EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 62022TN0614

Rechtssache T-614/22: Klage, eingereicht am 30. September 2022 — MBDA France/Kommission

ABl. C 7 vom 9.1.2023, p. 33–34 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, GA, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

9.1.2023   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 7/33


Klage, eingereicht am 30. September 2022 — MBDA France/Kommission

(Rechtssache T-614/22)

(2023/C 7/42)

Verfahrenssprache: Englisch

Parteien

Klägerin: MBDA France (Le Plessis-Robinson, Frankreich) (vertreten durch Rechtsanwalt F. de Bure und Rechtsanwältin A. Delors)

Beklagte: Europäische Kommission

Anträge

Die Klägerin beantragt,

die Entscheidung der Kommission (ARES[2022]5278815), die der Klägerin am 20. Juli 2022 zugestellt wurde und mit der der Vorschlag EDF-2021-AIRDEF-D-EATMI-HYDIS (im Folgenden: HYDIS-Vorschlag) abgelehnt wurde, auf der Grundlage der Art. 256 und 263 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union aufzuheben;

auf derselben Grundlage alle damit zusammenhängenden Entscheidungen aufzuheben, um eine erneute Bewertung der im Rahmen der Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen EDF-2021-AIRDEF-D „Endo-atmospheric interceptor — concept phase“ [Endoatmosphärische Abfangflugkörper — Konzeptnachweisphase] eingereichten Vorschläge sowie eine Neuverteilung der Mittel zu ermöglichen, einschließlich der Entscheidung der Kommission, mit der der Vorschlag des von Sener Aeroespacial koordinierten Konsortiums (im Folgenden: HYDEF-Vorschlag) angenommen wurde;

der Beklagten aufzutragen, alle von der Klägerin beantragten Dokumente vorzulegen, die die Bewertung der HYDIS- und HYDEF-Vorschläge durch die Kommission betreffen;

der Beklagten die Kosten aufzuerlegen.

Klagegründe und wesentliche Argumente

Die Klage wird auf folgende vier Gründe gestützt:

1.

Überschreitung der Grenzen ihres Ermessen durch die Kommission, indem sie eine künstliche und willkürliche Bewertungsmethode angewandt habe, die nicht mit den Kernzielen des Systems endo-atmosphärischer Abfangflugkörper (im Folgenden: EATMI-Projekt) vereinbar sei.

Im Rahmen des EATMI-Projekts sollten für die Konzeptnachweisphase für ein System zur Abwehr von Hyperschallraketen und –gleitern durch Abfangflugkörper Finanzbeihilfen des europäischen Verteidigungsfonds (im Folgenden: EVF) in Höhe von 100 Millionen Euro vergeben werden. Dieser neue Typ von Luftwaffen, die aktuell mit bestehenden Luftabwehrsystemen nicht abgewehrt werden könnten, seien zum ersten Mal von Russland während seiner Invasion der Ukraine verwendet worden. Vor dem Hintergrund erhöhter geopolitischer Unsicherheit stellten sie eine noch nie dagewesene, grundlegende und potentiell existentielle Bedrohung der Integrität und der Sicherheit der Mitgliedstaaten der Union und ihrer Bürger dar. Sie erforderten einen neuen Ansatz bei der Gestaltung der Luftabwehr. Die Bewertungsmethode der Kommission werde diesem Ziel jedoch nicht gerecht:

Erstens habe die Kommission hinsichtlich aller EVF-Projekte die gleiche standardisierte Gewichtungsmethode angewandt, ohne die entscheidende Bedeutung des EATMI-Projekts zu berücksichtigen;

Zweitens habe die Kommission die Vorschläge der Bewerber fast ausschließlich auf der Grundlage allgemeiner Erwägungen bewertet, die allen EVF-Projekten gemein seien und die Bedeutung der Ziele des EATMI-Projekts außen vor ließen oder sogar mit diesen Zielen unvereinbar seien;

Durch die Anwendung dieser künstlichen und willkürlichen Methode habe die Kommission die Grenzen ihres Ermessens überschritten und damit die Fähigkeit der Union vermindert, eigenständig auf Hyperschallbedrohungen zu reagieren.

2.

Mehrere offensichtliche Beurteilungsfehler:

Die Kommission habe bei der Beurteilung des HYDIS-Vorschlags mehrere offensichtliche Beurteilungsfehler begangen. Insbesondere habe die Kommission (i) die Bedeutung des Begriffs „Konzeptnachweisphase“ falsch verstanden und den HYDIS-Vorschlag aufgrund von in dieser Phase offensichtlich unerheblicher Gesichtspunkte abgelehnt, (ii) die Bedeutung des Begriffs grenzüberschreitender Zusammenarbeit falsch verstanden, infolgedessen den bisherigen Beitrag der MBDA-Gruppe zur Integration der europäischen Verteidigungsindustrie negativ bewertet und die Unterstützung der größten militärischen Mächte innerhalb der Union für den Vorschlag der MBDA-Gruppe nicht beachtet und (iii) allgemeine Erwägungen herangezogen, die im Rahmen des EATMI-Projekts nicht von Bedeutung seien und die speziellen Erfordernisse dieses Projekts nicht beachtet;

Die offensichtlichen Beurteilungsfehler der Kommission hätten zu einer Entscheidung geführt, die großteils im Widerspruch zu den übergeordneten Zielen des EVF stehe: diese Entscheidung (i) ignoriere die Initiativen der Mitgliedstaaten im Rahmen der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit, (ii) führe zu einer suboptimalen Verteilung der Ressourcen, die nicht der Expertise der Akteure des Europäischen Verteidigungsbereichs entspreche und (iii) werde wahrscheinlich zu doppelten Zuständigkeiten innerhalb der Union führen.

3.

Verstöße gegen den Grundsatz der guten Verwaltung und gegen den Grundsatz der Transparenz

Die Kommission habe den HYDIS-Vorschlag hauptsächlich deshalb abgelehnt, weil einige Aspekte nicht hinreichend detailliert ausgeführt worden seien. Gemäß dem Grundsatz der guten Verwaltung müsse die Kommission jedoch alle maßgeblichen Fakten sammeln, was gegebenenfalls auch die Einholung von Präzisierungen beim Bewerber umfasse, insbesondere da die zukünftige Sicherheit der Mitgliedstaaten der Union und ihrer Bürger auf dem Spiel stehe. Die Bewerberin hätte die erforderlichen Details problemlos übermitteln können. Stattdessen hätten die Passivität der Kommission und die Nichteinholung der maßgeblichen Informationen zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der guten Verwaltung geführt;

Diese mutmaßlichen Mängel beträfen außerdem fast ausschließlich die allgemeinen Erwägungen, die allen EVF-Projekten des Jahres 2021 gemein seien und keine Verbindung zu den technischen und funktionalen Erfordernissen des EATMI-Projekts hätten. Die Kommission habe gegen den Grundsatz der Transparenz verstoßen, als sie diese Erwägungen übermäßig gewichtet habe, ohne die Bewerber vorab entsprechend zu informieren.

4.

Begründungsmängel

Die angefochtene Entscheidung enthalte eine Reihe von Aussagen, die in Bezug auf diesen Fall unklar oder schwer verständlich seien und der Bewerberin daher eine inhaltliche Beurteilung verunmöglichten. Die Kommission wäre insbesondere verpflichtet gewesen, klarzustellen, wie sie die oben genannten allgemeinen Erwägungen im konkreten Kontext des EATMI-Projekts ausgelegt und angewandt habe, und wie sie daraus negative Rückschlüsse gezogen habe. Dies sei jedoch nicht erfolgt.


Top