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Document 52011IE1613

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die neue Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU und die Rolle der Zivilgesellschaft“ (Initiativstellungnahme)

    ABl. C 24 vom 28.1.2012, p. 56–62 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    28.1.2012   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 24/56


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die neue Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU und die Rolle der Zivilgesellschaft“ (Initiativstellungnahme)

    2012/C 24/11

    Berichterstatter: Carmelo CEDRONE

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 14. September 2010, gemäß Artikel 29 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

    Die neue Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU und die Rolle der Zivilgesellschaft“.

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Außenbeziehungen nahm ihre Stellungnahme am 25. Mai 2011 an.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 475. Plenartagung am 26./27. Oktober 2011 (Sitzung vom 27. Oktober) mit 111 gegen 23 Stimmen bei 23 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Schlussfolgerungen und Vorschläge

    1.1   Die Strategie

    1.1.1   Die Europäische Union muss angesichts der gegenwärtigen Umwälzungen und der Gelegenheit, die die Einrichtung des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) und die Schaffung des Amtes des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik darstellt, ihre außenpolitische Strategie sowohl in Bezug auf die Politikbereiche als auch die Aktionsräume, die Schwerpunkte bilden sollen, neu definieren und aktualisieren. Dieses Ziel kann nur auf der Grundlage gemeinsamer Interessen und durch umfassende Koordinierung erreicht werden.

    1.1.2   Europa kommt für ein Drittel des weltweiten BIP auf. Gleichwohl ist die EU nicht nur eine Wirtschaftsgemeinschaft. Die Rolle Europas wird verdeutlicht angesichts der Feststellung, dass die europäischen EU-Mitgliedstaaten als auf sich allein gestellte Nationalstaaten heute nicht mehr in der Lage sind, ihre Interessen zu verteidigen, ihre Werte auf der internationalen Bühne zur Geltung zu bringen oder grenzüberschreitende Herausforderungen wie Migration oder Terrorismus zu bewältigen. Deshalb könnte ein stärkeres gemeinsames Engagement der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Außenpolitik auch intergouvernementalen Tendenzen Einhalt gebieten und isolierte Maßnahmen der einzelnen Mitgliedstaaten - wie unlängst geschehen - verhindern. Solche Tendenzen könnten, sollten sie sich durchsetzen, nicht nur den wirtschaftlichen, sondern auch den politischen Niedergang Europas einleiten und sogar die der EU zugrunde liegenden demokratischen Werte bedrohen.

    1.2   Die Politikbereiche

    1.2.1   Die EU muss zuallererst ihre Werte in der Außenpolitik bewahren, indem sie gemeinsame Maßnahmen und Aktionen definiert, um gemäß den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen den Frieden zu erhalten, Konflikten vorzubeugen, stabilisierende Aktionen durchzuführen und die internationale Sicherheit zu stärken. Ferner muss sie die Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit, die Grund- und die Menschenrechte und die Grundsätze des internationalen Rechts einschließlich der Kernarbeitsnormen wahren und fördern und Menschen beistehen, die natürlichen oder durch menschliche Tätigkeit verursachten Katastrophen ausgesetzt sind. Wenn sich Europa jedoch außerhalb seiner Grenzen engagiert, geschieht dies nicht nur aus reinem Interesse für die Menschheit oder Nächstenliebe, sondern auch, weil dies in unserem Interesse liegt, wenn wir den Wohlstand in Europa erhalten wollen. Daher muss auch die Flüchtlingsproblematik angegangen und es müssen Perspektiven für die Bevölkerungen in ihren Ländern geschaffen werden.

    1.2.2   Die EU muss in diesem Bereich innerhalb der Vereinten Nationen, der bei der Wahrung des Friedens in der Welt die Hauptverantwortung zufällt, eine Führungsrolle spielen. Deshalb ist im Bereich der Bewältigung ziviler und militärischer Krisen und insbesondere bei humanitären Hilfsaktionen eine enge Zusammenarbeit zwischen EU und Vereinten Nationen erforderlich.

    1.2.3   Nach Auffassung des EWSA müssen außerdem die integrierten und gemeinsamen außenpolitischen Maßnahmen in folgenden Bereichen verstärkt werden: Energieversorgungssicherheit, Lebensmittelsicherheit, Klimawandel, Steuerung der Migrationsströme und Bekämpfung der organisierten Kriminalität, des illegalen Handels, der Produktpiraterie und der Korruption. Dieser Integrations- und Koordinierungsprozess sollte auch die Handelspolitik umfassen. Insgesamt ist dies ein erhebliches und vielfältiges Engagement, wofür eine Anpassung der im EU-Haushalt für die Außenpolitik vorgesehenen Mittel erforderlich ist.

    1.3   Die geografischen Handlungsräume

    1.3.1   Die EU muss alles, was außerhalb ihrer Grenzen geschieht, mit Interesse verfolgen und ihre Bündnisstrategie neu definieren. Noch ist sie aber nicht im Besitz aller notwendigen und geforderten Mittel und Instrumente, um als echter politischer Akteur auf der internationalen Bühne aufzutreten zu können. Gleichwohl liegt das größte Problem für die EU nicht im Mangel politischer Instrumente, sondern vielmehr in der Unfähigkeit, bei der Steuerung der verschiedenen Instrumente Kohärenz zu gewährleisten und den diesbezüglichen politischen Willen der Mitgliedstaaten sicherzustellen.

    1.3.2   Deshalb muss die EU ihrem eigenen geografischen Raum und ihren Nachbarn noch mehr Aufmerksamkeit schenken als heute, ohne dabei jedoch - zumindest unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten - ihre Beziehungen zu den wichtigen Regionen der Welt wie Nordamerika, mit dem sie strategische Beziehungen unterhält, Südamerika und der Karibik, mit denen die EU eine biregionale strategische Partnerschaft eingegangen ist, China, Indien und Russland zu vernachlässigen. Zu diesem Zweck ist es unabdingbar, Synergien zwischen den bilateralen und den regionalen Beziehungen zu erzeugen.

    1.3.3   In diesem Zusammenhang scheint es erforderlich, den Erweiterungsprozess durch Einbeziehung des Balkan - ein hochsensibler Raum in Europa - zu vollenden, die Verhandlungen mit der Türkei fortzuführen, eine wirksame Nachbarschaftspolitik zu führen und dabei das Augenmerk auf die Lage im Mittelmeerraum und in Nahost zu richten.

    1.3.4   Diesbezüglich muss die Mittelmeerpolitik auf einer neuen Grundlage wiederbelebt und dazu mit neuen Institutionen, mit neuen Kooperationsorganen und mit angemessenen Mitteln und operativen Instrumenten ausgestattet werden. Die in diesen Ländern erhobenen Forderungen nach Demokratisierung und zivilem Fortschritt müssen Gehör finden und begleitet werden. Die EU trägt hohe Verantwortung dafür zu gewährleisten, dass ein rascher und sanfter Übergang zur Demokratie erfolgt und keine neuen, wie auch immer kaschierten Diktaturen entstehen, um nicht die Hoffnungen auf Freiheit, Menschenwürde und soziale Gerechtigkeit der Bevölkerungen und der Jugend zu enttäuschen.

    1.3.5   Es erscheint notwendig, mehr Haushaltsmittel der Union für die Zusammenarbeit mit diesen Ländern bereitzustellen, insbesondere für den Aufbau von Institutionen, die wirtschaftliche und soziale Entwicklung, die Schaffung von Arbeitsplätzen und Investitionsmöglichkeiten in den jeweiligen Ländern.

    1.3.6   In diesem Zusammenhang ist die Rolle des EWSA von grundlegender Bedeutung, um Aktionen und Maßnahmen von Menschen für Menschen zu realisieren und eine organische Beziehungen zu den echten und repräsentativen Organisationen der Zivilgesellschaft des Mittelmeerraums und der Nahost-Region zu knüpfen, von denen die gegenwärtigen Transformationsprozesse ausgehen. Der Dialog zwischen ihr und den jeweiligen Regierungen muss gefördert werden, um die demokratische Teilhabe zur Verteidigung der bürgerlichen Rechte und des Rechtstaats zu stärken.

    1.3.7   Der andere Schwerpunkt für Maßnahmen der EU muss Afrika in seiner Gesamtheit sein. Die Sicherheit und Stabilität der EU hängt weitgehend von Entwicklung und Stärkung der Demokratie dieses Europa so nahen Kontinents ab. Wenn die EU die destabilisierenden Wogen massiver Zuwanderung überwinden will, die auf Wüstenbildung, Ernährungskrisen, Verarmung der Bevölkerung Afrikas, korrupte und verlogene Regime und auf fehlende Gerechtigkeit und Freiheit zurückzuführen sind, muss sie rasch und wirksam handeln und ein Abkommen mit diesem Kontinent schließen.

    1.4   Die internationalen Organisationen

    1.4.1   Der EU muss es gelingen, in diesem Bereich mit einer Stimme zu sprechen und schließlich über einen alleinigen Vertreter verfügen, um koordinierte und wirksame Maßnahmen in den internationalen Gremien zu fördern. Sie muss für deren tiefgreifende Umgestaltung eintreten, damit diese Gremien besser für die Bewältigung der neuen Erfordernisse und Bedürfnisse gewappnet sind.

    1.4.2   Insbesondere sollten die in den grundlegenden ILO-Übereinkommen vorgesehenen Arbeitsrechte und die Rechte in Bezug auf Wirtschaft und Freihandel als gleichwertig behandelt werden. Auch im Rahmen der ILO sollte die EU mit einer Stimme sprechen.

    1.4.3   Der EWSA ist der Auffassung, dass die EU in diesem Bereich eine immer aktivere Rolle spielen muss, insbesondere im Zusammenhang mit der G-20 und den repräsentativsten Einrichtungen der Vereinten Nationen, allen voran der Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen, wo sie einheitliche Positionen vertreten sollte. In diesem Zusammenhang könnte die Reform des Wirtschafts- und Sozialrates der VN Fortschritte und zudem der Zivilgesellschaft bessere Artikulationsmöglichkeiten in diesem Gremium ermöglichen.

    1.4.4   Die EU muss wirksame und dauerhafte politische Maßnahmen zum Schutz der Eurozone konzipieren und angemessene Instrumente schaffen, mit denen Spekulationsbewegungen auf internationaler Ebene bekämpft, Steuerparadiese zur Senkung des auf Wechselkursunterschieden beruhenden Wettbewerbs beseitigt, das Wirtschaftswachstum wieder angekurbelt und die Beschäftigung im Bereich menschenwürdiger Arbeit (decent work) belebt werden können. Die Änderung von Artikel 136 des Vertrags stellt einen ersten wichtigen Schritt dar, der vor allem der Europäischen Union zugute kommt: die zentrale Rolle der Kommission und die Mitwirkung des Europäischen Parlaments wurden sichergestellt, wodurch das demokratische Verfahren gefördert wird. Dasselbe ist auch für die Außenpolitik notwendig (Änderung von Artikel 24).

    1.4.5   Die Teilnahme der Sozialpartner und der zivilgesellschaftlichen Organisationen ist eine der Voraussetzungen für die Wahrung und Förderung der Werte, die dem internationalen Zusammenleben zugrunde liegen. Die EU muss eine breite Konsultation des EWSA, der Zivilgesellschaft und der Sozialpartner fördern, um die Mitwirkung an den künftigen Leitungsstrukturen der internationalen Organisationen zu erleichtern.

    1.5   Die Sicherheitspolitik

    1.5.1   Im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik muss die Europäische Verteidigungsagentur gestärkt und die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit so bald wie möglich angewendet werden, auch um nützliche Synergieeffekte und Einsparungen bei den nationalen Haushalten zu ermöglichen. Die eingesparten Ressourcen können dann für produktive Investitionen, zur Schaffung neuer Arbeitsplätze und für den Abbau der öffentlichen Schulden eingesetzt werden.

    1.5.2   Die sicherheits- und verteidigungspolitischen Mittel der EU müssten als echte Mittel für die regionale Sicherheit anerkannt und eingesetzt werden können.

    1.5.3   In Sicherheitsfragen sollte die EU bevorzugt in ihrer Nachbarschaft im Rahmen von Maßnahmen zur Stabilisierung von Krisengebieten und friedenserhaltenden Maßnahmen tätig werden.

    1.5.4   Diesbezüglich hofft der EWSA, dass die gemeinsamen Erfahrungen, wie es auch nach den Vereinbarungen von St. Malo von 1998 der Fall war, im Rahmen der Verteidigungsagentur aufgegriffen und in die gemeinsame Sicherheitspolitik übernommen werden.

    1.6   Der EWSA

    Der EWSA muss bei Festlegung und Durchführung der EU-Außenpolitik eine eigene Rolle spielen und einen Beitrag leisten können. Deshalb hält er es auch für sinnvoll, dass ihm die Maßnahmen zum auswärtigen Handeln der EU zur Stellungnahme vorgelegt werden, auch um die Transparenz und die Überwachung der Initiativen zu gewährleisten. Daher müssen alle bereits vom Ausschuss erarbeiteten Stellungnahmen, die Hinweise für die Außen- und Sicherheitspolitik der EU geben, sowie auch diejenigen Stellungnahmen, die sich mit den möglicherweise auf die Außenpolitik auswirkenden Kooperationsinstrumenten befassen, zur Geltung gebracht werden (1). In dieser Hinsicht könnten sich die Aktivitäten des EWSA - als Bindeglied zwischen dem Handeln der Mitgliedstaaten und der EU und den von der Zivilgesellschaft geäußerten Bedürfnissen - als sehr wirkungsvoll erweisen.

    1.6.1   Dies ist erforderlich, um die Beteiligung der organisierten Zivilgesellschaft und der öffentlichen Meinung an den Entscheidungsprozessen bei Themen der internationalen Politik, die sich unmittelbar auf die Wirtschaft und das Leben der Unionsbürger auswirken, zu ermöglichen.

    1.6.2   Der EWSA kann auf internationaler Ebene die Politik der Union zur Aufwertung der Rolle der Zivilgesellschaft in den Verhandlungen und bei der Umsetzung der unterzeichneten Verträge weiterverfolgen. Er ist der Auffassung, dass er aufgrund seiner reichen Erfahrungen und der bereits realisierten Initiativen einerseits mit seinen Partnerorganisationen bei der Weiterverfolgung der internationalen Verhandlungen der EU zusammenarbeiten sollte, und andererseits bei den Verfahren zur Anwendung und Umsetzung dieser Assoziierungs-, Handels- oder sonstiger Abkommen beteiligt werden muss.

    1.6.3   Insbesondere wird der EWSA auch weiterhin im Rahmen der Konsultationsprozesse und der ihm erteilten Aufträge zur internationalen Partizipation als Brücke zwischen den zivilgesellschaftlichen Organisationen in der EU und in den Ländern und Regionen fungieren, auf die die Politik der EU in erster Linie auszurichten ist.

    1.6.4   Deshalb ist es notwendig, dass der EWSA auch vom EAD in den verschieden Phasen konsultiert wird, damit der Ausschuss seinen Aufgaben im Interesse der Unionsbürger angemessen nachkommen kann. Zu diesem Zweck könnte ein Protokoll über die Zusammenarbeit zwischen dem EWSA und dem EAD – auf der Grundlage des bereits bestehenden Kooperationsabkommens zwischen der Kommission und dem EWSA - unterzeichnet werden, eine Vereinbarung, in der die Regeln und Modalitäten für eine gemeinsame strukturierte Arbeit festgelegt werden.

    1.7   Die Instrumente und die Rolle der EU

    1.7.1   Die Möglichkeiten des Vertrags müssen - angefangen beim EAD - ausgeschöpft werden, damit sich die EU auf internationaler Bühne noch besser etablieren und mit einer Stimme sprechen kann. Dies verleiht den Unionspolitiken und den zwischen der EU und den Mitgliedstaaten geteilten Politikbereichen Kohärenz, und dadurch können spektakuläre Spaltungen vermieden werden, die dem Image der EU abträglich sind.

    1.7.2   Instrumente wie die verstärkte Zusammenarbeit im Rahmen der Außenpolitik sollten aufgewertet werden, um eine Gruppe von Ländern zu schaffen, die eine Vorreiterfunktion spielt bzw. als Motor für eine immer stärker integrierte Außenpolitik fungiert. Dadurch könnte ein stabileres und kohärentes institutionelles Gefüge geschaffen werden, um die gemeinsamen Ziele zu verfolgen. Es könnte damit begonnen werden, einen Pakt für die europäische Außenpolitik zu unterzeichnen, wie dies beim Euro der Fall war (Tagung des Europäischen Rates vom 24./25. März 2011).

    1.7.3   Der EWSA ist deshalb der Auffassung, dass der Beschlussfassungsprozess der EU verbessert und effizienter werden muss, um insbesondere die Sichtbarkeit der EU auf der internationalen Bühne zu verbessern. Diesbezüglich hofft der EWSA, die EU möge die richtigen Modalitäten und Vorschläge finden, um ein gemeinsames außenpolitisches Handeln zu gewährleisten und diesbezüglich mit einer Stimme zu sprechen.

    1.8   Die unmittelbaren Prioritäten

    1.8.1   Alle Dienststellen der Kommission, die bei der Schaffung des EAD mitwirken, müssen sich nach Kräften gemeinsam dafür einsetzen, dass nicht einfach nur eine „neue Generaldirektion“ zu den bereits bestehenden hinzugefügt wird.

    1.8.2   Auf der Grundlage der von der EU auf dem G20-Treffen unterbreiteten Vorschläge auf den Abschluss eines internationalen Übereinkommens mit dem Ziel drängen, ein sich Wiederholen der immer noch latenten Finanzspekulationen zu vermeiden.

    1.8.3   Das Mittelmeer ins Zentrum unmittelbarer und konkreter Initiativen der EU rücken.

    1.8.4   Die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 16. September 2010 und vom 24./25. März 2011 über die strategische Partnerschaft der Union müssen konkret umgesetzt werden.

    1.8.5   Ferner ist Artikel 11 des Vertrags von Lissabon gewissenhaft anzuwenden und alle Institutionen müssen dazu aufgefordert werden, die Verpflichtung zur Anhörung des EWSA einzuhalten und bei direkt oder indirekt zivilgesellschaftlich relevanten Themen einen engen Dialog mit der Zivilgesellschaft - in enger Verbindung mit dem Europäischen Parlament und den Parlamenten der Mitgliedstaaten - zu führen.

    2.   Einleitung

    2.1   Mit dem neuen Vertrag hat die EU die Möglichkeit, auf dem Gebiet der Außenpolitik einen Qualitätssprung zu erzielen, sofern die Mitgliedstaaten dies gestatten; die Rolle der EU als internationaler politischer Akteur könnte so gestärkt werden. Wenngleich der neue Vertrag noch nicht den objektiven Bedürfnissen der Union gerecht wird, hat er doch in den Mitgliedstaaten und weltweit viele Erwartungen geweckt. Nun geht es darum, die mit dem Vertrag eingeführten Neuerungen konkret umzusetzen und den Erwartungen der internationalen Gemeinschaft gerecht zu werden, wenn die EU nicht ihre Glaubwürdigkeit verlieren möchte. Dieses Ziel kann nur mit der aktiven Beteiligung und der umfassenden Teilhabe der Zivilgesellschaft erreicht werden. Der EWSA ist aufgrund Artikel 11 des Vertrags von Lissabon umfassend dazu legitimiert, als Vertreter der organisierten Zivilgesellschaft einen Beitrag zur gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union zu leisten, und er muss deshalb seitens der EU und des EAD unmittelbar beteiligt werden.

    3.   Der neue internationale Rahmen

    3.1   Die EU hat in der Vergangenheit auf dem Gebiet der Außenpolitik nur am Rande eine Rolle gespielt. Heute bieten sich ihr mehr Möglichkeiten, die sie ergreifen muss, wenn sie ihren Niedergang aufhalten möchte. Denn die einzelnen Mitgliedstaaten verlieren auf der sich rasch und ständig wandelnden neuen internationalen Bühne immer mehr an Gewicht. Deshalb ist mehr innereuropäische Solidarität und eine Kompetenzverlagerung von den einzelnen Ländern auf die gemeinsame Ebene der gesamten EU vonnöten, um den fast immer schädlichen Wettbewerb unter den Mitgliedstaaten zu vermeiden.

    3.2   Die Europäische Union steht heute mehr denn je vor einer Vielzahl von globalen Herausforderungen, die größeren Zusammenhalt und ein gemeinsames Verständnis erfordern, damit immer komplexere Bedrohungen – die das geopolitische Gleichgewicht hin zu einer multipolaren Welt verschieben - gemeistert werden können. Im Nahen Osten – unter besonderer Berücksichtigung der immer noch offenen israelisch-palästinensischen Frage -, im Iran, in Afghanistan, im Irak, Sudan und an anderen Schauplätzen in der Welt bestehen nach wie vor ungelöste Konflikte oder Spannungen. In ganz Nordafrika gibt es Aufstände gegen autoritäre Regime, deren Ausgang noch ungewiss ist. Die Sicherheit der Staaten wird gefährdet durch globale Bedrohungen unterschiedlicher Art wie z.B. durch Intoleranz in Glaubensfragen oder neue Atomprogramme wie das des Irans.

    3.3   Folgende weitere wichtige Faktoren führen bereits und/oder potenziell zu Instabilität und Aufständen: Ernährungssicherheit, Bevölkerungswachstum, wachsende soziale Unterschiede, Handelsungleichgewichte und nicht zuletzt der Kampf um seltene Erden und Metalle. Alle diese Probleme, die im Vorfeld angegangen werden müssten, stehen im Zusammenhang mit der Globalisierung, die den Ländern u.a. neue Möglichkeiten der Bekämpfung von Armut und Arbeitslosigkeit usw. bietet.

    3.4   Die EU befindet sich in einer Notlage, in der Handeln zwingend geboten ist. Sie muss unverzüglich und ohne Aufschub tätig werden, und zwar wesentlich rascher, als dies z.B. beim Euro-Rettungsschirm, im Mittelmeerraum oder z.B. in Nahostder Fall war. Eine gemeinsame Außenpolitik ist ein wirksames Mittel gegen all diese Entwicklungen und ein hervorragendes Instrument zur besseren Verteidigung der Interessen der EU, der europäischen Unternehmen und der Unionsbürger. Die Mittelmeerkrise die Gelegenheit bieten, eine gemeinsame Außenpolitik der EU in die Wege zu leiten.

    4.   Gründe und Ziele für eine Außenpolitik und die Lage der Union

    4.1   Der Globalisierungsprozess und die Finanzkrise haben deutlich gemacht, dass neue Regeln für den Finanzmarkt und eine bessere globale Governance, als deren Fürsprecher die EU auftreten muss, notwendig sind. Deshalb müssen die Mitgliedstaaten eng miteinander verbunden handeln und in den internationalen Organisationen, in denen sie einzeln vertreten und mitunter in Bezug auf ihr internationales Gewicht überrepräsentiert sind, mit einer Stimme sprechen. Die Delegationen der EU müssen nach Artikel 34 des Vertrags in allen internationalen Gremien - angefangen beim Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (siehe Beschluss des Europäischen Rates vom 24./25. März 2011) - den Standpunkt der EU vertreten können.

    4.2   Der EWSA ist der Auffassung, dass die EU, um einheitlich handeln zu können, ein gemeinsames strategisches Konzept haben muss. Angesichts der Herausforderungen und Chancen der Globalisierung muss sie ihre politischen Prioritäten und ihre geografischen Interessensschwerpunkte festlegen, schrittweise vorgehen und ihren Interventionsbereich nach Maßgabe ihrer Mittel und Handlungsmöglichkeiten sukzessive ausweiten. Dafür ist es unabdingbar, dass die EU eine Strategie für internationale Allianzen in einem multipolaren System bestimmt. Sie sollte dabei vom transatlantischen Bündnis ausgehen, das angesichts der seit Langem bestehenden engen Verbindungen mittels einer einheitlichen politischen Strategie konsolidiert werden sollte. Dadurch könnte die gegenwärtige Abkühlung der transatlantischen Beziehungen beendet werden. Dadurch wird die EU gezwungen, ihre Rolle mit Überzeugung und Glaubwürdigkeit zu spielen, um konkret eine multipolare Welt und ein gesundes Gleichgewicht zwischen Nord und Süd zu fördern und ein auswärtiges Handeln in Bezug auf Lateinamerika, Asien und insbesondere den afrikanischen Kontinent zu entwickeln.

    4.3   Die EU muss ihre Entscheidungen bewusster treffen. So hat die mangelnde Aufmerksamkeit für die Belange der Zivilgesellschaft der südlichen Anrainerstaaten des Mittelmeers im Wesentlichen zum Scheitern zunächst des Barcelona-Prozesses und dann der Union für das Mittelmeer geführt, was die Sicherheit einer für die Stabilität der EU entscheidenden Grenze gefährdet. Die EU muss diese komplexe Problematik mit Verantwortungsbewusstsein angehen, sie als Chance sehen und die Forderungen der Zivilgesellschaft dieser Länder nach zivilem, wirtschaftlichem und sozialem Fortschritt aufgreifen und die Durchsetzung der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit fördern.

    4.4   Diese Überlegungen gelten auch für das übrige Afrika. Die EU darf China, dem einzigen Land, das in Afrika expandiert, nicht die Initiative überlassen, darf ihre historische und geografische Verantwortung nicht vergessen und sollte ein gemeinsames Abkommen mit dem gesamten Kontinent unterzeichnen.

    4.5   Die bislang funktionierende, aktivere und wirksamere „Außenpolitik“ der Union nahm im Zuge ihrer sukzessiven Erweiterung und Ausdehnung ihrer Grenzen Richtung Osten und Süden Gestalt an. Dieser Prozess muss noch im Rahmen der laufenden Verhandlungen mit den Balkanstaaten und der Türkei vollendet werden und kann nicht endlos verschoben werden. Er muss vielmehr mit offenem Visier und ohne beiderseitige Vorurteile und Ängste angegangen werden.

    4.6   Es gilt, durch Partnerschaften mit anderen Ländern und Regionen im gegenseitigen Interesse zu handeln. Dabei sollte im Sinne einer ausgewogenen Entwicklung der Mensch im Zentrum des Interesses der gemeinsamen Aktionen stehen, ohne jedoch die strategischen Interessen der Union und der Unionsbürger aus den Augen zu verlieren. Die EU muss stets die Inhalte des europäischen Sozialmodells unterstützten und fördern, und die Grundrechte sowie die Arbeitsrechte müssen immer die Grundlage der Abkommen bilden.

    4.7   Der EWSA ist der Auffassung, dass sich eine Reihe von Politikbereichen auf die Außenbeziehungen der EU auswirken. Aufgrund der starken Auswirkungen auch innerhalb der Union ist eine starke Rolle der Zivilgesellschaft unumgänglich. Genannt seien die Rechte, die Regeln für spekulative Finanzgeschäfte, die Währungspolitik (der Euro als Reservewährung und als Mittel der internationalen Wirtschaftspolitik), die Energiepolitik (die häufig erpresserisch eingesetzt wird), die Umweltpolitik, die Handelspolitik, Lebensmittelsicherheit, die Sicherheitspolitik, die Bekämpfung des Terrorismus, die Zuwanderung und die Korruption etc.

    4.8   Deshalb wäre es wichtig, dass die Europäische Kommission unter Mithilfe des EWSA objektive, konkrete und wirksame Informationen über die von der EU durchgeführten außenpolitischen Maßnahmen, ihre Bedeutung und ihren Mehrwert im Vergleich zu einzelstaatlichen Maßnahmen übermittelt. Dies ist häufig nicht der Fall - bzw. erfolgt auf verzerrte Art und Weise durch die Mitgliedstaaten. Diesbezüglich ist auch die Beteiligung des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente von großer Bedeutung.

    4.9   Es besteht die Gefahr, dass sich die Unionsbürger allein gelassen fühlen und sich nach Nutzen und Rolle der EU fragen. Denn häufig haben die Politiker verschiedener Staaten kein Interesse daran, die in Brüssel geleistete Arbeit aufzuwerten. Sie sind häufig vielmehr mit kurzfristigen Strategien für das eigene politische Überleben befasst, anstatt sich für eine langfristige und weitreichende politische Strategie einzusetzen.

    4.10   Die Europäische Union stellt jedoch nach wie vor ein ausgewogenes und nachhaltiges Entwicklungsmodell dar, das auf den Werten der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie und des friedlichen Zusammenlebens basiert und das auf die Nachbarstaaten ausgedehnt werden sollte. Ihre „Soft Power“ und ihre „umgestaltende Diplomatie“ (transformational diplomacy) haben Stabilität für unseren Kontinent gebracht und Demokratie und Wohlstand mittels Erweiterungs- und Nachbarschaftspolitik auf viele Länder ausgedehnt.

    4.11   Das kann aber nicht ausreichen. Der Europäische Rat hat am 16. September 2010 bekräftigt, dass die EU ein effizienter globaler Akteur sein muss, der auch mit bereit ist, Verantwortung für die globale Sicherheit zu übernehmen und eine Führungsrolle bei der Konzipierung gemeinsamer Antworten für die großen gemeinsamen Probleme zu spielen.

    4.12   Die Union bleibt der wichtigste Geldgeber für hilfsbedürftige Länder, weshalb die Kooperationspolitik besser zur Geltung gebracht werden sollte. Die EU ist die größte Handelsmacht der Welt und sie vertritt die fortschrittlichsten umweltpolitischen Standpunkte, wie der Gipfel in Cancún unlängst gezeigt hat. Sie hat deshalb sowohl das Recht wie auch die Pflicht, bei der Festlegung neuer Regeln für die multilaterale Ordnung in vorderster Linie mitzuwirken und diese anzuleiten.

    4.13   Die Vereinten Nationen stehen an der Spitze des internationalen Systems. Das multilaterale System muss zur Bewältigung sowohl der politischen als auch der wirtschaftlichen Herausforderungen reformiert werden. In allen internationalen Bereichen sind tiefgreifende Maßnahmen erforderlich, und es muss ein Beitrag dazu geleistet werden, dass Einrichtungen wie der IWF, die Weltbank und die WTO umfassend erneuert werden. Wie bereits seit Langem gefordert, muss die G-20 eine stärker institutionelle Rolle bekommen und darauf ausgerichtet werden, die wirtschaftlichen und finanziellen Transaktionen besser zu regeln, ohne dass dabei weitere Hierarchien geschaffen werden.

    5.   Sicherheitspolitik

    5.1   Die Union hat - unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Positionen der Mitgliedstaaten - eine Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik entwickelt und Instrumente zur Krisenbewältigung geschaffen. Sie muss bei der Stabilisierung in den angrenzenden Ländern eine wichtige Rolle spielen. Die Union muss deshalb von allen Staaten die Bekräftigung und Achtung der Grundsätze einfordern, die dem friedlichen internationalen Zusammenleben zugrunde liegen - in dem Wissen, dass die Grundrechte nicht verhandelbar sind.

    5.2   Die EU ist seit einiger Zeit direkt (oder über ihre Mitgliedstaaten) an verschiedenen militärischen und zivilen Missionen beteiligt. Es handelt sich dabei um ein globales Engagement, das mitunter eher symbolische Bedeutung hat. Die Instrumente der EU müssten ausgebaut, als echte Mittel zur Förderung der regionalen Sicherheit eingesetzt und als solche anerkannt werden. Die EU muss konkret mithilfe ihres außenpolitischen Instrumentariums wie EAD und Hoher Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik und Vizepräsident der Kommission eingreifen.

    5.3   Die Union sollte in Fragen der Sicherheit vorrangig im sogenannten Nachbarschaftsbereich operieren: in Osteuropa, im Kaukasus, auf dem Balkan, im Mittelmeerraum und in Afrika. Dabei sollte eine Mischung von Maßnahmen zur Stabilisierung der Krisengebiete zum Einsatz kommen: Maßnahmen zur Friedenserhaltung, zum institutionellen Aufbau und zur wirtschaftlichen Entwicklung. In eben diesen Bereichen kann die Zivilgesellschaft eine wichtige Rolle zur Förderung einer friedlichen Entwicklung spielen. Der EWSA ist diesbezüglich bereits sehr aktiv und leistet hier wertvolle Arbeit.

    5.4   Auch ein traditionell der staatlichen Souveränität vorbehaltener Bereich wie die Sicherheits- und Verteidigungspolitik wird für die Zivilgesellschaft und die Öffentlichkeit Europas immer wichtiger, da die Entscheidungen in diesem Bereich strategische, haushaltspolitische und soziale Auswirkungen nach sich ziehen.

    5.5   In dieser Perspektive muss die strategische Partnerschaft von EU und NATO im Sinne einer besseren Zusammenarbeit bei der Krisenbewältigung entwickelt und vertieft werden. Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union ist nicht nur ein entscheidendes Element der GASP, sondern - wie in Lissabon am 20. September 2010 unter Beteiligung der institutionellen Spitzen von NATO und EU beschlossen - auch integraler Bestandteil des neuen strategischen Konzepts des transatlantischen Bündnisses.

    6.   Die Rolle des EWSA

    6.1   Ziel der Aktivitäten des EWSA im Bereich der Außenbeziehungen ist es, den Standpunkt der organisierten Zivilgesellschaft zur EU-Politik in den Bereichen Handel, Erweiterung, Entwicklung und Außenpolitik zum Ausdruck zu bringen.

    6.2   Der EWSA begleitet die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und zahlreichen Ländern der Welt, insbesondere den Ländern und Regionen, mit denen die EU strukturierte Beziehungen unterhält und Beziehungen zu den Zivilgesellschaften dieser Länder und Regionen aufgenommen hat. Es wurden enge Beziehungen mit den Wirtschafts- und Sozialpartnern und anderen Organisationen der Zivilgesellschaft der Drittstaaten geknüpft, um Vorschläge, vor allem über wirtschaftliche und soziale Fragen vorzulegen und zur Stärkung der Zivilgesellschaft beizutragen. In diesem Kontext wurden gemeinsame, an die politischen Instanzen gerichtete Erklärungen angenommen.

    6.3   Die Beziehungen zu den Partnerorganisationen des EWSA werden im Rahmen ständiger Ausschüsse gepflegt. So bestehen Gemischte Beratende Ausschüsse mit den Beitrittskandidaten (Türkei, Kroatien, ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien) und mit Staaten, mit denen Assoziierungsabkommen abgeschlossen wurden (Länder des Europäischen Wirtschaftsraums). Kontaktgruppen wurden eingerichtet für die Westbalkanländer, Russland, Japan und die östlichen Nachbarstaaten. Ferner bestehen Begleitausschüsse, die zusammen mit ihren Partnerorganisationen im Rahmen der Beziehungen mit Afrika, dem Karibik- und dem Pazifikraum, mit Lateinamerika, und im Rahmen der Mittelmeerunion tätig sind. Diskussionsforen der Zivilgesellschaft treten regelmäßig mit den WSR Brasiliens und Chinas zusammen.

    6.4   Unter diesen spezifischen Politikbereichen hat der EWSA wichtige Aktivitäten in drei Bereichen durchgeführt:

    In der Entwicklungspolitik arbeitet der EWSA regelmäßig mit der Kommission zusammen und bringt den Beitrag der organisierten Zivilgesellschaft zu den verschiedenen Vorschlägen der GD Entwicklung ein, sei es in Form von Stellungnahmen oder von gemeinsamen, zusammen mit den zivilgesellschaftlichen Organisationen der AKP-Länder verfassten Empfehlungen.

    Bei der Erweiterung der EU, mittels seiner zusammen mit den Beitrittskandidaten durchgeführten Arbeit, mit denen er Gemischte Beratende Ausschüsse eingesetzt hat. Diese Ausschüsse haben die Aufgabe, Know-how, Erfahrungen und Informationen bezüglich der Auswirkungen der Unionspolitiken und der effektiven Umsetzung des Besitzstands der Union weiterzureichen und als Mittler zwischen der EU und den sozioökonomischen Organisationen dieser Länder zu fungieren.

    In der Handelspolitik möchte der EWSA als Sprachrohr der organisierten Zivilgesellschaft die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen internationaler Abkommen der EU überwachen. Dies kann mittels einer stärkeren Einbeziehung in die Aushandlung der internationalen Abkommen, die ausdrücklich die Präsenz und die Rolle der organisierten Zivilgesellschaft vorsehen sollten, erfolgen.

    6.5   Der EWSA wurde außerdem mit der Überwachung der Umsetzung der zwischen der EU und dem Forum der karibischen AKP-Staaten (Cariforum), zwischen der EU und Zentralamerika sowie zwischen der EU und Korea abgeschlossenen Handelsverträge beauftragt. Die Zunahme der Handelsverhandlungen dürfte zu einer erheblichen Steigerung dieser Rolle führen. Der EWSA ist auch an der Überwachung der Anwendung des Europäischen Instruments für Demokratie und Menschenrechte sowie des Instruments für die internationale Zusammenarbeit beteiligt, was im Wege besonderer Zusammenkünfte mit Kommissionsvertretern und eines Zusammenwirkens mit dem Europäischen Parlament geschieht, das in Bezug auf diese Instrumente über Kontrollbefugnis verfügt.

    6.6   Der EWSA kann folglich einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Kohärenz der Unionspolitiken leisten, die immer stärkere Auswirkungen auf die internationale Politik haben und durch diese bedingt werden. Dabei sei auf die enge Verknüpfung zwischen Maßnahmen im Rahmen des Binnenmarkts und auf internationaler Ebene in den Bereichen Wirtschaft und Finanzen, Währung, Energie, Umwelt, Handel, Soziales, Landwirtschaft, Industrie usw. hingewiesen. Die Tätigkeit des EWSA könnte sich als besonders wirksam erweisen, da er die Maßnahmen der Mitgliedstaaten und der Organe der Union und die von der Zivilgesellschaft zum Ausdruck gebrachten Erfordernisse miteinander verbinden kann.

    6.7   Nach Auffassung des EWSA müssen diese Ziele auch im Rahmen einer angemessenen Vertretung der Zivilgesellschaft und durch einschneidende Maßnahmen in den internationalen Organisationen, angefangen beim Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen, der ILO und den Institutionen in den Bereichen Wirtschaft und Finanzen verfolgt werden. Diese bedürfen bereits seit Jahren einer tiefgreifenden Reform, um die raschen Veränderungen, die tagtäglich zu beobachten sind, widerzuspiegeln und um eine größere Transparenz der Entscheidungsprozesse zu gewährleisten, für die es häufig keine wirksamen Kontrollmechanismen gibt.

    6.8   Der Vertrag von Lissabon bietet der gesamten EU die Möglichkeit, im Einklang mit der Zivilgesellschaft zu handeln - ein Modell, das auf internationaler Bühne propagiert und zur Geltung gebracht werden sollte. Der EWSA kann auf Grundlage von Artikel 11 des Vertrags bei der Verwirklichung der partizipativen Demokratie, auf der die Union beruht, im Bereich der Außenpolitik eine maßgebliche Rolle spielen. Der Ausschuss kann – auch in Bezug auf die Transparenz der Initiativen - als Garant einer „zivilen Diplomatie“ fungieren. Aus diesen Gründen und wegen seiner bislang im internationalen Bereich geleisteten Arbeit ist der EWSA der Ansicht, dass er, wie auch in anderen Politikbereichen, ein bevorzugter Ansprechpartner der Europäischen Kommission - über den neuen Europäischen Auswärtigen Dienst -, des Europäischen Parlaments und des Rates bei der Konzipierung und Überwachung der Außenpolitik sein muss. In diesem Sinne wird der EWSA dem EAD die Erarbeitung einer Vereinbarung zwischen den beiden Institutionen vorschlagen, die eine bessere Strukturierung der Beteiligung der Zivilgesellschaft an der Außenpolitik der EU ermöglicht - sei es mittels Stellungnahmen oder durch andere Verfahren der regelmäßigen Konsultation.

    6.9   Der EWSA ist schon seit vielen Jahren auf internationaler Ebene intensiv tätig. Er hat ein Netz von Beziehungen zu Partnerorganisationen in den verschiedenen Teilen der Welt aufgebaut und vertritt die Grundsätze der EU und die Belange der Zivilgesellschaft in Bezug auf Wirtschaft, Zusammenhalt, Partnerschaft, Bekämpfung der Diskriminierung und sozialer Ungleichheiten.

    6.10   Der EWSA fordert eine größere Kohärenz der Maßnahmen der verschiedenen Generaldirektionen der Europäischen Kommission und der Arbeitsorgane der EU. Er ist ferner der Auffassung, dass die WTO die Arbeitsrechte und die Rechte in Bezug auf Wirtschaft und Freihandel einander gleichstellen sollte, indessen werden die ILO-Kernnormen in einigen Ländern nicht angewandt oder gänzlich ignoriert. Die Folgen solcher Entscheidungen haben die Gesellschaft, Unternehmen und Arbeitnehmer in Europa zu tragen. Deshalb sollte sich die EU nach Auffassung des EWSA zum Fürsprecher einer anspruchsvolleren und gerechteren Auffassung von Globalisierung machen, um zu verhindern, dass der Aufschwung ohne Beschäftigungswirkung („jobless recovery“) zu einer Konstante wird.

    6.11   Nach Ansicht des EWSA muss die organisierte Zivilgesellschaft in Fragen der internationalen Politik mittels direkter Einbindung und regelmäßiger Anhörung durch den EAD aktiver beteiligt werden. Der EWSA möchte vermeiden, dass die Unionsbürger über die sie unmittelbar betreffenden Ereignisse nicht korrekt informiert werden.

    6.12   In diesem Zusammenhang kann der EWSA diejenigen Fragen, die auf nationaler Ebene nicht gelöst werden können, auf europäischer Ebene debattieren: Migration, Energie, Nachbarschaft, Umwelt, demografischer Wandel, Korruption, soziale Fragen, Ernährung, Handel und Entwicklung usw. Der EWSA kann außerdem dafür sorgen, dass diese Debatten auch dann im Bewusstsein bleiben, wenn sie Gefahr laufen, durch andere dringende Ereignisse in der europäischen Agenda verdrängt zu werden.

    6.13   Der EWSA kann den europäischen Institutionen auch die Erfahrung und die Fähigkeit zur Analyse spezifischer Politikbereiche der EU unter den neuen Gesichtspunkten der spezifischen Interessen der betroffenen Sektoren bieten: Förderung der Sozialwirtschaft in Drittstaaten, Interessen der Landwirte im internationalen Handel mit Nahrungsmitteln, die Rolle der Zivilgesellschaft in der Entwicklungspolitik, internationale Wasserbewirtschaftung, internationaler Handel mit Agrarerzeugnissen im Rahmen der WTO, KMU, sozialer Zusammenhalt, regionale Integration usw.

    Brüssel, den 27. Oktober 2011

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Staffan NILSSON


    (1)  Siehe zum Beispiel die Stellungnahmen zu „Die externe Dimension der erneuerten Lissabon-Strategie“ (ABl. C 128 vom 18.5.2010, S. 41-47); „Regionale Integration zur Förderung der Entwicklung in den AKP-Staaten“ (ABl. C 317 vom 23.12.2009, S. 126-131); „Nachhaltigkeitsprüfungen und EU-Handelspolitik“ (ABl. C 218 vom 23.7.2011, S. 14-18); „Finanzierungsinstrument für die Entwicklungszusammenarbeit der EU: die Rolle der organisierten Zivilgesellschaft und der Sozialpartner“ (ABl. C 44 vom 11.2.2011, S. 123-128); und „Europäisches Instrument für Demokratie und Menschenrechte (EIDHR)“ (ABl. C 182 vom 4.8.2009, S. 13-18).


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