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Document 52010AE0448

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Fahrplan für die Gleichstellung von Frauen und Männern (2006-2010) und Follow-up-Strategie“

    ABl. C 354 vom 28.12.2010, p. 1–7 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    28.12.2010   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 354/1


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Fahrplan für die Gleichstellung von Frauen und Männern (2006-2010) und Follow-up-Strategie“

    2010/C 354/01

    Berichterstatterin: Laura GONZÁLEZ DE TXABARRI ETXANIZ

    Mit Schreiben vom 25. September 2009 ersuchte die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Margot WALLSTRÖM, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Erarbeitung einer Sondierungsstellungnahme zum Thema

    „Fahrplan für die Gleichstellung von Frauen und Männern (2006-2010) und Follow-up-Strategie“.

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 23. Februar 2010 an.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 461. Plenartagung am 17./18. März 2010 (Sitzung vom 17. März) mit 137 gegen 3 Stimmen bei 5 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Empfehlungen

    1.1

    Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist nicht nur ein Ziel an sich, sondern auch eine der Voraussetzungen für das Erreichen der EU-Ziele für Wachstum, Beschäftigung und sozialen Zusammenhalt.

    1.2

    Die Halbzeitbilanz des Gleichstellungsfahrplans erfolgt vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise. Noch ist offen, welche Auswirkungen und Folgen die Krise auf Frauen und Männer angesichts ihrer unterschiedlichen Position in der Gesellschaft haben wird.

    1.3

    Das Gleichstellungsziel muss auf politischer Ebene verfolgt werden, insbesondere im Rahmen der Sozial- und Beschäftigungspolitik, und es müssen weiterhin Anstrengungen unternommen werden, um die Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die der uneingeschränkten und gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt im Wege stehen.

    1.4

    Zur Sicherstellung und Optimierung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit von Frauen muss die Beschäftigung von Frauen — und die Unterstützung Selbstständiger — quantitativ und qualitativ verbessert, die Gefahr der Prekarität ihrer Beschäftigungsverhältnisse bekämpft und eine gerechte Aufteilung der familiären und häuslichen Verantwortlichkeiten begünstigt werden.

    1.5

    Die Lohnungleichheit hat eine strukturelle Ursache: Unterbewertung der sogenannten „weiblichen“ Fähigkeiten, Segregation in frauen- und männerspezifische Berufe und Branchen, prekäre Beschäftigungsverhältnisse, Unterbrechungen des Erwerbslebens u.a. gesetzliche Regelungen und Tarifvereinbarungen sind wirksame Instrumente zur Bekämpfung der Lohnungleichheit, wobei die Beteiligung sämtlicher wirtschaftlicher und sozialer Akteure erforderlich ist.

    1.6

    Eine größere Präsenz von Frauen in Unternehmen und Politik steigert die Gleichstellung, ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit, die Überwindung von Geschlechterstereotypen und die Förderung von Frauen im Rahmen von Entscheidungsprozessen.

    1.7

    Frauen sind in besonderem Maße von sozialer Ausgrenzung und Armut bedroht. Die Individualisierung der sozialen Rechte, ein garantiertes Mindesteinkommen und die Anrechnung von Betreuungszeiten, die durch Unterbrechung der Erwerbsarbeit bzw. durch Teilzeitarbeit ermöglicht werden, auf künftige Leistungsansprüche sind Maßnahmen, die den Sozialschutz verbessern und das Armutsrisiko verringern.

    1.8

    Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist eine unverzichtbare Voraussetzung für die Erreichung der Gleichstellung und die Verbesserung der Beschäftigung von Frauen: qualitativ hochwertige öffentliche Sozialdienste und Verbesserung der bereits geltenden Regelungen zu Mutterschutz, Vaterschaftsurlaub und Elternzeit. Es müssen Fortschritte bei der Mitverantwortlichkeit aller sozialen Akteure für die ausgewogene Aufteilung der häuslichen und pflegerischen Pflichten gemacht werden.

    1.9

    Nach Ansicht des EWSA muss die gleichberechtigte Beteiligung von Frauen an Entscheidungsprozessen gefördert werden. Dazu müssen die Mitgliedstaaten (MS) sich selbst stärker in die Pflicht nehmen, indem sie klare Zielvorgaben und wirksame Maßnahmen festlegen (positive Aktion, Gleichstellungsprogramme).

    1.10

    Angesichts der anhaltenden geschlechterbezogenen Gewalt und des Menschenhandels ist der EWSA der Auffassung, dass das geltende Recht durchgesetzt werden muss und nationale Aktionspläne, die im Rahmen einer europäischen Gesamtstrategie zu koordinieren wären, aufzustellen und spezifische Programme aufzustocken sind.

    1.11

    Zur Bekämpfung der Geschlechterstereotypen erachtet es der EWSA für unverzichtbar, die Gesellschaft durch nicht geschlechterbezogene Leitbilder zu erziehen und zu bilden und dabei Männer und Frauen gleichermaßen zu schulen, mehr Frauen für das Studium naturwissenschaftlicher und technischer Fächer zu begeistern, das Ansehen der sogenannten „weiblichen“ Berufe zu verbessern und den Gebrauch von Geschlechterstereotypen in den Medien zu vermeiden.

    1.12

    Die Außen- und Entwicklungspolitik der EU muss zur Förderung der Rechte der Frauen auf internationaler Ebene genutzt werden, indem die Qualifizierung und Handlungskompetenz der Frauen verbessert wird.

    1.13

    Nach Ansicht des EWSA ist es notwendig, die Geschlechteranalyse als Querschnittsthema in alle Handlungsbereiche der Kommission uneingeschränkt zu integrieren und sie in den Haushaltsverfahren auf europäischer wie auf nationaler Ebene zur Anwendung zu bringen. Dazu sind neben auf die Gleichstellung spezialisierten Humanressourcen auch nach Geschlecht aufgeschlüsselte Indikatoren erforderlich, die ein anschauliches Bild von der Lage der Frauen und Männer vermitteln und anhand deren bewertet werden kann, wie weit der Gleichstellungsfahrplan bislang umgesetzt wurde.

    1.14

    In der neuen Gleichstellungsstrategie ab 2010 dürfen die Ziele keine einfachen Empfehlungen der Kommission an die einzelnen Mitgliedstaaten sein, sondern verbindliche Richtlinien mit quantifizierbaren Zielen. Dazu ist eine umfassendere politische Mitwirkung auf allen Ebenen erforderlich. Die EU muss mit gutem Beispiel vorangehen, wobei sie das bisher Geleistete einer proaktiven Prüfung unterziehen und eine Folgenabschätzung der Umsetzung vornehmen sollte.

    2.   Allgemeine Bemerkungen

    2.1

    Mit dem Fahrplan für die Gleichstellung von Frauen und Männern (2006-2010) verpflichtet sich die Europäische Kommission, in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten die Gleichstellung voranzubringen. Der EWSA nimmt auf Vorschlag der Kommission eine Bewertung vor, untersucht die Auswirkungen der ergriffenen Maßnahmen ebenso wie den Grad ihrer Umsetzung und macht eigene Vorschläge im Hinblick auf die neue Strategie ab 2010.

    2.2

    Der EWSA anerkennt die umfassende Verpflichtung der EU zur Förderung der Gleichstellung: in die Römischen Verträge wurde 1957 der Grundsatz der Lohngleichheit aufgenommen, der Vertrag von Amsterdam aus dem Jahr 1997 geht zweigleisig vor, indem er einen Querschnittsansatz mit spezifischen Maßnahmen kombiniert, und der Vertrag von Lissabon enthält eine ausdrückliche Verpflichtung zur Beseitigung der Ungleichheiten und zur Förderung der Gleichstellung.

    2.3

    Auf internationaler Ebene ist die Europäische Union der Aktionsplattform von Peking, den Milleniumszielen und dem Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) beigetreten, das die Frauen in den Mittelpunkt der Menschenrechte stellt.

    2.4

    Trotz dieses umfassenden Regelwerks wurden die Zielvorgaben nicht erreicht und bestehen weiterhin Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen. Es wurden in keinem der sechs politischen Schwerpunktbereiche des Gleichstellungsfahrplans 2006-2010 substanzielle Fortschritte erzielt. Deshalb drängt sich die Frage auf, ob der politische Wille zum Wandel wirklich vorhanden ist. Die Einbeziehung des Gleichheitsgrundsatzes als Schlüsselfaktor für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit muss eine Priorität in der neuen EU-Strategie 2020 sein.

    2.5

    Die Bewertung des Gleichstellungsfahrplans 2006-2010 erfolgt vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise; ihre Auswirkungen auf die Frauen müssen untersucht werden, da sie auf dem Arbeitsmarkt und in der staatlichen Politik der Sozialausgaben, insbesondere der Ausgaben für Sozialdienste, von denen die Frauen am stärksten betroffen sind, eine unterschiedliche Stellung haben.

    2.6

    Die Krise hat sich zunächst auf traditionell von Männern besetzte Arbeitsplätze ausgewirkt, wie im Bau- und Verkehrswesen und in der Industrie, und erst später andere Branchen, in denen mehr Frauen tätig sind (Bankdienstleistungen, Handel etc.), ergriffen. So haben sich die Familieneinkommen oftmals ausschließlich auf die Einkünfte der Frauen beschränkt, die gewöhnlich niedriger sind als die der Männer, weil sie vorwiegend im Dienstleistungssektor tätig sind, Teilzeit- bzw. Zeitarbeitsverträge haben oder in der Schattenwirtschaft beschäftigt sind. Dies alles wirkt sich wiederum negativ auf die Volkswirtschaft aus, weil dadurch der Verbrauch der Privathaushalte reduziert und die wirtschaftliche Erholung gebremst wird.

    2.7

    Die Krise wirkt sich auch auf die Sozialpolitik aus; Frauen bekommen weniger und kürzer Arbeitslosengeld, da sie auf dem Arbeitsmarkt oft eine benachteiligte Stellung einnehmen. Darüber hinaus werden die Grundversorgungsdienste im Gesundheits- und Bildungswesen reduziert, und die Sozialdienste schränken ihr Angebot in Zeiten ein, in denen Familien, vor allem Frauen, sie am dringendsten brauchen. Und weil dies Bereiche sind, in denen überdurchschnittlich viele Frauen tätig sind, wird dies erneut negative Auswirkungen auf die Frauenbeschäftigung haben.

    2.8

    Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Krise dürfen nicht geschlechterneutral sein, und die neuen Politiken zur Förderung der wirtschaftlichen Erholung ebenso wie die aktuellen Strukturfondsprogramme werden die unterschiedliche gesellschaftliche Stellung von Frauen und Männern so lange berücksichtigen müssen, wie dies erforderlich sein wird.

    2.9

    Die Gleichstellung muss nicht nur mit Blick auf die Überwindung der aktuellen Krise und die anschließende Erholung Vorrang haben, sondern auch mit Blick auf die Bewältigung der demografischen und ökonomischen Herausforderungen die sich auf das europäische Sozialmodell und somit auch auf die Frauen und ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit auswirken.

    3.   Besondere Bemerkungen — Teil I: vorrangige Bereiche für Aktionen zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern

    Im Gleichstellungsfahrplan 2006-2010 werden die Verpflichtungen und Maßnahmen festgelegt, die als erforderlich erachtet werden, um die Gleichstellung voranzubringen und die Ungleichheiten zu beseitigen.

    Im ersten Teil des Plans wird auf die sechs Aktionsschwerpunkte mit ihren entsprechenden Indikatoren eingegangen:

    1.

    gleiche wirtschaftliche Unabhängigkeit für Frauen und Männer

    2.

    Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben

    3.

    ausgewogene Repräsentanz in Entscheidungsprozessen

    4.

    Beseitigung aller Formen geschlechterbezogener Gewalt

    5.

    Beseitigung von Geschlechterstereotypen

    6.

    Förderung der Gleichstellung in Außen- und Entwicklungspolitik.

    Im zweiten Teil geht es im Wesentlichen um bessere Entscheidungsstrukturen.

    3.1   Gleiche wirtschaftliche Unabhängigkeit für Frauen und Männer

    3.1.1   Die Beschäftigungsziele der Lissabon-Strategie erreichen

    3.1.1.1

    Viele Länder haben die in der Lissabon-Strategie angestrebte 60 %-Marke für die Frauenbeschäftigungsquote noch nicht erreicht. Während die Beschäftigungsquote von Männern bei 70,9 % liegt, erreicht sie bei den Frauen lediglich 58,8 % (1); von den über 55-jährigen Frauen gehen nur 36,8 % einer Beschäftigung nach gegenüber 55 % bei den Männern. Es sind mehr Frauen als Männer arbeitslos, doch mit Fortschreiten der Krise wird diese Kluft geringer (9,8 % gegenüber 9,6 %).

    3.1.1.2

    Neben der Quantität muss auch die Qualität der Beschäftigung von Frauen gesteigert werden, da sie im Niedriglohnsektor und in Beschäftigungsverhältnissen mit höherem Prekaritätsrisiko überrepräsentiert sind. Teilzeitarbeit wird vorwiegend von Frauen ausgeübt (31,5 % Frauen gegenüber 8,3 % Männern), und 14,3 % der beschäftigten Frauen haben einen befristeten Arbeitsvertrag. Andererseits sinkt bei Müttern die Beschäftigungsquote um mehr als 10 Prozentpunkte, was die ungleiche Aufteilung familiärer Pflichten und die dürftigen Infrastrukturen im Pflege- und Betreuungsbereich widerspiegelt.

    3.1.1.3

    Der EWSA empfiehlt, die Arbeitslosenquote und die Quote der Erwerbslosigkeit von Frauen aus familiären Gründen (2) gemeinsam zu untersuchen. Da Frauen sich um die Familie kümmern, erfüllen sie häufig nicht die Voraussetzungen, um als „arbeitslos“ eingestuft zu werden, sodass die Nichterwerbstätigkeit als verdeckte Arbeitslosigkeit erscheint.

    3.1.1.4

    Erforderlich ist ein multidisziplinärer Ansatz, der es ermöglicht, die Beschäftigungspolitik mit sozial- und bildungspolitischen Maßnahmen zu ergänzen; so z.B. eine Ausbildung zur Beseitigung stereotyper Rollenbilder im Beschäftigungsbereich, qualitativ hochwertige öffentliche Sozialdienste, die pflegebedürftigen Personen die entsprechende Betreuung sichern und Aufklärungskampagnen zur besseren Aufteilung der häuslichen Pflichten zwischen Frauen und Männern.

    3.1.1.5

    Die Kommission muss die Geschlechtergleichstellung in sämtliche Programme (wie im Programm PROGRESS) aufnehmen und darin fördern. Die Strukturfonds stellen dafür einen einzigartigen Rahmen dar und geben Aufschluss über den Grad der Umsetzung in den Ländern, ermöglichen eine jährliche Bewertung der geschlechterspezifischen Auswirkungen der genannten Maßnahmen in den einzelnen Ländern und sogar die Festlegung geeigneter Maßnahmen und Sanktionen für jene, die nicht genügend hochwertige Arbeitsplätze für Frauen sicherstellen.

    3.1.2   Nivellierung der Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern

    3.1.2.1

    Lohngleichheit ist für die Erreichung der Gleichstellung unverzichtbar, doch liegt trotz aller legislativen Fortschritte die Lohnschere zwischen Männern und Frauen bei 17,4 % und bei Frauen über 50 Jahre sogar bei 30 %.

    3.1.2.2

    Die Einkommensunterschiede haben strukturelle Ursachen: Segregation in wenig angesehenen Wirtschaftssektoren und in Niedriglohnberufen, stärkere Beschäftigung in der Schattenwirtschaft und in prekären Arbeitsverhältnissen, Unterbrechung oder Reduzierung der Erwerbstätigkeit aus familiären Gründen. Diese Faktoren wirken sich negativ auf das Lohnniveau von Frauen aus.

    3.1.2.3

    Der EWSA (3) empfiehlt, dass jeder Mitgliedstaat seine Vorschriften für Vertrags- und Lohnbedingungen überprüft, um die direkte und indirekte Diskriminierung von Frauen zu vermeiden.

    3.1.2.4

    Die Rechtsvorschriften müssen Kontrollmechanismen zur Ermittlung von geschlechtsbedingter Diskriminierung umfassen und transparente Berufsklassifizierungssysteme fördern, durch welche Qualifikationen, Erfahrung und Potenzial in der gesamten Belegschaft gleichermaßen bewertet und entlohnt werden.

    3.1.2.5

    Tarifverhandlungen sind ein gutes Instrument, um geschlechtsunabhängige Arbeitsplatzbewertungssysteme, Bildungsurlaub für die berufliche Weiterbildung von Frauen, Freistellungen und Urlaub aus familiären Gründen, flexible Arbeitszeiten u.a. einzuführen, damit die Lohnunterschiede abgebaut werden.

    3.1.3   Unternehmerinnen

    3.1.3.1

    Obwohl Frauen zunehmend höher qualifiziert sind, sind sie in Führungspositionen von Unternehmen weiterhin in der Minderheit. Deshalb hat die Kommission die Gleichstellung im Rahmen der sozialen Verantwortung der Unternehmen gefördert, die staatlichen Beihilfen für von Frauen gegründeten Unternehmen aufgestockt (Verordnung (EG) Nr. 800/2008) und das Netzwerk der Unternehmerinnen unterstützt. Diesem Netzwerk sollten neben Regierungen und offiziellen Institutionen auch betroffene Organisationen der Zivilgesellschaft angehören, um so einen Austausch von Erfahrungen und bewährten Verfahrensweisen zu ermöglichen.

    3.1.3.2

    Es wird empfohlen, den EU-Aktionsplan zur Förderung der unternehmerischen Initiative umzusetzen, um die Zahl der von Frauen gegründeten Unternehmen durch Maßnahmen wie einen besseren Zugang zur Finanzierung und Krediten, die Entwicklung von Unternehmensnetzen für Organisation und Beratung, angemessene Weiterbildungs- und Umschulungsmaßnahmen, die Förderung bewährter Verfahren etc. zu steigern.

    3.1.4   Die Gleichstellung im Sozialschutz und die Armutsbekämpfung

    3.1.4.1

    Frauen sind in besonderem Maße von sozialer Ausgrenzung und Armut bedroht. Dazu tragen ihre unterschiedliche Stellung auf dem Arbeitsmarkt und ihr Abhängigkeitsverhältnis in den Sozialschutzsystemen bei.

    3.1.4.2

    Die Voraussetzungen für den Zugang zum Sozialschutz müssen für Männer und Frauen harmonisiert werden. Die Verkürzung der täglichen Arbeitszeit aus familiären Gründen, die Inanspruchnahme von Elternzeit zur Betreuung, Teilzeit- oder Zeitarbeit, Segregation und Lohndiskriminierung sind Faktoren, welche die Höhe und die Dauer künftiger Sozialleistungen für Frauen reduzieren, insbesondere in den Bereichen Arbeitslosigkeit und Rente. Um hier wenigstens teilweise Abhilfe zu schaffen sind u.a. die Anerkennung der für eine unentgeltliche Arbeit aufgewendeten Zeit und von beruflichen Unterbrechungen aus familiären Gründen als volle Beitragsphasen unverzichtbar.

    3.1.4.3

    Das staatliche Sozialschutzsystem muss ein menschenwürdiges Mindesteinkommen gewährleisten, welches das Armutsrisiko dadurch mindert, dass alten Frauen, Witwen, die eine Ehegattenrente erhalten, und alleinerziehenden Müttern besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird.

    3.1.4.4

    Besonderes Augenmerk sollte den privaten Rentensystemen in einigen Ländern gelten, da die Voraussetzungen für die künftigen Renten auf der Grundlage des individuellen Einkommens und der Lebenserwartung festgelegt werden, wodurch insbesondere Frauen ins Hintertreffen geraten.

    3.1.4.5

    2010 ist das Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung, das sich mit dem Ziel der Lissabon-Strategie und der Einführung der offenen Koordinierungsmethode deckt. Die neue EU-Strategie 2020 muss einige konkrete Ziele und kurz- und langfristig effiziente Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut, insbesondere von Frauen, festlegen.

    3.1.5   Anerkennung der Geschlechterdimension im Bereich der Gesundheit

    3.1.5.1

    Nach Ansicht des EWSA ist eine neue Gesundheitsstrategie notwendig, welche die unterschiedlichen Gesundheitsbedürfnisse von Frauen und Männern miteinbezieht, auch wenn bislang keine konkreten Maßnahmen in dieser Richtung vorgesehen sind. Dazu müssen Fortschritte bei der Erforschung der Gesundheit von Frauen und ihren Krankheiten gemacht werden.

    3.1.5.2

    Das Altern der Bevölkerung und die Teilhabe von Frauen am Arbeitsmarkt werden künftig die Nachfrage nach langfristigen Betreuungsdiensten erhöhen. Die Mitgliedstaaten müssen hochwertige öffentliche Gesundheits- und Sozialdienste gewährleisten; andernfalls wirkt sich das insbesondere auf Frauen negativ aus, weil sie es sind, die hauptsächlich die Betreuungsarbeit leisten.

    3.1.6   Bekämpfung der Mehrfachdiskriminierung, insbesondere von Immigrantinnen und Frauen aus ethnischen Minderheiten

    3.1.6.1

    Der EWSA bekräftigt die Notwendigkeit, die Geschlechterperspektive in die Bereiche Migrationspolitik und Asyl aufzunehmen. Zuwanderinnen und Frauen aus ethnischen Minderheiten verdienen verstärkte Aufmerksamkeit, da sie von Ungleichbehandlungen stärker betroffen und vor allem in der gegenwärtigen Krise besonders gefährdet sind (4).

    3.1.6.2

    Die Feminisierung der Migrationsströme steht in direktem Bezug zur Nachfrage nach Arbeitskräften im Haushalts- und Betreuungsbereich, was in erster Linie auf die dürftigen sozialen Infrastrukturen zurückzuführen ist. Zahlreiche zugewanderte Frauen sind in Branchen tätig, die durch Informalität und Prekarietät gekennzeichnet sind. Diese Beschäftigung muss „professionalisiert“ und regularisiert werden, und es muss die berufliche Qualifikation gefördert werden, um die berufliche Integration der zugewanderten Frauen zu verbessern.

    3.2   Bessere Vereinbarkeit von Beruf, Privat- und Familienleben

    3.2.1

    Im Bereich der Frauenbeschäftigung wurden die Ziele der Lissabon-Strategie erreicht; nicht erfüllt wurden indes die Barcelona-Ziele in Bezug auf Kinderbetreuungseinrichtungen (für mindestens 33 % der Kinder unter 3 Jahren und für mindestens 90 % der Drei- bis Sechsjährigen). Unverzichtbar sind Infrastrukturen für Pflege- und Betreuungsdienste, die verfügbare Plätze und ein flexibles Angebot aufweisen sowie eine persönliche, kompetente Betreuung gewährleisten: Infrastrukturen, die auch außerhalb der Arbeitszeiten und in Ferienzeiten zur Verfügung stehen, Kantinen, Spezialzentren je nach Grad der Pflegebedürftigkeit. Investitionen in Sozialdienste wirken sich nicht nur positiv auf die Wirtschaft und insbesondere auf die Beschäftigung aus, sondern haben auch einen hohen sozialen Nutzen.

    3.2.2

    Die Betreuung von Kindern und Pflegebedürftigen erfordert zeitliche Flexibilität; dementsprechend bedarf es einer Neugestaltung der Arbeitszeiten dahingehend, dass sie an die familiären und beruflichen Erfordernisse angepasst werden und für Frauen und Männer gleichermaßen zugänglich sind.

    3.2.3

    Viele Frauen nutzen die Teilzeitbeschäftigung als eine Maßnahme zur besseren Vereinbarung von Familie und Beruf, weil es teilweise keine ausreichenden Pflege- und Betreuungsinfrastrukturen gibt. Doch ist die Feminisierung der Teilzeitarbeit nicht nur auf familiäre Gründe zurückzuführen, sondern sie ist in vielen Fällen auch die einzige Möglichkeit für Frauen, überhaupt Zugang zur Beschäftigung zu haben (5).

    3.2.4

    In Bezug auf die Urlaubsregelungen ist eine Gleichstellung der individuellen Rechte von Frauen und Männern erforderlich, unabhängig von der Art ihres vertraglichen Beschäftigungsverhältnisses (als Selbstständige, zeitlich befristet, unbefristet …). In diesem Sinne begrüßt der EWSA die zwischen dem EGB, Businesseurope, dem CEEP und der UEAPME erzielte Vereinbarung über die Verlängerung der Elternzeit (6), obwohl er es für notwendig erachtet, weiter auf eine uneingeschränkte Gleichstellung hinzuwirken. Der EWSA unterstützt die Initiative der Kommission zur Verbesserung des Schutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und/oder stillenden Arbeitnehmerinnen und teilt die Ansicht, dass ein Mutterschaftsurlaub von mindestens 18 Wochen gewährleistet werden muss (7).

    3.2.5

    Es muss eine klare Bresche für die Mitverantwortlichkeit aller sozialen Akteure bei den häuslichen und pflegerischen Pflichten geschlagen werden, die vorwiegend von Frauen wahrgenommen werden, damit die Humanressourcen in vollem Umfang genutzt werden können. Es ist notwendig, eine Kampagne zugunsten einer besseren Aufteilung der Aufgaben in Haushalt und Familie als Ursache der Ungleichheit zu starten, und diese Art der Tätigkeit aufzuwerten.

    3.3   Förderung der gleichberechtigten Beteiligung von Frauen und Männern an Entscheidungsprozessen

    3.3.1

    Es bedarf eines stärkeren Engagements zur Gewährleistung der Gleichstellung zwischen Frauen und Männern in Bezug auf die Entscheidungsprozesse (8) in Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Technik. Die Situation der Frauen hat sich in den letzten Jahren kaum geändert. Deshalb müssen diesbezüglich klare Ziele und Fristen vorgegeben und spezifische Politiken bzw. wirksame Maßnahmen (positive Aktion, Gleichstellungsprogramme, besondere Ausbildung, Quoten, Sensibilisierungskampagnen u.a.) durchgeführt werden.

    3.3.2

    Die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Politik muss eine tragende Säule im europäischen Aufbauwerk sein. Bei den Europawahlen im Juni 2009 bestand das Europäische Parlament zu 35 % aus Frauen und in der Kommission gibt es 10 weibliche Kommissionsmitglieder gegenüber 17 männlichen. In den nationalen Parlamenten sind sie zu 24 % vertreten, während 25 % der Ressorts in den einzelstaatlichen Ministerien von Frauen geleitet werden (9). Im EWSA sind derzeit 23,6 % der Mitglieder Frauen gegenüber 76,4 % Männern. Hingegen sind auf den Führungsebenen (Direktoren, stellvertretende Direktoren, stellvertretende Generalsekretäre) lediglich 16,7 % Frauen im Vergleich zu 83,3 % Männern. Die paritätische Vertretung von Männern und Frauen muss eine zentrale Priorität werden, wenn man die Gleichstellung auf allen Ebenen erreichen möchte.

    3.3.3

    Die Fortschritte im Bereich der öffentlichen Forschung sind sehr bescheiden (39 % sind Frauen) und kaum Bewegung scheint es im Wirtschafts- und Finanzsektor zu geben (es gibt keine Frauen an der Spitze von Zentralbanken und sie stellen insgesamt auch nur 17 % der Vorstandsmitglieder und knapp 3 % in den Verwaltungsräten von Großunternehmen).

    3.4   Bekämpfung geschlechterbezogener Gewalt und des Menschenhandels

    3.4.1

    Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist nach wie vor ein ernsthaftes Problem. Es ist ein weltweites und systemisches Phänomen, das in vielfacher Form und Gestalt auftritt. Der EWSA ist wie die Kommission besorgt über die Zahl der weiblichen Opfer von Gewalt, über das Ausmaß von Menschenhandel mit Frauen und Prostitution, insbesondere unter Emigrantinnen, und über die Straftaten, die immer noch unter dem Deckmantel der Tradition oder Religion begangen werden (10).

    3.4.2

    Zum Einsatz kommen müssen angemessene soziale, wirtschaftliche und rechtliche Maßnahmen, mit denen Situationen, die der Gewalt gegen Frauen Vorschub leisten, reduziert und beseitigt werden, wie z.B.: Mangel an materiellen Mitteln, ökonomische Abhängigkeit, geringes Bildungsniveau, Fortbestand der Geschlechterstereotypen, Schwierigkeiten beim Zugang zum Arbeitsmarkt u.a.

    3.4.3

    Besonderes Augenmerk erfordern zugewanderte Frauen, die sowohl durch ihre soziale Isolation als auch durch ihre Illegalität stärker gefährdet sind. Die Sprache, die soziokulturellen Unterschiede oder auch die Unkenntnis der bestehenden Unterstützungsstrukturen hindert sie zuweilen daran, um Hilfe zu suchen, wenn sie Opfer häuslicher Gewalt werden. Noch schlimmer sieht es bei zugewanderten Frauen ohne Aufenthaltspapiere aus, für die besondere Maßnahmen zur Beseitigung der Hindernisse und zur Gewährleistung ihrer Rechte ergriffen werden müssen.

    3.4.4

    Es sind spezifische Programme (abgesehen von der Weiterführung der bestehenden Programme wie z.B. Daphne) und umfangreichere Finanzmittel zur Prävention und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen erforderlich. Es müssen nationale Aktionspläne im Rahmen einer koordinierten Strategie auf EU-Ebene aufgestellt werden, in denen konkrete Maßnahmen und Fristen zur Gewährleistung ihrer effektiven Umsetzung vorgegeben werden. Die Mitgliedstaaten müssen es sich zur vorrangigen Aufgabe machen, geltende Rechtsvorschriften zur Vorbeugung gegen häusliche Gewalt und für den Schutz von Opfern und gefährdeten Gruppen, einschließlich Kindern, durchzusetzen. Ebenfalls notwendig sind Indikatoren, die ein anschauliches Bild aller Facetten von geschlechtsbedingter Gewalt, einschließlich sexueller Belästigung und Menschenhandel, vermitteln. Unverzichtbar sind hierfür EU-weit einheitliche statistische Daten, um dieses Thema entsprechend zu verfolgen und zu bewerten.

    3.4.5

    Angesichts der besorgniserregend hohen Zahl von auch geschlechterbezogenen Gewalttaten unter Jugendlichen ist die Entscheidung der Kommission relevant, die Bekämpfung geschlechterbezogener Gewalt in die Projekte des Programms „Jugend in Aktion“ einzubinden. Ebenso ist es notwendig, die Kultur der Gewaltlosigkeit und der Achtung der Menschenrechte in sämtliche Bildungs- und Ausbildungsprogramme für Kinder und Jugendliche aufzunehmen.

    3.5   Beseitigung von Geschlechterstereotypen

    3.5.1

    Geschlechterstereotypen sind kulturelle und soziale Verhaltensweisen, die davon ausgehen, dass es traditionell „männliche“ oder „weibliche“ Rollen und Aufgaben gibt, was die Ausbildung und die Beschäftigungsoptionen berührt und eine Segregation des Arbeitsmarktes bewirkt. Stereotypen sind ein Hemmschuh für die Gleichstellung und die volle Teilhabe von Frauen und Männern an Entscheidungsprozessen.

    3.5.2

    Trotz ihres hohen Bildungsniveaus arbeiten Frauen nach wie vor hauptsächlich in traditionell „weiblichen“ Wirtschaftsbranchen (Gesundheit und Soziales, Bildung, Handel, öffentliche Verwaltung, Unternehmensdienstleistungen, Hotel- und Gaststättengewerbe etc.) und Berufen (als Verkäuferinnen, Haushaltshilfen, Betreuungspersonal, Verwaltungsangestellte etc.) sowie in niedrigeren Berufskategorien mit geringeren Zugangsmöglichkeiten zu höheren Stellen. Die Segregation ist in den letzten Jahren unverändert geblieben, da der Anstieg der Erwerbstätigkeit von Frauen in Bereichen registriert wird, die ohnehin von Frauen dominiert sind.

    3.5.3

    Zur Bekämpfung der Geschlechterstereotypen ist es erforderlich, dass:

    Kinder und Jugendliche durch nicht geschlechterbezogene Leitbilder erzogen und insbesondere das Unterrichtsmaterial und die Lehrkräfte, die diese Stereotypen reproduzieren, überwacht werden. Der EWSA begrüßt, dass die Geschlechtergleichstellung als besondere Priorität in die Bildungs- und Ausbildungsprogramme der EU aufgenommen wurde;

    mehr weibliche Studierende für naturwissenschaftliche und technische Fächer, in denen sie unterrepräsentiert sind, begeistert werden, damit sie auf diese Weise Zugang zu besseren Arbeitsplätzen bekommen und damit Frauen und Männer in allen Wissensbereichen ausgewogen vertreten sind;

    unternehmerische Initiative, Innovation und Kreativität von Frauen gefördert wird - unabhängig davon, ob sie selbstständig, angestellt oder arbeitslos sind -, denn dies ist ein wichtiges Mittel, um zu zeigen, welche Kräfte Frauen in den Dienst der Gesellschaft stellen;

    die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen am Arbeitsmarkt gewährleistet wird, insbesondere von Müttern minderjähriger Kinder;

    Frauenarbeit, insbesondere im Pflege- und Betreuungsbereich, durch Förderung von Weiterbildungsmaßnahmen aufgewertet wird;

    Geschlechterstereotypen in den Medien und der Werbeindustrie beseitigt werden, wobei der Gewalt und frauenverächtlichen Bildern besonderes Augenmerk geschenkt werden sollte;

    Frauen stärker auf den Entscheidungsebenen der Kommunikationsmedien vertreten sind, um eine diskriminierungsfreie Behandlung zu fördern und ein realistisches Bild von Frauen und Männern in der Gesellschaft abzugeben.

    3.6   Förderung der Geschlechtergleichstellung außerhalb der EU

    3.6.1

    Die Kommission sollte auch in Zukunft die Förderung der Rechte von Frauen auf internationaler Ebene im Rahmen ihrer Außen- und Entwicklungspolitik weiter vorantreiben. Dabei gilt es, die Geschlechterperspektive in sämtliche Aspekte der Zusammenarbeit durch spezifische Maßnahmen für Frauen einzubeziehen, ihre Teilhabe an Entscheidungsprozessen und ihre Initiativefähigkeit zu fördern und in den Entwicklungsländern den Kapazitätenaufbau zu unterstützen, damit sie die Förderung der Gleichstellung betreiben können.

    3.6.2

    Es ist notwendig, die Geschlechterperspektive in die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) aufzunehmen, damit in Krisensituationen Handlungsfähigkeit gegeben ist. Im Bereich der humanitären Hilfe (ECHO) sollte sich die Kommission bei Naturkatastrophen insbesondere um Frauen kümmern, die für Kinder oder Familienangehörige sorgen müssen, und in Konfliktzeiten um Frauen, die Opfer männlicher Gewalt sind.

    4.   Teil II: Verbesserte Entscheidungsstrukturen zur Förderung der Gleichstellung

    4.1

    Die Geschlechteranalyse muss als Querschnittsthema in alle Handlungsbereiche der Kommission, einschließlich der Haushaltsverfahren, integriert werden; gleichzeitig ist eine Bewertung der Gleichstellungsfortschritte innerhalb ihres eigenen Hauses vorzunehmen. Dazu sind auf die Geschlechtergleichstellung spezialisierte Humanressourcen und einige aussagekräftige, nach Geschlecht aufgeschlüsselte Indikatoren erforderlich, die ein anschauliches Bild von der Lage der Frauen vermitteln.

    4.2

    Die Kommission sollte mit den Frauenorganisationen, Sozialpartnern und anderen Organisationen der Zivilgesellschaft einen offenen, ständigen Dialog führen, um die Probleme der Ungleichheit besser zu verstehen.

    4.3

    Der EWSA ruft die Kommission auf, alle Referate zu einem geschlechtsneutralen Sprachgebrauch in sämtlichen internen und externen Dokumenten, in den offiziellen Texten, bei der Verdolmetschung sämtlicher Sprachen ebenso wie auf ihren Webseiten anzuhalten.

    5.   Teil III: Strategien ab 2010

    Der EWSA formuliert auf Vorschlag der Kommission einige Vorschläge zum neuen Fahrplan für die Gleichstellung ab 2010.

    5.1

    Die Gleichstellung von Frauen und Männern muss im Rahmen einer globalen Sichtweise angegangen werden. Mit den EU-Politiken darf nicht nur u.a. eine stärkere Teilhabe der Frauen in allen Bereichen zur Bewältigung der demografischen Herausforderungen oder die Verbesserung des Kindeswohls angestrebt werden, sondern die entsprechenden Maßnahmen müssen ausdrücklich so angelegt sein, dass sie die unausgewogene Verteilung der familiären, betreuerischen und häuslichen Pflichten, insbesondere zwischen Frauen und Männern, aber auch zwischen sämtlichen sozialen Akteuren im Allgemeinen reduzieren.

    5.2

    Die Kommission muss die Geschlechtergleichstellung als Querschnittsthema prioritär in sämtlichen Ausschüssen, Referaten, Maßnahmen, Politiken und Direktionen einbeziehen. Die Geschlechterfrage ist kein Thema, das ausschließlich die Generaldirektion Beschäftigung und soziale Angelegenheiten betrifft.

    5.3

    Erforderlich sind Fachleute für Geschlechterfragen, die Ausbildungskurse und Materialien anbieten, mit denen das Bewusstsein, der Kenntnisstand und die Fähigkeiten der europäischen Gleichstellungsbeauftragten gesteigert werden können. Eurostat muss auch weiterhin seine statistischen Daten nach Geschlecht aufschlüsseln, die methodischen Verfahrensweisen verbessern und neue Indikatoren aufnehmen, die besser Aufschluss geben über die Lage der Frauen und somit ein vollständiges Bild über die unionsweite Situation vermitteln.

    5.4

    Die Geschlechterperspektive muss in die Haushaltsverfahren der EU und sämtlicher Mitgliedstaaten integriert werden. Außerdem sollte die Auswirkung des staatlichen Handelns auf Frauen und Männer in entsprechenden Studien bewertet werden.

    5.5

    Die Strukturfonds bieten einen einmaligen Rahmen, damit die Mitgliedstaaten die Gleichstellung in ihren operativen Programmen und den einzelnen Umsetzungsphasen der Fonds einbeziehen und gleichzeitig eine Evaluierung der geschlechtsspezifischen Auswirkungen in jedem vorrangigen Themenbereich oder Handlungsfeld dieser Programme vornehmen. Zur Verbesserung der Ergebnisse ist eine bessere Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen den Strukturfonds und den nationalen Gleichstellungsbehörden erforderlich.

    5.6

    Die Kommission muss für die effektive Umsetzung der Rechtsvorschriften sorgen, indem sie nachahmenswerte Verfahrensweisen vorstellt, und jene Länder mit Sanktionen belegen, die den Gleichheitsgrundsatz zwischen Frauen und Männern nicht respektieren. Sie muss die Geschlechtergleichstellung in sämtlichen Politiken und Direktionen überwachen und bewerten. Erforderlich ist dazu eine Evaluierungsmethode, mit der beobachtet und eingeschätzt werden kann, inwieweit die Zielvorgaben erreicht bzw. welche Erfolge oder Rückschritte verzeichnet wurden. Zu diesem Zweck müsste eine Evaluierungsgruppe eingesetzt werden, die systematisch die einzelstaatliche Umsetzung anhand der im Gleichstellungsfahrplan bereits erwähnten Indikatoren überwacht und bewertet.

    5.7

    Sollte der künftige Plan noch abgeändert werden, empfiehlt der EWSA, den ersten Bereich zu untergliedern, da er verschiedene Themenbereiche umfasst (Beschäftigung, Gesundheit, Einwanderung), die jeweils unterschiedliche Interventionsmechanismen erforderlich machen. Empfehlenswert wäre ferner ein neuer Bereich „Frauen und Umweltschutz“, da Frauen eine wesentliche Rolle bei der nachhaltigen Entwicklung spielen, da ihnen die Qualität des Lebens und seine Nachhaltigkeit für die derzeitigen und künftigen Generationen besonders am Herzen liegen (11).

    5.8

    Der EWSA verweist auf die bedeutende Rolle der Sozialpartner bei der Förderung der Gleichstellung im Rahmen des sozialen Dialogs und von Tarifverhandlungen. Ein gutes Beispiel ist der Aktionsrahmen für die Gleichstellung von Frauen und Männern aus dem Jahr 2005.

    5.9

    Das Europäische Gleichstellungsinstitut muss eine wichtige Rolle bei der Verbesserung des politischen Handelns und bei der Überarbeitung der geltenden Rechtsvorschriften im Bereich der Sensibilisierung und Gleichstellung spielen. Es muss dafür Sorge tragen und gewährleisten, dass die Gleichstellung in sämtlichen politischen Maßnahmen berücksichtigt und gefördert wird, und es muss eine verantwortungsvollere und integrativere bürgerliche und politische Teilhabe bei Geschlechterfragen anstoßen.

    5.10

    Die wirtschaftlichen und finanziellen Probleme, die Europa zu bewältigen hat, ebenso wie der demografische Wandel dürfen sich nicht auf das Gleichstellungsziel auswirken und es auch nicht in den Hintergrund drängen.

    Brüssel, den 17. März 2010

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Mario SEPI


    (1)  Quelle: Eurostat (EFT), Zahlen zur Beschäftigung 2/2009 und Zahlen zur Arbeitslosigkeit 9/2009.

    (2)  Die Quote der Nichterwerbstätigkeit aufgrund der Betreuung von Familienangehörigen (Kinder und Pflegebedürftige) liegt bei Frauen zwischen 25 und 54 Jahren bei 25,1 % im Vergleich zu nur 2,4 % bei den Männern, und darüber hinaus sind aufgrund anderer familiärer Verpflichtungen 19,2 % der Frauen gegenüber 2,9 % der Männer nicht erwerbstätig (Quelle: EFT, Eurostat, 2008).

    (3)  ABl. C 211 vom 19.8.2008, S. 54.

    (4)  Siehe Stellungnahme ABl. C 182 vom 4.8.2009 und ABl. C 27 vom 3.2.2009.

    (5)  2008 erklärten 31,5 % der erwerbstätigen Frauen in der EU, einer Teilzeitbeschäftigung nachzugehen (der Vergleichswert für die Männer liegt bei 8,3 %). 27,5 % der Frauen in Teilzeitarbeit gaben für diese Beschäftigungsform familiäre Gründe (Kinder oder Pflegebedürftige) an und 29,2 %, weil sie keine Ganztagsbeschäftigung gefunden haben (der Vergleichswert für die Männer liegt bei 3,3 % bzw. 22,7 %). Quelle: EFT, Eurostat.

    (6)  Die Elternzeit wird von 3 auf 4 Monate verlängert, von denen ein Monat dem Vater vorbehalten ist, und gilt für alle Arbeitnehmer unabhängig von der Art des Vertrags.

    (7)  ABl. C 277 vom 17.11.2009, S. 102.

    (8)  Vor 10 Jahren (1999) unterzeichnete die Europäische Union auf der Pariser Konferenz „Frauen und Männer an der Macht“ eine Vereinbarung zur Förderung der gleichgewichtigen Teilhabe von Frauen und Männern an Entscheidungen.

    (9)  Daten vom Oktober 2009.

    (10)  ABl. C 110 vom 9.5.2006, S. 89.

    (11)  Laut Aktionsplattform von Peking 1995.


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