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Document 52011AE1607

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Weißbuch: Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum — Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem“ KOM(2011) 144 endg.

    ABl. C 24 vom 28.1.2012, p. 146–153 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    28.1.2012   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 24/146


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Weißbuch: Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum — Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem“

    KOM(2011) 144 endg.

    2012/C 24/32

    Berichterstatter: Pierre-Jean COULON

    Mitberichterstatter: Stefan BACK

    Die Europäische Kommission beschloss am 28. März 2011, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

    Weißbuch: Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum — Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem

    KOM(2011) 144 endg.

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 7. Oktober 2011 an.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 475. Plenartagung am 26./27. Oktober 2011 (Sitzung vom 26. Oktober) mit 170 gegen 3 Stimmen bei 8 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt ganz allgemein das Weißbuch „Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum – Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem“ (in der Folge „der Fahrplan“). Die in diesem Fahrplan dargelegte Strategie deckt sich großteils mit den Empfehlungen, die der Ausschuss in früheren Stellungnahmen ausgesprochen hat. In Bezug auf einige Bereiche möchte der Ausschuss jedoch gewisse Vorbehalte äußern.

    1.2

    Der Ausschuss stimmt der Auffassung zu, dass das Ziel einer Senkung der Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor um 60 % bis 2050 zwar sehr ehrgeizig ist, aber auch im Einklang mit den übergeordneten Zielen der EU-Klimapolitik steht und einen vernünftigen Mittelweg zwischen der notwendigen raschen Verringerung der Treibhausgasemissionen und dem Zeitbedarf für die Optimierung der Energieeffizienz in einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum und die Entwicklung neuer und nachhaltiger Kraftstoffe und Antriebssysteme zur Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Kraftstoffen darstellt.

    1.3

    Der Ausschuss sieht eine erhebliche Diskrepanz zwischen den Zielen, den Möglichkeiten für ihre Verwirklichung und der hierfür erforderlichen Finanzierung. Er empfiehlt eine bessere Verknüpfung zwischen den strategischen Maßnahmen (bis 2050) und den konkreteren und kurzfristigeren Maßnahmen (2020-2030) des Fahrplans.

    1.4

    Wie in dem Fahrplan zu Recht betont wird, erfordert ein höherer Marktanteil von alternativen Verkehrsträgern erhebliche Infrastrukturinvestitionen. Im Mittelpunkt des Fahrplans steht in erster Linie allerdings die Finanzierung des künftigen TEN-V-Kernnetzes, wobei zahlreiche Möglichkeiten zur Aufbringung zumindest eines Teils der erforderlichen Mittel skizziert werden. Straßenbenutzungsgebühren und Privatfinanzierung sind jedoch nicht in allen Fällen gangbare Lösungen. Diese Anmerkungen gelten auch für Infrastruktur insgesamt, einschl. der nach wie vor notwendigen Straßeninfrastruktur und ihrer Wartung. Der Ausschuss empfiehlt, in dem mehrjährigen Finanzrahmen nach 2013 ausreichend Mittel für die Verkehrsinfrastruktur bereitzustellen. Mit Blick auf künftige Vorhaben müssen die Mitgliedstaaten und die EU-Institutionen ihre Planungs- und Priorisierungskriterien besser koordinieren und dabei auch die Modernisierung der bestehenden Infrastruktur berücksichtigen.

    1.5

    Der Ausschuss befürwortet die Gestaltung einer Strategie für einen effizienten und wirklich nachhaltigen europäischen Verkehr, die den wirtschaftlichen, ökologischen, aber auch den sozialen Herausforderungen Rechnung trägt. Der soziale Dialog muss bei den Entwicklungen in Bezug auf sämtliche Verkehrsträger stärker berücksichtigt und ausgebaut werden. Der Ausschuss nimmt den Verweis auf „Mindestverpflichtungen“ in dem Fahrplan zur Kenntnis. Dieser Punkt muss jedoch in den Tarifverhandlungen in den einzelnen Mitgliedstaaten der EU geregelt werden. Der EWSA teilt die Ansicht der Europäischen Kommission, dass der soziale Dialog zur Vermeidung sozialer Konflikte von grundlegender Bedeutung ist, unbeschadet des Rechts der Arbeitnehmer auf kollektive Maßnahmen gemäß Artikel 151 AEUV.

    1.6

    Neben der Schwerpunktsetzung auf die Schaffung günstiger Bedingungen für qualitativ hochwertige Arbeitsplätze im Verkehrssektor sollten auch Maßnahmen vorgeschlagen werden, um das Bildungsangebot auszubauen und die Marktakteure in ihren Bemühungen zu unterstützen, neue Arbeitskräfte einzustellen. Insgesamt kommt die soziale Dimension in dem Fahrplan zu kurz.

    1.7

    Die Möglichkeit eines CO2-armen bzw. freien Straßengüterverkehrs wird in dem Fahrplan eher pessimistisch eingestuft. Neben der Entwicklung neuer Antriebssysteme und Kraftstoffe sollten in dem Fahrplan möglicherweise auch Maßnahmen stärker gefördert werden, mit denen der Straßengüterverkehr ohne Gesamtkapazitätseinbußen mittels e-Freight-Initiativen, besserer Logistikketten und Fahrzeuge sowie der Entwicklung „grüner“ Korridore optimiert und die Zahl der Fahrten verringert werden kann.

    1.8

    Obwohl der Fahrplan auf dem Grundsatz der Kombination von Verkehrsträgern (einem Element der Ko-Modalität) beruht, werden sehr wohl spezifische Ziele für die Verkehrsverlagerung betreffend den Straßengüterverkehr vorgeschlagen (und zwar eine Verlagerung von 30 % des Straßengüterverkehrs über 300 km bis 2030 auf andere Verkehrsträger wie Eisenbahn- oder Schiffsverkehr und von mehr als 50 % bis 2050). Diese vorgeschlagene Patentlösung entbehrt jeglicher wissenschaftlichen Grundlage, und weder der Fahrplan noch die Folgenabschätzung enthalten eine Begründung für diesen Schwellenwert.

    1.9

    In dem Fahrplan wird eine stärkere Marktöffnung, insbesondere im Schienenverkehr, empfohlen. Nach Meinung des Ausschusses sollte zunächst Bilanz über die in den einzelnen Mitgliedstaaten durchgeführten Reformen gezogen werden, vor allem über die Modalitäten für die Trennung zwischen Fahrweg und Betrieb und ihre Folgen für ein höheres Passagier- und Frachtaufkommen auf der Schiene, die Sicherheit, die Beschäftigung, die Dienstequalität, die Produktionskosten und ihre Erschwinglichkeit für die Reisenden.

    1.10

    In dem Fahrplan wird die obligatorische Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge im Rahmen von Ausschreibungen vorgeschlagen. Der Ausschuss erwartet, dass die Europäische Kommission vor der Veröffentlichung einschlägiger Vorschläge und spätestens sechs Monate nach dem Stichtag 3. Dezember 2014 gemäß Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 einen Bericht über ihre Durchführung vorlegt.

    1.11

    Der Ausschuss verweist auf die Bedeutung des öffentlichen Stadtverkehrs im Rahmen einer nachhaltigen Verkehrspolitik. Es gilt, effiziente, sichere, erschwingliche und wettbewerbsfähige öffentliche Nahverkehrsdienste zu entwickeln, die mit dem Individualverkehr konkurrieren können. Dies ist umso wichtiger, als die positiven Auswirkungen auf Emissionen, Lärmbelastung und Verkehrsüberlastung klar auf der Hand liegen. Der Ausschuss spricht sich daher dafür aus, dass die Europäische Union unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips Ziele für den Ausbau des öffentlichen Stadtverkehrs für die Mitgliedstaaten festlegt und Mittel aus den Strukturfonds und dem Kohäsionsfonds bereitstellt, um seine Entwicklung und Modernisierung zu fördern und das Beobachtungszentrum für urbane Mobilität funktionstüchtiger zu machen.

    1.12

    Abschließend wird in dem Fahrplan auch der Güterstadtverkehr angesprochen, allerdings mehr als Randbemerkung und ohne Nachdruck. Die Europäische Kommission hätte die Relevanz und die Machbarkeit der Gestaltung eines gemeinsamen Konzepts und der Vorlage verbindlicher Rechtsvorschriften in diesem Bereich beleuchten können, da die Feinverteilung für den freien Warenverkehr im Binnenmarkt und die Förderung nachhaltiger Verkehrsträger von großer Bedeutung sind.

    2.   Einleitung

    2.1

    Mit den Weißbüchern aus den Jahren 1992 und 2001 sollte der Verkehr u.a. durch eine Verkehrsverlagerung von der Straße auf umweltfreundlichere Verkehrsträger wie See-, Binnenschiffs- und Schienenverkehr, die Förderung umweltfreundlicher Lösungen, die Anlastung der echten Kosten für die Gesellschaft im Zuge der Internalisierung der externen Kosten und durch Anstrengungen zur Senkung des Verkehrsbedarfs mittels effizienter Planung nachhaltiger gestaltet werden.

    2.2

    Im Laufe der Zeit und insbesondere im Zuge der „Halbzeitbilanz zum Verkehrsweißbuch der Europäischen Kommission von 2001“ aus dem Jahr 2006 hat sich der Schwerpunkt allerdings verlagert. Nunmehr wird mehr Gewicht auf Ko-Modalität, effiziente multimodale Transportketten und angemessene Infrastruktur- und Unterstützungssysteme gelegt, um den ökologischen Fußabdrucks des Verkehrs zu verringern.

    2.3

    Dieser neue Fahrplan unterscheidet sich in seiner Reichweite von den früheren Weißbüchern, da er sich über einen Zeitraum von vier Jahrzehnten bis 2050 erstreckt, wobei er einige kurzfristigere Ziele für 2020 und 2030 umfasst. Außerdem ist klar festgehalten, dass die Einschränkung von Mobilität keine Option ist. Der Fahrplan enthält dennoch ehrgeizige Ziele in den Bereichen Nachhaltigkeit, insbesondere in Bezug auf Energieeffizienz, Verringerung der Ölabhängigkeit, Senkung der Treibhausgasemissionen und technologische Entwicklung.

    3.   Allgemeine Bemerkungen

    3.1

    Der Ausschuss begrüßt diesen Fahrplan als sinnvollen Beitrag zur Gestaltung eines effizienten und nachhaltigen Verkehrssystems in Europa. Die in diesem Fahrplan dargelegte Strategie deckt sich großteils mit den Empfehlungen, die der Ausschuss in früheren Stellungnahmen ausgesprochen hat.

    3.2

    Der Ausschuss bedauert, dass die Liste der vorgeschlagenen Maßnahmen nur sehr wenige Fristvorgaben für deren Umsetzung enthält. Einige Fristen könnten aus dem Vergleich mit der Liste der zehn Ziele in Ziffer 2.5 des Fahrplans abgeleitet werden, doch wäre dies letztlich reine Spekulation. Konkret werden in dem Fahrplan strategische Maßnahmen (bis 2050) und taktische Maßnahmen (die bereits jetzt angenommen werden können) nicht deutlich genug miteinander verknüpft. So sollte insbesondere ein detaillierterer Arbeitsplan für den Zeitraum 2013-2020 erstellt werden.

    3.3

    Der Ausschuss weiß um die grundlegende Rolle des Verkehrs als Faktor für Wettbewerb und Wohlstand und die Notwendigkeit, ein integriertes europäisches Verkehrssystem zu schaffen, die Nachhaltigkeit zu verbessern sowie CO2-arme Verkehrsträger, Energie- und Ressourceneffizienz, Sicherheit, Versorgungsunabhängigkeit und Verringerung der Verkehrsüberlastung zu fördern. Er befürwortet den Stellenwert, der optimierten multimodalen Logistikketten und einer effizienteren Nutzung der Verkehrsinfrastruktur beigemessen wird. Er befürwortet gleichfalls die stärkere Ausrichtung des Fahrplans auf marktbestimmte Maßnahmen im Vergleich zu den früheren Weißbüchern.

    3.4

    In früheren Stellungnahmen hat der Ausschuss auch klare und konkrete Maßnahmen zur Verwirklichung der Ziele gefordert. Vor diesem Hintergrund könnte dieser Fahrplan in Bezug auf zahlreiche Aspekte als wichtiger Forschritt erachtet werden, beginnend mit der allgemeinen Aussage in Ziffer 13, dass keine angemessenen Ergebnisse betreffend Ölabhängigkeit, CO2-Ausstoß, Zugänglichkeit und gesellschaftliche Kosten von Unfällen und Lärmbelastung erreicht werden können, wenn alles beim Alten bleibt.

    3.5

    Die meisten der geplanten Initiativen sind direkt auf die Schaffung eines komodalen Verkehrssystems in einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum ausgerichtet. Diese Schwerpunktsetzung auf die Ko-Modalität ist sinnvoll. Der Ausschuss betont, dass das Konzept der Ko-Modalität, das dem Fahrplan zugrunde liegt, die Optimierung der einzelnen Verkehrsträger sowie ihres Verbundes bedeutet. Zu einigen der beabsichtigten Maßnahmen sind allerdings Anmerkungen vorzubringen.

    3.6

    In dem Fahrplan werden sehr ehrgeizige Ziele für die Ökologisierung des Verkehrssystems gesetzt, doch zeigt die Europäische Kommission nicht auf, wie diese Ziele in der Praxis erreicht werden können und wie viel dies kosten wird. Der Ausschuss sieht diese Diskrepanz zwischen den Zielen, den Möglichkeiten für ihre Verwirklichung und der hierfür erforderlichen Finanzierung mit Sorge.

    3.7

    Das langfristige Ziel einer Senkung der CO2-Emission im Verkehrswesen um 60 % bis 2050 ist sehr ehrgeizig. Es könnte sich als Herzstück der technischen und politischen Entwicklung im Verkehrssektor erweisen, wenn es für die absehbare Zukunft beibehalten wird.

    3.8

    Der Ausschuss stimmt der Auffassung zu, dass dieses Emissionsziel im Einklang mit der allgemeinen Klimapolitik der EU steht und einen guten Mittelweg zwischen der von der Gesellschaft geforderten raschen Verringerung der Treibhausgasemissionen und der Möglichkeit bietet, rasch alternative Kraftstoffe einzuführen, damit das Verkehrswesen weiterhin seinen wichtigen Beitrag zur EU-Wirtschaft leisten kann. Der Ausschuss schlägt vor, dieses langfristige Ziel des Fahrplans um weitere spezifischere messbare mittelfristige Ziele zu ergänzen, die auf die Verringerung der Ölabhängigkeit, den Abbau der Lärmbelastung und die Eindämmung der Luftverschmutzung ausgerichtet sind.

    3.9

    Der Ausschuss hält fest, dass die Europäische Kommission in Ziffer 18 ihres Fahrplans ganz klar betont, dass „die Einschränkung von Mobilität keine Option [ist].“ Nach Ansicht des Ausschuss darf diese Aussage nicht falsch interpretiert werden, d.h. als Aussage gegen Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz des Verkehrs und zur Verringerung der Emissionen u.a. durch die Verkehrsoptimierung von Sendungen, bessere Logistikketten für eine höhere Auslastung und die Förderung des öffentlichen Verkehrs. Diese Maßnahmen werden in dem Fahrplan aufgelistet und vom Ausschuss ganz allgemein befürwortet. Die Aussage fördert eine Änderung der Verhaltens- und Verbrauchsmuster. Es wird kein leichtes Unterfangen, einen Mittelweg zwischen der Verwirklichung der Emissionsziele dieses Fahrplans und der Erfüllung der Beförderungsanforderungen der Gesellschaft in der EU zu finden. Daher erachtet der Ausschuss diese Aussage in Ziffer 18 für wesentlich.

    3.10

    In Bezug auf den Straßengüterverkehr befürwortet der Ausschuss die Bedeutung, die der effizienten Nutzung der vorhandenen Ressourcen durch die Koordinierung für kleinere Sendungen sowie der Einrichtung optimaler multimodaler „grüner“ Güterverkehrskorridore durch die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Akteuren beigemessen wird. Er betont jedoch, dass für die Verwirklichung des hochgesteckten CO2-Reduktionsziels (– 60 %) ein umfassenderes und ehrgeizigeres Maßnahmenpaket erforderlich sein könnte.

    3.11

    In dem Fahrplan wird auch die Notwendigkeit aufgegriffen, die Wettbewerbsfähigkeit von Verkehrsalternativen zum Straßenverkehr zu stärken. Der Ausschuss unterstützt dieses Ziel, sofern es durch die Förderung von Kapazität und Qualität des Eisenbahn-, Binnenschiff- und Kurzstreckenseeverkehrs und effiziente intermodale Dienste erreicht wird und die Entwicklung effizienter und nachhaltiger Straßenverkehrsdienste in der EU nicht behindert.

    3.12

    Die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten sollten alternative Verkehrsträger fördern und gleichzeitig aber auch alles daran setzen, den Straßenverkehr aus wirtschaftlicher, ökologischer und sozialer Sicht nachhaltiger zu gestalten. Der Ausschuss sieht die Spannungen, die aufgrund unterschiedlicher Sozialschutzbestimmungen und Entgelte auf dem Güterkraftverkehrsmarkt entstanden sind, mit Sorge. Er verweist auf die Bedeutung des sozialen Dialogs in dieser Branche und auf die wirksame Durchführung der Überwachungsmaßnahmen, die in dem Maßnahmenpaket für den Straßenverkehr enthalten sind, das am 4. Dezember 2011 in Kraft treten wird. Er fordert die Europäische Kommission auf, die Umsetzung dieses Maßnahmenpakets in den Mitgliedstaaten aufmerksam zu überwachen. Die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten müssen sämtliche erforderlichen Ressourcen für die Durchsetzung der EU-Vorschriften für den Straßenverkehr und die Überwachung ihrer Einhaltung bereitstellen. Die EU sollte außerdem Maßnahmen ergreifen, um einen fairen Wettbewerb, menschenwürdige Arbeitsbedingungen und eine erhöhte Straßenverkehrssicherheit einschl. betreffend den Zugang zum Verkehrsbinnenmarkt für Güterkraftverkehrsunternehmer aus Drittländern und die möglichen Gefahren einer Wettbewerbsverzerrung zu gewährleisten.

    3.13

    Wie in dem Fahrplan zu Recht betont wird, erfordert ein höherer Marktanteil von alternativen Verkehrsträgern erhebliche Infrastrukturinvestitionen, wobei im Übrigen auch in die Straßenverkehrsinfrastruktur investiert werden muss. Allerdings werden in der Kommissionsvorlage keine klaren Finanzierungsmöglichkeiten skizziert. Privatinvestitionen und Infrastrukturentgelte sind kein Patentrezept. Der Ausschuss steht der Internalisierung der externen Kosten im Verkehrswesen positiv gegenüber; dies hat er auch bereits in früheren Stellungnahmen betont. Er hält es für richtig, dass gemäß dem Verursacherprinzip die echten gesellschaftlichen Kosten des Verkehrs in wirtschaftlichen Instrumenten für eine nachhaltige Ausrichtung des Marktverhaltens berücksichtigt werden. Die Einnahmen aus diesen zusätzlichen Abgaben sollten in die Entwicklung des nachhaltigen Verkehrs und die Optimierung des gesamten Verkehrssystems fließen, um eine wahrhaft nachhaltige Mobilitätspolitik zu verwirklichen. Diese Abgaben sollten strikt von Gebühren getrennt werden, die zum Zweck einer Finanzierung erhoben werden, d.h. nach dem Prinzip der Kostentragung durch die Nutzer.

    3.14

    In Bezug auf die Internalisierung der externen Kosten bekräftigt der Ausschuss, dass diese Maßnahme auf alle Verkehrsträgern gleichermaßen Anwendung finden muss (1). In einer vor Kurzem verabschiedeten Stellungnahme kam er zu dem Schluss, dass die EU die geltenden Gebührenerhebungssysteme im Verkehrswesen schrittweise durch effizientere marktorientierte Instrumente ersetzen muss, um die externen Kosten in die Gebührenstruktur aufzunehmen.

    3.15

    Der Ausschuss hegt erhebliche Zweifel daran, ob das spezifische Ziel des Fahrplans für die Verkehrsverlagerung angemessen ist, namentlich die Verlagerung von 30 % des Straßengüterverkehrs über 300 km bis 2030 auf andere Verkehrsträger wie Eisenbahn- oder Schiffsverkehr und von mehr als 50 % bis 2050. Diese vorgeschlagene Patentlösung entbehrt jeglicher wissenschaftlichen Grundlage, und weder der Fahrplan noch die Folgenabschätzung enthalten eine Begründung für diesen Schwellenwert. Außerdem würde die Umsetzung einer derartigen Lösung eine schwere Belastung zahlreicher EU-Peripherie-Staaten bedeuten, was im Widerspruch zum Grundsatz des regionalen Zusammenhalts steht. Der Ausschuss fordert die Europäische Kommission auf, diese Frage genau zu untersuchen und die erforderlichen Erklärungen zu liefern. Er hält jedoch auch fest, dass ca. 85 % des Frachtaufkommens in der EU im Nahverkehr mit Entfernungen unter 150 km anfällt, in dem es wohl auch in den kommenden Jahrzehnten keine Alternative zum Straßenverkehr geben wird.

    3.16

    Dies gilt auch für das Ziel, den Verkehr über mittlere Entfernungen auf die Schiene zu verlagern. Eine Erhöhung des Anteils des öffentlichen Busverkehrs erscheint eine zweckdienliche Lösung, die jedoch in dem Fahrplan nicht erwogen wird.

    4.   Besondere Bemerkungen

    4.1

    Der Ausschuss unterstützt das TEN-V-Programm. Er betont erneut, „dass der Verkehrsinfrastrukturbedarf des erweiterten Europas größer geworden ist, weswegen Überlegungen darüber angestellt werden sollten, wie die derzeitige Politik und die zu ihrer Umsetzung vorhandenen Instrumente auf die sich abzeichnenden Herausforderungen abgestimmt werden können (2).

    4.2

    Der Ausschuss befürwortet die Einrichtung eines einheitlichen europäischen Luftraums als grundlegenden Faktor für die Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Luftfahrt auf dem Weltmarkt. Er fordert ein stärkeres Engagement aller Luftverkehrsakteure, um die umfassende und zügige Umsetzung der ehrgeizigen Ziele der EU für Sicherheit, Kosteneffizienz, Kapazität und Nachhaltigkeit im Luftverkehr zu gewährleisten.

    4.3

    Der Ausschuss bekräftigt, dass die Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums notwendig ist, damit die Schiene dauerhaft mit den anderen Verkehrsträgern konkurrieren kann. Es muss dafür gesorgt werden, dass für alle Verkehrsträger möglichst gleiche Markt- und Finanzierungsbedingungen gelten (3).

    4.4

    Der Ausschuss wiederholt seinen Standpunkt, dass „die Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums zu einem großen Teil von Fortschritten bei der technischen Interoperabilität abhängt (3).

    4.5

    In dem Fahrplan wird eine stärkere Marktöffnung im Schienenverkehr empfohlen. Bevor jedoch weitere Schritte in diese Richtung gesetzt werden können (einschl. der strukturellen Trennung zwischen Fahrweg und Betrieb) fordert der Ausschuss, eine ausgewogene Bewertung ihrer Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene, die Dienstequalität, die Beschäftigung und die Produktionskosten vorzunehmen, um den äußerst unterschiedlichen Erfahrungen mit den verschiedenen Reformen in den Mitgliedstaaten angemessen Rechnung zu tragen.

    4.6

    Der Ausschuss verweist erneut auf die Notwendigkeit, „neue Finanzierungsquellen für die Eisenbahninfrastruktur zu erschließen“, und zwar auf der Grundlage einer objektiven Kosten-Nutzen-Analyse. Diesbezüglich verweist er auf seine vor Kurzem verabschiedete Stellungnahme zum einheitlichen europäischen Eisenbahnraum, in der er vorgeschlagen hat, über Investitionsanreize im Sinne von Vorschlag Nr. 15 „die Ausgabe privater Obligationsanleihen zur Finanzierung europäischer Projekte (‚projektbezogene Anleihen‘) zu unterstützen“ und Vorschlag Nr. 16 „prüfen, mit welchen Maßnahmen Anreize geschaffen werden können, um private – insbesondere langfristige – Investitionen im Sinne eines aktiveren Beitrags zur Verwirklichung der Ziele der Strategie ‚Europa 2020‘ zu mobilisieren“ der Mitteilung „Auf dem Weg zu einer Binnenmarktakte“ nachzudenken. „Der EWSA (kann) der möglichen Schaffung eines einheitlichen ‚Verkehrsfonds‘ nur dann zustimmen, wenn dieser hinsichtlich sämtlicher Verkehrsträger neutral und ausgewogen ist (3).

    4.7

    In dem Fahrplan wird die obligatorische Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge im Rahmen von Ausschreibungen vorgeschlagen. Der Ausschuss erwartet, dass die Europäische Kommission vor der Veröffentlichung einschlägiger Vorschläge und spätestens sechs Monate nach dem Stichtag 3. Dezember 2014 gemäß Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 einen Bericht über ihre Durchführung vorlegt.

    4.8

    Der Ausschuss unterstreicht, dass die europäische Schifffahrt bei der Erbringung verschiedenster maritimer Dienstleistungen weltweit zu den Marktführern zählt. Der internationale Charakter der Schifffahrt sollte bei sämtlichen Aspekten wie freier Marktzugang, Wettbewerbsposition der europäischen Schifffahrt, Sicherheit, Umwelt und Arbeitsmarkt berücksichtigt werden.

    4.9

    Der Ausschuss bekräftigt seine Aufforderung an die Mitgliedstaaten, im Hinblick auf gleiche Ausgangsbedingungen auf internationaler Ebene das IAO-Übereinkommen über Mindestarbeitsnormen im Seeverkehr (MLC) zu ratifizieren, unbeschadet möglicherweise in der EU geltender strengerer Normen. Die EU-Rechtsvorschriften sollten im Einklang mit internationalen Vorschriften stehen, insbesondere dem erwähnten MLC-Übereinkommen der IAO und dem STCW-Übereinkommen der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation IMO (Internationales Übereinkommen über Normen für die Ausbildung, die Erteilung von Befähigungsnachweisen, Befähigungszeugnissen und den Wachdienst von Seeleuten).

    4.10

    Das im dem Fahrplan unterstützte Konzept des „Blauen Gürtels“, d.h. der Europäische Seeverkehrsraum ohne Grenzen, hebt auf den Abbau des Verwaltungsaufwands für Zollverfahren im innereuropäischen Seeverkehr ab und ist zu befürworten. Da Sozialnormen in diesem Konzept ausgeklammert sind, erwartet der Ausschuss, dass diese im Seeverkehr durch die unmittelbar bevorstehende Anwendung und Durchsetzung des MLC-Übereinkommens der IAO aus dem Jahr 2006 in den Mitgliedstaaten gefördert werden. Der Ausschuss fordert die Europäische Kommission auf, über geeignete Maßnahmen für eine Harmonisierung der Sozialnormen im EU-Binnenverkehr zu sorgen und dabei auch die Notwendigkeit gleicher Ausgangsbedingungen auf internationaler Ebene zu berücksichtigen.

    4.11

    In Bezug auf die Einführung eines EU-Registers und einer EU-Flagge für den See- und den Binnenschiffsverkehr sollte die Realisierbarkeit eines EU-Registers sorgfältig bewertet werden, da die Einrichtung eines derartigen Registers in Verbindung mit einer günstigeren Regelung, die Vorteile bringt (wie u.a. geringere Hafengebühren, niedrigere Versicherungskosten und weniger Inspektionen), schwierig, wenn nicht sogar unmöglich wäre. Zahlreiche Aspekte sind nämlich in internationalen Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten geregelt, die eine Klausel zur „Inländerbehandlung“ enthalten. Für die Einrichtung eines EU-Registers wäre somit eine wirtschaftliche Governance auf EU-Ebene notwendig, die es derzeit nicht gibt.

    4.12

    Ähnlich der Idee eines EU-Registers wird auch die Schaffung einer europäischen Küstenwache immer wieder diskutiert. Dieser Vorschlag ist in erster Linie ein Thema für die Mitgliedstaaten, da die Küstenwache in ihren ausschließlichen Zuständigkeitsbereich fällt. Da die Tätigkeiten der Küstenwache in den Mitgliedstaaten unterschiedlich geregelt sind, scheint die Einrichtung einer europäischen Küstenwache unnötig oder zum derzeitigen Zeitpunkt zumindest verfrüht. Es sollte vielmehr eine engere Zusammenarbeit zwischen den Küstenwachen in den einzelnen Mitgliedstaaten angestrebt werden, insbesondere in Fragen wie illegale Einwanderung und Drogenhandel. Soweit derartige Kooperationsabkommen bereits bestehen, sollten diese gestärkt werden.

    4.13

    Der Innovationsbedarf für die Verbesserung der Umweltleistung von Schiffen ist erheblich. Es könnte sinnvoll sein, dass die EU überprüft, ob ab 2015 spezifische Rechtsvorschriften über den Schwefelgehalt von Schiffstreibstoffen im Ost- und Nordseeraum angewendet werden sollen, wie mit den wettbewerbsverzerrenden Auswirkungen dieser Maßnahmen umgegangen werden soll und welche möglichen Folgen für die Verkehrsverlagerung entstehen.

    4.14

    In dem Fahrplan wird die Finanzierung der Straßeninfrastruktur über Gebühren gemäß dem Prinzip der Kostentragung durch die Nutzer und Verursacher dargelegt. Es ist durchaus eine gute Geschäftsidee, eine Straße in zentraleuropäischen Gebieten mit hohem Durchgangsverkehrsaufkommen unter derartigen Bedingungen zu betreiben, in den zahlreichen Mitgliedstaaten an der EU-Außengrenze ist dies jedoch ein weitaus risikoreicheres Unterfangen. Außerdem würden hohe Straßenbenutzungsgebühren insbesondere den Güterverkehr aus den Grenzregionen bzw. in diese belasten und Wettbewerbsverzerrungen verursachen, vor allem in den weltweit konkurrierenden Industriesektoren. Die Infrastrukturfinanzierung sollte normalerweise Aufgabe des Staates oder sogar der Europäischen Union sein. Von dieser Regel kann jedoch abgewichen werden, wenn Bedingungen für private Finanzierungen gegeben sind, die für die Nutzer (einschl. einkommensschwacher Menschen und Menschen mit eingeschränkter Mobilität) akzeptabel sind.

    4.15

    Der Ausschuss nimmt die Absicht zur Einführung liberalerer Vorschriften für Kabotage im Güterkraftverkehr zur Kenntnis. Er stimmt mit der Europäischen Kommission darin überein, dass die derzeitigen Beschränkungen eine niedrigere Auslastung und mehr Leerfahrten zur Folge haben und sich somit nicht mit der allgemeinen, in diesem Fahrplan dargelegten Politik zur Optimierung der Ressourcennutzung vertragen. Andererseits betont der Ausschuss, dass dieser Sektor noch weit von der für eine komplette Marktöffnung erforderlichen Harmonisierung der Sozial- und Steuervorschriften und deren Durchsetzung entfernt ist. Die Liberalisierung der Kabotage könnte die Probleme in Verbindung mit unterschiedlichen Entgelten und Sozialschutzbestimmungen noch verschärfen. Der soziale Dialog und eine angemessene Überwachung im Einklang mit dem Maßnahmenpaket für den Straßenverkehr, das am 4. Dezember 2011 in Kraft tritt, könnten dazu beitragen, derartige Probleme zu bewältigen. Diese sollten auch von der hochrangigen Gruppe für den Straßengüterverkehrsbinnenmarkt aufgegriffen werden, die von der Europäischen Kommission mit der Überarbeitung der Funktionsweise dieses Marktes beauftragt wurde. Der Ausschuss weist außerdem erneut darauf hin, dass die Entsenderichtlinie insbesondere auf im Kabotagedienst eingesetzte Erwerbstätige im Straßengüterverkehr umfassend angewandt werden muss (4).

    4.16

    Für die Erleichterung des freien Warenverkehrs und der freien Erbringung von internationalen Verkehrsdiensten ist nach Meinung des Ausschusses wesentlich, dass das europäische System für Straßenbenutzungsgebühren, mit dem das Mitführen unzähliger verschiedener Geräte und eine Vervielfachung der Belege vermieden wird, angemessen und wirksam umgesetzt wird. Der Ausschuss spricht sich für die Einrichtung einer geeigneten einzigen Anlaufstelle für die Nutzer aus.

    4.17

    In dem Fahrplan wird eine Halbierung der Zahl der Unfalltoten im Straßenverkehr bis 2020 angestrebt. Bis 2050 soll diese Zahl auf Null gesenkt werden. In den vor Kurzem veröffentlichten „Leitlinien für die Politik im Bereich der Straßenverkehrssicherheit 2011-2020“ wird der gewerbliche Straßenverkehr jedoch nicht berücksichtigt. Der Ausschuss empfiehlt, dass 1.) die Europäische Kommission alle Faktoren untersucht, die negative Auswirkungen auf die Straßenverkehrssicherheit haben, einschl. der Müdigkeit der Fahrer, 2.) harmonisierte und umfassende Statistiken zu den verschiedenen Aspekten von Straßenverkehrsunfällen ausgearbeitet werden, um die echten Gründe für die hohe Zahl an Straßenverkehrsunfällen zu ermitteln, 3.) sichere, geschützte, zugängliche und erschwingliche Parkplätze und Rastanlagen für Kraftfahrer entsprechend gefördert und finanziert werden, und 4.) die Straßenverkehrssicherheit als eines der wichtigsten Ziele in alle künftigen Rechtsvorschriften der EU aufgenommen wird.

    4.18

    Der Ausschuss begrüßt, dass der globale Kontext des Verkehrswesens berücksichtigt und darauf hingewiesen wird, dass beispielsweise Umweltnormen so global wie möglich Anwendung finden sollten.

    4.19

    Die mit der europäischen Forschungs-, Innovations- und Einführungsstrategie für den Verkehr verfolgten Ziele, namentlich die Förderung der Entwicklung und Einführung umweltfreundlicherer und energieeffizienterer Antriebssysteme sowie Unterstützungssysteme für Transport und Logistik, sind vielversprechend.

    4.20

    Der Ausschuss begrüßt außerdem die Initiative zur Entwicklung eines Strategieplans für Verkehrstechnologie in enger Abstimmung mit dem bestehenden strategischen Energietechnologie-Plan (SET-Plan), um die Forschungsergebnisse rasch auf den Markt zu bringen, sowie die laufenden Maßnahmen zur Verwirklichung der Initiative für umweltfreundliche Fahrzeuge und der Strategie für saubere und energieeffiziente Fahrzeuge.

    4.21

    Die Förderung der technologischen Entwicklung sowie von Maßnahmen zur Änderung des Mobilitätsverhaltens und der Güterbeförderungsplanung sind zwei Hauptaspekte des zweiten Schlüsselbereichs der Kommissionsstrategie. Die geplanten Maßnahmen stehen mit der Entwicklung eines freien Marktes im Einklang und werden daher vom Ausschuss befürwortet.

    4.22

    Der Ausschuss betont, dass die zur Entwicklung neuer Verhaltensmuster im Güter- und Personenverkehr vorgeschlagenen Maßnahmen der tatsächlichen Verkehrsnachfrage und, für den öffentlichen Verkehr, den gesellschaftlichen Gegebenheiten Rechnung tragen müssen. Verkehrsträgerübergreifende Fahrscheinsysteme könnten zwar eine sinnvolle Initiative sein, doch ist der Ausschuss der Ansicht, dass es sinnvoller wäre, die fortgeschrittenste Mobiltelefon-Technologie für papierloses Ticketing einzusetzen, um über Mobiltelefone, die mit NFC-Karten oder -Chips (NFC – Near Field Communication) ausgestattet sind, verschiedene Verkehrsunternehmen nutzen zu können. Es sollte eine rasche Normung der NFC-Technologie in Europa in Betracht gezogen werden, um ein reibungsloses verbund- und verkehrsmittelübergreifendes Reisen über Landesgrenzen hinweg zu ermöglichen. Mit den neuen Maßnahmen muss auch eine Senkung der Verkehrskosten sichergestellt werden.

    4.23

    In Bezug auf den Güterverkehr erachtet der Ausschuss die geplante Einführung eines einheitlichen Beförderungsdokuments als positiv, wenn es zur Verringerung des ohnehin schon erheblichen Verwaltungsaufwands beiträgt.

    4.24

    Das Augenmerk, das auf die Schaffung günstiger Bedingungen für qualitativ hochwertige Arbeitsplätze gelegt wird, ist ein wichtiges und positives Element für die künftige Entwicklung der Verkehrsindustrie. Es müssen daher Maßnahmen vorgeschlagen werden, um bei allen Verkehrsträgern das Bildungsangebot auszubauen und die Marktakteure in ihren Einstellungsbemühungen zu unterstützen.

    4.25

    Der Ausschuss verweist auf seine vor Kurzem verabschiedete Stellungnahme zu den „Auswirkungen der EU-Politik auf Beschäftigungschancen, Ausbildungsbedarf und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im Verkehrsgewerbe“, in der er anregt, „Frauen und junge Arbeitskräfte für Verkehrsberufe zu gewinnen, und zwar durch Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsplatzqualität, der Arbeitsbedingungen, der Aus- und Weiterbildung, der Investitionen in das lebenslange Lernen, Maßnahmen zur Verbesserung der Aufstiegschancen, des Gesundheitsschutzes und der Sicherheit am Arbeitsplatz sowie zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei allen Verkehrsträgern (5).

    4.26

    Der Ausschuss empfiehlt eine zweckdienlichere und strengere Anwendung der Regelungen für staatliche Beihilfen im Seeverkehr und insbesondere die Untersuchung einer möglichen stärkeren Koppelung der Genehmigung öffentlicher Beihilfen oder Steuerbefreiungen an Garantien im Beschäftigungsbereich, beispielsweise Ausbildungspflichten.

    4.27

    Der Ausschuss weist erneut auf die Notwendigkeit hin, eine Beobachtungsstelle für Sozial-, Beschäftigungs- und Ausbildungsfragen im Verkehrssektor einzurichten.

    4.28

    Insgesamt kommt die soziale Dimension in dem Fahrplan zu kurz. So wird insbesondere das Sozial- und Lohndumping völlig ausgeklammert, das ein ernsthaftes Problem in zumindest drei Bereichen ist, und zwar im Straßengüterverkehr, in der Binnenschifffahrt und im Seeverkehr. Die sozialen Initiativen in Anhang I des Fahrplans stehen in keinem Verhältnis zu den Herausforderungen. Über einen sozialen Dialog und die Einführung von Mindestarbeitsbedingungen, die im Fahrplan vorgeschlagen werden, können angemessene Arbeits- und gleiche Ausgangsbedingungen sichergestellt werden. Allerdings könnten spezifische Maßnahmen wie zweckgebundene staatliche Beihilfen in Branchen erforderlich sein, die direkt der Billig-Konkurrenz ausgesetzt sind. Die bevorstehende Überarbeitung der Regelungen für staatliche Beihilfen im Seeverkehr bietet eine erste Gelegenheit, um diese Beihilfen an beschäftigungs- und ausbildungsfördernde Maßnahmen zugunsten von Arbeitnehmern aus der EU und dem EWR zu koppeln.

    4.29

    In dem Fahrplan wird korrekterweise auf den Personen- und Güterstadtverkehr hingewiesen, da immer mehr Unionsbürger im städtischen Raum leben. Die Europäische Kommission hält fest, dass der Stadtverkehr nicht in den Zuständigkeitsbereich der EU fällt und ihr Handlungsspielraum für politische Maßnahmen daher begrenzt ist. Zumindest in Bezug auf den Güterverkehr sollte jedoch die Frage gestellt werden, ob der Nahverkehr auf den letzten Kilometern nicht auch an den freien Warenverkehr im Binnenmarkt gekoppelt und für diesen von Bedeutung ist. Der Ausschuss schlägt vor, dass die Europäische Kommission die Möglichkeit auslotet, erforderlichenfalls verpflichtende EU-Maßnahmen in diesem Bereich einzuführen. Der Ausschuss merkt an, dass auch in Bezug auf den Stadtverkehr einige der Empfehlungen aus seinen einschlägigen früheren Stellungnahmen wie Koordinierungssysteme für den Personenverkehr und Frachtlogistikzentren in den Fahrplan aufgenommen wurden.

    4.30

    Der Ausschuss begrüßt, dass die Einführung von Elektrofahrzeugen und die Errichtung der erforderlichen Batterieladeinfrastruktur sowie die damit verbundenen Normungsfragen in dem Fahrplan berücksichtigt wurden. Er hat sich bereits in seiner einschlägigen Stellungnahme (6) für eine starke Marktdurchdringung von Elektrofahrzeugen, insbesondere Elektroautos, ausgesprochen.

    4.31

    In dem Fahrplan wird ganz allgemein auf die Notwendigkeit hingewiesen, die Vorschriften über Gewichte und Abmessungen zur Optimierung der Ressourceneffizienz zu überarbeiten. Diesbezüglich stellt sich die Frage, inwieweit das europäische modulare System für Lastzugkombinationen mit einer Länge von max. 25,25 m zum Einsatz kommen kann. Immer mehr Mitgliedstaaten erlauben den Einsatz dieser Systeme im innerstaatlichen Verkehr. Der Ausschuss ist sich der fortlaufenden Diskussionen über die Zweckdienlichkeit derartiger Lastzugkombinationen sehr wohl bewusst. Er bedauert, dass dieser Aspekt in dem Fahrplan nicht klar aufgegriffen wird, und ist der Ansicht, dass das geltende Verbot für den Einsatz derartiger Fahrzeuge im grenzübergreifenden Verkehr zwischen Mitgliedstaaten, die diese im innerstaatlichen Verkehr sehr wohl erlauben, eindeutig ein Regulierungsengpass ist, der den freien grenzüberschreitenden Warenverkehr behindert und nicht im Einklang mit dem Ziel einer Verbesserung von Effizienz und Nachhaltigkeit im Verkehr durch einen komodalen Ansatz steht. Er fordert die Europäische Kommission daher auf, eine Initiative zur Aufhebung dieses Verbots auf den Weg zu bringen. Auf längere Sicht muss bewertet werden, ob der Einsatz längerer Fahrzeuge, die mit neuen Kraftstoffen usw. betrieben werden, an die Entwicklung multimodaler Korridore gekoppelt werden könnte, die in dem Fahrplan als Teil des Kernnetzes der TEN-V vorgesehen sind. Dies gilt auch für die Einführung längerer Züge mit höherer Nutzlast in der EU, um die Kapazität an den Schienenverkehrsknotenpunkten in derartigen multimodalen Korridoren zu erhöhen. Der Ausschuss ist sich bewusst, dass die Voraussetzung für eine positive Bewertung einer Veränderung von Lademaßen auf der Straße ist, dass diese Veränderung keine negativen Rückwirkungen auf die multimodale Verwendung der Transporteinheiten hat, insbesondere auf den kombinierten Verkehr Schiene/Straße. Durch längere Fahrzeuge bzw. Züge mit höherer Nutzlast entstehende Infrastrukturmehrkosten müssen genau evaluiert werden und die dadurch bevorzugten Nutzer entsprechend an diesen Mehrkosten beteiligt werden.

    4.32

    Der Ausschuss bedauert, dass das Problem effizienterer und nachhaltigerer Lösungen für die Alpenpässe in dem Fahrplan vollkommen ausgeklammert wird. Die bestehende Schienen- und Straßeninfrastruktur bietet keine ausreichende Kapazität, um die Verkehrsnachfrage im kommenden Jahrzehnt bedienen zu können. Der Ausschuss möchte der Europäischen Kommission antragen, sich mit dieser Frage zu befassen.

    4.33

    In dem Fahrplan wird außerdem auf die Zweckdienlichkeit einer koordinierten Verkehrsplanung durch die Betreiber hingewiesen, um die Ressourcen am effizientesten zu nutzen. Diesbezüglich wirft der Ausschuss die Frage auf, ob die Europäische Kommission Leitlinien ausarbeiten sollte, um die Gefahr der Unvereinbarkeit mit den geltenden Wettbewerbsvorschriften möglichst gering zu halten.

    4.34

    Unter Berücksichtigung des demografischen Wandels, der alternden Bevölkerung und des 15 %igen Anteils von Menschen mit Behinderungen an der Gesamtbevölkerung ist sich der Ausschuss bewusst, dass Mobilität nur dann erreicht werden kann, wenn sämtliche Glieder der Verkehrskette (einschl. bebaute Umwelt, Verkehrsmittel, Ausrüstung, Informationssysteme, Buchungssysteme, Dienstleistungen usw.) für alle Bürger zugänglich sind. Der Ausschuss unterstützt daher ausdrücklich die Absicht der Europäischen Kommission, einen europäischen Rechtsakt über Barrierefreiheit vorzuschlagen.

    4.35

    Der Ausschuss hält jedoch fest, dass die praktischen Aspekte der Dimension Behinderung trotz zahlreicher positiver Verweise in dem Fahrplan gleichwohl zu wenig Beachtung findet. Grundlegende Konzepte wie Nachhaltigkeit und Sicherheit werden ohne Berücksichtigung der Barrierefreiheit erörtert. Nach Meinung des Ausschusses müssen alle Interessenträger zur Sicherstellung einer besseren Barrierefreiheit zusammenarbeiten, um voll kompatible Normen zwischen allen Verkehrsträgern festzulegen, die einen echten barrierefreien Verkehr ermöglichen. Auch die Vorschriften über Fluggastrechte müssen in einigen Punkten klarer gefasst und harmonisiert werden, z.B. Nichtbeförderung von Menschen mit Behinderungen, Recht zur Mitnahme von Mobilitätshilfen und Hilfsgeräten, Bereitstellung von Informationen usw.

    4.36

    Der Ausschuss schlägt vor, dass Barrierefreiheit in dem mehrjährigen Finanzrahmen als Anforderung für die Gewährung von Finanzmitteln aufgenommen wird. Es sollten nur dann Mittel aus dem TEN-Haushalt oder andere EU-Mittel beispielsweise aus den Strukturfonds bereitgestellt werden, wenn die Projekte dem Konzept des „Design For All“ entsprechen. Zur Erleichterung der Freizügigkeit von Menschen mit Behinderungen sollte außerdem eine europäische Mobilitätskarte eingeführt werden, die den Weg für zahlreiche harmonisierte Konzessionen in den Mitgliedstaaten ebnen könnte.

    Brüssel, den 26. Oktober 2011

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Staffan NILSSON


    (1)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Strategie zur Internalisierung externer Kosten“, ABl. C 317 vom 23.12.2009, S. 80.

    (2)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Nachhaltige Entwicklung der EU-Verkehrspolitik und TEN-V-Planung“, ABl. C 248 vom 25.8.2011, S. 31.

    (3)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums“ und der „Mitteilung der Kommission über die Entwicklung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums“, ABl. C 132 vom 3.5.2011, S. 99.

    (4)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die Auswirkungen der EU-Politik auf Beschäftigungschancen, Ausbildungsbedarf und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im Verkehrsgewerbe“ (Sondierungsstellungnahme), ABl. C 248 vom 25.8.2011, S. 22.

    (5)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die Auswirkungen der EU-Politik auf Beschäftigungschancen, Ausbildungsbedarf und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im Verkehrsgewerbe“ (Sondierungsstellungnahme), ABl. C 248 vom 25.8.2011, S. 22.

    (6)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Hin zu einer starken Marktdurchdringung von Elektrofahrzeugen“ (Sondierungsstellungnahme), ABl. C 44 vom 11.2.2011, S. 47.


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