglich. Angesichts der Zugkraft des Marktes, der Nutzerbedürfnisse und der Dienstleistungsentwicklung dürften vor allem Mittelstandsunternehmen in der Lage sein, angemessen auf die neuen Anforderungen und Möglichkeiten der europäischen Raumfahrtpolitik zu reagieren.

    1.12

    Andererseits können plötzliche Veränderungen eingefahrener Abläufe und Beziehungen kontraproduktiv sein, auch in Anbetracht der sehr ungleichen Beiträge an die ESA.

    1.13

    Daher tritt der EWSA für eine offene, transparente Analyse und einen Dialog über die Frage ein, welches Maß an Leistungsfähigkeit Europa in zehn Jahren erreicht haben will: Welche Ziele müssen gesetzt werden, und welche entsprechenden institutionellen Mittel — im Hinblick auf die ESA, die Kommission und die Mitgliedstaaten — sind nötig, um eine gemeinsame, abgestimmte europäische Mission zu erfüllen? In diesem Dialog muss es unter anderem um die Art der Finanzierung der ESA, den dynamischen Beitrag mittelständischer Unternehmen und die Aufrechterhaltung eines möglichst hohen Wettbewerbsniveaus gehen.

    1.14

    In dieser Hinsicht ist es auch von großer Bedeutung, dass sich die Kommission um Anwendungen und die Berücksichtigung der Nutzerbedürfnisse kümmern will. Der EWSA vertraut darauf, dass die Kommission offene Gespräche und die Einbeziehung des Privatsektors, insbesondere der KMU, gewährleistet.

    1.15

    Der Ausschuss stimmt dem Rat hinsichtlich der Bedeutung der Raumfahrt für Verteidigung und Sicherheit zu. Es sollte ein Anstoß zur Planung künftiger Systeme gegeben werden, die die europäischen Länder zusammenführen.

    1.16

    Da die Grenzen zwischen zivilen und militärischen Anwendungen verwischen, sollten sog. Dual-Use-Systeme umfassend genutzt werden.

    1.17

    Schließlich ist die Kommunikation von größter Bedeutung. Nach Auffassung des EWSA sollten die Vorteile der Raumfahrt für das tägliche Leben besser vermittelt werden.

    1.18

    Gezielte Informationskampagnen über die europäische Raumfahrtpolitik sollte jungen Menschen Anreize geben, sich für die Raumfahrt zu interessieren, und es allgemein für junge Leute attraktiv machen, eine naturwissenschaftliche und/oder technische Studienrichtung einzuschlagen.

    2.   Ein neuer Ansatz für eine europäische Raumfahrtpolitik

    2.1

    In den vergangenen zehn Jahren haben die europäischen Institutionen und nationale Arbeitsgruppen in zunehmendem Maße eine Debatte über neue Wege hin zu einer künftigen europäischen Raumfahrtpolitik geführt.

    2.2

    Im April 2007 hat die Europäische Kommission in enger Zusammenarbeit mit der ESA (3) eine Mitteilung zur Raumfahrtpolitik (4) vorgelegt, die durch eine Folgenabschätzung und ein umfassendes Programm geplanter Vorhaben der ESA, der Kommission und der Mitgliedstaaten ergänzt wird.

    2.3

    Am 22. Mai 2007 hat der Weltraumrat (5), gestützt auf die Mitteilung der Kommission, eine Entschließung zur europäischen Raumfahrtpolitik verabschiedet.

    2.4

    Das verstärkte Interesse, das in diesen Papieren zum Ausdruck kommt, wird durch verschiedene weltweite Entwicklungen und europäische strategische Ziele genährt:

    potenzielle Nutzbarkeit weltraumbasierter Dienste für alle möglichen Themengebiete sowie als Hilfsmittel zur Unterstützung der Gemeinschaftspolitik in verschiedenen Bereichen, wie Umwelt, Sicherheit, Verkehr, Forschung, Entwicklungshilfe, Zusammenhalt und Bildung, und zwar ergänzend zur Forschung;

    weiterhin bestehender Bedarf eines unabhängigen Zugangs zum Weltraum für Europa als Vorbedingung einer gemeinschaftlichen Raumfahrtpolitik;

    wachsende Zahl (neuer) internationaler Akteure in diesem Bereich und Notwendigkeit, dass Europa in vollem Umfang sowohl als Partner als auch als Mitbewerber auftritt;

    Raumfahrt als Quelle für Innovation, industrielle Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftswachstum;

    Stärkung der wissenschaftlichen Infrastruktur, wissensbasierte Gesellschaft und Lissabon-Ziele;

    Notwendigkeit der Anwendungsbezogenheit der europäischen Forschung;

    neue und ergänzende Beiträge der Raumfahrttechnik zu terrestrischen Technologien und Anwendungen;

    Bedeutung der Raumfahrt für die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik;

    verschwimmende Grenzen zwischen zivilen und militärischen Anwendungen der Raumfahrttechnik;

    Bewusstsein, dass die Mitgliedstaaten für sich alleine den nötigen Anforderungen einer überzeugenden Raumfahrtpolitik nicht gerecht werden können;

    daraus folgend die Notwendigkeit, die raumfahrtpolitischen Aufgaben und Mandate der europäischen Institutionen und Organisationen klar zu definieren.

    2.5

    Die Europäische Kommission legte 2003 und 2004 ein Grün- und ein Weißbuch zur Raumfahrtpolitik vor. In beiden wird eine künftige Raumfahrtpolitik umrissen. Sie enthielten viele z.T. weitreichende Elemente, die in der vorgenannten Mitteilung weiter ausgearbeitet wurden.

    2.6

    In seiner Entschließung vom 22. Mai bekräftigte der Rat, der Raumfahrtsektor sei für Europa von strategischer Bedeutung und ein wichtiger Beitrag zur Unabhängigkeit, Sicherheit sowie zum Wohlstand und der internationalen Rolle Europas. Die Intensivierung der europäischen Zusammenarbeit im Hinblick darauf, weltraumbasierte Dienstleistungen zum Nutzen der Bürger zu erbringen, sei von zentraler Bedeutung. Der Rat sah die Raumfahrtpolitik im Zusammenhang mit der Lissabon-Strategie und betonte ihre Bedeutung für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik.

    2.7

    In der Entschließung des Rates wird der geplante Aufbau eines europäischen Forschungsraums hervorgehoben und die Zusammenarbeit zwischen der ESA und der Europäischen Kommission bekräftigt. Diese Zusammenarbeit soll der Effizienz, einer besseren Finanzierung europäischer Programme und einer engeren Verknüpfung von Technologie und Anwendungen zugute kommen. Das Verhältnis zwischen der ESA und der Europäischen Kommission wird sich je nach den künftigen Erfahrungen weiterentwickeln. Die Frage der Ko-Finanzierung der bereits bestehenden Basisinfrastrukturen (Kourou, Darmstadt) ist jedoch offen.

    2.8

    Ein zentraler Aspekt ist die Zusammenarbeit und die Arbeitsteilung zwischen ESA und Kommission. Die ESA ist führend auf dem Gebiet der Erforschung und Technologie, und die Kommission wird für Anwendungen im Zusammenhang mit ihren Politikbereichen zuständig sein, wie z.B. Verkehr, Umwelt, Sicherheit und Beziehungen zu Drittländern, sowie für die Ermittlung der Anforderungen nichtstaatlicher Nutzer an verbesserte Dienste.

    2.9

    Die Kosteneffizienz der Programme der öffentlichen Hand wird zur Wettbewerbsfähigkeit privater Industrie- und Handelsunternehmen beitragen. Insbesondere die KMU und die Zulieferindustrie sind von Bedeutung. Der Rat erkennt gleichzeitig die Industriepolitik der ESA an, insbesondere ihren Grundsatz des „Fair Return“, weil er ein gutes Mittel ist, um Investitionen anzuregen und die europäische Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.

    2.10

    Zweifellos hat die Entschließung vom vergangenen Mai eine neue Phase eingeleitet, die von vielen führenden Akteuren sehr begrüßt wurde (6).

    3.   Allgemeine Bemerkungen

    3.1

    Die Welt der Raumfahrt wandelt sich rasch. Der EWSA hat im vergangenen Jahrzehnt das Grün- und das Weißbuch der Kommission zur Raumfahrtpolitik begrüßt (7). Auch in diesem Zusammenhang befürwortet der EWSA nachdrücklich die neuen Schritte des Rates, der Kommission und der ESA vom vergangenen Mai. Es ist bezeichnend, dass der raumfahrtpolitische Durchbruch zu Beginn des 21. Jahrhunderts stattfindet: Eine neue Ära beginnt.

    3.2

    Globale Entwicklungen in der Raumfahrt haben mehr und mehr strategische und technologische Auswirkungen.

    3.2.1

    Die Raumfahrtpolitik wird eindeutig wichtiger, wenn nicht gar unerlässlich für terrestrische Ziele. Mit anderen Worten: Raumfahrtanwendungen sind von grundlegender Wichtigkeit für die Verwirklichung wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Ziele für ein zusammenwachsendes Europa.

    3.2.2

    Im Bereich Wissenschaft und Forschung sind bei der astronomischen und der Planetenforschung Fortschritte zu verzeichnen. Die ESA profitiert von bestehenden Netzen, die sie durch schwerpunktorientierte Programme und „Peer-Reviews“ ergänzt. Der militärische Sektor arbeitet im Gegensatz zur Welt der Wissenschaft nach wie vor in einem nationalen Rahmen.

    3.2.3

    In strategischer Hinsicht muss Europa darauf bedacht sein, seine Unabhängigkeit gegenüber den USA und Russland und in zunehmendem Maße auch gegenüber China und Indien und anderen Weltraumstaaten, die gleichzeitig alle Partner und Wettbewerber im All sind, zu sichern. Allgemeiner gesagt, sollte die Stellung Europas in der Welt der Ausgangspunkt jeder Raumfahrtpolitik sein.

    3.3

    Die Entschließung des Weltraumrates vom 22. Mai 2007 und die begleitenden Dokumente, wie z.B. die Mitteilung der Kommission von 2007, die dazugehörige Folgenabschätzung, die Verlautbarung des ESA-Generaldirektors sowie die vorläufigen Elemente eines gemeinsamen europäischen Programms unter Einbeziehung der ESA, der Kommission und der Mitgliedstaaten sind angesichts folgender Aspekte ein wichtiger Schritt nach vorne:

    Von Anfang an galten die Binnenmarktvorschriften aufgrund nationaler Strategiekonzepte, Programme und militärischer Anforderungen nicht für die Raumfahrt.

    Es bestanden erhebliche Unterschiede zwischen nationalen Interessen, finanziellen Verpflichtungen, technologischen Zielen und industrieller Leistung.

    Nationalspezifische Industriestrukturen sind daher oftmals vorherrschend.

    3.4

    Mit dem Rahmenabkommen zwischen der ESA und der Europäischen Union von 2003 (8) wurde der Grundstein für abgestimmte Planungen und Maßnahmen in der EU und der ESA gelegt. Jetzt stellt der Rat einen umfassenden Ansatz auf, der eine bessere Koordinierung und wirkungsvollere Durchführung einzelner Projekte ermöglichen soll, seien sie nationaler, zwischenstaatlicher oder europäischer Art.

    3.5

    Aus Sicht des EWSA sind folgende Elemente wichtig: der wachsende Konsens und eine gemeinsame Vision der Mitgliedstaaten; die Bekräftigung der Zusammenarbeit zwischen Kommission und ESA und die Kompetenzverteilung zwischen diesen beiden Organen als Basis für eine verstärkte Finanzierung durch die EU; eine bessere Abstimmung von FuE und Anwendungen und vor allem die feste Absicht, die Nutzeranforderungen an die oberste Stelle zu setzen; öffentlich-private Partnerschaften sowie die im Rahmen einer europäischen Raumfahrtpolitik als Priorität zu behandelnden „Flaggschiffe“ GALILEO und GMES (9).

    3.6

    Es ist allerdings zu bedenken, dass die beabsichtigten Schritte Teil eines länger dauernden Prozesses sind, der sicherlich noch lange nicht abgeschlossen ist. Konkrete Projekte und Finanzierungsflüsse müssen noch ausgearbeitet werden.

    3.7

    Der Gesamthaushalt für Raumfahrtvorhaben der ESA, von EUMETSAT und der Mitgliedstaaten belief sich 2005 auf 4,8 Mrd. EUR (ohne Europäische Kommission) (10). Die Europäische Kommission wird über ihr Siebtes Forschungsrahmenprogramm im Zeitraum 2007-2013 über gesicherte 1,4 Mrd. EUR für Raumfahrtanwendungen und -aktivitäten ausgeben. Die weltweiten Raumfahrtausgaben liegen bei 50 Mrd. EUR. Die einschlägigen Haushaltsmittel der USA belaufen sich auf ca. 40 Mrd. EUR, von denen mehr als 50 % in militärische Vorhaben fließen. Außerdem steht hinter dem Mitteleinsatz der Amerikaner eine allamerikanische Denkweise, die Auswirkungen auf die Zusammenarbeit der verschiedenen Institutionen und Unternehmen hat (11). Vor allem sind die USA ein geschlossener Markt, der groß genug ist, die US-amerikanische Raumfahrtindustrie zu tragen, ohne dass diese sich erfolgreich auf dem internationalen kommerziellen Markt behaupten muss.

    3.8

    In Europa sind die Raumfahrtaktivitäten ein Mix aus europäischen (zwischenstaatlichen und gemeinschaftlichen) und nationalen Programmen. Die Tätigkeit der ESA geht über die bloße Projektkoordinierung hinaus und hat sich bisher als außerordentlich erfolgreich erwiesen; ESA ist eine FuE-Organisation, die große erfolgreiche Infrastrukturen auf europäischer Ebene entwickelt. Zu den bedeutenden europäischen Raumfahrtakteuren der ESA zählen Arianespace, EUMETSAT und Eutelsat. Daneben haben einige Mitgliedstaaten eigene Programme, die auf nationalen politischen und technologischen Traditionen und Zielen und dementsprechend auf nationalen Kapazitäten, Vernetzungen und Anwendungen basieren. Die europäische Struktur besteht aus einem komplizierten Geflecht gemeinschaftlicher und nationaler Programme.

    3.9

    Es ist davon auszugehen, dass neue Mitgliedstaaten der ESA beitreten möchten, wodurch die Zahl der Mitgliedsländer von 17 auf 22 (12) steigen würde. Bestehende wissenschaftliche Kompetenzen und mögliche Verstärkungen von Wirtschaftsclustern sollten sinnvoll genutzt werden.

    3.10

    Eine Überschneidung von nationalen Programmen und ESA-Programmen ist gut möglich. Projekte mit militärischen Zielen bleiben bisher auf vorwiegend nationaler Ebene. So kann es durch die verschwimmenden Grenzen zwischen Technologien für militärische und zivile Zwecke auch zu Ineffizienzen kommen. Der neue umfassende Ansatz kann im Sinne von mehr Konvergenz hilfreich sein.

    3.11

    Die Finanzmittel beziehen sich auf Infrastruktur und Datenerfassung. Je besser die Verbindungen mit den Unternehmen und den Marktkräften organisiert sind, desto umfassender sind die Multiplikatoreffekte durch Anwendungen und Dienstleistungen. In diesem Zusammenhang ist EUMETSAT (der Betreiber von Wettersatelliten) ein anschauliches Beispiel, das auch in anderen Bereichen als nützliches Modell dienen könnte.

    3.12

    Angesichts der schwierigen Haushaltslage ist es angebracht, dass sich Europa auf Prioritäten konzentriert und uneingeschränkt offen für eine internationale Zusammenarbeit ist. Eine internationale Zusammenarbeit bietet einen großen Zusatznutzen mit oftmals beträchtlichen Multiplikatoreffekten. Damit es neben Drittstaaten aber als gleichwertiger Partner bestehen kann, muss Europa in seinen Kapazitäten neben den Prioritäten ausreichende Grunderfordernisse erfüllen. Sinnvollerweise sollten solche Erfordernisse gemeinsam vereinbart werden, und anschließend sind Investitionen in ausreichender Höhe vorzunehmen.

    3.13

    Der EWSA unterstützt in einer kürzlich veröffentlichten Stellungnahme vorbehaltlos GALILEO, das europäische Satellitensystem zur weltweiten Navigation (13). Durch GALILEO werden präzisere weltumspannende Zeitbestimmungs- und Ortungsdienste für zivile Anwendungen in einer Vielzahl von Bereichen bereitgestellt. Das System ist dem derzeitigen amerikanischen GPS (Global Positioning System) vergleichbar, wird aber darüber hinaus gehende Leistungsmerkmale haben.

    3.13.1

    Mit GALILEO unterstreicht Europa seine Stellung als unabhängiger Akteur im Weltraum.

    3.13.2

    Der EWSA begrüßt den Beschluss des Rates zur Finanzierung von GALILEO und die Festlegung der Programme. Diese Programme sollten möglichst zügig umgesetzt werden, um günstige Bedingungen für nachgelagerte Wirtschaftsbereiche zu schaffen (14).

    3.13.3

    Neben den Hindernissen für eine bestehensfähige öffentlich-private Partnerschaft, die in der Regel ohnehin schon kompliziert zu bewerkstelligen ist, gibt es noch eine Reihe anderer offener Fragen, die dringend beantwortet werden müssen, um eine effektive Mitwirkung privater Partner zu erreichen.

    3.14

    Neben den existierenden Diensten wird GMES ein Paket ineinander greifender Dienste auf der Grundlage von Erdbeobachtung bereitstellen, die immer unentbehrlicher werden. GMES „wird Europas Überwachungs- und Bewertungskapazität im Bereich der Umweltpolitik verbessern und einen Beitrag zur Lösung von Sicherheitsfragen leisten“ (15). Weltweite dynamische Entwicklungen zeigen, in welchem Maße neue Instrumente erforderlich sind, um den neuen Herausforderungen in Fragen der Umwelt, des Klimawandels, der Gesundheit und der individuellen und kollektiven Sicherheit gerecht zu werden.

    3.14.1

    Diese Herausforderungen betreffen viele Bereiche, von Naturkatastrophen und Krisen über klimarelevante Auswirkungen, wie z.B. Treibhausgasemissionen und Luftverschmutzung, bis hin zu Katastrophenschutz und Grenzkontrolle.

    3.14.2

    Die relevanten Anwendungen auf diesem Gebiet sind nutzerorientiert — für Nutzer aus sehr unterschiedlichen Bereichen, u.a. politische Entscheidungsträger, öffentliche Dienste, Unternehmen und Bürger — was deutlich macht, dass eine bessere Koordinierung zwischen der ESA, der Kommission und den Mitgliedstaaten erforderlich und eine Erfassung der Bedürfnisse durch die Kommission wünschenswert ist.

    3.14.3

    Die GMES-Dienste werden auch der Entwicklung und Umsetzung verschiedener EU-Politikbereiche zugute kommen. Angesichts des zu erwartenden Zusatznutzens von GMES sind in der Haushaltsführung (2009) operative Mittel für Dienste und Raumfahrtanwendungen vorzusehen, die EU-Politiken unterstützen.

    3.14.4

    Auch im Fall der GMES-Infrastruktur ist es eine staatliche Aufgabe, für eine zuverlässige und dauerhafte Datenerfassung zu sorgen. In der Folge müssen Bedingungen für die Beteiligung privater Unternehmen festgelegt werden.

    3.15

    GALILEO, GMES und die anderen Programme zeigen allesamt, dass die Raumfahrtpolitik die Stufe der Praxisanwendung erreicht und moderne Technologien und Anwendungen unterstützt, die neue Methoden der Analyse, Vorauserkennung und Lösung gesellschaftlicher Fragestellungen ermöglichen werden.

    3.16

    Es ist von großer Bedeutung, dass die europäische Raumfahrtpolitik für alle Mitgliedstaaten, einschließlich der kleineren und der neuen, nutzbringend ist. Dass alle Mitgliedstaaten mitziehen, liegt auch im Interesse der EU insgesamt.

    3.17

    Die neuen Mitgliedstaaten werden sicher von den Anwendungen profitieren. Darüber hinaus sollten Wege gefunden werden, die es ihnen ermöglichen, ihre vorhandenen wissenschaftlichen Kompetenzen und ihre spitzentechnologischen industriellen Kapazitäten einzubringen, damit sie mit bestmöglichem Nutzen dabei sind.

    4.   Beschlussfassungswege

    4.1

    Der Weltraumrat trat zum ersten Mal im November 2004 zusammen, um ein europäisches Zusammenwirken und europäische Raumfahrtprogramme zu erörtern und zu fördern. Der EWSA hofft und vertraut darauf, dass die Wegweisungen des Rates vom vergangenen Mai den wünschenswerten Kontext für eine Raumfahrtpolitik schaffen, die den europäischen Ambitionen entspricht.

    4.2

    Bessere institutionelle Bestimmungen sind immer unerlässlich für Fortschritt. In diesem Zusammenhang begrüßt der EWSA das zunehmende Interesse des Rates und der Kommission an Raumfahrtvorhaben sowie die beabsichtigte, genau festgelegte Zusammenarbeit und Kompetenzverteilung zwischen ESA und Kommission.

    4.3

    Der Weltraumrat ist das wünschenswerte Forum für Diskussionen über zwischenstaatliche und gemeinschaftliche Ansätze, die wirksam miteinander verbunden werden müssen.

    4.4

    Die Aufnahme des „Weltalls“ in die gemeinschaftlichen Politikbereiche und das Siebte Rahmenprogramm für Forschung und Entwicklung (7. FRP) mit einem eigenen Kapitel „Raumfahrtpolitik“ muss durch die geplante Einbindung aller betroffenen Generaldirektionen sichtbar gemacht werden. Dieses integrale Zusammenwirken schafft auch eine breitere Grundlage für strategisches Denken. Die im neuen Vertrag vorgesehene ausdrückliche Zuständigkeit der EU für die Raumfahrt wird sicher hilfreich sein.

    4.5

    Die Rechtsordnung, ein häufig übersehenes Element, erfordert besonderes Augenmerk. Im Falle der USA bezieht sich die bestehende Rechtsordnung nur auf ein einziges Staatswesen und ist daher der natürliche Rahmen für konkrete Aktivitäten und die dazugehörigen Regelungen. In dem komplizierten europäischen Rahmen — ESA, Kommission, souveräne Mitgliedstaaten — fehlt hingegen eine gut strukturierte Rechtsordnung, und das hat kontraproduktive Auswirkungen. Angesichts der Zunahme raumfahrtbezogener Vorhaben in der EU kann auf einen kohärenten und logischen Rechts- und institutionellen Rahmen noch weniger verzichtet werden.

    4.6

    Die Verantwortung der Kommission für die Anwendungen und die Einbeziehung mehrerer Generaldirektionen wird sich positiv auf die Debatte und die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft auswirken, und es werden sich neue Wege für nutzerorientierte Projekte auftun.

    4.7

    Gesondert zu erwähnen ist die Bestimmung des Vertrags von Lissabon, derzufolge der Hohe Vertreter für die Außen- und Sicherheitspolitik auch Vizepräsident der Kommission sein wird.

    4.8

    Einer der Hauptgründe, der für eine europäische Raumfahrtpolitik spricht, ist, dass ein strategisches Denken der Kommission sich vorteilhaft auf integrierte Konzepte auf einzelstaatlicher Ebene auswirken wird, an denen es bisher oft mangelt. Durch die Einbeziehung der Generaldirektionen der Europäischen Kommission wird auch die Vernetzung mit den (potenziellen) Nutzern in den nationalen Verwaltungen gefördert.

    4.9

    Aus dem gleichen Grund ist die Einrichtung eines GMES-Büros in der GD Unternehmen mit koordinierender Aufgabe stark zu begrüßen.

    4.10

    Durch die Mitwirkung der Kommission erhält die Raumfahrtpolitik einen Platz unter den übrigen Gemeinschaftspolitiken. Dies wird den „Segnungen der Weltraumtechnik“ zu einem besseren Image bei den Bürgern verhelfen.

    4.11

    Die Welt der Raumfahrt ist bisher zu stark isoliert gewesen und nicht gut vermittelt worden. Im Mittelpunkt einer wirksamen Kommunikation durch die Kommission und den Rat sollte die Bedeutung des Weltraums für die Gesellschaft stehen. Gezielte Informationskampagnen sollten auch eine positive Einstellung junger Leute zur Raumfahrt bewirken und ihnen allgemein Anreize geben, ein naturwissenschaftliches und/oder technisches Studium aufzunehmen.

    4.12

    Der EWSA betont, dass die systematische und rundum transparente Bewertung und korrekte Durchführung von großer Bedeutung sind. Die komplexen Beziehungen zwischen Forschungszentren, Behörden der EU und der Mitgliedstaaten sowie privaten Unternehmen und die komplizierten finanziellen und organisatorischen Vorkehrungen machen eine Überwachung erforderlich. In einer dynamischen Wechselbeziehung wird eine effektive Kontrolle zu Transparenz und möglicherweise zu einer Vereinfachung und zu neuen Sichtweisen und Projekten sowie deren Finanzierung führen.

    5.   Angemessener Mittelrückfluss und Privatwirtschaft

    5.1

    Die strategischen Konzepte und Programme in den Mitgliedstaaten, das jeweils spezifische einzelstaatliche Verhältnis zur Privatwirtschaft, die zwischenstaatliche Zusammenarbeit innerhalb der EU und mit Drittstaaten sowie die technologieorientierte ESA als zwischenstaatliche Organisation sind die Erklärung für das Prinzip des angemessenen Mittelrückflusses („fair return“): Jedes Land erhält das, was es an Investitionen in die ESA-Aktivitäten gesteckt hat, nach einem komplizierten Muster aus Subskriptionen und Konzessionen in Form von Aufträgen für seine Industrie zurück. Unter den gegenwärtigen Umständen ist die Industriepolitik der ESA erfolgreich.

    5.2

    Das Beziehungsgeflecht zwischen Regierungen, Forschungsinstituten, der ESA und Privatunternehmen ist entsprechend tief verwurzelt, dies auch weil das Weltraumsegment ein limitierter und hoch spezialisierter Markt ist.

    5.3

    Entwicklungen von entscheidender Bedeutung ist Rechnung zu tragen:

    der Notwendigkeit einer stärkeren globalen Präsenz Europas,

    der Nutzung des „Universums“ für zivile Zwecke und friedliche Ziele, einschließlich der kollektiven Sicherheit,

    der politischen und finanziellen Beteiligung der EU und der Kommission auf vielen verschiedenen Gebieten,

    der stärkeren Schwerpunktsetzung auf Anwendungen und Nutzerbedürfnissen, d.h. dem Wechsel von der Schubkraft der Technologie zu der Zugkraft des Marktes,

    der veränderten Rolle der Privatwirtschaft.

    5.4

    Der Rat spricht sich im Fall der ESA für die Beibehaltung des Grundsatzes des angemessenen Mittelrückflusses aus. Die Interessen der ESA-Mitgliedstaaten stimmen in dieser Frage nicht in jeder Hinsicht überein. Dazu ist festzustellen, dass sich der Grundsatz des angemessenen Mittelrückflusses durch eine flexiblere Handhabung gegenüber früher bereits gewandelt hat und Schritt für Schritt eine modernere Form erhält. Aus Sicht des EWSA sollte dieser Grundsatz insbesondere genügend Flexibilität entwickeln, um hoch spezialisierte, (noch) vorwiegend national tätige Mittelstandsunternehmen angemessen zu beteiligen.

    5.5

    Bei einer Beteiligung und Mitfinanzierung durch die Kommission gelten derzeit die EU-Binnenmarktvorschriften, d.h. die Wettbewerbspolitik und die Rechtsvorschriften zum öffentlichen Auftragswesen. Der EWSA befürwortet, dass die Kommission geeignete Instrumente und Finanzierungsregeln für Gemeinschaftsmaßnahmen auf dem Gebiet der Raumfahrt entwickelt, die den Besonderheiten des Raumfahrtsektors Rechnung tragen und eine ausgewogene Industriestruktur der Mitgliedstaaten in der Raumfahrt ermöglichen.

    5.6

    Ein wichtiger, zu beachtender Punkt ist die Bedeutung der KMU für die Diensteentwicklung. Es muss unterschieden werden zwischen Großunternehmen, häufig mit internationaler Geschäftstätigkeit, und zahlreichen spezialisierten, vorwiegend national tätigen Mittelstandsunternehmen, die sich Chancen durch die europäische Raumfahrt versprechen. Konsortien kleiner und mittelständischer Raumfahrtunternehmen brauchen Unterstützung.

    5.6.1

    Die Bedeutung spezialisierter Mittelstandsunternehmen nimmt stetig zu (16). Diese Tendenz wird sich in diesem Sektor wahrscheinlich noch durch die Konzentration auf die Zugkraft des Marktes und die Nutzerbedürfnisse sowie durch die dynamische Einbeziehung kleinerer Unternehmen in die Diensteentwicklung verstärken. Die Ablauf- und Projektplanung wird immer häufiger in Zusammenarbeit mit mittelgroßen Unternehmen erfolgen.

    5.6.2

    Bis heute war die Raumfahrtpolitik weitgehend abgespalten von anderen Wirtschaftsbereichen. Die Änderung der Schwerpunktlegung — der horizontale Ansatz — sowie die Zusammenarbeit zwischen ESA und Kommission werden zur Verknüpfung von Technologie, öffentlichen Investitionen und Privatwirtschaft beitragen. Die Erfahrung von EUMETSAT und dem damit verbundenen Ausbau operativer Dienste kann für GMES von praktischem Nutzen sein.

    5.6.3

    Im Bereich Satelliten wären Unternehmensplanung, Marketing und Kommerzialisierung möglicherweise nutzbringend. Die Vernetzung mit dem Mittelstand wird intensiver werden.

    5.7

    Weltraumgestützte und terrestrische Systeme sollten integriert werden, wie es bei GMES vorgesehen ist. Intelligente Sensorennetze können weiter ausgebaut werden.

    5.8

    Die Einbeziehung der Industrie erfordert eine präzise Definition der Nachfrage in der EU. Zur verstärkten Konzentration auf Dienste und Nutzerbedürfnisse gehört neben Forschung, Datenerfassung und Infrastruktur eine fortlaufende Feinabstimmung zwischen Wissenschaft und Anwendungen in ganz Europa (17).

    5.9

    Anwendungen erfordern aber, wie bereits ausgeführt, eine Unterstützung der technischen Entwicklung. Eine viel versprechende Plattform zur Ermittlung zweckmäßiger Technologien ist unter anderem die „European Space Technology Platform (ESTP)“ (18), in der Akteure aus Wissenschaft und Industrie zusammenwirken. Sie soll die langfristige, strategische Forschungsagenda festlegen. Über ESTP könnten auch Verbindungen zu anderen Industriebereichen und Gebieten hergestellt werden.

    5.10

    Dank des Grundsatzes des angemessenen Mittelrückflusses konnten die Fähigkeiten Europas in der Raumfahrt bisher erfolgreich entwickelt werden. Je ausgereifter der Raumfahrtmarkt jedoch wird, desto mehr Flexibilität ist nötig, denn starre Beziehungsmuster sind industrieller Innovation grundsätzlich abträglich. Angesichts der Zugkraft des Marktes, der Nutzerbedürfnisse und der Dienstleistungsentwicklung dürften vor allem Mittelstandsunternehmen in der Lage sein, angemessen auf die neuen Anforderungen und Möglichkeiten der europäischen Raumfahrtpolitik zu reagieren.

    5.10.1

    In dieser Hinsicht ist auch den großen Ungleichheiten der nationalen ESA-Beiträge, insbesondere im Fall der neuen Mitgliedstaaten und der kleineren Länder sowie der Nicht-EU-Länder (der ESA), Rechnung zu tragen.

    5.11

    Daher tritt der EWSA für eine offene, transparente Analyse und einen Dialog über die Frage ein, welches Maß an Leistungsfähigkeit Europa in zehn Jahren erreicht haben will, um seine Position in der Welt zu erhalten und zu verbessern: Welche Ziele und entsprechenden institutionellen Instrumente — im Hinblick auf die ESA, die Kommission und die Mitgliedstaaten — sind nötig, um eine gemeinsame, konzertierte europäische Mission zu erfüllen, einschließlich eines dynamischen Beitrags mittelständischer Unternehmen und der Gewährleistung eines möglichst hohen Wettbewerbsniveaus?

    5.12

    Bei dieser Analyse und in dem Dialog sollte auch die Art der Finanzierung der ESA berücksichtigt werden, insbesondere die Auswirkungen optionaler Beiträge sowie die Frage, wie Verfahrensweisen sowie eine fortschreitende Integration der Nutzung von Raumfahrtdiensten in den EU Binnenmarkt aussehen sollen. Für die Bereiche, an denen sich die Generaldirektionen der Kommission beteiligen werden, sind besondere Finanzierungsregeln und entsprechende Kostenschlüssel zu entwickeln.

    5.13

    Auch eine moderne branchenbezogene Industriepolitik, wie sie die Kommission für verschiedene Wirtschaftszweige entwickelt, wäre hilfreich, sofern die spezifischen Merkmale der Raumfahrt berücksichtigt werden. Dazu gehören der Bedarf an öffentlich finanzierten Technologien und Infrastrukturen, die Entwicklung von Prototypen, das Nichtvorhandensein eines wirklichen Marktes in verschiedenen Segmenten sowie die aktive, vom Staat geführte und finanzierte raumfahrtbezogene Industriepolitik der USA und anderer Länder.

    5.14

    Als erster Schritt ist es dringend erforderlich, dass die Entscheidungsträger die industriepolitischen Ambitionen Europas gegenüber der Wirtschaft konkretisieren.

    6.   Verteidigung und Sicherheit

    6.1

    In der Entschließung des Rates wird die Bedeutung der Raumfahrt für Verteidigung und Sicherheit herausgestellt. Eine gemeinsame Strategie für die militärische Leistungsfähigkeit Europas wird zunehmend diskutiert.

    6.2

    Diese Debatte steht im Zusammenhang mit dem wünschenswerten Fortschritt einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Der EWSA begrüßt die mehr und mehr anerkannte Folgerung, dass die Sicherheit nicht länger ein separater Politikbereich sein sollte, sondern ein Mix aus Politiken, die von den und innerhalb der europäischen Institutionen durchgeführt werden (19).

    6.3

    Zudem muss berücksichtigt werden, dass sich die Grenzen zwischen zivilen und militärischen Anwendungen verwischen. Daher sollten die Möglichkeiten der beiden Sektoren herausgestellt werden, Bedürfnisse des jeweils anderen Sektors zu erfüllen. Militärische Systeme können von zivilen europäischen Raumfahrtvorhaben profitieren, wenn Dual-Use-Effekte zivilen und militärischen Anwendungen zugleich zugute kommen.

    6.4

    Zurzeit fallen Verantwortung, Entscheidungsfindung und Haushaltsaufstellung im Bereich Sicherheit noch uneingeschränkt in die nationale Zuständigkeit, und zu Synergien zwischen den verschiedenen Ländern kommt es nur selten, auch wenn einige Vorhaben im Verteidigungsbereich in einem europäischen Rahmen koordiniert werden. Es gibt verschiedene Möglichkeiten für die Zukunft, von einer losen europäischen Zusammenarbeit bis zu einem vollwertigen gemeinsamen europäischen Modell.

    6.5

    Der EWSA ist der Auffassung, dass aus sicherheitspolitischen, technischen und haushaltsmäßigen Gründen ein Anstoß zur Planung künftiger Systeme gegeben werden sollte, die die europäischen Länder zusammenführen.

    6.6

    Das nationale Motiv der Sicherheit ist tief verwurzelt. Ausgehend von einer gemeinsamen Zielsetzung für die Zukunft und unter Berücksichtigung der unausweichlichen globalen Entwicklungen können konkrete Projekte begonnen werden, so dass das aus der Erfahrung gewonnene Wissen Fortschritte ermöglicht.

    6.7

    Um eine unnötige Doppelarbeit zu vermeiden, könnten Spezialisierung und Arbeitsteilung Bestandteile dieser Planung sein (20). Zudem sollten Forschungsprogramme eingerichtet werden, die zur Entwicklung der technischen Fähigkeiten beitragen.

    6.8

    In diesem Zusammenhang kann die EDA (21) als einer der Beteiligten mehr Spielraum erhalten, um spezielle Zuständigkeitsbereiche zu entwickeln, wie z.B. die Definition von Einsatzfähigkeiten, das Vorschlagen von Entwicklungsprogrammen sowie die Koordinierung nationaler Verteidigungs- und Weltraumorganisationen und der ESA.

    6.9

    In dem neuen Vertrag werden ebenfalls verstärkte Initiativen der Kommission und des Rates zur Förderung der Sicherheitsforschung in Aussicht gestellt, wobei mögliche, daraus resultierende Überschneidungen und Doppelgleisigkeiten vermieden werden sollten.

    6.10

    Für solche Entscheidungen sind Vorarbeiten und anschließend das Engagement des Weltraumrates und des Rates Allgemeine Angelegenheiten erforderlich. Durch den neuen Vertrag eingeführte institutionelle Verbesserungen werden sich positiv auswirken.

    Brüssel, den 13. Februar 2008.

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Dimitris DIMITRIADIS


    (1)  Europäische Weltraumorganisation.

    (2)  Die ESA betreibt eine eigenständige Industriepolitik, die in Form und Inhalt nicht mit der branchenbezogenen Industriepolitik der Kommission verwechselt werden darf.

    (3)  Die ESA (European Space Agency) ist eine vollständig unabhängige Organisation. Sie hat derzeit 17 Mitgliedstaaten. Nicht alle ESA-Mitgliedstaaten sind Mitglieder der EU, und nicht alle EU-Mitgliedstaaten sind Mitglieder der ESA. Die ESA wird von diesen Mitgliedstaaten, aufgeteilt in ein „Pflichtprogramm“ und in optionale Programme, gemeinsam finanziert.

    (4)  KOM(2007) 212 endg.

    (5)  Der Rat „Wettbewerbsfähigkeit“ und der ESA-Rat auf Ministerebene, der Grundsatzentscheidungen über die ESA-Politik trifft, treten als gemeinsamer „Weltraumrat“ zusammen.

    (6)  Die Pressemitteilungen der Europäischen Kommission und der ESA in Bezug auf die Ergebnisse des Weltraumrates vom 22. Mai 2007 haben u.a. folgende Titel: „Weltraumrat begrüßt historische europäische Weltraumpolitik“ und „Jetzt gibt es wirklich eine europäische Raumfahrtpolitik“.

    (7)  Stellungnahme des EWSA zur Mitteilung der Kommission „Die europäische Luft und Raumfahrtindustrie — Antworten auf die globalen Herausforderungen“ (Berichterstatter: Herr SEPI), ABl. C 95 vom 30.3.1998, S. 11.

    Stellungnahme des EWSA zum „Grünbuch — Europäische Raumfahrtpolitik“ (Berichterstatter: Herr BUFFETAUT), ABl. C 220 vom 16.9.2003, S. 19.

    Stellungnahme des EWSA zum „Aktionsplan für die Durchführung der europäischen Raumfahrtpolitik“ (Berichterstatter: Herr BUFFETAUT), ABl. C 112 vom 30.4.2004, S. 9.

    (8)  Mit dem EK-ESA-Rahmenabkommen vom Oktober 2003 werden Arbeitsmethoden und ein engerer Kontakt zwischen der ESA und der Europäischen Kommission eingeführt.

    (9)  Global Monitoring for Environment and Security (Globale Umwelt- und Sicherheitsüberwachung).

    (10)  ESA 2 485 Mio. EUR, EUMETSAT 330 Mio. EUR, Mitgliedstaaten (Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien) 1 190 Mio. EUR (zivil) und 790 Mio. EUR (militärisch).

    (11)  Andererseits darf die Effizienz eines Gesamtkonzepts der Amerikaner und einer zentralen Organisation auch nicht überschätzt werden. Die einzelnen Bundesstaaten und Unternehmen nehmen über ihre jeweiligen Vertreter auf dem Capitol Hill und ihre eigenen Lobbygruppen und Netzwerke Einfluss auf Vertragsgestaltung und Ziele. Auch die NASA leidet unter Bürokratie und ihrer Monopolstellung.

    (12)  Einschließlich der Teilnahme von zwei Nicht-EU-Staaten: Schweiz und Norwegen.

    (13)  Stellungnahme des EWSA zum Grünbuch zu Anwendungen der Satellitennavigation (Berichterstatter: Herr BUFFETAUT), CESE 989/2007 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht). In der Stellungnahme werden u.a. einige Aspekte behandelt, die nach Ansicht des EWSA in dem Grünbuch hätten aufgegriffen werden sollen.

    (14)  Eine in dieser Hinsicht neue Entwicklung ist, dass die europäische — nachgelagerte — Industrie sich in „Galileo Services“ (GS) und im Europäischen Verband der Fernerkundungsgesellschaften (European Association of Remote Sensing Companies, EARSC) organisiert.

    (15)  Mitteilung der Europäischen Kommission „Europäische Raumfahrtpolitik“, S. 6.

    (16)  Siehe Stellungnahme des EWSA zum Thema „Entwicklung der Wertschöpfungs- und Lieferketten: europäische und globale Tendenzen“ (Berichterstatter: Herr van IERSEL), CESE 599/2007.

    (17)  In einem Schreiben der ASD-Eurospace vom 20. Juli 2007 an Kommissionsmitglied Verheugen und Herrn Dordain von der ESA heißt es sinngemäß: „… wir müssen aufhören, den doppelten Monolog zu führen, bei dem die Industrie die Institutionen auffordert, ihre Anforderungen zu definieren, und die Institutionen die Industrie auffordern, Dienste vorzuschlagen, die ihren Anforderungen gerecht werden.“

    (18)  Europäische Plattform für Weltraumtechnologie, eine kombinierte Plattform der wichtigsten Beteiligten, darunter u.a. die teilnehmenden EU-Staaten, ESA, die europäische Raumfahrtindustrie (mehr als 100 Unternehmen) und Eurospace, Forschungsinstitute und Hochschulen, nationale Raumfahrtorganisationen und 21 weitere Organisationen.

    (19)  In einem Bericht der in Paris ansässigen Fondation pour la Recherche Stratégique (FRS) und dem in Rom ansässigen Istituto Affari Internazionali (IAI) vom 24. Mai 2007 heißt es: „Die Raumfahrtpolitik für Sicherheit ist heute kein separater Politikbereich, sondern ein Policy-Mix der Mitgliedstaaten, des Weltraumrates, der Europäischen Kommission und u.U. der Europäischen Verteidigungsagentur (EDA). Dieses in Mischtechnik entstandene Panorama erfordert eine bessere Koordinierung, um die Entscheidungsfindung zu rationalisieren und Doppelarbeit zu vermeiden.“

    (20)  MUSIS (Multinational Space-based Imaging System for Surveillance), das multinationale weltraumbasierte Bildgebungssystem für Überwachung, Erkundung und Beobachtung, ist ein Vorläufer, an dem sich sechs Länder beteiligen.

    (21)  Europäische Verteidigungsagentur.


    Top