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Document 52010AE0988

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Ummünzung der digitalen Dividende in sozialen Nutzen und wirtschaftliches Wachstum“ KOM(2009) 586 endg.

    ABl. C 44 vom 11.2.2011, p. 178–181 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    11.2.2011   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 44/178


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Ummünzung der digitalen Dividende in sozialen Nutzen und wirtschaftliches Wachstum“

    KOM(2009) 586 endg.

    2011/C 44/33

    Berichterstatterin: Anna Maria DARMANIN

    Die Europäische Kommission beschloss am 28. Oktober 2009, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

    „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Ummünzung der digitalen Dividende in sozialen Nutzen und wirtschaftliches Wachstum“

    KOM(2009) 586 endg.

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 1. Juni 2010 an.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 464. Plenartagung am 14./15. Juli 2010 (Sitzung vom 15. Juli) mit 141 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1   Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt die Mitteilung der Europäischen Kommission zur Ummünzung der digitalen Dividende in sozialen Nutzen und wirtschaftliches Wachstum als wichtigen Schritt auf dem Weg zur Verwirklichung eines der Ziele der Europa-2020-Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum, denn die digitale Dividende wird eine wesentliche Rolle im Rahmen der Digitalen Agenda für Europa spielen.

    1.2   Der Ausschuss unterstützt die Kommission in ihren Bemühungen, sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten sich an die Frist von 2012 für die Freisetzung von Funkfrequenzen halten. Der Ausschuss ist sich im Klaren darüber, dass einige Länder aufgrund von Schwierigkeiten oder aus realistischen Gründen diese Frist womöglich nicht einhalten können. Eine Abweichung von der Frist sollte aber stichhaltig begründet und die Übergangszeit nach Januar 2012 so kurz wie möglich gehalten werden.

    1.3   Mit der digitalen Dividende, der Ausschüttung der sehr begrenzten Ressource Frequenzspektrum, können, wenn sie korrekt definiert und ihre Nutzung sichergestellt ist, zahlreiche wirtschaftliche und soziale Vorteile für Europa verbunden sein, die dem Binnenmarkt potenziell förderlich sind und den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt weiter stärken und somit dazu beitragen, dass einige der sozialen Ziele, die die EU sich gesetzt hat, verwirklicht werden.

    1.4   Nach Meinung des Ausschusses ist die digitale Dividende als Leitinitiativen-Projekt gut dazu geeignet, die Vorteile der EU öffentlichkeitswirksam darzustellen. In einer Zeit, in der Europaskepsis um sich greift und die Menschen das Potenzial eines geeinten Europas nicht wirklich zu erfassen scheinen, können sich daraus klare und greifbare Vorteile sowohl für die einzelnen Bürger als auch für Unternehmen ergeben. Im Zuge des Vorhabens sollte der Verbraucherschutz gestärkt werden, so dass den Endnutzern durch die Digital-Umstellung keine unnötigen Kosten entstehen.

    1.5   Der Ausschuss fordert die Kommission dringend auf, eine integrierte Kommunikationsstrategie aufzulegen, aus der die Gründe für die Digital-Umstellung und die damit verbundenen Vorteile klar ersichtlich werden.

    2.   Einleitung / Hintergrund

    2.1   Durch den Übergang vom analogen zum digitalen terrestrischen Fernsehen in Europa werden dank der höheren Effizienz der digitalen Rundfunkübertragung äußerst wertvolle Funkfrequenzen frei. Diese „digitale Dividende“ birgt ein großes Potenzial für die Bereitstellung einer breiten Palette von Diensten.

    2.2   Hier bietet sich Europa die einmalige Chance, nicht nur den wachsenden Bedarf an Funkfrequenzen zu decken, die nicht zuletzt auch für die Bereitstellung drahtloser Breitbandanschlüsse in ländlichen Gebieten benötigt werden, um somit die digitale Kluft zu überbrücken, und die Einführung von neuen drahtlosen Diensten zu fördern. Die digitale Dividende kann daher einen erheblichen Beitrag zur Verwirklichung der in Lissabon formulierten Ziele für Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftswachstum leisten und wichtige soziale, kulturelle und wirtschaftliche Bedürfnisse der europäischen Bürger befriedigen helfen.

    2.3   Die Frequenzen der digitalen Dividende werden in ganz Europa innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums verfügbar werden, da alle Mitgliedstaaten die Umstellung vom analogen auf das digitale Fernsehen bis spätestens 2012 abgeschlossen haben sollen.

    2.4   Die Kommission ist sich dessen bewusst, dass die Hochgeschwindigkeits-Breitbandinfrastrukturen eine wichtige Rolle bei vielen Entwicklungen spielen, die für den Übergang zu einer wissensintensiven, kohlenstoffarmen digitalen Wirtschaft unverzichtbar sind. Schon das vom Rat gebilligte Europäische Konjunkturprogramm enthält das Ziel, zwischen 2010 und 2013 eine hundertprozentige Breitbandversorgung zu erreichen.

    2.5   Es werden sich auch neue Chancen für die Innovation ergeben. Am offensichtlichsten sind die Innovationsmöglichkeiten im Rundfunk, denn die Rundfunkveranstalter erhalten aus der digitalen Dividende eine große Zahl von Frequenzen für den Ausbau ihrer Dienste. Aber auch in dienstleistungsorientierten Bereichen werden sich viele neue Möglichkeiten eröffnen, die einen erheblichen sozialen Nutzen versprechen, z.B. in der Gesundheitsfürsorge, beim computergestützten Lernen oder in elektronischen Behördendiensten, beim barrierefreien Zugang sowie in Bereichen, in denen kleine und mittlere Unternehmen Vorteile aus dem besseren Zugang zum Wirtschaftsleben ziehen.

    3.   Wirtschaftliche und soziale Vorteile im Rahmen der digitalen Dividende

    3.1   Das wirtschaftliche Potenzial hängt vom tatsächlichen künftigen Bedarf an neuen Diensten ab, die sich zu diesem Zeitpunkt schwerlich beziffern lässt. Dennoch wurde jüngst in einer Studie der Kommission der potenzielle zusätzliche Nutzen einer EU-seitigen Koordinierung des gesamten Frequenzspektrums der digitalen Dividende, sofern sie vor 2015 erfolgt, gegenüber Alleingängen der EU-Mitgliedstaaten auf 20 bis 50 Mrd. EUR über einen 15-Jahres-Zeitraum veranschlagt. Die potenziellen neuen Anwendungen wie fortgeschrittene terrestrische Rundfunk- und Mobilfunk-Breitbanddienste sind in dieser Schätzung berücksichtigt worden.

    3.2   Harmonisierte Bedingungen innerhalb der EU werden von Vorteil für die Technologieindustrie sein, da die meisten verwendeten Geräte genormt und vereinfacht werden. Außerdem werden dadurch zielgerichtetere Innovationen innerhalb der Branche gefördert. Dies ist für die Industrie und gerade diejenigen Akteure, die hohe Innovationsinvestitionen getätigt haben, besonders günstig.

    3.3   In sozialer Hinsicht kommt die Freisetzung von Funkfrequenzen vor allem der Breitbandversorgung in der Fläche zugute. Ländliche Gebiete sind teilweise auch heute noch mit zeitgemäßen Internetverbindungen unterversorgt. Durch die digitale Dividende können ein Internetzugang für alle geschaffen, Internetdienste in die Fläche gebracht und dadurch der Binnenmarkt besser gefestigt werden. Da künftig auch die meisten ländlichen Gebiete mit Breitband versorgt sein werden, geht der Ausschuss davon aus, dass die Unternehmen nicht mehr im gleichen Maße wie bisher aus Gründen der Kommunikation und der Logistik darauf angewiesen sein werden, sich in städtischen Gebieten anzusiedeln, sondern vielmehr von dort abwandern werden. Eine solche Unternehmensverlagerung könnte Beschäftigungszuwachs für die ländlichen Gebiete bringen und hätte auch Umweltauswirkungen (eine zu hohe Bevölkerungsdichte in den Städten ist nachhaltigen Verfahrensweisen abträglich). Allerdings bekräftigt der Ausschuss seinen bereits in diversen Stellungnahmen verfochtenen Standpunkt, dass das Breitband als Universaldienst für alle Bürger begriffen werden muss und insbesondere für einen barrierefreien Zugang für Menschen mit Behinderungen zu sorgen ist.

    3.4   Den Verbrauchern wird eine größere Auswahl an Fernsehkanälen und hochwertigen Premiumdiensten geboten, die gleichzeitig weniger Bandbreite benötigen. Ferner eröffnet die Möglichkeit der Übertragung von Fernsehinhalten auf mobile Multimediageräte eine neue Dimension des Zugangs zum Fernsehen. Auch wird die digitale Dividende zur Verbesserung der Lebensqualität der Nutzer beitragen. Der Ausschuss weist darauf hin, dass die Mitgliedstaaten im Verlauf der Abschaltung der analogen Übertragung sicherstellen sollten, dass die Verbraucher angemessen geschützt werden und dass keine unnötigen Kosten auf sie abgewälzt werden.

    3.5   Positiv ist auch, dass in Verbindung mit der digitalen Dividende verdeutlicht werden kann, welches Potenzial und welche Vorteile eine einheitliche Union bietet, deren Mitgliedstaaten gemeinsame Standards verwenden. In einer Zeit zunehmender Europaskepsis verspricht die digitale Dividende ihrerseits greifbare Vorteile, die der gesamten EU zugute kämen.

    4.   Notwendige Erwägungen

    4.1   Die Umstellung von analogem auf digitales Fernsehen wird auf jeden Fall zu einer rationelleren Nutzung des Funkfrequenzspektrums führen. Bei digitalem Fernsehen kann jeder Funkfrequenzkanal (Bandbreite 8 MHz) mit durchschnittlich fünf oder sechs Fernsehkanälen belegt werden. Nach vollzogener Umstellung auf digitales Fernsehen sollte für die Fernsehübertragung nur noch ein Fünftel bis ein Sechstel des bisherigen Anteils am Frequenzspektrum benötigt werden. In Ländern, in denen Gleichwellennetze errichtet werden, könnte dieser Anteil bei einer optimalen Anordnung der verschiedenen Fernsehsender auf ein Zehntel sinken.

    4.2   Die freiwerdenden Frequenzen sind zweifellos eine wertvolle Ressource, vor allem in Ländern, in denen das Kabelfernsehen kaum verbreitet und das Frequenzspektrum tatsächlich eine begrenzte Ressource ist. Diese neu verfügbaren Frequenzen können optimal für drahtlose Breitbanddienste eingesetzt werden, die besonders für ländliche Gebiete wichtig sind, in denen es in Ermangelung schneller Internetdienste zu wirtschaftlicher Stagnation und sozialer Ausgrenzung kommt. Nach Ansicht des Ausschusses werden diese Dienste zur Stärkung des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts in diesen Gebieten beitragen.

    4.3   Der Grund für die Analog-Digital-Umstellung ist bisher womöglich noch nicht deutlich dargelegt worden. Die Bürger könnten unter dem Eindruck stehen, dass die Analogabschaltung einzig und allein auf das Gewinnstreben der TV-Betreiber zurückgeht, da eventuell Kosten für neue Geräte in den Privathaushalten anfallen. Daher ist es unerlässlich, über eine korrekte Kommunikationsstrategie für Aufklärung über die wahren Gründe für die Umstellung zu sorgen.

    4.4   Um in der gesamten EU einen Universaldienst für alle europäischen Bürger zu ermöglichen, ist es notwendig, dass alle Mitgliedstaaten dazu ein gemeinsames Frequenzband nutzen. Am besten eignet sich dazu das 800-Mhz-Band, das im oberen UHF-Teilband 790 MHz - 862 MHz liegt.

    4.5   Die CEPT (Europäische Konferenz der Verwaltungen für Post und Telekommunikation) legt die technischen Spezifikationen für die harmonisierte Nutzung des 800-Mhz-Bands fest und arbeitet dabei eng mit den verschiedenen nationalen Regulierungsbehörden (NRB) zusammen, die mit den aktuellen Frequenzproblemen in ihrem jeweiligen Mitgliedstaat vertraut sind.

    4.6   Um das 800-Mhz-Band für die drahtlose Breitbandkommunikation zu öffnen, müssen die Mitgliedstaaten die Analogabschaltung bis zu einer festgesetzten Frist vollziehen. Offensichtlich werden nicht alle Mitgliedstaaten die aktuelle Frist – 1. Januar 2012 – einhalten können; diejenigen, die die Analogabschaltung nicht fristgerecht bewerkstelligen können, sollten dies ziemlich bald noch innerhalb Jahresfrist nachholen.

    4.7   Viele TV-Betreiber, die derzeit in denjenigen Mitgliedstaaten, die die Analogabschaltung vollziehen, auf Digital-TV-Transmitter umstellen müssen, sind aufgrund ihrer schwierigen finanziellen Lage nicht imstande, leistungsfähige technische Geräte zu kaufen (die in der Hauptsache in der EU gefertigt werden). Sie sehen sich deshalb gezwungen, billigere, leistungsschwächere und weniger zuverlässige Technik aus zumeist Fernost zu erwerben. Diese Geräte wären womöglich schon nach zwei oder drei Jahren funktionsuntüchtig, so dass die Rundfunkanstalten wieder neue - hoffentlich leistungsfähigere und zuverlässigere – technische Anlagen anschaffen müssten.

    4.8   Aufgrund der derzeitigen Wirtschaftslage könnte es den TV-Betreibern, vor allem den kleineren unter ihnen, schwer fallen, die neuen, für die digitale Übertragung erforderlichen Anlagen zu finanzieren. Nach Meinung des Ausschusses sollte für eine Möglichkeit der Vorfinanzierung gesorgt werden, um die betroffenen KMU bei der Anpassung an die neuen Technologien zu unterstützen. Diese Unterstützung muss nicht notwendigerweise in Form nichtrückzahlbarer Zuschüsse erfolgen, sondern kann eine Art Investitionsvorschuss sein, der dann - wie ein Darlehen - über einen realistischen Zeitraum zurückgezahlt wird. In diesem Zusammenhang sollten auch Bürgschaftssysteme in Betracht gezogen werden.

    4.9   Letztendlich leidet womöglich die Fernseh-Dienstqualität, was zu Lasten der Verbraucher geht, und den Sendeanstalten, die aufgrund der zeitweiligen finanziellen Probleme zweifach investieren müssen, entstehen wirtschaftliche Verluste. Durch eine Verlängerung der Frist für die Analogabschaltung oder durch finanzielle Hilfe für die Fernsehanstalten könnten diese Probleme vermieden und eine Harmonisierung des Netzes in allen Mitgliedstaaten ermöglicht werden.

    4.10   Den Mitgliedstaaten wird empfohlen werden, das Teilband 790 MHz - 862 MHz für die digitale Dividende freizustellen, sie werden jedoch nicht dazu verpflichtet. Sollte es einem Land nicht möglich sein, alle Fernsehdienste in dem verbleibenden UHF-Frequenzbereich unterzubringen, dann wird es dem betreffenden Land erlaubt sein, das 800-MHz-Band auch dafür zu nutzen. Die Länder können sich auch für einen Parallelbetrieb von Fernseh- und drahtlosen Breitbanddiensten als Kompromisslösung entscheiden.

    4.11   Da alle Mitgliedstaaten das 800-MHz-Band voraussichtlich für drahtlose Breitbanddienste nutzen werden, ist es von grundlegender Bedeutung, geeignete technische Spezifikationen festzulegen, um „Grenzeffekte“ zu vermeiden, die aufgrund der geringeren Signalstärke im Mobilfunknetz zu einer Beeinträchtigung der drahtlosen Breitbanddienste führen würden.

    4.12   Das Problem ergibt sich auch an den Grenzen zwischen EU- und Drittstaaten. Es werden höchstwahrscheinlich Interferenzen zwischen den in diesen Ländern im 800-Mhz-Band bestehenden Fernsehdiensten mit hoher Signalstärke und den in den angrenzenden EU-Mitgliedstaaten in diesem Frequenzband untergebrachten drahtlosen Breitbanddiensten auftreten. Bei Interferenzproblemen bleibt nichts anderes übrig als mit den betreffenden angrenzenden Nicht-EU-Staaten ein Abkommen über die Frequenznutzung seiner grenznahen Fernsehumsetzer auszuhandeln, was womöglich schwierig sein dürfte.

    4.13   Bei der Neuvergabe der Frequenzen des 800-MHz-Bands als digitale Dividende sollten die Mitgliedstaaten optimalerweise auf ein Gleichgewicht zwischen den wirtschaftlichen und sozialen Vorteilen abheben, die sich aus der Nutzung des Frequenzspektrums durch einerseits die Mobilfunkanbieter (die von der neu freiwerdenden Bandbreite profitieren werden) und andererseits die Rundfunkveranstalter (die von einer effizienteren Nutzung der verfügbaren Bandbreite und von zusätzlichen Diensten mit hoher Wertschöpfung profitieren werden, bspw. von interaktiven Anwendungen wie Online-Gesundheitsdiensten, computergestütztem Lernen, elektronischen Behördendiensten, barrierefreiem elektronischem Zugang zu Webdiensten usw.).

    4.14   Die Mitgliedstaaten sollten öffentliche Versorgungsleistungen über das digitale Fernsehnetz zugänglich machen und gleichzeitig dafür sorgen, dass die neuen, dank der digitalen Dividende ermöglichten mobilen Breitbanddienste einfach zugänglich sind. Durch eine solche ausgewogene Verfahrensweise werden die wirtschaftlichen Interessen sowohl der Rundfunkveranstalter als auch der Mobilfunkanbieter gewahrt.

    4.15   Ein interessanter Aspekt im Zusammenhang mit der Verteilung der digitalen Dividende ist die zunehmend mögliche Übertragung von Fernsehinhalten über neue Mobiltelefonienetze (G3 und höher). Mobilfunkbetreiber würden also letztendlich die gleichen Dienste anbieten wie die herkömmlichen Rundfunkveranstalter und damit ein neues Wettbewerbsszenario eröffnen.

    Allerdings sollte die Schaffung von Hybridnetzen, die von Rundfunk- und Mobilfunkbetreibern gemeinsam verwaltet werden, vermieden werden, um eine völlige betriebliche Trennung der beiden Geschäftsbereiche zu ermöglichen und Geschäftsmodelle zu vermeiden, die sich womöglich nachteilig für die Verbraucher auswirken.

    4.16   Die von den Rundfunkveranstaltern im Rahmen ihrer neuen digitalen Programme angebotenen interaktiven Anwendungen können auf jedem Standard für interaktive Fernsehdienste beruhen. Es ist jedoch ratsam, Techniken wie MHP (Multimedia-Home-Plattform, eine vom DVB-Projekt als Standard verabschiedete offene anwendungsorientierte Middleware für die Übertragung interaktiver Inhalte im Digitalen Fernsehen) zu nutzen, die in Europa entwickelt wurde und vollständig offen ist. Für die MHP-Nutzung fallen keine Lizenzgebühren an, und sie bringt sowohl den Betreibern als vor allem auch den Verbrauchern wirtschaftliche Vorteile. Zwar gibt es noch andere Technologien, doch sollte im Interesse des Endnutzerzugangs ein offener Standard (egal welcher) gewählt werden.

    4.17   Noch effizienter kann die Analog-Digital-Umstellung in der EU bewerkstelligt werden, wenn die Mitgliedstaaten im Wege einer koordinierten Zusammenarbeit kontinuierlich ihre Erfahrungen austauschen, insbesondere auf dem Gebiet der Digital-TV-Netzplanung und optimaler Effizienz der Frequenznutzung. Nach Meinung des Ausschusses sollten die einzelstaatlichen öffentlichen Rundfunkanstalten bei diesem innergemeinschaftlichen Austausch eine führende Rolle übernehmen. Schließlich impliziert ihr „öffentlicher“ Status, dass sie einen öffentlichen Auftrag zu erfüllen haben. Die einzelstaatlichen öffentlichen TV-Anbieter sollten daher die öffentlichen TV-Anbieter anderer (Mitglied- und Dritt-)Staaten beratend unterstützen. Ein solcher Ansatz würde beispielsweise schnelle und wirksame Ausbildungsmaßnahmen für die Mitarbeiter von Rundfunkanstalten in neuen Mitgliedstaaten beinhalten, in denen die Entwicklung der Digital-TV-Netze zumeist noch nicht so weit gediehen ist.

    4.18   Bei der Öffnung des 800-MHz-Bands für die neuen drahtlosen Breitbanddienste ist zu bedenken, dass die Fernsehprogramme, die derzeit im VHF-Band ausgestrahlt werden, womöglich (bis zu einem noch festzusetzenden Zeitpunkt) ins UHF-Band verlegt werden müssen, wenn die betreffenden VHF-Kanäle für digitalen Hörfunk (Digital Audio Broadcasting DAB) genutzt werden. Die Umstellung auf digitalen Hörfunk wird die digitale Dividende nicht vergrößern, da noch nicht feststeht, ob die bisherige analoge Übertragung für Hörfunk abgeschaltet wird. Und selbst dann wäre das freigesetzte Frequenzspektrum zu gering, als dass es bei der digitalen Dividende wirklich ins Gewicht fallen könnte. Nichtsdestotrotz werden die neuen digitalen Hörfunkdienste sicherlich in dem VHF-Band übertragen, in dem derzeit TV-Programme ausgestrahlt werden, so dass es in den Kanälen 21-60 des UHF-Bands noch enger wird.

    4.19   Es sollte auch beachtet werden, dass im Zuge der Öffnung des 800-MHz-Bands für die neuen Dienste die Fernsehprogramme, die derzeit in den Kanälen 61-69 (des 800-MHz-Bands) ausgestrahlt werden, in einem anderen Kanal untergebracht werden müssen, während die derzeit in den Kanälen 21-60 übertragenen Programme nicht umziehen müssen. Die TV-Anbieter, die das 800-MHz-Band nutzen, sind durch den damit verbundenen finanziellen und zeitlichen Aufwand klar benachteiligt. Da sie zudem während des Kanalwechsels ihre Sender abschalten müssen, gehen ihnen in dieser Zeit auch noch Werbeeinnahmen verloren. Nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung sollten diese benachteiligten TV-Anbieter deshalb im Einklang mit den AEUV-Bestimmungen über staatliche Beihilfen finanzielle Unterstützung erhalten.

    4.20   Im Interesse einer optimalen Nutzung des Frequenzspektrums wird nachdrücklich empfohlen, bei der Auswahl der neuen Techniken (bspw. Quellencodierung Mpeg-4 oder Sendeformat DVB-T2) darauf zu achten, dass mehr TV-Programme in einem engeren Band untergebracht werden können. Allerdings sollte sich die Einführung dieser neuen Techniken nicht in stark erhöhten Endnutzerkosten niederschlagen, da dann die allgemeine Zugänglichkeit der neuen Dienste nicht gegeben wäre.

    4.21   Ein weiteres sinnvolles Verfahren zur optimalen Nutzung des knappen Frequenzspektrums ist der Aufbau von Gleichwellennetzen (Single Frequency Networks - SFN). Damit kann ein regionales Rundfunknetz über einen einzigen Kanal aufgebaut werden, während bei den herkömmlichen Multifrequenznetzen für ein mittelgroßes Fernsehnetz mindestens drei bis vier Sendefrequenzen benötigt werden. Um den gleichen Kanal verwenden zu können, müssen alle Sender synchronisiert zeitgleich senden. Als zeitliche Referenz hierzu dient derzeit ausschließlich das Global Positioning System (GPS), eine allein von den USA verwaltete militärische Anwendung. Alle Digital-TV-Gleichwellennetze sind damit vollständig von diesem System abhängig, das jederzeit von den US-Behörden abgeschaltet werden kann – für die betreffenden Rundfunkanstalten ein potenziell riesiges Problem.

    4.22   GPS ist jedoch nicht das einzige System, das eine Netzsynchronisation ermöglicht, Alternativen wären durchaus denkbar. Die EU könnte die rasche Fertigstellung des GALILEO-Projekts als europäisches Gegenstück zum GPS vorantreiben und sich damit von der US-amerikanischen militärischen Anwendung unabhängig machen.

    4.23   U.a. wird vorgeschlagen, im Hinblick auf eine optimale Nutzung der digitalen Dividende intelligente Drahtlos-Breitband-Ausrüstungen einzusetzen, die automatisch ungenutzte Frequenzbereiche (selbst zwischen vorhandenen TV-Rundfunkdiensten) ermitteln und über eine kontinuierliche Frequenzsichtung während ihres Normalbetriebs die verfügbaren Frequenzen dynamisch nutzen können. Dieses als „Cognitive Radio“ (kognitive Funktechniken) bezeichnete Konzept wäre eine perfekte technische Lösung für eine Maximierung der digitalen Dividende, doch besteht die Gefahr, dass zu hohe Endnutzerkosten entstehen und die digitale Dividende damit nicht allen zugänglich ist.

    4.24   Um das 800-MHz-Band vollständig für die neuen drahtlosen Breitbanddienste zu öffnen, müssen sämtliche Übertragungssysteme mit geringer Sendeleistung, die für Kultur- und Sportveranstaltungen verwendet werden (Funkmikrofone), in ein anderes Frequenzband verlagert werden, um Störungen der neuen Dienste der digitalen Dividende zu verhindern. Funkmikrofone sind üblicherweise Sekundärnutzer freier Frequenzen zwischen zwei aktiven Rundfunksendegebieten. Einige dieser Systeme werden professionell eingesetzt (bspw. bei den Olympischen Spielen oder bei öffentlichen Konzertveranstaltungen) und nutzen lizenzierte Funkstrecken des UHF-Spektrums. Viele andere Systeme werden mit einer allgemeinen Genehmigung betrieben, ohne dass eine Einzellizenz erforderlich wäre. Diese Dienste sollten daher auf EU-Ebene sorgfältig und auf koordinierte Weise reguliert werden, um letzte Störproblematiken für das Frequenzband der digitalen Dividende zu verhindern, zumal nach erfolgreicher Abschaltung des analogen Fernsehens.

    4.25   Ein weiterer kritischer Aspekt ist, dass in einigen EU-Mitgliedstaaten und/oder angrenzenden Drittstaaten Teile des UHF-Spektrums vom Militär genutzt werden. Durch diese militärischen Funkdienste ergeben sich weitere mögliche Interferenzen für die neuen Kommunikationsdienste der digitalen Dividende. Es sollten vorsichtige Verhandlungen mit den Militärbehörden der betreffenden Staaten im Hinblick auf eine Verlagerung dieser Dienste in andere Teile des Funkfrequenzspektrums geführt werden.

    Brüssel, den 15. Juli 2010

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Mario SEPI


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