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Document 52017AE3598
Opinion of the European Economic and Social Committee on ‘Launching the European Defence Fund’ (COM(2017) 295 final)
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Einrichtung des Europäischen Verteidigungsfonds“ (COM(2017) 295 final)
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Einrichtung des Europäischen Verteidigungsfonds“ (COM(2017) 295 final)
ABl. C 129 vom 11.4.2018, p. 58–64
(BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)
11.4.2018 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 129/58 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema
„Einrichtung des Europäischen Verteidigungsfonds“
(COM(2017) 295 final)
(2018/C 129/09)
Berichterstatter: |
Mihai IVAŞCU |
Ko-Berichterstatter: |
Fabien COUDERC |
Befassung |
Europäische Kommission, 4.8.2017 |
Rechtsgrundlage |
Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union |
Beschluss des Präsidiums |
16.6.2017 |
Zuständig |
Beratende Kommission für den industriellen Wandel (CCMI) |
Annahme in der CCMI |
16.11.2017 |
Verabschiedung auf der Plenartagung |
7.12.2018 |
Plenartagung Nr. |
530 |
Ergebnis der Abstimmung (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen) |
179/2/5 |
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1. |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) ist der Ansicht, dass die Europäische Union mehr Verantwortung für ihre Verteidigung übernehmen sowie bereit und in der Lage sein muss, alle äußere Bedrohungen ihrer Bürgerinnen und Bürger und deren Lebensweise zu verhindern. |
1.2. |
Sowohl im Europäischen Verteidigungs-Aktionsplan als auch in der Globalen Strategie wird hervorgehoben, dass die EU-Verteidigungsindustrie strategische Autonomie erlangen muss, damit die EU zu einem wichtigen und glaubwürdigen Akteur im Verteidigungssektor wird. Der Europäische Verteidigungsfonds (EVF) zielt klar darauf ab, Anreize für die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten bei Forschung und Technologie sowie für die Entwicklung und die strategische Beschaffung von militärischen Fähigkeiten zu schaffen. Besondere Aufmerksamkeit sollte der Verknüpfung von Forschung und Technologie mit der Entwicklung von Fähigkeiten gewidmet werden. |
1.3. |
Der EWSA vertritt die Auffassung, dass die Verteidigungsindustrie — von der 1,4 Mio. Arbeitsplätze abhängen — eine wichtige Rolle in der europäischen Wirtschaft spielt. Mangelnde Koordinierung verursacht jedes Jahr Kosten zwischen 25 und 100 Mrd. EUR, das sind in einem durch globalen Wettbewerb gekennzeichnetem Umfeld nicht hinnehmbare Beträge. |
1.4. |
Der EWSA empfiehlt den Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission dringend, den EVF dafür einzusetzen, industrielle Schlüsselfähigkeiten auf europäischem Boden zu erhalten und sicherzustellen, dass europäische Mittel für europäische FuE und zum Kauf europäischer Waffensysteme ausgegeben werden. |
1.5. |
Der EWSA unterstützt den wettbewerbsorientierten Ansatz des EVF, mit dem sowohl der Zugang für alle Mitgliedstaaten sichergestellt wird als auch Projekte finanziert werden, die Mehrwert und Spitzentechnologien liefern werden. |
1.6. |
Der EWSA ist der Ansicht, dass die Kommission neben der Bereitstellung von Finanzmitteln für die Industrie den Rahmen für eine bessere Kommunikation zwischen Wirtschaftsakteuren aller Größenordnungen in den Mitgliedstaaten schaffen sollte. |
1.7. |
Der EWSA begrüßt das besondere Augenmerk, das im vorliegenden Vorschlag den KMU sämtlicher Mitgliedstaaten gewährt wird. KMU sind häufig eine Quelle für Innovation in Spitzentechnologiebereichen wie Informationstechnologie und Kommunikation sowie der Cybersicherheit. Der EWSA würde auch Mechanismen zur Einbindung von KMU begrüßen, wie beispielsweise ein Bonussystem zur Stärkung der grenzübergreifenden Zusammenarbeit zwischen KMU. |
1.8. |
Der EWSA ist der festen Überzeugung, dass starke Schlüsselfähigkeiten zur Unterstützung europäischer Interessen aufgebaut werden müssen. Diese Schlüsselfähigkeiten müssen durch die Mitgliedstaaten definiert werden, im Einklang mit ihrer jeweiligen Verteidigungspolitik, den europäischen Zielen und den Verpflichtungen im Rahmen der NATO-Partnerschaft. |
1.9. |
Der EWSA vertritt die Auffassung, dass der Hauptschwerpunkt auf Technologien gelegt werden muss, die für die Ermöglichung einer Technologieführerschaft der EU entscheidend sein könnten. Dies kann durch gemeinsame Verteidigungsplanung und der Aufstellung eines Plans für Schlüsselfähigkeiten erreicht werden. |
1.10. |
Der EWSA empfiehlt, in den Prozess für die Aufforderungen zur Einreichung von Vorschlägen verbindliche und hohe soziale und ökologische Standards aufzunehmen. |
1.11. |
Der EWSA vertritt die Auffassung, dass nicht die gleichen Finanzierungssysteme verwendet werden können wie in anderen Wirtschaftszweigen, da der Verteidigungssektor spezifische Besonderheiten aufweist und da Misstrauen und Ängste bestehen, was die Weitergabe von Wissen zwischen Unternehmen oder Mitgliedstaaten anbelangt. |
1.12. |
Der EWSA ist der Ansicht, dass die Steuerungsstrukturen des EVF möglichst bald eingerichtet werden müssen und die Europäische Union, die Europäische Verteidigungsagentur und die Mitgliedstaaten sowie die Industrie umfassen sollten. Die Kommission sollte neue Optionen zur Beschränkung der an der Umsetzung des EVF beteiligten bürokratischen Strukturen erwägen. Der EWSA empfiehlt auch, dass das Europäische Parlament regelmäßigen Zugang zu den Berichten im Zusammenhang mit dem Fonds haben sollte, um seine Funktionsweise bewerten zu können. |
1.13. |
Der EWSA empfiehlt zu sondieren, ob die Mindestanzahl der Länder, die an einem im Rahmen des EVF förderfähigen Projekt mitwirken müssen, im weiteren Verlauf des Programms auf drei erhöht werden kann. |
1.14. |
Der EWSA ist der Ansicht, dass sich durch eine Maximierung der Anzahl an Mitgliedstaaten, die am EVF mitwirken, Redundanzen verringern und die Normung im Bereich Logistik und Teilsysteme vorantreiben lässt. Auf diese Weise werden auch Parallelentwicklungen zu bestehenden NATO-Standards verhindert und Fragmentierungen bei Waffensystemen verringert. Deshalb sollten bei sämtlichen vergebenen Projekten die Europäische Verteidigungsagentur und das ausgewählte Industriekonsortium bereits in den frühen Phasen der Entwicklung eng zusammenarbeiten, um gemeinsame Normen und Standards festzulegen. |
1.15. |
Der EWSA hat seine Zweifel hinsichtlich der Annahme, dass „erwartungsgemäß davon ausgegangen werden kann, dass die Entwicklung in eine Beschaffung mündet“, — da es in der militärischen Forschung zahlreiche Beispiele für Projekte gibt, die zwar entwickelt, später jedoch von den betreffenden Staaten nicht beschafft wurden. Der EWSA fordert klare Regeln hinsichtlich der Verpflichtung zum Kauf von erfolgreich entwickelten Fähigkeiten. |
1.16. |
Nach Auffassung des EWSA sollte es möglich sein, in den frühen Phasen von über das Fähigkeitenfenster finanzierten Projekten, Schulungsprogramme zu nutzen, die von der Europäischen Union kofinanziert werden. Qualifizierte Arbeitskräfte sind von maßgeblicher Bedeutung für die Entwicklung von Spitzentechnologien im Verteidigungsbereich. |
1.17. |
Ferner steht der EWSA als Vertretungsorgan der organisierten Zivilgesellschaft bei allen Fragen zu den wirtschaftlichen und sozialen Aspekten des EVF mit Fachkompetenz und Konsultation bereit. |
2. Hintergrund der Stellungnahme und des betreffenden Legislativvorschlags
2.1. |
Europa sieht sich mit außergewöhnlichen Umständen in seinem geopolitischen Umfeld konfrontiert. Die wachsende Instabilität auf der internationalen Bühne hat zu einem instabilen Sicherheitsumfeld mit zahlreichen Bedrohungen sowohl konventioneller als auch nichtkonventioneller Natur geführt. Die Unionsbürger verlangen die Nutzung aller zur Verfügung stehenden Mittel, um diesen Herausforderungen zu begegnen. |
2.2. |
Um seine Position auf der internationalen Bühne zu festigen, muss Europa in der Lage sein, Bedrohungen von außen wirksam und selbstständig zu begegnen. Im derzeitigen geopolitischen Kontext ist die Fähigkeit Europas zur Einflussnahme im Nahen Osten und in Afrika von zentraler Bedeutung für die Sicherheit und das Wohlergehen der Unionsbürger. |
2.3. |
Die EU-27 gab 2014 ca. 2 Mrd. EUR für Forschung und Technologie (FuT) im Verteidigungssektor aus, nachdem diese Ausgaben seit 2006 stetig um 27 % zurückgegangen sind. Die Ausgaben für FuT im Rahmen europäischer Kooperationen gingen waren um über 30 % zurückgegangen. Im gleichen Zeitraum gaben die USA jährlich 9 Mrd. EUR für FuT im Verteidigungssektor aus, Russland verdoppelte seine diesbezüglichen Ausgaben zwischen 2012 und 2014 und jüngsten Daten zufolge hat auch China seine entsprechenden Ausgaben erhöht (1). |
2.4. |
Dem EVF als Teil des Europäischen Aktionsplans im Verteidigungsbereich (2) kommt die Aufgabe zu, die Mitgliedstaaten bei der Koordinierung und besseren Nutzung der Finanzmittel zu unterstützen, die sie für Verteidigung auszugeben bereit sind. Dabei sollen Doppelstrukturen vermieden und Synergien bei der Forschung und Entwicklung sowie bei der Beschaffung von Verteidigungsfähigkeiten freigesetzt werden. Der EWSA hat bereits seine Unterstützung für die Schaffung der Europäischen Verteidigungsunion zum Ausdruck gebracht und die Einrichtung des EVF begrüßt (3). |
2.5. |
Der EVF umfasst zwei unterschiedliche, sich ergänzende Fenster: das Forschungsfenster und das Fähigkeitenfenster; beide werden durch einen Koordinierungsausschuss aufeinander abgestimmt. Das Forschungsfenster, dessen Finanzierung zur Gänze aus dem EU-Haushalt erfolgt, fördert Kooperationsprojekte zur Entwicklung von Verteidigungsfähigkeiten, die auf entsprechenden Vereinbarungen zwischen den Mitgliedstaaten beruhen. Das Fähigkeitenfenster wird hauptsächlich durch Beiträge der Mitgliedstaaten finanziert. |
2.6. |
Der EWSA stellt fest, dass es — angesichts des derzeitigen Sicherheitsumfelds, das von Terroranschlägen auf europäischem Boden, hybrider Kriegführung und Cyberangriffen geprägt ist — zunehmend schwieriger wird, zwischen interner und externer Sicherheit zu unterscheiden, da diese beiden Aspekte der Sicherheit immer enger miteinander verflochten sind. |
3. Beziehung zwischen dem EVF und der Europäischen Verteidigungsindustrie — Besonderheiten
3.1. |
Die Verteidigungsfähigkeiten Europas und die Fähigkeit, die Außengrenzen zu verteidigen, sind eng mit einer starken industriellen Basis verbunden. Deshalb empfiehlt der EWSA, dass auf europäischer Ebene getroffene Maßnahmen zur Stärkung der gemeinsamen Verteidigung auch darauf abzielen sollten, die Verteidigungsindustrie auf europäischem Boden zu erhalten. Bestimmte Geschäftsstrategien könnten die Verteidigungsindustrie dazu bewegen, sich für Unterauftragnehmer in Drittstaaten zu entscheiden, sodass sich ein Teil ihrer Lieferkette außerhalb der EU befände. Der EWSA ist der Überzeugung, dass die Verwendung von europäischen Finanzmitteln zur Unterstützung von Auftragnehmern in Drittstaaten auf ein Mindestmaß begrenzt sein sollte und dass unternehmerische Entscheidungen nicht zulasten der strategischen Autonomie gehen sollten. |
3.2. |
Die oberste Priorität des EVF sollte weiterhin die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie sowie die Entwicklung von Technologien sein, die für den Fortbestand und die Eigenständigkeit des Verteidigungssektors der EU von entscheidender Bedeutung sind. |
3.3. |
Im Verteidigungssektor vollzieht sich derzeit eine tiefgreifende Umwälzung durch künstliche Intelligenz, Big-Data- und Cloud-Technologien, Cyberangriffe, unbemannte Fahrzeuge, hybride und transnationale Bedrohungen usw. Neuartige Technologien und Bedrohungen bedürfen neuartiger Gegenmaßnahmen. Eines ist gewiss: Wir können diesen Herausforderungen besser begegnen und sie besser abwenden, wenn wir zusammenarbeiten. Dabei sind mehr systematische Zusammenarbeit sowie gemeinsame Anstrengungen zur Entwicklung von Technologien und zum koordinierten Vorgehen bei der Beschaffung von Verteidigungsfähigkeiten erforderlich. |
3.4. |
Der EWSA verweist auf die starken wirtschaftlichen Argumente für eine engere Zusammenarbeit. Mehr als 1,4 Mio. hochqualifizierte Personen sind direkt oder indirekt in der Verteidigungsindustrie beschäftigt, und jeder investierte Euro liefert eine Rendite von 1,6. Mangelnde Koordinierung in diesem Bereich verursacht Europa Kosten von 25 bis 100 Mrd. EUR pro Jahr (4). |
3.5. |
Dieser Mangel an Zusammenarbeit schlägt sich in der Praxis folgendermaßen nieder: übermäßig viele parallele Waffensysteme, mangelnde Skaleneffekte in der Verteidigungsindustrie sowie verminderte Einsatzfähigkeit unserer Streitkräfte. In der EU gibt es 178 verschiedene Waffensysteme, während es in den USA nur 30 sind. In der EU gibt es 17 verschiedene Typen von Kampfpanzern, während es in den USA nur einer ist. Dies zeugt eindeutig von Ineffizienz bei den Verteidigungsausgaben und mangelnder Interoperabilität der Verteidigungsgüter. |
3.6. |
Der EWSA ruft in Erinnerung, dass qualifizierte Arbeitskräfte die Grundlage für effiziente FuT im Verteidigungsbereich sind. Ehrgeizige und fundierte Berufsbildung und Schulungen in der Verteidigungsindustrie sind von entscheidender Bedeutung für den Erfolg von Projekten, mit denen Spitzentechnologien erreicht werden sollen. |
3.7. |
Der EWSA hebt hervor, dass es in der Vergangenheit erfolgreiche Beispiele für die Zusammenarbeit bei der militärischen Forschung und für die gemeinsame Beschaffung gibt. Der Eurofighter Typhoon, der Flugkörper Meteor, der Zerstörer der Horizon-Klasse und die FREMM-Fregatten sind nur einige Beispiele für derartige Projekte. |
3.8. |
Der EWSA hat seine Zweifel hinsichtlich der Beleglage für die Annahme, dass — sobald Mitgliedstaaten sich für die Mitwirkung an einem Entwicklungsprojekt entscheiden — „erwartungsgemäß davon ausgegangen werden kann, dass die Entwicklung in eine Beschaffung mündet“ — da es in der militärischen Forschung zahlreiche Beispiele für Projekte gibt, die zwar entwickelt, später jedoch von den betreffenden Staaten nicht beschafft wurden (5). Mit der Möglichkeit zur Kofinanzierung der frühen Phasen der Entwicklung von neuen Verteidigungsfähigkeiten aus dem EU-Haushalt wird auf die Verringerung von unternehmerischen Risiken abgezielt; dies kann jedoch nur erreicht werden, wenn die Kunden sich verpflichten, erfolgreich entwickelte Verteidigungsfähigkeiten auch zu beschaffen. |
3.9. |
Zusammengenommen haben die 28 Mitgliedstaaten der EU weltweit die zweithöchsten Militärausgaben. Allerdings sind die Verteidigungsausgaben der EU-27 zwischen 2005 und 2015 um fast 11 % zurückgegangen (6), während alle Großmächte ihre Verteidigungsausgaben erhöht haben. Nur vier der 28 Mitgliedstaaten erfüllen das im Rahmen der NATO festgelegte Ziel, wonach die Verteidigungsausgaben 2 % des BIP betragen sollen. Die Ausgaben für Forschung und Technologie im Verteidigungsbereich sind in den Haushalten der Mitgliedstaaten erheblich verringert worden. Zwischen 2006 und 2013 sind die Ausgaben für FuT im Verteidigungsbereich in den 27 Mitgliedstaaten, die der Europäischen Verteidigungsagentur angehören, um 27 % gesunken (7). |
3.10. |
Der EWSA vertritt die Auffassung, dass — angesichts des Interesses von britischen Unternehmen an europäischen Entwicklungsprogrammen und angesichts der prominenten Rolle des Vereinigten Königreichs im Verteidigungsbereich — bereits in einer frühen Phase der Austrittsverhandlungen eine Lösung für Verteidigungsunternehmen mit Sitz im Vereinigten Königreich gefunden werden sollte. Die EU ist daran interessiert, sich auch künftig auf britisches Know-how stützen zu können. |
3.11. |
Während die Kommission die Finanzierung für das Forschungsfenster bereitstellt, liegt die Entscheidung über die Beschaffung der entwickelten Verteidigungsfähigkeiten und über die Ausgaben für diese Beschaffung bei den einzelnen Mitgliedstaaten. In dieser Struktur erfolgen die eigentliche Durchführung der Forschung und Entwicklung sowie die Entwicklung der Verteidigungsfähigkeiten durch die Industrie. Der EWSA ist der Ansicht, dass die Kommission nicht nur Finanzmittel für die Industrie bereitstellen, sondern auch einen Rahmen für bessere Kommunikation zwischen allen Wirtschaftsakteuren des Verteidigungssektors der EU schaffen sollte. |
4. Begünstigte: Große Akteure und KMU
4.1. |
Der EWSA ist der Überzeugung, dass die Mitgliedstaaten auch künftig von entscheidender Bedeutung für die Gewährleistung der Sicherheit sein werden und dass keine der derzeitigen Initiativen auf europäischer Ebene daran etwas ändern wird. |
4.2. |
Der EWSA ist der Ansicht, dass der EVF lediglich ein an der Wettbewerbsfähigkeit orientiertes Programm sein sollte, in dem die Projekte mit der höchsten Relevanz und Wettbewerbsfähigkeit ungeachtet geografischer oder sozialer Überlegungen finanziert werden. Es müssen jedoch Schritte ergriffen werden, um einen gleichberechtigten Zugang für alle Mitgliedstaaten sicherzustellen und um kleinere Unternehmen zu ermuntern, Arbeitsgemeinschaften für die grenzübergreifende Zusammenarbeit zu bilden. |
4.3. |
Der EWSA vertritt die Auffassung, dass KMU eine entscheidende Rolle in unserer Wirtschaft spielen. Daher begrüßt er die Förderung von KMU und Midcap-Unternehmen, die im Verteidigungssektor tätig sind. Zudem sind Start-up-Unternehmen und Kleinunternehmen oftmals Innovationsquellen in Sachen Spitzentechnologie, etwa in der Informationstechnologie und Kommunikation sowie in der Cybersicherheit. Der EWSA erachtet es als äußerst wichtig, als Hauptziel gleiche Chancen für alle KMU sämtlicher Mitgliedstaaten anzustreben, und unterstützt entsprechende Schritte nachdrücklich. |
4.4. |
Nach dem Verständnis des EWSA wurde der Europäische Verteidigungsfonds im Hinblick auf die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Verteidigungsindustrie konzipiert. Die Kommission sollte bei der Tätigkeit des Fonds einen inklusiven Ansatz fördern, aber er sollte nicht als Regionalentwicklungsfonds verwendet werden. Andernfalls könnte es nämlich dazu kommen, dass die Finanzmittel zu breit und dünn verteilt werden, was unzweckmäßig wäre, um die Fragmentierung bei den Verteidigungssystemen in Europa zu verringern. |
4.5. |
Im Sinne eines inklusiven Ansatzes sollte der Fonds nicht nur für Großunternehmen konzipiert sein. Ein erheblicher Anteil der Finanzmittel des Fonds sollte gezielt an KMU gehen, beispielsweise indem kleinere Projekte ausgewählt werden. Der EWSA würde auch Anreizmechanismen wie beispielsweise ein Bonussystem begrüßen, um die grenzübergreifende Zusammenarbeit zwischen KMU zu fördern. |
4.6. |
Der EWSA teilt die Argumentation, die der 100 %igen EU-Finanzierung von FuT im Verteidigungsbereich (im Gegensatz zur traditionellen Kofinanzierung durch die EU im zivilen Bereich) zugrunde liegt. Die äußerst begrenzte Anzahl der Kunden (im Wesentlichen die Verteidigungsministerien der Mitgliedstaaten) macht für die Unternehmen die Kalkulation der Risiken im Zusammenhang mit der Entwicklung von neuen militärischen Produkten schwierig (wohingegen der Markt für zivile Produkte eine höhere Berechenbarkeit aufweist). Ungeachtet der Frage, ob der zukünftige Fonds im Rahmen des nächsten MFR mit anderen Forschungsfonds unter dasselbe Dach genommen wird, müssen diese Besonderheiten auf jeden Fall berücksichtigt werden. |
4.7. |
Der EWSA ist der festen Überzeugung, dass der EVF für die Mitgliedstaaten einen starken Anreiz setzen wird, „europäisch zu kaufen“, wenn es um zukünftige Beschaffungsverfahren im Verteidigungsbereich geht, und dass dadurch die wirtschaftliche Entwicklung sichergestellt wird sowie das Know-how und die industrielle Basis gewahrt werden, die als Grundlage einer globalen militärischen Fähigkeit erforderlich sind. Der EWSA befürwortet die Idee, dass sich die Mitgliedstaaten zum Kauf der Technologien und Kapazitäten verpflichten, die aus erfolgreichen Projekten des EVF für FuT hervorgehen. |
5. Gemeinsame Verteidigungsplanung und Plan für die Schlüsselfähigkeiten
5.1. |
Der EWSA empfiehlt, dass die Mitgliedstaaten zusammen mit der Europäischen Kommission und der Europäischen Verteidigungsagentur eine gemeinsame Verteidigungsplanung und einen Plan für die Schlüsselfähigkeiten erstellen, um — sowohl für die Mitgliedstaaten als auch für die europäische Verteidigung — die Prioritäten für FuT und die erforderlichen militärischen Fähigkeiten zu ermitteln. |
5.2. |
Angesichts sehr geringer Erfahrung mit derartigen Programmen (im Wesentlichen nur das Pilotprojekt und der Anfang der Vorbereitenden Maßnahme) konnte die Europäische Union ihren Vorschlag nicht auf der Grundlage von klaren Indikatoren erstellen und verfügt über keinen klaren Plan für Schlüsselfähigkeiten. Ein solcher Plan wird 2018 erstellt. |
5.3. |
Mit dem Plan für Schlüsselfähigkeiten sollte sichergestellt werden, dass sich die EU in Richtung strategische Autonomie bewegt; ferner sollten in diesem Plan die Technologien festgelegt werden, die entwickelt werden müssen, damit die Europäische Union ihre führende Position bei Schlüsselfähigkeiten wahren und sich aus ihrer Abhängigkeit von externen Akteuren lösen kann. Nach Auffassung des EWSA ist die Entwicklung von Technologien und Fähigkeiten, die über den Bedarf einzelner Mitgliedstaaten hinausgehen, von entscheidender Bedeutung für den Erfolg des EVF. |
5.4. |
Der EWSA unterstützt nachdrücklich einen auf Fähigkeiten ausgerichteten Forschungsansatz. Deshalb muss nach Einschätzung des EWSA bei sämtlichen Forschungsanstrengungen, die im Rahmen des EVF ergriffen werden, der Fokus auf den Schlüsselfähigkeiten liegen, die erforderlich sind, damit Europa frei handeln und entscheiden kann. |
5.5. |
Technologische Überlegenheit ist im gegenwärtigen Sicherheitsumfeld von ausschlaggebender Bedeutung. Deshalb vertritt der EWSA die Auffassung, dass mit dem EVF — und insbesondere mit dem Europäischen Verteidigungsforschungsprogramm (EDRP — European Defence Research Programme) — sichergestellt werden muss, dass Europa Spitzenreiter bei der militärischen Forschung bleibt. In dieser Hinsicht könnte es zweckmäßig sein, Finanzmittel für Technologiedemonstrationssysteme bereitzustellen, welche die Grundlage für zukünftige gemeinsame Programme bilden. |
5.6. |
Der EWSA vertritt die Einschätzung, dass bei der Erstellung des Plans für Schlüsselfähigkeiten der gesamte Lebenszyklus des Technologiebereichs geplant und berücksichtigt werden muss. Ferner müssen die Forschung und Entwicklung und die Fähigkeitenentwicklung im Zusammenwirken zwischen der EU und den Mitgliedstaaten sowie unter Berücksichtigung unserer NATO-Partnerschaft gemeinsam geplant und koordiniert werden. |
6. Investitionsbereiche und Finanzierungssysteme
6.1. |
Die Kommission schlägt eine ehrgeizige Finanzierung für beide Fenster des Europäischen Verteidigungsfonds vor:
|
6.2. |
Der EWSA ist der Ansicht, dass die Investitionen auf Technologien ausgerichtet sein müssen, die für die Verteidigung der EU von entscheidender Bedeutung sind und in denen eine Abhängigkeit von externen Lieferanten besteht bzw. sich eine solche abzeichnet. Der EWSA vertritt ferner die Auffassung, dass der Hauptschwerpunkt auf Technologien gelegt werden muss, die es der EU ermöglichen, die Technologieführerschaft in verschiedenen Bereichen zu erlangen. |
6.3. |
Der EWSA unterstützt die vorgesehene separate Finanzierung der beiden Fenster, d. h. EU-Finanzierung für das Forschungsfenster und Haushalte der Mitgliedstaaten für das Fähigkeitenfenster. Der EWSA hat dazu bereits seine Einschätzung geäußert: „Für die Beschaffung der militärischen Fähigkeiten der Streitkräfte sind die Mitgliedstaaten zuständig, solange die Union über keine eigenen variablen Einnahmen verfügt. […] Der EWSA erinnert daran, dass der EU-Haushalt gemäß Artikel 41 EUV nicht zur Finanzierung militärischer Operationen benutzt werden darf. Ein Abgehen von diesem Grundsatz stünde auch dem besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten entgegen (Artikel 42 Absatz 1 EUV) (8)“. |
6.4. |
Der EWSA empfiehlt, den EVF als Finanzierungsinstrument zur Förderung der Entwicklung von Fähigkeiten in Bereichen zu nutzen, in denen die europäische Verteidigungsindustrie derzeit von auswärtigen Lieferanten abhängig ist. Durch die Entwicklung dieser Fähigkeiten in Europa werden neue strategische Optionen erschlossen, und zugleich werden dadurch im Verteidigungssektor wertvolle Kompetenz, Technologie und Arbeitsplätze geschaffen. |
6.5. |
Der EWSA vertritt die Auffassung, dass die für das Forschungsfenster des Europäischen Verteidigungsfonds vorgeschlagene Höhe der Finanzierung umfangreiche Anreize für innovative Forschung ermöglichen wird. Damit wird die EU zum viertgrößten Geldgeber für die Verteidigungsforschung in Europa; allerdings sollte dieser Fonds nicht zulasten anderer wichtiger Entwicklungsprojekte der EU gehen. |
6.6. |
Nach Auffassung des EWSA ist die Gestaltung der Finanzierungssysteme innerhalb des EVF äußerst wichtig, um das volle Engagement der Industrie sicherzustellen und um die Bildung von produktiven Arbeitsgemeinschaften zu begünstigen, die möglichst viele Mitgliedstaaten umfassen. Es können nicht die gleichen Finanzierungssysteme verwendet werden wie in anderen Wirtschaftszweigen, da der Verteidigungssektor spezifische Besonderheiten aufweist und da Misstrauen und Ängste bestehen, was die Weitergabe von Wissen zwischen Unternehmen oder Mitgliedstaaten anbelangt. |
7. Governance
7.1. |
Aus dem Vorschlag der Kommission geht nicht hervor, welche Art der Governance für den EVF vorgesehen ist. Der EWSA vertritt die Auffassung, dass diese möglichst bald klar eingerichtet werden muss, und dass diese die Europäische Union, die Europäische Verteidigungsagentur und die Mitgliedstaaten sowie die Verteidigungsindustrie umfassen sollte. |
7.2. |
Der EWSA ist der Ansicht, dass die Verhandlungen zwischen den Mitgliedstaaten intensiviert werden sollten, um zu einer Einigung über die Governance für den EVF zu gelangen, und zwar hinsichtlich beider Fenster und auch im Hinblick auf den nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen. Während die Kommission den EVF als ein Forschungs- und Entwicklungsprogramm unter vielen präsentiert, weist der EWSA nachdrücklich darauf hin, dass der Verteidigungssektor einzigartig ist und eine Reihe von Besonderheiten aufweist, auf die mit abweichenden aber klaren Regeln eingegangen werden sollte. Diese Regeln sollten so bald wie möglich vereinbart werden. |
7.3. |
Ferner weist der EWSA darauf hin, dass die beiden Fenster eng mit anderen nationalen und internationalen Programmen koordiniert werden sollten, an denen die Mitgliedstaaten mitwirken. |
7.4. |
Das Kriterium „drei Unternehmen aus zwei Mitgliedstaaten“ erscheint dem EWSA fürs Erste angemessen; sobald das Programm in eine reifere Phase eintritt, sollte jedoch eine Mindestanforderung „drei Mitgliedstaaten“ festgelegt werden, um mehr Synergien zwischen den Mitgliedstaaten zu entfalten. |
7.5. |
Bei der Finanzierung von Projekten aus dem EVF geht es — sowohl im Forschungs- als auch im Fähigkeitenfenster — um öffentliche Mittel. Die Europäische Kommission sollte sicherstellen, dass im Ausschreibungsverfahren nur wettbewerbsfähigere Projekte ausgewählt werden, wobei hohe soziale und ökologische Standards auf der Grundlage objektiver Kriterien berücksichtigt werden. |
7.6. |
Der EWSA hegt die Sorge, dass übermäßiger bürokratischer Aufwand die praktische Anwendung des EVF behindert und empfiehlt, im Zuge der Entwicklung des Fonds in dieser Hinsicht weitere Optionen zu sondieren. |
7.7. |
Der EWSA betont, dass er — als Vertretungsorgan der organisierten Zivilgesellschaft — für Konsultationen hinsichtlich der Durchführung des EVF sowie bei allen Fragen zu den wirtschaftlichen, sozialen und forschungspolitischen Aspekten der neuen europäischen Verteidigungspolitik gerne zur Verfügung steht. |
8. Standardisierung
8.1. |
Der EWSA vertritt die Auffassung, dass gemeinsame Programme, die gezielt auf den gemeinsam ermittelten Bedarf eingehen, nicht nur zur Verringerung der Anzahl an parallelen Systemen, sondern auch zu einer stärkeren Standardisierung bei Teilsystemen und Logistik beitragen werden. |
8.2. |
Was die Benchmarks anbelangt, muss unbedingt eine globale Perspektive eingenommen werden, d. h., es sind nicht nur die nationalen Forschungsprogramme der Mitgliedstaaten, sondern auch die Entwicklungen unserer NATO-Partner in allen Bereichen zu berücksichtigen. |
8.3. |
Der EWSA empfiehlt nachdrücklich, dass die Kommission — im Zusammenwirken mit der Europäischen Verteidigungsagentur und den Mitgliedstaaten — die vorrangigen Bereiche für gemeinsame Entwicklungen festlegen sollte. Das lässt sich nur durch die gemeinsame Ermittlung des Bedarfs und durch eine stärkere Standardisierung erreichen. |
8.4. |
Der Fonds zielt darauf ab, dass die Verteidigungsausgaben der Mitgliedstaaten effizienter und rationeller getätigt werden; er soll sie jedoch nicht ersetzen. Dieses Ziel lässt sich nur erreichen, wenn der EVF seinen Mehrwert unter Beweis stellt, indem er Projekte liefert, die die Mitgliedstaaten allein nicht wirkungsvoller und kostengünstiger realisieren könnten. Der Fonds sollte Anreize für eine bessere Zusammenarbeit bieten. Nur dann wird es gelingen, eine Vielzahl verschiedener Waffensysteme zu vermeiden. |
8.5. |
Der EWSA wiederholt, dass er die Entwicklung gemeinsamer Standards befürwortet, ohne dabei bestehende Standards, insbesondere NATO-Standards, zu duplizieren (9). Angesichts von 178 verschiedenen Waffensystemen in den EU-Mitgliedstaaten sollte einer der vorrangigen Bereiche für die Forschung die Erarbeitung von gemeinsamen europäischen Standards und Schnittstellen sein, um die bestehenden Waffensysteme möglichst eng miteinander zu verknüpfen und gemeinsame Grundlagen für zukünftige Systeme zu schaffen. Durch Einhaltung derartiger Standards könnten die Mitgliedstaaten zu vertretbaren Kosten EU-weit kompatible Systeme entwickeln. |
8.6. |
Besonders wichtig ist die Festlegung von Standards für Teilsysteme. Bei neu entwickelten Produkten wird mit Sicherheit ein Standard auf europäischer Ebene festgelegt, aber auch die bestehenden Teilsysteme, die möglicherweise in derartige neu entwickelte Produkte integriert werden, sollten bis zu einem gewissen Grad auf gemeinsamen Standards beruhen. Nach Auffassung des EWSA würde dies die Interoperabilität steigern und damit zur Verringerung der Fragmentierung bei den Waffensystemen beitragen. |
Brüssel, den 7. Dezember 2017
Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Georges DASSIS
(1) Studie des Europäischen Parlaments: „The Future of EU defence research“, 2016. Siehe http://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/STUD/2016/535003/IPOL_STU(2016)535003_EN.pdf.
(2) COM(2016) 950 final http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52016DC0950&from=DE.
(3) ABl. C 288 vom 31.8.2017, S. 62.
(4) Europa verteidigen. Für eine stärkere EU-Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheit und Verteidigung https://ec.europa.eu/commission/sites/beta-political/files/defending-europe-factsheet_de.pdf.
(5) Ein Beispiel ist das für die US-Marine entwickelte unbemannte Kampfflugzeug Northrop Grumman X-47B. Trotz anfänglicher Erfolge und erfolgreicher Testflüge wurde das Programm — dessen Gesamtkosten sich auf 813 Mio. USD beliefen — von der US-Marine letztlich unter Verweis auf zu hohe Kosten und unzureichende Tarnkappeneigenschaften eingestellt.
(6) Stockholmer internationales Friedensforschungsinstitut (SIPRI — Stockholm International Peace Research Institute), Military Expenditure Database (Datenbank zu Militärausgaben), 2005-2015 https://www.sipri.org/databases/milex.
(7) COM(2016) 950 final http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52016DC0950&from=DE.
(8) ABl. C 288 vom 31.8.2017, S. 62.
(9) ABl. C 288 vom 31.8.2017, S. 62.