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Document 32019D1968

Beschluss (EU) 2019/1968 der Kommission vom 2. August 2019 über die Maßnahme SA.21445 — C42/2006, die die Italienische Republik zur Vergütung der Poste Italiane für die beim italienischen Schatzamt eingelegten Giroguthaben durchgeführt hat (Bekannt gegebem unter Aktenzeichen C(2019) 5649) (Nur der italienische Text ist verbindlich) (Text von Bedeutung für den EWR)

ABl. L 307 vom 28.11.2019, p. 28–44 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

Legal status of the document In force

ELI: http://data.europa.eu/eli/dec/2019/1968/oj

28.11.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 307/28


BESCHLUSS (EU) 2019/1968 DER KOMMISSION

vom 2. August 2019

über die Maßnahme SA.21445 — C42/2006, die die Italienische Republik zur Vergütung der Poste Italiane für die beim italienischen Schatzamt eingelegten Giroguthaben durchgeführt hat

( Bekannt gegebem unter Aktenzeichen C(2019) 5649 )

(Nur der italienische Text ist verbindlich)

(Text von Bedeutung für den EWR)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION,

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 108 Absatz 2 erster Unterabsatz,

gestützt auf das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, insbesondere auf Artikel 62 Absatz 1 Buchstabe a,

nach Aufforderung der Beteiligten zur Stellungnahme gemäß den genannten Bestimmungen (1) und unter Berücksichtigung ihrer Stellungnahmen,

in Erwägung nachstehender Gründe:

1.   VERFAHREN

(1)

Mit Schreiben vom 30. Dezember 2005 reichte die italienische Bankenvereinigung Associazione Bancaria Italiana (im Folgenden „ABI“ oder „Beschwerdeführerin“) bei der Kommission eine Beschwerde über verschiedene Maßnahmen zugunsten des Bankgeschäfts der italienischen Post (Poste Italiane SpA) (im Folgenden „Poste Italiane“ oder „PI“) ein. Insbesondere wurde die Kommission darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Italienische Republik (im Folgenden „Italien“) laut einer Vereinbarung zwischen Italien und der PI für die Kundenguthaben auf den Girokonten der PI, die beim Schatzamt eingelegt wurden, einen Zinssatz von 4 % gewährt hat, während die PI die Postgirokonten mit einem Zinssatz von ungefähr 1 % vergütete (im Folgenden die „Maßnahme“). Die Spanne zwischen dem Einlagezins (d. h. dem Zinssatz, den die PI den Inhabern der Postgirokonten gewährt) und dem Kreditzins (d. h. dem Zinssatz, den die PI für die beim Schatzamt eingelegten Kundenguthaben von diesem erhält) sei höher als auf dem Markt üblich, sodass aus Sicht der Beschwerdeführerin eine staatliche Beihilfe vorliege.

(2)

Mit Schreiben vom 7. Februar 2006 richtete die Kommission verschiedene Fragen an Italien, die die Verzinsung von Postgirokonten betrafen. Italien antwortete auf diese Fragen mit Schreiben vom 21. April 2006. Am 30. März 2006 wurde eine Sitzung mit Vertretern der italienischen Regierung und der PI abgehalten.

(3)

Mit Schreiben vom 26. September 2006 teilte die Kommission Italien ihren Beschluss mit, im Zusammenhang mit der genannten Maßnahme das Verfahren nach Artikel 108 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) einzuleiten. Die Kommission hat die Beteiligten aufgefordert, zu der genannten Maßnahme Stellung zu nehmen (2).

(4)

In der Entscheidung vom 16. Juli 2008 (3) (im Folgenden „Entscheidung von 2008“) gelangte die Kommission zu dem Schluss, dass die von Italien gewährte Vergütung eine staatliche Beihilfe darstellt, die mit dem Binnenmarkt unvereinbar ist, und ordnete ihre sofortige Rückforderung an.

(5)

Am 4. Dezember 2008 reichte die PI beim Gericht eine Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung von 2008 ein.

(6)

Mit dem Urteil vom 13. September 2013 in der Rechtssache T-525/08 (4) erklärte das Gericht die Entscheidung von 2008 für nichtig (im Folgenden „Urteil von 2013“).

(7)

Am 30. Oktober 2014 veröffentlichte die Kommission auf ihrer Website eine Ausschreibung (5) für die Erstellung eines Berichts, in dem die Renditen der möglichen Anlagen der auf Postgirokonten der PI eingezahlten Beträge für den Zeitraum 2005-2007 analysiert und verglichen werden.

(8)

Am 19. Dezember 2014 wurde der Zuschlag der Universität von Perugia erteilt. Der Bericht wurde im November 2015 fertiggestellt.

2.   AUSFÜHRLICHE BESCHREIBUNG DER MAßNAHME UND DER BEGÜNSTIGTEN

2.1.   Poste Italiane

(9)

Die PI stellt in Italien den Universalpostdienst bereit und erbringt somit eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, d. h. sie übernimmt die Pflichten des Universalpostdienstes (6) gemäß der zweiten Postrichtlinie (7) und den Verordnungen zum Universalpostdienst. Finanzdienstleistungen fallen gegenwärtig nicht unter den der PI erteilten Auftrag zur Erbringung einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse.

(10)

Neben Kernpostdienstleistungen bietet die PI auch integrierte Produkte sowie Kommunikations-, Logistik- und Finanzdienstleistungen in ganz Italien an.

(11)

Das Bankgeschäft der PI wird über den vollständig integrierten Bereich der Postbank (Bancoposta) abgewickelt.

(12)

Im Zeitraum 2005-2007 war Italien der Hauptanteilseigner der PI mit einem Anteil von 65 %, während die Cassa Depositi e Prestiti (im Folgenden „CDP“) mit einem Anteil von 35 % Minderheitsanteilseigner der PI war. Die CDP war Teil der öffentlichen Verwaltung, bis sie Ende 2003 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde. Trotz der Übertragung von 30 % des Gesellschaftskapitals auf 65 Bankenstiftungen (8) blieb die CDP auch nach 2003 unter staatlicher Kontrolle. Zum Zeitpunkt der Umsetzung der Maßnahme befand sich auch die PI unter der Kontrolle des italienischen Staates.

2.2.   Die Maßnahme

(13)

Die zu prüfende Maßnahme betrifft die Vergütungen der Kundenguthaben auf den Postgirokonten der PI, die in den drei Jahren 2005-2007 beim Schatzamt eingelegt wurden.

(14)

Die Verpflichtung, die Kundenguthaben beim Schatzamt einzulegen (im Folgenden die „Einlageverpflichtung“) (9), wurde durch das Gesetz Nr. 266 vom 23. Dezember 2005 (10) (im Folgenden das „Gesetz von 2005“) begründet, während die Vergütung durch eine Vereinbarung zwischen Italien und der PI vom 23. Februar 2006 (im Folgenden die „Vereinbarung“) gewährt wurde.

(15)

Nach der Gesetzesverordnung vom 5. Dezember 2003 (11) kann das Verhältnis zwischen der PI und dem Schatzamt durch das folgende Diagramm beschrieben werden:

Image 1

(16)

Das Gesetz von 2005 sah vor, dass die Zinssätze, die an die PI für die Einlagen beim Schatzamt gezahlt werden, von Italien und der PI nach Marktparametern festgelegt werden.

(17)

Nach dem Gesetz von 2005 wurden in der Vereinbarung auch die konkreten Verfahren zur Festlegung der Zinssätze für einen Dreijahreszeitraum festgelegt. Die Vereinbarung trat am 4. April 2006 (12) rückwirkend zum 1. Januar 2005 in Kraft. Die jährliche Verzinsung berechnete sich im Wesentlichen aus dem gewichteten Durchschnittwert der Renditen der italienischen Schatzanweisungen (BTP) (13) mit einer Laufzeit von 30 Jahren (zu 80 %) und 10 Jahren (zu 10 %) sowie der Schatzwechsel (BOT) (14) mit einer Laufzeit von 12 Monaten (zu 10 %). Die jährlichen Zinssätze der staatlichen Schuldtitel und Schatzanweisungen, die in der Vereinbarung als Referenzwerte zugrunde gelegt wurden, ergaben sich aus dem einfachen arithmetischen Mittel (Summe von 24 Aufzeichnungen/24) der Zinssätze, die zum 1. und 15. eines jeden Monats von MTS SpA festgestellt wurden (MTS SpA ist die Gesellschaft, die die elektronische Handelsplattform für den Handel mit Schuldverschreibungen des italienischen Staates und mit anderen festverzinslichen Wertpapieren betreibt). Aus der alle 15 Tage stattfindenden Anpassung der Parameter ergibt sich die variable Natur der Indexierung. Darüber hinaus hatte die PI im Fall einer beträchtlichen Verschiebung der Zinskurve (z. B. bei einer Veränderung des Verhältnisses zwischen kurz- und langfristigen Zinsen) die Möglichkeit, eine Überprüfung des Berechnungsmechanismus zu verlangen. Jede Seite konnte am Ende eines jeden Jahres von der Vereinbarung zurücktreten, indem sie sie sechs Monate im Voraus aufkündigte.

(18)

Die Zinssätze in den Jahren 2005, 2006 und 2007 beliefen sich auf 3,9 %, 4,25 % bzw. 4,7 %.

(19)

Durch das Gesetz Nr. 296 vom 27. Dezember 2006 (das „Gesetz von 2006“) (15) änderte Italien das Gesetz von 2005. Durch das Gesetz von 2006 wurde ein neuer Rahmen für Anlagen festgelegt: Die Verpflichtung, dass die PI die Mittel, die von Privatkunden (d. h. die sich nicht im Besitz der öffentlichen Verwaltung befinden) auf Postgirokonten eingezahlt werden, einlegen muss, wurde abgeschafft. Stattdessen mussten die Mittel nun von der PI in Staatsanleihen von Ländern der Eurozone angelegt werden (16). Gemäß dem Gesetz von 2006 wurde der neue Rahmen für Anlagen im Laufe des Jahres 2007 schrittweise eingeführt und bis Ende des Jahres vollständig umgesetzt.

2.3.   Die Entscheidung von 2008

(20)

In der Entscheidung von 2008 gelangte die Kommission zu dem Schluss, dass die zu überprüfende Maßnahme (d. h. die vom Schatzamt gemäß der Vereinbarung gewährte Vergütung für die PI) eine staatliche Beihilfe darstellt, die mit dem Binnenmarkt unvereinbar ist, und ordnete die sofortige und tatsächliche Rückforderung an.

2.3.1.   Nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten handelnder privater Kreditnehmer

(21)

Um ermessen zu können, ob ein Vorteil im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 AEUV vorliegt, verglich die Kommission in der Entscheidung von 2008 den Zinssatz, mit dem das Schatzamt die von der PI eingelegten Gelder gemäß der Vereinbarung verzinste (im Folgenden „Zinssatz der Vereinbarung“) mit den Zinsen, die ein nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten handelnder privater Kreditnehmer in einer ähnlichen Situation unter Marktbedingungen gezahlt hätte (im Folgenden „Zinssatz, der einem nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten handelnden privaten Kreditnehmer gewährt worden wäre“).

(22)

Wie in Erwägungsgrund 119 der Entscheidung von 2008 dargelegt, hätte ein nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten handelnder privater Kreditnehmer bei der Festlegung der Verzinsung der Einlage im Wesentlichen folgende Elemente berücksichtigt:

a)

den Umfang der eingelegten Gelder;

b)

die Stabilität des Umfangs der eingelegten Gelder;

c)

die durchschnittliche Anlagedauer/Laufzeit und Schwankungen des Umfangs der eingelegten Gelder und

d)

die dabei zu tragenden finanziellen Risiken.

(23)

Im Hinblick auf den Umfang der eingelegten Gelder ging die Kommission bei der Entscheidung von 2008 davon aus, dass er sich auf 35 Mrd. EUR belief. Bei nur einem einzigen Gläubiger stellt dies einen beträchtlichen Betrag dar. Jedoch merkte die Kommission an, dass die Einlagen der PI beim Schatzamt Ende des Jahres 2005 lediglich 2,8 % der ausstehenden Staatspapiere ausmachten. Darüber hinaus überstieg die Nachfrage nach italienischen Staatsanleihen in diesem Zeitraum das Angebot. Daher gab es keine Anzeichen für einen Mangel an Finanzmitteln auf dem Markt und dafür, dass die Einlagen der PI für die Behebung dieses Mangels erforderlich waren (Erwägungsgrund 124 der Entscheidung von 2008).

(24)

Im Hinblick auf die Stabilität des Umfangs der eingelegten Gelder ging die Kommission davon aus, dass 10 % der Einlagen auf Postgirokonten als volatil und 90 % als stabil eingestuft werden konnten (Erwägungsgrund 133 der Entscheidung von 2008).

(25)

Im Hinblick auf die durchschnittliche Anlagedauer/Laufzeit der Einlagen unterschied die Kommission zwischen einer aktiven Anlagestrategie, die möglich gewesen wäre, wenn die Vereinbarung nicht existiert hätte, und einer passiven Anlagestrategie in Folge der Einlageverpflichtung. Ein nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten handelnder privater Kreditnehmer hätte erwarten können, dass die Einlageverpflichtung nach maximal fünf Jahren geändert werden würde, und hätte dies bei der Festlegung des Kreditzinses berücksichtigt. Die Kommission stellte fest, dass die mittlere Laufzeit der auf Postgirokonten eingelegten Gelder im Rahmen einer aktiven Anlagestrategie bei etwas unter fünf Jahren lag. Demzufolge hätte ein nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten handelnder privater Kreditnehmer die marktübliche Vergütung der stabilen Komponente der Einlagen anhand der Rendite einer fünfjährigen Anleihe (und nicht anhand der Renditen der 10- bzw. 30-jährigen Papiere, wie in der Vereinbarung festgelegt) ermittelt. Hinsichtlich der volatilen Komponente der Einlagen hätte ein nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten handelnder privater Kreditnehmer zur Bestimmung der Vergütung einen Schatzwechsel mit einer Laufzeit von 3 Monaten zugrunde gelegt (anstelle der Schatzwechsel mit einer Laufzeit von 12 Monaten, wie in der Vereinbarung festgelegt).

(26)

Im Hinblick auf die finanziellen Risiken im Zusammenhang mit Einlagen aus Postgirokonten merkte die Kommission an, dass das Liquiditätsrisiko vollständig vom Kreditnehmer (d. h. dem Schatzamt) und nicht von der PI getragen wurde. Falls die Kontoinhaber die Einlagen aus den Postgirokonten zurückzögen, müsste laut der Vereinbarung das Schatzamt der PI die nötigen Mittel in gleichem Umfang bereitstellen.

(27)

Die Kommission gelangte zu dem Schluss (Erwägungsgrund 178 der Entscheidung von 2008), dass der Zinssatz der Vereinbarung den Zinssatz, der einem nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten handelnden privaten Kreditnehmer gewährt worden wäre, 2005 um 1,09 %, 2006 um 0,65 % und 2007 um 0,47 % überstieg. Daher gelangte die Kommission zu dem Schluss, dass es sich bei der Maßnahme um eine staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 AEUV handelte.

2.3.2.   Analyse der Anlagestrategie der PI ohne Einlageverpflichtung

(28)

Bei der Bewertung prüfte die Kommission ad abundantiam alternative Anlagemöglichkeiten, die der PI laut Italien ohne die Einlageverpflichtung zur Verfügung gestanden hätten. Darunter waren insbesondere Anlagen der aus den Versicherungsgeschäften der PI (Poste Vita SpA) stammenden Mittel sowie und alternative aktive Anlagestrategien. In diesem Zusammenhang analysierte die Kommission, ob diese alternativen Anlagen der PI ähnliche oder höhere Renditen eingebracht hätten als diejenige, die in der Vereinbarung festgelegt wurde.

(29)

Die Kommission gelangte zu dem Schluss, dass diese alternativen Anlagen unter Berücksichtigung des Risiko-Rendite-Verhältnisses der PI keine ähnlichen oder höheren Renditen eingebracht hätten als diejenige, die in der Vereinbarung festgelegt wurde.

2.4.   Nichtigerklärung der Entscheidung von 2008: das Urteil von 2013

(30)

Durch das Urteil von 2013 hat das Gericht die Entscheidung von 2008 für nichtig erklärt.

(31)

Das Gericht war der Ansicht, dass das Vorliegen einer positiven Differenz zwischen dem Zinssatz der Vereinbarung und dem Zinssatz, der einem nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten handelnden privaten Kreditnehmer gewährt worden wäre, nicht ausreichend war, um einen Vorteil für die PI nachzuweisen.

(32)

Das Gericht merkte an, dass der Zinssatz, der einem nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten handelnden privaten Kreditnehmer gewährt worden wäre, von der Kommission auf Grundlage der in Erwägungsgrund 22 des vorliegenden Beschlusses beschriebenen vier Parameter eingeschätzt wurde. Es kam zu dem Schluss, dass dieser Zinssatz unter diesen Umständen nicht marktüblich war (17).

(33)

Das Gericht stellte fest, dass selbst wenn der Zinssatz, der einem nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten handelnden privaten Kreditnehmer gewährt worden wäre, nicht dem marktüblichen Zinssatz entsprach, die PI nur dann einen Vorteil erhalten hätte, wenn der Zinssatz der Vereinbarung höher gewesen wäre als die Rendite, die die PI ohne die Einlageverpflichtung hätte erzielen können.

(34)

Das Gericht entschied, dass die Kommission nicht zu dem Schluss gelangen könne, dass die Maßnahme der PI einen Vorteil verschaffte, ohne aktiv nachzuweisen, dass die PI ohne die Einlageverpflichtung durch die Investition der Einlagen aus den Girokonten keine höhere Rendite hätte erzielen können als den Zinssatz der Vereinbarung.

(35)

Das Gericht gelangte zu dem Schluss, dass der Kommission bei der Entscheidung von 2008, wonach die Maßnahme aufgrund der positiven Differenz zwischen dem Zinssatz der Vereinbarung und dem Zinssatz, die einem nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten handelnden privaten Kreditnehmer gewährt worden wäre, der PI einen Vorteil verschaffte, ein offensichtlicher Fehler unterlaufen sei.

(36)

Das Gericht vertrat die Auffassung, dass die Gründe, die von der Kommission vorgebracht wurden, um die Relevanz der von Italien aufgeführten Elemente zu bestreiten, nicht ausreichend fundiert gewesen seien.

(37)

Ferner merkte das Gericht an, dass die Kommission die Renditen, die die PI durch die Investition der Mittel aus den Versicherungsgeschäften und im Rahmen der aktiven Anlagestrategie erzielte, ad abundantiam überprüfte und zu dem Schluss gelangte, dass solche alternativen Anlagestrategien unter Berücksichtigung des Risiko-Rendite-Verhältnisses im gleichen Zeitraum keine ähnlichen oder höheren Zinssätze erbracht hätten als den in der Vereinbarung festgelegten Zinssatz.

(38)

Das Gericht prüfte, ob die Schlussfolgerung der Kommission, die auf der Beurteilung der von Italien vorgeschlagenen alternativen Anlagestrategien beruhte und laut derer es sich bei der Maßnahme um eine staatliche Beihilfe handelte, korrekt war.

(39)

Das Gericht war der Ansicht, dass die Verwaltungsgebühren der Postgirokonten und Versicherungsprodukte für den Vergleich der Renditen, die durch den Zinssatz der Vereinbarung und durch die alternativen Anlagestrategien erzielt wurden, nicht relevant seien. Dementsprechend war das Gericht der Auffassung, dass die Kommission zu Unrecht diese Gebühren abgezogen hätte und dass der Vergleich zwischen dem Zinssatz der Vereinbarung und der um die Verwaltungsgebühren der Versicherungsprodukte verringerten Renditen für die Beurteilung, ob es sich bei der Maßnahme um eine staatliche Beihilfe handele, nicht relevant sei.

(40)

Im Hinblick auf die aktive Anlagestrategie erklärte das Gericht, dass die Kommission keinen aussagekräftigen Vergleich zwischen dem Zinssatz der Vereinbarung und der aktiven Anlagestrategie anstellen konnte, da sie sich auf einen beschränkten Zeitraum von drei Jahren bezog, der nicht repräsentativ für die Renditen einer aktiven Anlagestrategie sei.

(41)

Darüber hinaus war das Gericht der Ansicht, dass Kapitalgewinne ein wichtiger Parameter aktiver Anlagestrategien seien und sie bei einer Prüfung der Vereinbarkeit der Maßnahme mit dem Binnenmarkt nicht außen vor gelassen werden dürften. Die Kommission hatte argumentiert, dass Kapitalgewinne bei der Prüfung nicht berücksichtigt werden sollten, da sie ex ante nicht absehbar sind, und die Renditen einer aktiven Anlagestrategie nach Abzug der Kapitalgewinne folglich niedriger sind als der Zinssatz der Vereinbarung oder der Zinssatz, der einem nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten handelnden privaten Kreditnehmer gewährt worden wäre.

(42)

Das Gericht war der Ansicht, dass die Tatsache, dass die durch aktive Anlagestrategien erzielten Renditen nach Abzug der Kapitalgewinne niedriger waren als der Zinssatz der Vereinbarung, für die Feststellung des Vorliegens eines Vorteils im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 AEUV unerheblich sei.

(43)

Das Gericht war der Ansicht, dass die Schlussfolgerung der Kommission in der Entscheidung von 2008, wonach die PI ohne die Einlageverpflichtung nicht in der Lage gewesen wäre, Renditen zu erzielen, die dem Zinssatz der Vereinbarung entsprachen oder ihn überstiegen, auf fehlerhaften oder unrichtigen Informationen beruhte.

(44)

Daher erklärte das Gericht die Entscheidung von 2008 für nichtig. Gegen das Urteil von 2013 wurde kein Einspruch erhoben.

3.   STELLUNGNAHMEN VON BETEILIGTEN

3.1.   Stellungnahme der ABI

(45)

In ihrem Schreiben vom 27. Dezember 2006 äußerte sich die ABI folgendermaßen:

a)

Die ABI wies darauf hin, dass die beim Schatzamt eingelegten Gelder eine Verbindlichkeit darstellten, für die das Schatzamt in dem auf die Einlage folgenden Jahr eine Vergütung gewähre. Wie die Kommission in ihrem Einleitungsbeschluss ausführte (18), trägt das Schatzamt und nicht die PI das mit den Einlagen verbundene Liquiditätsrisiko. Dies würde bedeuten, dass das Schatzamt im Fall eines Rückgangs der Einlagen im Vergleich zum vorangegangenen Jahr der PI sowohl für diese Einlagen eine Vergütung in Höhe des vereinbarten Zinssatzes gewähren als auch die festgestellte Differenz im Umfang der Einlagen erstatten müsste.

b)

Nach Ansicht der ABI ist die Hereinnahme dieser Einlagen nur als kurzfristige Operation zu verstehen. Hinzu kommt, dass diese Mittel zur Finanzierung des laufenden Haushalts verwendet werden.

c)

Darüber hinaus habe die CDP auf Grundlage des Ministererlasses vom 5. Dezember 2003 (siehe Erwägungsgrund 15) zwei Girokonten beim Schatzamt eingerichtet, auf denen halbjährlich variable Zinsen in Höhe des einfachen arithmetischen Mittels zwischen dem Bruttozinssatz der 6-Monats-BOT und dem Rendistato-Zinssatz (19) gutgeschrieben wurden.

d)

Als Letztes muss zur Beurteilung der Frage, ob die der PI zuerkannte Vergütung für die beim Schatzamt eingelegten Kundenguthaben als staatliche Beihilfe zu betrachten ist, der der PI gewährte Zinssatz mit dem Zinssatz kurzfristiger Schatzwechsel (mit Laufzeit von 12 Monaten) verglichen werden. Im Januar 2005 betrug der Zinssatz der 12-Monats-BOT 2,21 %, was bedeutet, dass die Vergütung an PI 1,69 % höher war.

3.2.   Stellungnahmen Italiens

(46)

Mit Schreiben vom 31. Oktober 2006, 29. Dezember 2006, 16. Februar 2007, 30. März 2007, 2. April 2007, 1. Juni 2007, 27. November 2007, 29. Februar 2008, 7. März 2008 und 23. April 2008 hat Italien die im Folgenden dargelegten Argumente vorgebracht.

(47)

Erstens erinnerte Italien daran, dass sich die der PI nach dem Gesetz von 2005 und der Vereinbarung zu zahlenden Zinsen nach Marktparametern richteten. Laut Italien wurde durch diese Zinsen kein Vorteil verschafft.

3.2.1.   Schwankungen der Einlagen auf Postgirokonten

(48)

Zweitens erklärte Italien, dass Postgirokonten erst ab 2001 mit Bankgirokonten verglichen werden sollten, da in diesem Jahr das neue Produkt „Conto BancoPosta“ eingeführt wurde. Vor 2001 schwankten die beim Schatzamt eingelegten Beträge. Beispielsweise habe es einen beträchtlichen Rückgang der Einlagen auf Girokonten in den späten 1990er-Jahren, insbesondere zwischen 1996 und 1997, gegeben, der auf die Verabschiedung des Gesetzes Nr. 662 vom 23. Dezember 1996 zurückzuführen sei, in dem die Schließung der vom Schatzamt für die Auszahlung der staatlichen Renten genutzten Konten verfügt wurde. Dies habe zu einem Rückgang der Einlagen in Höhe von etwa 11 Mrd. EUR (zum 1. Januar 1997) geführt. Nach Ansicht Italiens sei es aufgrund exogener politischer Faktoren und der Tatsache, dass es sich bei der PI zum damaligen Zeitpunkt um eine öffentliche Einrichtung handelte, schwierig, die Ursachen dieser Schwankungen exakt zu ermitteln. Nach der Umwandlung der PI in eine Aktiengesellschaft im Jahr 1998 setzte wieder eine deutlich regelmäßigere und konstante Zunahme der Einlagen beim Schatzamt ein.

3.2.2.   Die Vereinbarung

(49)

Nach Angaben Italiens wurde die finanzielle Beziehung zwischen dem Schatzamt und der PI durch die Vereinbarung transparent geregelt. Einerseits verfügte die Vereinbarung über eine Laufzeit von drei Jahren und war somit zeitlich beschränkt; andererseits sah sie für jede Seite die Möglichkeit zum Ausstieg vor, falls die Angemessenheit des Mechanismus zur Ermittlung der Verzinsung der Einlagen aufgrund der Marktbedingungen nicht mehr gewährleistet werden konnte.

(50)

Laut Italien trug die Wahl eines variablen Zinssatzes in der Vereinbarung dazu bei, die Konformität mit einem marktüblichen Zinssatz sicherzustellen. Insbesondere für das Schatzamt war ein variabler Zinssatz gerecht, dem dadurch Finanzierungskosten in Einklang mit den Kosten alternativer Finanzierungsquellen, z. B. mittel- und langfristiger Schuldtitel, gewährleistet wurden.

(51)

Italien weist darauf hin, dass die PI seit 2007 bei ihrer aktiven Anlagestrategie einen konservativen Ansatz verfolgt, der sich von dem der Vereinbarung unterscheidet, da er es der PI erlaubt, ein Portfolio aufzubauen, das auf einer Asset Allocation beruht, die im Einklang mit den Zielen und der finanziellen Strategie des Unternehmens steht.

3.2.3.   Änderungen an der Einlageverpflichtung beim Schatzamt

(52)

Italien informierte die Kommission darüber, dass das Gesetz, das die PI verpflichtete, die Kundenguthaben auf den Postgirokonten beim Schatzamt einzulegen, im Dezember 2006 durch das Gesetz von 2006 aufgehoben wurde. Laut diesem Gesetz müssen die von Privatkunden bei der PI gehaltenen Sichteinlagen künftig in Staatsanleihen von Ländern der Eurozone angelegt werden (siehe Erwägungsgrund 19). Durch dieses neue Gesetz sollte der PI eine größere finanzielle Autonomie eingeräumt werden.

3.2.4.   Stabilität des Umfangs der Einlagen auf Postgirokonten

(53)

Um seinen Standpunkt in Bezug auf die Stabilität des Umfangs der eingelegten Guthaben zu untermauern, hat Italien die Ergebnisse von zwei Modellen übermittelt: die internen statistischen Modelle der PI und das von der PI in Zusammenarbeit mit der Beratungsfirma […] ausgearbeitete Modell zur Darstellung der prudenziellen Entwicklung der über die Postgirokonten hereingenommenen Guthaben.

(54)

Die internen Modelle basierten auf der Analyse der täglichen Bestandsveränderungen der Einlagen auf Postgirokonten gegenüber den durchschnittlichen Salden, wobei lediglich die historischen Entwicklungstrends der Girokonten herangezogen wurden. Die Modelle zeigen einen Wachstumstrend der beim Schatzamt eingelegten Beträge (die Einlagen von Privatkunden beliefen sich auf 75 % des Gesamtumfangs der Einlagen auf Postgirokonten). Die stabile Komponente der Einlagen weist einen Wachstumstrend auf und beläuft sich auf 90 % der durchschnittlichen Gesamteinlagen (dieser Anteil ist zwischen 2002 und 2006 von 85 % auf 92 % gestiegen). Entsprechend zeigen die internen Modelle, dass die volatile Komponente der Einlagen auf ungefähr 10 % gefallen ist.

(55)

Das von Italien als sehr konservativ eingestufte Modell […] bringt zum Ausdruck, dass die „Verweildauer“ der Gesamtheit der Sichteinlagen nicht mit der Bestandsdauer des einzelnen Girokontos übereinstimmt. Falls einige Kunden sich tatsächlich entschieden hätten, ihre Konten von heute auf morgen aufzulösen, hätten sich durch die große Anzahl an Kunden und die Tatsache, dass die durchschnittliche Einlage auf diesen Konten nur sehr gering war und die Einlagen von neuen Kunden im Wesentlichen die von alten ersetzten, nur geringfügige Auswirkungen auf den gesamten Einlagenumfang der PI ergeben.

(56)

Während die Vereinbarung in Kraft war, wurde das von […] erstellte prudenzielle Modell von verschiedenen italienischen Banken bei der aktiven Verwaltung ihrer liquiden Mittel zur Ermittlung der Verweildauer der Einlagen auf ihren Girokonten und zur Widerspiegelung dieser Verweilzeiten in einem entsprechenden Portfolio im Rahmen ihres Aktiv-Passiv-Managements („Asset-Liability-Management“ — „ALM“) angewandt. Dieses prudenzielle Modell wurde von der PI zur Ermittlung der Verweildauer der Sichteinlagen auf den Postgirokonten (von Privatpersonen (20)) sowohl im Zeitraum 2005-2006 herangezogen, als die PI noch verpflichtet war, sämtliche Kundenguthaben beim Schatzamt einzulegen (passives Liquiditätsmanagement), als auch in der Zeit ab dem 1. Januar 2007, als die PI damit begann, die Guthaben von Privatkunden in Staatsanleihen von Ländern der Eurozone anzulegen (aktives Liquiditätsmanagement).

3.2.4.1.   Passive Anlagestrategie

(57)

Nach Angaben Italiens wurde durch das Modell […] im Kontext des passiven Liquiditätsmanagements der PI beabsichtigt, die Verweildauer der stabilen und volatilen Komponenten, die durch die internen Modelle auf Grundlage der historischen Volatilität der Postgirokonten und des wahrscheinlichen Verhaltens der Kontoinhaber ermittelt wurden, zu quantifizieren. In einer Variante des Modells (21) wurden zwei Drittel der Einlagen eine sehr lange Verweildauer und bei einem Drittel eine Verweildauer zwischen 0 bis 10 Jahren zugewiesen. Folglich hätte das entsprechende Anlageportfolio eine durchschnittliche Laufzeit von 4,1 Jahren und eine Macaulay-Duration (22) (im Folgenden „Duration“) von 3,2 Jahren. In einer alternativen Variante des Modells (23) weist das entsprechende Anlageportfolio eine durchschnittliche Laufzeit von 4,9 Jahren und eine Duration von 3,8 Jahren auf (24).

3.2.4.2.   Aktive Anlagestrategie

(58)

Nach Ansicht Italiens bestätigte das Modell […], dass die von der PI vorgenommene Asset Allocation im spezifischen Kontext des aktiven Liquiditätsmanagements die optimale Anlageform darstellt. Ausgehend von einem äußerst vorsichtigen Anlagekonzept bestätigte das Modell, dass eine Asset Allocation mit einer durchschnittlichen Fälligkeit zwischen 4 und 5 Jahren eine angemessene Strategie darstellt.

3.2.5.   Kosten der Postgirokonten

(59)

Was die Kosten für die Hereinnahme der Einlagen über die Postgirokonten und Verwahrung der von den Postgirokonten der PI-Kunden stammenden Mittel anbelangt, weist Italien darauf hin, dass es die analytische Buchführung der PI erlaube, die Gesamtkosten des Finanzgeschäfts der PI und nicht nur die Kosten für einzelne Finanzprodukte zu ermitteln. Italien erklärte, dass die Margen der PI geringer seien als die entsprechenden Margen im Bankensektor.

3.2.6.   Übereinstimmung zwischen der in der Vereinbarung festgelegten Vergütung und den Finanzierungskosten des Schatzamtes

(60)

Italien erklärte, dass es die Vereinbarung ermöglichte, die PI auf Grundlage der Rendite der BOT, dem Hauptfinanzierungsinstrument Italiens, zu vergüten.

(61)

Insbesondere erlaubte es die Vereinbarung der PI, auf Grundlage von langfristigen Zinssätzen vergütet zu werden, die mit dem Zeithorizont der Sichtguthaben auf den Postgirokonten in Einklang standen. Die Vereinbarung schützte das Schatzamt ferner gegen nachteilige Marktbedingungen, da sie vom Schatzamt aufgehoben werden konnte, falls sie nicht mehr mit den Kosten alternativer Finanzierungsquellen übereinstimmte.

(62)

Auf Grundlage eines Vergleichs zwischen dem in der Vereinbarung vorgesehenen Zinssatz und den Finanzierungskosten des Schatzamtes gab Italien an, dass die Kosten für die mittel-/langfristige Finanzierung des Schatzamtes mit dem in der Vereinbarung festgelegten Zinssatz in Einklang standen.

(63)

Darüber hinaus i) ist der Zinssatz der Vereinbarung an Parameter geknüpft, die an die öffentliche Verschuldung Italiens gebunden sind (Staatspapiere) und den am besten geeigneten Referenzwert für die Finanzierungskosten des Schatzamtes darstellen; ii) können die eingelegten Guthaben aufgrund der Stabilität des Einlagenumfangs — wie in statistischen Modellen nachgewiesen — und der für die PI geltenden verbindlichen Einlageverpflichtung zum großen Teil als permanente Anlagen eingestuft werden (ungeachtet spezifischer Vorsichtsmaßnahmen — wie der Möglichkeit einer vorzeitigen Auflösung, der dreijährigen Dauer der Vereinbarung —, die dem Schatzamt Schutz vor unvorhersehbaren Marktveränderungen bieten); iii) ist das vom Schatzamt getragene Liquiditätsrisiko angesichts der erwiesenen Stabilität der Postgiroeinlagen begrenzt, da 10 % dieser Einlagen an kurzfristige Parameter gebunden sind.

(64)

Bezüglich der langfristigen Komponenten des Kreditzinses (90 %, wobei i) 10 % an die Rendite der BTP mit einer Laufzeit von 10 Jahren und ii) 80 % an die Rendite der BTP mit einer Laufzeit von 30 Jahren gebunden sind) war Italien der Ansicht, dass sich die Einlageverpflichtung von einer Verpflichtung, direkt in italienische Schuldverschreibungen zu investieren, die frei gewählt und verwaltet werden können, unterscheide.

3.2.7.   Marktkonformität der Vergütung, die der PI für die beim Schatzamt eingelegten Postgiroguthaben gewährt wurde

(65)

Der Kreditzins war marktkonform, da die Mittel, die beim Schatzamt eingelegt wurden, eine langfristige Laufzeit hatten. Dies lässt sich auf die zeitliche Unbegrenztheit der Einlageverpflichtung und die Stabilität der Kundenguthaben auf den Postgirokonten der PI, die beim Schatzamt eingelegt wurden, zurückführen. Darüber hinaus vertrat Italien die Auffassung, dass die Einlageverpflichtung die PI davon abhielt, die Mittel aktiver und potentiell vorteilhafter anzulegen. Italien argumentiert, dass die PI ohne die Einlageverpflichtung 10 % ihrer liquiden Mittel in kurzfristige Schuldverschreibungen und 90 % in langfristige Schuldverschreibungen hätte investieren können.

(66)

Hinsichtlich der Marktkonformität des Zinssatzes, zu dem die PI vergütet wurde, stellte Italien die Stellungnahmen der Rechnungsprüfer der PI und die Patronatserklärungen (comfort letters) von Privatbanken und Beratern zur Verfügung. Die Rechnungsprüfer der PI erklärten, dass die Sichtguthaben auf den Postgirokonten aufgrund ihrer Eigenschaften und Wachstumsraten stabil seien. Privatbanken und Berater (25) waren sich darüber einig, dass die Renditen, die PI auf die beim Schatzamt eingelegten Kundenguthaben erzielte, in Einklang mit den marktüblichen Renditen stehen, die die PI mit einer angemessenen Anlage- und Risikosteuerungsstrategie hätte erzielen können.

3.2.7.1.   Vergleich mit den Renditen der Produkte von Poste Vita

(67)

Italien ist der Ansicht, dass die Vergütung, die PI für die beim Schatzamt eingelegten Mittel erhielt, in Einklang mit den Renditen der Anlagen von Poste Vita stand. Insbesondere vertritt Italien die Auffassung, dass die Lebensversicherungspolicen mit den Postgirokonten vergleichbar seien und dass die durchschnittliche Rendite aus den angelegten Erträgen aus diesen Produkten (z. B. Posta Più) in der Zeit von 2002-2006 bei 4,68 % lag, was dem Zinssatz der Vereinbarung (4,55 %) entspreche.

(68)

Italien vertritt die Auffassung, dass Postgirokonten und Lebensversicherungspolicen vergleichbare Finanzprodukte seien, da Girokonten nur vordergründig als kurzfristiges Anlageinstrument erschienen, während sie de facto einem Finanzinstrument von mittlerer Anlagedauer mit garantiertem Mindestkapital und -rendite ähnelten.

3.2.7.2.   Vergleich mit La Banque Postale

(69)

Nach Ansicht Italiens basierte das Aktiv-Passiv-Management von La Banque Postale (Frankreich) während des geprüften Zeitraums auf dem gleichen statistischen Model, das auch von der PI herangezogen wurde.

(70)

Dieses statistische Model weist die stabilen und volatilen Mittel auf Postgirokonten aus. Die stabilen Mittel werden in Staatspapiere aus dem OECD-Raum angelegt, die volatilen Mittel hingegen in Papiere mit kurzfristigen Fälligkeiten. Auf Grundlage dieses Models wurde mit der Anlage der Giroguthaben von La Banque Postale 2005 eine Rendite von 4,4 % erzielt (gegenüber den 3,9 %, die in der Vereinbarung vorgesehen waren).

(71)

Insbesondere konnte durch das Beispiel von La Banque Postale gezeigt werden, dass es möglich ist, höhere Renditen zu erzielen, als diejenigen, die in der Vereinbarung festgelegt waren, indem ein vorsichtiges Aktiv-Passiv-Management mit einer mittleren Duration von fünf Jahren betrieben wird.

3.2.7.3.   Vergleich mit anderen alternativen Anlagestrategien (aktive Anlagepolitik)

(72)

Um nachzuweisen, dass die in der Vereinbarung vorgesehene Verzinsung der PI keinen Vorteil verschaffte, übermittelte Italien der Kommission eine Studie von […].

(73)

In der […] Studie wurde folgende Analyse durchgeführt:

a)

Die Vergütung, die das Schatzamt der PI für die bei ihm eingelegten Gelder gewährte, kann aus folgenden Gründen als angemessen eingestuft werden:

1.

Die erwartete Anlagedauer dieser Einlagen ist, abgesehen von einer theoretisch etwas volatileren Komponente, extrem langfristig und quasi unendlich.

2.

Die mit der Einlage verbundenen Merkmale werden per Gesetz auf das Schatzamt übertragen.

3.

Die vom Schatzamt vorgenommene Indexierung ist zu 10 % an den 12-Monats-BOT (der volatilsten Komponente), zu 10 % an den 10-Jahres-BTP (der Komponente, die unter Zugrundelegung konservativerer Annahmen mit der Zeit abnehmen könnte) und zu 80 % an den BTP mit Fälligkeit nach 30 Jahren ausgerichtet.

4.

Die Einlageverpflichtung bestätigt die langfristige Natur der Beziehung zwischen der PI und dem Schatzamt.

5.

Die der PI obliegende Einlageverpflichtung war mit gewissen Kosten und Bürden verbunden:

a)

Die Einlage beim Schatzamt kann nicht als wirklich „risikofreie“ kurzfristige Anlage betrachtet werden, da die PI auf Dauer verpflichtet war, die Guthaben beim Schatzamt einzulegen.

b)

Die PI hatte nicht die Möglichkeit, eine aktive Anlagestrategie einzuführen (mit der quantitativen Analyse von […] wird versucht, die resultierenden Kosten zu quantifizieren).

b)

Durch einen Vergleich zwischen der Zinsmarge der PI und der vergleichbarer privater Geschäftsbanken konnte gezeigt werden, dass die Kosten für die Einlagen der Privatkunden bei der PI mit den Kosten für Einlagen von Privatkunden bei Banken des Privatsektors im Einklang stehen. Dagegen ist die Zinsmarge, die die Banken des Privatsektors bei der Anlage der bei ihnen gehaltenen Guthaben erzielen, deutlich höher als die der PI. Nach Einschätzung von […] ist dies der Beweis dafür, dass keine staatliche Beihilfe zugunsten der PI vorliegt.

c)

Durch den Vergleich zwischen den Laufzeitinkongruenzen der PI und denen vergleichbarer Akteure des Privatsektors konnte gezeigt werden, dass die Einlagen bei der PI über eine Komponente mit „quasi unendlicher“ Laufzeit verfügen, die sich konservativ auf mindestens 60,8 % des gesamten Einlagenumfangs schätzen lässt. Gemäß der Vereinbarung verwendet die PI die Postgiroguthaben zur Finanzierung langfristiger Aktiva wie die Einlage beim Schatzamt. Zur Untersuchung des Verhaltens der Banken des Privatsektors wurden die Bilanzen von auf die Finanzierung öffentlicher Körperschaften spezialisierten Banken (Dexia, Depfa usw.) analysiert. Diese Banken verhalten sich nach ähnlichen Mustern. Die Banken des Privatsektors decken nämlich ihren Bedarf zu 50 % über Papiere mit mittlerer bis langer Laufzeit, während der restliche Anteil über Wertpapierpensionsgeschäfte bei der Europäischen Zentralbank oder Interbankeneinlagen finanziert wird. Gleichzeitig investieren sie die Gesamtheit der ihren zur Verfügung stehenden Mittel in illiquide Vermögenswerte des öffentlichen Sektors, die von Regierungen und lokalen Behörden begeben werden und deren Fälligkeiten in der Regel 10 bis 50 Jahre betragen.

d)

Eine quantitative Analyse zielte darauf ab, die Vorteile eines aktiven Portfoliomanagements auf Grundlage der Investitionen der PI in ein Portfolio aus europäischen Staatsanleihen ab März 2007 nachzuweisen. Die Analyse beruht auf zwei Elementen, einerseits auf dem potentiellen vergangenen Verhalten, andererseits auf der zukünftigen Entwicklung:

1.

[…] hat rückwirkend zwei Anlagestrategien für das Portfolio der PI durchgespielt, wobei bei der ersten eine ähnliche Duration wie für das Portfolio der Studie […] nach der VaR-Methode zugrunde gelegt wurde (im Folgenden „Benchmark-Portfolio“ genannt), während die zweite (im Folgenden „Tactical Strategy“ genannt) nach den gleichen Kriterien und Einlageverpflichtungen ausgerichtet ist, wie sie derzeit von PI einzuhalten sind. Die letztgenannte Strategie beruht auf einem automatischen quantitativen Model. Mit der Tactical Strategy wäre das Ergebnis der PI in den letzten zehn Jahren um rund 1,62 % pro Jahr höher ausgefallen als die auf der Grundlage der Vereinbarung für den gleichen Zeitraum erzielte Rendite (allerdings ohne Berücksichtigung der Transaktionskosten). Die Rendite für den Zweijahreszeitraum 2005-2006 (2,45 %) wäre hingegen geringer ausgefallen als die Rendite der Vereinbarung (4,14 %).

2.

[…] hat einige Portfoliomanagementlösungen ermittelt, die die PI im Hinblick auf die Erzielung höherer Renditen aus den passiven Investitionen in Staatsanleihen übernehmen könnte, ohne dass sich das Risiko dadurch wesentlich erhöhen würde. Zur Untermauerung dieser Strategien ist in der […] Studie folgende ausführliche Beschreibung enthalten:

a)

Strategien, die auf dem Verkauf von Call-Optionen auf Staatsanleihen beruhen und 2008 eine zusätzliche Rendite von […] erzielen würden;

b)

Schaffung einer synthetischen Euro-Staatsanleihe, die 2008 eine zusätzliche Rendite von […] erzielen würde;

c)

die Verwaltung eines Teils der Kapitalgewinne, die durch das Portfolio erzielt wurden, würde 2008 eine zusätzliche Rendite von […] erzielen und

d)

Bond Swaps im Portfolio, die 2008 eine zusätzliche Rendite von […] erzielen würden.

(74)

Darüber hinaus sei es nach Auffassung Italiens bei einem Vergleich der von der Vereinbarung vorgegebenen Vergütung mit der aus einem aktiven Portfoliomanagement erzielten Vergütung notwendig, einen signifikanten Zeitraum — 10 Jahre — zugrunde zu legen, der zumindest einen vollständigen Konjunkturzyklus umfasse. Aus diesem Grund verglich […] die von der Vereinbarung vorgegebene Rendite mit den Renditen aus alternativen Strategien über einen Zeitraum von zehn Jahren und nicht etwa über einen kürzeren Zeitraum. Daher würde ein Portfolio aus festverzinslichen Wertpapieren in Zeiten steigender Zinsen eine geringere Performance als ein Portfolio aus Wertpapieren mit variabler Verzinsung aufweisen, während in Zeiten sinkender Zinsen das Gegenteil der Fall wäre.

(75)

Nach Ansicht Italiens kann ein Portfolio mit variablem Zinssatz über einen Zeitraum von 10 Jahren hinweg mit einem Portfolio mit festem Zinssatz verglichen werden, da sich die Kapitalgewinne und -verluste tendenziell ausgleichen. Über zehn Jahre gerechnet, stimmt die Gesamtrendite eines variabel verzinsten Portfolios mit der eines festverzinslichen Portfolios im Wesentlichen überein. Ein aktives Portfoliomanagement führt eindeutig zu besseren Renditen als ein passives („parameterbasiertes“) Portfoliomanagement wie im Falle der Vereinbarung (z. B. steht die Rendite der von […] verwendeten Benchmark mit einer Fälligkeit nach 5 Jahren mit der Rendite der Vereinbarung im Einklang, wobei hier jedoch eine wesentlich längere Laufzeit zugrunde liegt).

(76)

Außerdem sollte die Kommission nach Ansicht Italiens zwischen kurzfristigem und langfristigem Risiko unterscheiden. Zwar können die Erträge von festverzinslichen Wertpapieren mit zehnjähriger Laufzeit kurzfristig sehr stark schwanken, doch bieten sie über zehn Jahre hinweg eine durchaus verlässliche Rendite (da festverzinslich). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die Gesamtrendite eines festverzinslichen Anlageportfolios über einen Zeitraum von 10 Jahren der Rendite eines Portfolios mit variablem Zinssatz angleicht, wobei Letzteres ein höheres Risikoprofil aufweist (da es jährlichen Zinsschwankungen ausgesetzt ist).

(77)

Darüber hinaus birgt eine echte alternative Anlagestrategie, die flexibel ist und auf sämtliche vom Markt gebotenen Finanzinstrumente zurückgreifen kann, die Möglichkeit, bessere Ergebnisse zu erzielen als es mit passiven Anlagen wie im Falle der Vereinbarung möglich ist.

(78)

Außerdem hob Italien hervor, dass man zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung mit dem Schatzamt die zukünftige Entwicklung der Zinssätze nicht abschätzen konnte. Nach Auffassung Italiens war es wirtschaftlich vernünftig, variable Parameter für die Vereinbarung auszuwählen, da sie für beide Seiten, die PI und das Schatzamt, gerecht waren. Die Möglichkeit, die Vereinbarung nach drei Jahren zu ändern und sie jedes Jahr aufheben zu können, erlaubte es beiden Seiten, sich von der Vereinbarung zurückzuziehen, falls die Verzinsung aufgrund der Entwicklung der Zinssätze auf dem Markt ungerecht oder inkohärent werden sollte.

(79)

Aus der […] Studie geht hervor, dass die Einlageverpflichtung für die PI Opportunitätskosten und Risiken mit sich brachte, da sie die Anlagemöglichkeiten einschränkte. Die Einlagen beim Schatzamt waren lediglich dem Kreditrisiko Italiens ausgesetzt, wodurch die PI keine Diversifizierung ihres Portfolios durch Anlagen in unterschiedliche Staatsanleihen von Ländern der Eurozone vornehmen konnte. Außerdem bestand neben dem Kreditrisiko wegen der langen Anlagefristen ohne Möglichkeit einer vorzeitigen Rückzahlung auch ein Liquiditätsrisiko.

(80)

Als Rechtfertigung für den Vergleich zwischen der in der Vereinbarung festgelegten Verzinsung (auf der Grundlage eines variablen Zinssatzes) und den quantitativen Modellen von […] zum Nachweis der Vorteile eines aktiven Portfoliomanagements (auf der Grundlage fester Zinssätze) führt Italien an, dass sowohl die Akteure auf dem Markt für Anleihen als auch die PI seit 2007 in festverzinsliche Wertpapiere investierten. Darüber hinaus argumentiert Italien, dass sich der Vergleich nicht auf Wertpapiere mit variabler Verzinsung und mit festem Zinssatz beschränken dürfe, sondern dass zwischen einem aktiven und einem passiven Portfoliomanagement unterschieden werden müsse.

(81)

Schließlich vertritt Italien die Auffassung, dass der in der Vereinbarung vorgesehene Vergütungsmechanismus auf der Grundlage kurzfristiger Zinsen für die volatile Komponente der Einlagen auf den Postgirokonten das vom Schatzamt getragene Liquiditätsrisiko in angemessener Weise berücksichtige.

3.2.8.   Anmerkungen zu den Stellungnahmen der ABI

(82)

Nach Ansicht Italiens durfte sich die Verzinsung der Einlagen beim Schatzamt aufgrund der Stabilität des Einlagenumfangs nicht nach kurzfristigen Zinssätzen richten (z. B. dem Zinssatz von Staatsanleihen mit einer Fälligkeit nach 12 Monaten).

(83)

Italien wies darauf hin, dass die ganze Analyse abwegig werde, wenn als Bezugsjahr das Jahr 2005 herangezogen werde (was die ABI jedoch getan hat), da die Zinssätze der kurzfristigen Staatsanleihen 2005 auf ihr niedrigstes Niveau abfielen.

(84)

Was den von der ABI angeführten Vergleich mit der Verzinsung der beim Schatzamt eingelegten liquiden Mittel der CDP anbelangt (Vergütung zum variablen Zinssatz, der alle 6 Monate nach dem arithmetischen Mittelwert der Bruttorenditen der 6-Monats-BOT und des Rendistato-Monatsindex angepasst wird), weist Italien darauf hin, dass die PI nicht mit der CDP verglichen werden könne, die sich durch eine ganz andere Struktur, andere Geschäftsbereiche und -ziele auszeichne, operativ und organisatorisch in eine andere Kategorie falle und eine andere Anlagepolitik betreibe. Außerdem handele es sich beim Rendistato-Monatsindex um einen Index für mittel- bis langfristige Renditen, sodass die Schlussfolgerung der ABI eigentlich widersprüchlich wirke, wonach die liquiden Mittel, die die PI beim Schatzamt eingelegt hat, nach kurzfristigen Parametern verzinst werden müssten.

(85)

Außerdem gibt Italien zu bedenken, dass die Einzigartigkeit der Einlagen beim Schatzamt es erschwerten, dafür ein einziges Ersatzinstrument zu finden. Allerdings könnten die Einlagen beim Schatzamt aufgrund der Stabilität der Einlagebestände in erster Linie mit Mitteln verglichen werden, die über langfristige Anleihen beschafft werden. Durch die Stabilität des Einlagenumfangs auf Postgirokonten wurde der Vergleich mit kurzfristigen Staatsanleihen (mit Fälligkeit nach 12 Monaten) irrelevant.

4.   WÜRDIGUNG DER MAßNAHME

4.1.   Vorliegen einer Beihilfe

(86)

Um ermessen zu können, ob eine Maßnahme eine Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 AEUV darstellt, muss die Kommission prüfen, i) ob die Maßnahme vom Staat oder aus staatlichen Mitteln gewährt wurde; ii) ob sie einen wirtschaftlichen Vorteil verschafft; iii) ob sie den Wettbewerb durch die selektive Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige verfälschen kann und iv) ob sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt. Eine Maßnahme ist als staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 AEUV einzustufen, wenn all diese Bedingungen erfüllt sind.

(87)

Durch das Urteil von 2013 hat das Gericht die Entscheidung von 2008 für nichtig erklärt. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass der Kommission bei der Schlussfolgerung, dass es sich bei der Maßnahme aufgrund der positiven Differenz zwischen dem Zinssatz der Vereinbarung und dem Zinssatz, der einem nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten handelnden privaten Kreditnehmer gewährt worden wäre, um eine staatliche Beihilfe handele, ein offensichtlicher Fehler unterlaufen sei. Um nachzuweisen, dass die Maßnahme tatsächlich zu einem solchen wirtschaftlichen Vorteil führte, hätte die Kommission eindeutig beweisen müssen, dass die PI ohne die Einlageverpflichtung keine gleich hohe oder höhere Rendite als die in der Vereinbarung vorgesehene hätte erzielen können, indem sie die Einlagen aus den Postgirokonten auf dem Markt anlegte.

(88)

Dementsprechend wird in dieser Würdigung darauf eingegangen, ob die Maßnahme zu einem wirtschaftlichen Vorteil geführt hat. Falls dies nicht zutrifft, handelt es sich bei der Maßnahme nicht um eine staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 AEUV.

(89)

Die Kommission vertritt die Ansicht, dass beim Vergleich zwischen der Vereinbarung und alternativen Anlagemöglichkeiten, die der PI ohne die Einlageverpflichtung zur Verfügung gestanden hätten, das Risiko der Anlagen und ihre Interaktion mit den Risiken, die aus den Verbindlichkeiten der PI erwachsen (d. h. den aggregierten Kundenguthaben), aus der Perspektive eines integrierten Aktiv-Passiv-Managements angemessen berücksichtigt werden sollten. Der Vergleich sollte dann entweder zwischen der möglichen Rendite im Rahmen der Vereinbarung und den Renditen von Anlagen, die ein ähnliches Risikoprofil aufweisen, oder zwischen risikobereinigten Renditen erfolgen.

(90)

Darüber hinaus erinnert die Kommission daran, dass die Analyse des möglichen Vorteils, der der PI durch die Vereinbarung gewährt wurde, ex ante erfolgen sollte. Die Einschätzung der möglichen Renditen alternativer Anlagen sollte auf Grundlage der Informationen erfolgen, die den Parteien zu dem Zeitpunkt zur Verfügung standen, als die Vereinbarung getroffen wurde.

(91)

Die Kommission überprüfte zunächst die Vergleiche, die von Italien übermittelt und in Abschnitt 3.2.7. zusammengefasst wurden. Italien machte geltend, dass die alternativen Anlagen, die der PI ohne die Einlageverpflichtung zur Verfügung gestanden hätten, ähnliche oder höhere Renditen böten als die in der Vereinbarung vorgesehene und dass dies beweise, dass die Vereinbarung der PI keinen Vorteil verschaffte. Die Kommission ist der Auffassung, dass nicht bewiesen wurde, dass die vorgeschlagenen alternativen Anlagen im Hinblick auf das Risiko mit der Vereinbarung vergleichbar waren. Daher können sie nicht die Grundlage für die vom Gericht angeführte Beurteilung bilden, da es nicht möglich ist, eine aussagekräftige Schlussfolgerung zu der Frage zu ziehen, ob der PI durch die Vereinbarung ein Vorteil verschafft wurde.

Bei der vergleichenden Analyse der Versicherungstätigkeiten der PI (siehe Erwägungsgründe 67-68) macht Italien geltend, dass die Lebensversicherungspolicen mit Postgirokonten vergleichbar seien und dass die Risiken der Anlagen, die auf Grundlage dieser Produkte erfolgten, mit den mit der Vereinbarung verbundenen Risiken vergleichbar seien, wies dies allerdings nicht nach.

Bei der vergleichenden Analyse der Anlagestrategie von La Banque Postale (siehe Erwägungsgründe 69-71) weist Italien nicht nach, dass die Passivstruktur von La Banque Postale der der PI entspricht oder dass das Anlageprofil von La Banque Postale dem der PI im Rahmen der Vereinbarung ähnelt.

Bei der vergleichenden Analyse anderer Anlagestrategien, die in der […] Studie beschrieben werden (siehe Erwägungsgründe 72-81), wird die Passivstruktur in Einklang mit der Beurteilung von […] angemessen berücksichtigt (siehe Erwägungsgründe 53-58), und ein synthetisches Maß des Risikos, d. h. die Volatilität der Renditen, vorgestellt. Allerdings merkte die Kommission an, dass die vorgeschlagenen alternativen Investitionen ein anderes Risikoprofil aufweisen als die Vereinbarung und dass die Rendite dieser alternativen Instrumente daher nicht mit der vergleichbar ist, die im Rahmen der Vereinbarung zur Verfügung stand, es sei denn, sie werden risikobereinigt.

(92)

Darüber hinaus machte Italien geltend, dass aufgrund der Möglichkeit, die Vereinbarung jedes Jahr aufzuheben — die sowohl dem Schatzamt als auch der PI zur Verfügung stand —, falls die Verzinsung ungerecht geworden wäre, kein ex-ante Vorteil vorlag (siehe Erwägungsgrund 78). Allerdings vertrat die Kommission die Ansicht, dass diese Möglichkeit einen potenziellen Vorteil für die PI nicht ausschloss. Diese Möglichkeit bestand für das erste Jahr nicht und es gab für Italien keine Verpflichtung, sie in den folgenden Jahren wahrzunehmen, selbst wenn dies angemessen gewesen wäre.

(93)

Aus den vorstehenden Gründen gelangt die Kommission zu dem Schluss, dass die von Italien vorgebrachten Argumente nicht ausreichen, um zu einer aussagekräftigen Schlussfolgerung dazu zu gelangen, ob die Vereinbarung der PI einen Vorteil verschaffte. Die Kommission wandte dann die vom Gericht dargelegte Beurteilung in diesem Fall an. Zu diesem Zweck schätzte die Kommission die zu erwartenden Renditen/Risiken ein, die mit einer umfassenden Reihe alternativer Anlagestrategien, die ohne die Einlageverpflichtung zur Verfügung gestanden hätten, verbunden gewesen wären. Für technische Unterstützung in diesen Fragen wählte die Kommission die Universität von Perugia mittels einer Ausschreibung aus, deren Sachverständige im November 2015 einen Bericht vorlegten (im Folgenden der „Sachverständigenbericht“).

4.2.   Zusammenfassung des Sachverständigenberichts

(94)

Im Sachverständigenbericht werden die Anlagen untersucht, die im Zusammenhang mit der Einlageverpflichtung von der PI getätigt wurden und deren Rendite von der Vereinbarung festgelegt wurde, sowie potentielle alternative Marktanlagestrategien, die von der PI ohne Einlageverpflichtung im Zeitraum 2005-2007 für die Kundenguthaben auf den Postgirokonten hätten in Erwägung gezogen werden können. Im Bericht werden ferner die jeweiligen Risiko/Rendite-Profile eingeschätzt, wobei lediglich die Informationen herangezogen wurden, die der PI zum Zeitpunkt der Anlage zur Verfügung standen.

(95)

Im Sachverständigenbericht wird simuliert, wie die Passiva der PI (d. h. die Einlagen) sich im Laufe der Zeit voraussichtlich entwickeln. Da diese Passiva Forderungen von Einlegern darstellen, kann die PI lediglich die Beträge anlegen, die von den Einlegern nicht entnommen werden. Demzufolge schätzen die Sachverständigen so genannte Passivstrukturen (liability patterns — „LP“), die den Umfang der Einlagen, der der PI erwartungsgemäß über einen bestimmten Zeitraum zur Verfügung steht, modellieren und der daher von der PI angelegt werden kann. Für diese Schätzung wird im Sachverständigenbericht eine Unterscheidung zwischen stabilen und volatilen Komponenten getroffen. Lediglich die stabilen Komponenten können in Anlagen mit kurz- oder langfristiger Fälligkeit in Übereinstimmung mit der geschätzten LP investiert werden.

(96)

Im Sachverständigenbericht werden zwei Passivstrukturen berücksichtigt — LP1 und LP2 — die sich darin unterscheiden, wie mit den stabilen Komponenten umgegangen wird (d. h. der Teil, der in den nächsten 30 Jahren gemäß den Modellannahmen nicht entnommen wird). In beiden Szenarien wird im Sachverständigenbericht davon ausgegangen, dass der Gesamtumfang der Einlagen im Laufe der Zeit aufgrund der Entnahme der Einlagen von Girokonten abnimmt. Im LP1-Szenario werden Abflüsse mit einer modellierten Fälligkeit von mehr als 30 Jahren proportional über einen Zeitraum von über 30 Jahren verteilt. Im LP2-Szenario werden alle Abflüsse mit einer modellierten Fälligkeit von über 30 Jahren einer Entnahme im dreißigsten Jahr zugewiesen. Gemäß den Annahmen im Sachverständigenbericht ist der Unterschied beträchtlich, da ungefähr 60 % aller Einlagen ein modelliertes Abflussdatum nach über 30 Jahren haben. Auf dieser Grundlage finden im LP1-Szenario Abflüsse regelmäßig zwischen dem ersten und 30 Jahren statt, wohingegen im LP2-Szenario lediglich 40 % der Abflüsse zwischen dem ersten und dreißigsten Jahr und 60 % erst im dreißigsten Jahr stattfinden.

(97)

Im Hinblick auf die Frage, welche der beiden Passivstrukturen eine zutreffendere Annahme darstellt, wird im Sachverständigenbericht argumentiert, dass die weniger konservative Passivstruktur LP2 zutreffender ist. Um diese Schlussfolgerung zu stützen, wird im Sachverständigenbericht dargelegt, dass sich die PI von einer typischen Geschäftsbank unterscheidet, da i) die Aufsichtsvorschriften für Banken für die PI nicht gelten und daher auch die Anforderungen einer höheren Kapitalausstattung bei langfristigen Anlagen nicht eingehalten werden müssen; und da ii) die PI nicht dem gleichen Risiko von massiven Entnahmen und von Liquiditätskrisen von typischen Banken ausgesetzt ist, da die PI von vielen Anlegern mit dem italienischen Staat gleichgesetzt wird. Im Sachverständigenbericht wird argumentiert, dass diese Wahrnehmung mit der Erwartung einhergeht, dass Italien im Falle einer Liquiditätskrise gezwungen wäre, bei einer möglichen Insolvenz der PI finanzielle Mittel bereitzustellen, um einen Ansteckungseffekt zu vermeiden, der zu einer Verschlechterung der Bonität des gesamten Bestands an Schulverschreibungen der öffentlichen Hand führen würde.

(98)

Die Kommission merkt an, dass im Sachverständigenbericht darauf hingewiesen wird, dass die von PI beim Schatzamt eingelegten Guthaben de facto nicht kurzfristiger Natur sind. Ein kurzfristiger Anlagehorizont der Mittel wurde von der ABI geltend gemacht, der zufolge die Verzinsung der Einlagen beim Schatzamt ihrer kurzfristigen Natur entsprechen sollte (siehe Erwägungsgrund 45). Gleichzeitig erinnert die Kommission daran, dass die laut Sachverständigenbericht langfristige Natur der Einlagen der PI beim Schatzamt nicht ausreicht, um nachzuweisen, dass keine staatliche Beihilfe vorliegt. Gemäß der Beurteilung, die laut dem Urteil von 2013 erforderlich ist, ist ein aussagekräftiger Vergleich der Renditen/Risiken mit und ohne Einlageverpflichtung notwendig, um tatsächlich feststellen zu können, ob die Maßnahme der PI einen Vorteil verschaffte.

(99)

Dementsprechend wird im Sachverständigenbericht ein dynamisches Zinssatzmodell entworfen, das es erlaubt, die Preise der Anleihen auf Grundlage des Renditekurven-Modells zu jedem zukünftigen Zeitpunkt zu berechnen. Im Bericht werden drei Zinssatzszenarien berücksichtigt: stabile, zunehmende und abnehmende Zinssätze im Vergleich zur Renditekurve, die zum Zeitpunkt der Vereinbarung vorlag.

(100)

Anschließend werden im Sachverständigenbericht die Risiko-/Renditemerkmale der tatsächlichen Anlagen untersucht, die die PI im Rahmen der Einlageverpflichtung vorgenommen hat und deren Rendite in der Vereinbarung geregelt wird. Das Risiko, das vollständig mit Veränderungen des Zinssatzes verbunden ist, der einen Einfluss auf die Anleihepreise hat, die zur Berechnung der angemessenen Verzinsung im Rahmen der Vereinbarung herangezogen werden, ist hier sehr gering. Tatsächlich liegt das Risikoniveau bei den Szenarien mit stabilen, zunehmenden bzw. sinkenden Zinssätzen bei 0,11 %, 0,17 %. bzw. 0,06 %.

(101)

Bezüglich der verfügbaren Anlagestrategien durfte die PI zum Anlagezeitpunkt lediglich in Anleihen aus dem Euroraum mit Investment-Grade-Rating investieren. Dementsprechend berücksichtigen die Sachverständigen Strategien, die auf italienischen Staatsanleihen mit unterschiedlichen Fälligkeiten beruhen, und eine Strategie, bei der Staatsanleihen von Ländern der Eurozone zum Vergleich herangezogen werden.

(102)

Bei der Prüfung der verfügbaren Anlagestrategien werden im Sachverständigenbericht zwei Hauptrisiken berücksichtigt: das Risiko, das aus einer Inkongruenz zwischen der Fälligkeit der Aktiva der PI (der italienischen Staatsanleihen) und ihrer Passiva (der Einlagen) entstehen kann, und das Risiko eines italienischen Staatsbankrotts.

(103)

Eine Laufzeitinkongruenz zwischen der Fälligkeit der Aktiva und der Passiva führt zu einem Liquiditätsrisiko (d. h. dem Risiko, das der PI nicht ausreichend Mittel zur Verfügung stehen, um Auszahlungsforderungen zu einem gegebenen Zeitpunkt erfüllen zu können). Das Liquiditätsrisiko ist jedoch gering, wenn die Aktiva (d. h. die italienischen Staatsanleihen) leicht veräußert werden können. Falls die PI diese Anleihen vor ihrer Fälligkeit veräußern müsste, wäre der Marktpreis vom gegenwärtigen Zinssatz bestimmt worden, wodurch die PI einem Zinsrisiko ausgesetzt wäre, das zu möglichen Kapitalgewinnen oder -verlusten geführt hätte. Dieses Risiko wird im Sachverständigenbericht explizit modelliert.

(104)

Hinsichtlich des Risikos eines Staatsbankrotts wird im Sachverständigenbericht darauf hingewiesen, dass die PI im Rahmen der Vereinbarung auch das mit einem Zahlungsausfall Italiens verbundene Länderrisiko trägt. Daher wird im Sachverständigenbericht davon ausgegangen, dass die Verwendung von italienischen Staatsanleihen im Modell bei beiden Strategien das gleiche Länderrisiko birgt, und ein direkter Vergleich ohne explizite Modellierung vorgenommen.

(105)

Im Sachverständigenbericht werden fünf verschiedene Strategien analysiert:

Bei der ersten Anlagestrategie handelt es sich um eine Buy-and-Hold-Strategie. Bei dieser Strategie kauft die PI italienische Staatsanleihen und hält sie bis zu ihrer Fälligkeit. Im Sachverständigenbericht wird davon ausgegangen, dass solche Anleihen mit sämtlichen Fälligkeiten (d. h. für beliebige Zeiträume) zur Verfügung stehen und dass sich der Preis nach der modellierten Renditekurve richtet. Da geeignete Papiere gekauft werden können, die genau zu den Fälligkeiten der Aktiva passen, führt diese Strategie zu einer perfekten Übereinstimmung zwischen den Fälligkeiten der Aktiva und Passiva, sodass bei dieser Strategie überhaupt kein Zinsrisiko besteht.

Die zweite Strategie ist der ersten ähnlich, allerdings wird nicht davon ausgegangen, dass Anleihen mit beliebigen Fälligkeiten zur Verfügung stehen. In diesem Fall trägt die PI ein gewisses Zinsrisiko, da Einlageabflüsse zu Zeitpunkten erwartet werden, zu denen keine Anleihen auf dem Markt zur Verfügung stehen, um sie abzudecken. Daher könnte die PI gezwungen sein, in Anleihen mit längerer Fälligkeit zu investieren und sie vor ihrer Fälligkeit zu veräußern, um erwartete Einlageabflüsse abzudecken, was zu einem gewissen Risiko von Kapitalgewinnen oder -verlusten führt.

Bei der dritten Strategie handelt es sich um eine weitere Buy-and-Hold-Strategie, allerdings wird eine freiwillige, strategische Inkongruenz zwischen den Fälligkeiten der Anleihen und der Einlagen angenommen. In diesem Fall entsteht die Inkongruenz zwischen den Fälligkeiten dadurch, dass die PI in Aktiva investiert, deren Fälligkeit die zu erwartenden Einlageabflüsse übersteigt. Daher akzeptiert die PI das Zinsrisiko, das mit einem möglichen Verkauf der zugrunde liegenden Anleihen zur Bedienung von Einlagerückforderungen verbunden ist, im Gegenzug für höhere Renditen auf Anleihen mit einer längeren Fälligkeit.

Bei der vierten Strategie handelt es sich um eine dynamische Handelsstrategie, bei der die PI Anleihen dynamisch ankauft und veräußert. Insbesondere investiert die PI alle Guthaben auf den Postgirokonten in Anleihen mit einer bestimmten Fälligkeit (es werden Fälligkeiten von 5, 10 und 20 Jahren berücksichtigt), veräußert sie nach 15 Tagen und investiert die Erträge in eine andere Anleihe mit derselben Fälligkeit (d. h. die neu angekaufte Anleihe ist 15 Tage nach der alten fällig). Da die Einlageabflüsse lediglich am Ende eines gegebenen Jahres berücksichtigt werden, wird der Umfang der Anlagen in einem gegebenen Jahr als konstant betrachtet und schwankt lediglich aufgrund der Veränderungen des Zinssatzes. Daher sind die resultierenden jährlichen Renditen dieser Strategie unabhängig von der Passivstruktur.

Bei der fünften Strategie wird in der Studie davon ausgegangen, dass die PI gänzlich in einen Index aus langfristigen Staatsanleihen von Ländern der Eurozone investiert. Dieser Index beinhaltet Staatsanleihen von Ländern der Eurozone (und nicht nur italienische Staatsanleihen) mit Fälligkeiten von mehr als 10 Jahren. Bei dieser Strategie wird vom Rahmen der vorherigen Strategien abgewichen, da das zugrunde liegende Kreditrisiko nicht nur von italienischen Staatsanleihen abhängt, sondern von einem Mix aus Staatsanleihen von Ländern der Eurozone. Zusätzliche Modellierungsannahmen werden getroffen, um das zusätzliche Risiko abzudecken. Erneut werden Einlageabflüsse lediglich am Ende eines jeweiligen Jahres berücksichtigt, wodurch die jährlichen Renditen von der Passivstruktur unabhängig sind.

(106)

Die fünf Anlagestrategien werden im Sachverständigenbericht simuliert. Bei allen Strategien mit Ausnahme der Strategie mit Staatsanleihen von Ländern der Eurozone wird das Risiko-/Renditeprofil im Zusammenhang mit den drei verschiedenen Zinssatzszenarien (stabile, steigende und sinkende Zinssätze) geschätzt.

(107)

Abschließend wird im Sachverständigenbericht untersucht, welche Anlagestrategie die PI verfolgte, als die Mittel 2007 von der Einlageverpflichtung befreit wurden. Im Bericht wird gezeigt, dass die Mittel in Staatsanleihen von Ländern der Eurozone mit einer Fälligkeit von fünf Jahren angelegt wurden. Erneut wird das Risiko-/Renditeprofil einer solchen Anlage auf Grundlage ihres Modells eingeschätzt. Im Sachverständigenbericht wird die Schlussfolgerung gezogen, dass diese Strategie nicht optimal war, da sie mit geringeren Renditen bei höherem Risiko (0,65 %) einherging als es bei alternativen Anlagestrategien der Fall gewesen wäre.

(108)

Nach der Einschätzung der Risiko-/Renditeprofile aller Anlagestrategien ziehen die Sachverständigen die Theorie zum Bepreisen von Portfolios heran, um zu bestimmen, ob die Anlagen der PI im Rahmen der Einlageverpflichtung, deren Rendite von der Vereinbarung geregelt wurde, der PI tatsächlich einen wirtschaftlichen Vorteil verschafften (d. h. ob die Rendite im Rahmen der Vereinbarung unter Berücksichtigung des Risikos der Anlage höher war, als dies mit alternativen Anlagestrategien mit ähnlichem Risiko möglich gewesen wäre).

(109)

Zu diesem Zweck fassten die Sachverständigen die Risiko-/Renditemerkmale aller alternativen Anlagen zu einer einzigen Anlagefunktion zusammen, in der die möglichen Marktrenditen in Abhängigkeit vom eingegangenen Risiko ausgedrückt wurden. Für den Fall, dass die Risiko-/Renditemerkmale der Vereinbarung über dieser Funktion liegen sollten (d. h. falls die PI im Rahmen der Vereinbarung bei gleichem Risiko höhere Renditen als auf dem Markt erzielen konnte) müsste die Schlussfolgerung gezogen werden, dass ein Vorteil vorlag.

(110)

Auf Grundlage dieser Überlegungen kommt der Bericht zu dem Ergebnis, dass der PI im Rahmen der Vereinbarung lediglich bei Anwendung der konservativen Passivstruktur LP1 und lediglich unter der Annahme steigender Zinssätze höhere Renditen gewährt wurden. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die PI später bereit war, ein Risiko von 0,65 % einzugehen, würde sich der Vorteil bei diesem Szenario auf nur 0,29 Prozentpunkte belaufen. Bei der Passivstruktur LP2 wäre bei keinem Zinssatzszenario ein Vorteil gewährt worden.

4.3.   Bewertung des Sachverständigenberichts durch die Kommission

(111)

Die Kommission gelangt zu dem Schluss, dass einige Szenarien im Hinblick auf spezifische Annahmen und Auslegungen im Sachverständigenbericht plausibler sind als andere. Die Kommission ist insbesondere mit der Zugrundelegung der Passivstruktur LP2 nicht einverstanden.

(112)

Sie merkt an, dass der Sachverständigenbericht lediglich auf Informationen zurückgreift, die vor Abschluss der Vereinbarung zur Verfügung standen, wie im Urteil von 2013 gefordert. Eine Ausnahme hiervon bildet lediglich der Verweis auf das Risikoniveau von 0,65 %, das die PI nach Ende der Einlageverpflichtung eingegangen ist. Die Kommission hält die Anwendung eines Risikoniveaus von 0,65 % zur Einschätzung der zu erwartenden Rendite ohne die Einlageverpflichtung nicht für angemessen.

(113)

Zunächst hat die Auswahl der Passivstruktur einen bedeutenden Einfluss auf die zu erwartende Rendite verschiedener Anlagestrategien. Wie in den Erwägungsgründen 96-97 dargelegt ist, fallen die Annahmen zu Einlageabflüssen sehr unterschiedlich aus, je nachdem, ob LP1 oder LP2 zugrunde gelegt wurde. Die mittlere Duration der Einlagen der PI — d. h. der gewichtete durchschnittliche Zeitraum, über den die Einlagen zur Verfügung stehen — variiert sehr stark zwischen etwa 9 und 14 Jahren bei LP1 und LP2.

(114)

Die Kommission merkt an, dass die Duration bei LP1 und LP2 die maximale Duration von fünf Jahren überschreitet, die von der Europäischen Bankaufsichtsbehörde („EBA“) zur Modellierung von Verbindlichkeiten ohne Fälligkeit, wie Einlagen, empfohlen wird.

(115)

Die Kommission prüfte die Frage nach der durchschnittlichen Duration der Einlagen der PI, die für die im Urteil von 2013 geforderte Beurteilung herangezogen werden sollte. Sie ist der Auffassung, dass bei LP2 die erwartete durchschnittliche Verweildauer der Kundenguthaben beträchtlich überschätzt wird. Wie im Sachverständigenbericht erörtert, kann die Duration der Kundenguthaben der PI in der Praxis allerdings die von der EBA empfohlenen fünf Jahre überschreiten. Die Kommission stützt sich in ihrer Einschätzung auf folgende Erwägungen:

a)

Die Empfehlung einer Duration von fünf Jahren von Seiten der EBA wurde erst im Jahr 2015 ausgesprochen, als die aufsichtsrechtlichen Anforderungen hinsichtlich des Liquiditätsmanagements verschärft wurden.

b)

Gemäß den gegenwärtigen Empfehlungen der EBA kann eine längere Duration als angemessen eingestuft werden, falls die Institution, die die Einlagen entgegennimmt, nachweisen kann, dass das Zinsanpassungsprofil der Einlagen akkurat modelliert wurde (26).

c)

Wie schon von Italien geltend gemacht wurde (siehe Erwägungsgründe 53-56), kann das Kundenprofil von Postbanken als stabiler betrachtet werden als das von typischen Geschäftsbanken. Postbanken können Kunden mit durchschnittlichem oder unterdurchschnittlichem Einkommen und höherem Alter anziehen, die dazu neigen, weniger zinssensitiv zu sein. Daher kann erwartet werden, dass die Duration der Einlagen bei der PI die von der EBA empfohlenen fünf Jahre überschreitet.

d)

Gleichzeitig ist die Kommission der Auffassung, dass die im Sachverständigenbericht und in den Erwägungsgründen 96-97 aufgeführten Argumente nicht ausreichen, um eine Präferenz von LP2 gegenüber LP1 zu rechtfertigen. Im Sachverständigenbericht wird angegeben, dass LP2 in diesem spezifischen Fall gerechtfertigt sein könnte, da die PI nicht den Aufsichtsvorschriften für Banken unterlag und da das Image der PI bei Anlegern mit dem des italienischen Staates gleichgesetzt wird. Allerdings vertritt die Kommission den Standpunkt, dass:

1.

das Nichtvorhandensein von aufsichtsrechtlichen Kapitalanforderungen für die PI nicht per se das Verhalten der Einleger beeinflusst und sicherlich nicht in dem Sinne, dass dies den Zeithorizont der Einlagen bei der PI erhöhen würde;

2.

nicht erwartet werden kann, dass die Einleger das Risikoprofil der PI mit dem des italienischen Staates gleichsetzen. Wie im Sachverständigenbericht erörtert, würde die Annahme, dass Italien gezwungen wäre, im Falle einer Insolvenz der PI finanzielle Mittel bereitzustellen, das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe in Form einer impliziten Garantie nahelegen.

(116)

Auf Grundlage der vorstehenden Gründe akzeptiert die Kommission LP1 als realistische Annahme zur Bestimmung der vorsichtigen Anlagestrategie, die die PI im betreffenden Zeitraum ohne die Einlageverpflichtung verfolgt hätte.

(117)

Darüber hinaus erinnert die Kommission daran, dass im Sachverständigenbericht ausgeführt wird, dass der erwartete Zinssatz der Vereinbarung lediglich beim Szenario mit steigenden Zinsen um 0,29 Prozentpunkte höher ist als die erwartete Rendite alternativer Anlagestrategien (siehe Erwägungsgrund 110). Allerdings wurden diese 0,29 Prozentpunkte durch einen Vergleich mit der zu erwartenden Marktrendite bei einem Risikoniveau von 0,65 % berechnet, während die Rendite der Vereinbarung beim Szenario mit steigenden Zinsen ein Risikoniveau von 0,17 % aufwies.

(118)

Die Kommission sieht keinen berechtigten Grund, die Renditen bei verschiedenen Risikoniveaus miteinander zu vergleichen, insbesondere, da das angewandte Risikoniveau von 0,65 % im Sachverständigenbericht auf Grundlage der Anlagestrategie berechnet wurde, die die PI letztlich nach der Aufhebung der Einlageverpflichtung verfolgte (siehe Erwägungsgrund 104). Eine derartige Erwägung scheint zur Anwendung in einer Methode, bei der lediglich Informationen berücksichtigt werden sollten, die bereits ex ante zur Verfügung standen, nicht angemessen.

(119)

Um die erzielbare Marktrendite für einen Vergleich mit der in der Vereinbarung festgelegten Rendite zu berechnen, sollte dasselbe Risikoniveau wie das der Vereinbarung zugrunde gelegt werden, nämlich 0,11 %, 0,17 % bzw. 0,06 % bei den Szenarien mit stabilen, steigenden bzw. sinkenden Zinssätzen.

(120)

Auf dieser Grundlage stellt die Kommission fest, dass bei LP1 der erwartete Vorteil im Rahmen der Vereinbarung beim Szenario mit steigenden Zinssätzen eher etwa 0,5 Prozentpunkte als 0,29 Prozentpunkte betragen würde. Bei stabilen und sinkenden Zinssätzen wären die erzielbaren Renditen weiterhin um etwa 0,15 Prozentpunkte (stabile Zinssätze) bzw. 0,4 Prozentpunkte (sinkende Zinssätze) höher als die der Vereinbarung.

4.4.   Schlussfolgerung

(121)

Beim Szenario mit stabilen Zinssätzen ist der erwartete Zinssatz der Vereinbarung bei ähnlichen Risikoniveaus niedriger als der erwartete Zinssatz bei alternativen Anlagestrategien ohne die Einlageverpflichtung. Daher hat der Zinssatz im Rahmen der Vereinbarung zu keinem unmittelbaren Vorteil für die PI geführt.

(122)

Die Kommission sieht keinen Grund zur Annahme, dass die PI oder Italien eine spezifische Zinsentwicklung hätten erwarten können, als die Vereinbarung getroffen wurde. Dementsprechend ist der erwartete Zinssatz der Vereinbarung geringfügig niedriger als die erwartete Rendite alternativer Anlagestrategien bei ähnlichen Risikoniveaus und ohne die Einlageverpflichtung, wenn den drei Zinssatzszenarien (d. h. sinkende, stabile bzw. steigende Zinsen) die gleiche Wahrscheinlichkeit beigemessen wird. Daher hat die Vereinbarung zu keinem Vorteil für die PI geführt.

(123)

Auf dieser Grundlage gelangt die Kommission zu dem Schluss, dass die Beweise nicht ausreichen, um nachzuweisen, dass die PI durch die Vereinbarung einen Vorteil genoss.

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

Die Vergütung, die die italienischen Behörden der Poste Italiane gemäß Gesetz Nr. 266 vom 23. Dezember 2005 und der Vereinbarung in den Jahren 2005-2007 gezahlt hat, stellt keine staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union dar.

Artikel 2

Dieser Beschluss ist an die Italienische Republik gerichtet.

Brüssel, den 2. August 2019

Für die Kommission

Margrethe VESTAGER

Mitglied der Kommission


(1)  ABl. C 290 vom 29.11.2006, S. 8.

(2)  Siehe Fußnote 1.

(3)  Entscheidung 2009/178/EG der Kommission vom 16. Juli 2008 über die staatliche Beihilfe C 42/06 (ex NN 52/06), die die Italienische Republik mit der Vergütung der von der Poste Italiane SpA auf Girokonten beim Schatzamt (Tesoreria dello Stato) gehaltenen Einlagen gewährt hat (ABl. L 64 vom 10.3.2009, S. 4).

(4)  Urteil des Gerichts vom 13. September 2013, Poste Italiane/Kommission, T-525/08, ECLI:EU:T:2013:481.

(5)  http://ec.europa.eu/competition/calls/tenders_closed.html, Ref. COMP/2014/017.

(6)  Der Universalpostdienst umfasst die Abholung, Beförderung, das Sortieren und die Zustellung von Postsendungen bis zu 2 kg und von Postpaketen bis zu 20 kg sowie die Dienste im Zusammenhang mit Einschreib- und Wertsendungen.

(7)  Richtlinie 2002/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Juni 2002 zur Änderung der Richtlinie 97/67/EG im Hinblick auf die weitere Liberalisierung des Marktes für Postdienste in der Gemeinschaft (ABl. L 176 vom 5.7.2002, S. 21).

(8)  Gemäß Artikel 5 der Gesetzesverordnung Nr. 269 vom 30. September 2003 und des Umwandlungsgesetzes Nr. 326 vom 24. November 2003 wurden die Anteile an CDP auf den italienischen Staat übertragen. Darüber hinaus dürfen Bankenstiftungen und andere öffentliche oder private Einrichtungen aggregiert lediglich eine Minderheitsbeteiligung am Gesellschaftskapital der CDP halten.

(9)  Die Postgirokonten wurden im Wesentlichen mit einem Gesetz aus dem Jahr 1917 geregelt, das im Amtsblatt der Italienischen Republik Nr. 219 vom 6. September 1917 veröffentlicht und per Gesetzesverordnung Nr. 822 vom 22. November 1945 geändert und abgelöst wurde (veröffentlicht im Amtsblatt der Italienischen Republik 12 vom 15. Januar 1946). Bis 2003 sah diese Verordnung vor, dass die Einlagen auf Postgirokonten auf zinsbringende Girokonten der CDP übertragen und mit dem Zinssatz, den die CDP aus ihrer Finanztätigkeit erzielte, abzüglich 15 Hundertstel verzinst wurden. Nach der Gesetzesverordnung vom 5. Dezember 2003 ist das Schatzamt an die Stelle der CDP getreten.

(10)  Im Amtsblatt der Italienischen Republik 302 vom 29. Dezember 2005 als Anhang (supplemento ordinario) Nr. 211 veröffentlicht.

(11)  Im Amtsblatt der Italienischen Republik 288 vom 12. Dezember 2003 veröffentlicht.

(12)  Die Vereinbarung wurde per Ministererlass vom 3. April 2006 angenommen.

(13)  BTP: Buoni del Tesoro Poliennali.

(14)  BOT: Buoni Ordinari del Tesoro.

(15)  Im Amtsblatt der Italienischen Republik 299 vom 27. Dezember 2006 veröffentlicht.

(16)  Laut Angaben Italiens macht die Hereinnahme von Einlagen über die privaten Girokonten etwa 70-75 % der gesamten Einlagen auf Postgirokonten aus.

(17)  Urteil von 2013, Randnummer 65 „la Commission a uniquement examiné le niveau de rémunération que le Trésor aurait pu demander unilatéralement compte tenu de quatre paramètres, à savoir la masse des fonds déposés, la stabilité de ces fonds, la durée moyenne du dépôt des fonds et les risques financiers supportés. Dans ces conditions, le taux de l’emprunteur privé, défini aux considérants 119 à 180 de la décision attaquée, ne constitue pas véritablement un ‚taux de marché‘“.

(18)  Siehe Fußnote 1.

(19)  Seit dem 1. Oktober 1995 richtet sich der Rendistato-Index nach der durchschnittlichen Bruttorendite der steuerpflichtigen BTP mit einer Restlaufzeit von über einem Jahr. (Quelle: Italienische Zentralbank)

(20)  2006 beliefen sich die Einlagen auf Postgirokonten von Privatkunden (d. h. mit Ausnahme der öffentlichen Verwaltungen) auf […] EUR, wovon […] auf Privatpersonen und […] auf Unternehmen entfielen.

(21)  Das VaR-Modell (Value at Risk) unter der Annahme, dass die Einlagen im zehnten Jahr erlöschen (Cut off).

(22)  Bei der Macaulay-Duration handelt es sich um den gewichteten Mittelwert der Zeit bis zum Erhalt der Zahlungen, wobei die Gewichtung jeder Zahlung bestimmt wird, indem der Barwert der Zahlung durch die Summe des Barwerts aller Zahlungen dividiert wird. Sie wird in Jahren angegeben.

(23)  Modell mit linearer Abschreibung mit Cut off im zehnten Jahr.

(24)  In den Schreiben der italienischen Behörden werden die Begriffe „durata media“ (durchschnittliche Laufzeit) und „durata“ (Duration) häufig unterschiedslos verwendet, obwohl damit unterschiedliche Konzepte gemeint sind. Dies hat keinerlei Einfluss auf die in diesem Beschluss vorgenommene Würdigung der Sachverhalte.

(25)  Schreiben von […], Schreiben von […], Schreiben von […], Schreiben von […], Schreiben von […].

(26)  https://www.eba.europa.eu/documents/10180/1084098/EBA-GL-2015-08+GL+on+the+management+of+interest+rate+risk+.pdf


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