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Document 52016AE0083

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Externe Dimension der EU-Energiepolitik“

ABl. C 264 vom 20.7.2016, p. 28–34 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

20.7.2016   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 264/28


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Externe Dimension der EU-Energiepolitik“

(2016/C 264/04)

Berichterstatter:

Vitas MAČIULIS

Der EU-Ratsvorsitz beschloss am 16. Dezember 2015, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Externe Dimension der EU-Energiepolitik“.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Außenbeziehungen nahm ihre Stellungnahme am 19. April 2016 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 516. Plenartagung am 27./28. April 2016 (Sitzung vom 28. April 2016) mit 143 Stimmen bei 2 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen: Hin zu einer konsolidierten und belastbaren externen Energiepolitik der EU

1.1

Energie ist integraler Bestandteil der internationalen Politik und steht derzeit ganz oben auf der Agenda der EU. Da einige internationale Akteure versuchen, Energie als Hebel für das Erreichen politischer Ziele zu nutzen, ist es im Interesse der EU-Bürger, dass die EU bei Energiefragen wachsam bleibt.

1.1.1

Für die externe Energiedimension sind drei Faktoren ausschlaggebend: Diversifizierung, „mit einer Stimme sprechen“ und ein gut ausgebautes internes Energiesystem.

1.2

Die Diversifizierung der Energiequellen, -lieferanten und -versorgungswege der EU ist von wesentlicher Bedeutung für die externe Energiepolitik. Wie in der Strategie für die Energieunion der EU betont wird, besteht eine entscheidende Herausforderung für die EU darin, dass mehr als die Hälfte der verbrauchten Energie aus Importen stammt, die durch einschlägige handelspolitische Maßnahmen gesichert werden müssen.

1.2.1

Der Kreis der Energieimportpartner muss durch die ständige Ausschau nach und den Dialog mit neuen, zuverlässigen und berechenbaren Energielieferanten erweitert werden.

1.2.2

Neue große Infrastrukturprojekte, die zur Verwirklichung der Diversifizierungsziele beitragen, sollten die Ziele der Strategie für die Energieunion erfüllen und in Einklang mit dem Besitzstand der EU stehen. Außerdem sollten sie voll und ganz dem Ziel entsprechen, ein dezentrales Energiesystem aufzubauen, bei dem den erneuerbaren Energieträgern eine entscheidende Rolle zukommt.

1.2.3

Über die Förderung der Zusammenarbeit zwischen Vertretern der Privatwirtschaft und der Politik sollten die am besten geeigneten Verfahrensweisen und Partner für die Entwicklung der externen Energiedimension ermittelt werden. Dabei sind immer die Ziele Energiesicherheit und Nachhaltigkeit zu berücksichtigen.

1.3

Trotz unterschiedlicher Energiemixe, Energieimportstrukturen und traditioneller Energiehandelspartner muss stets „mit einer Stimme gesprochen“ werden. Ein gemeinsamer interner Standpunkt der EU ist für eine starke externe Dimension von entscheidender Bedeutung.

1.3.1

Der EWSA fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, ihre individuellen Energieinteressen abzustimmen und untereinander Solidarität und Transparenz zu wahren.

1.3.2

Der EWSA begrüßt den Vorschlag der Kommission vom 16. Februar 2016, mit dem der derzeitige Mechanismus für den Informationsaustausch über zwischenstaatliche Abkommen und nicht verbindliche Instrumente verstärkt wird.

1.3.3

Gemeinsame Umweltstandards und nukleare Sicherheitsstandards bei Energieprojekten in den Nachbarstaaten der EU sollten ein wichtiger Aspekt der Energieaußenpolitik der EU sein. Der Energiebezug aus Ländern, die diese Standards nicht einhalten, sollte begrenzt werden.

1.4

Maßgebliche Voraussetzung für die Abfederung externer Einflüsse ist ein stabiles internes Energiesystem: Ein zentraler Aspekt der Energieunion ist die Schaffung eines voll funktionsfähigen und transparenten Energiebinnenmarkts der EU. Dies würde sich unmittelbar in einem effizienteren Ansatz in Energieaußenfragen niederschlagen.

1.4.1

Die notwendigen Elemente der Energieinfrastruktur müssen errichtet werden, um die Einfuhr von Energieressourcen in die EU zu verbessern und zu rationalisieren.

1.4.2

Der EWSA betont, dass die Energienetze und -systeme aller Mitgliedstaaten vollständig in den Binnenmarkt der EU integriert und synchronisiert werden müssen.

1.4.3

Die Wettbewerbsfähigkeit der Energieerzeuger in der EU muss gesichert werden, indem zwischen europäischen und nichteuropäischen Energieerzeugern gleiche Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden.

1.4.4

Der EWSA fordert, bei der Konzeption und Durchführung der externen Energiepolitik der EU zu berücksichtigen, dass die europäische Industrie und insbesondere die energieintensiven Branchen auf eine wettbewerbsfähige, stabile und vorausplanbare Energieversorgung angewiesen sind, um unter gleichen Ausgangsbedingungen im internationalen Wettbewerb bestehen zu können.

1.5

Eine zukunftsfähige Energiepolitik, die der Verwirklichung der Energieaußenziele der EU dient, zumal mit Blick auf das Übereinkommen von Paris (COP 21), sollte in erster Linie auf einer systematischen Berücksichtigung der Ziele der europäischen Klimapolitik und der Gesamtbemühungen der internationalen Gemeinschaft um eine Begrenzung der klimatischen Störungen gründen, insbesondere mittels der Entwicklung dreier Schlüsselelemente: erneuerbare Energien, Energieeffizienz sowie Forschung und Entwicklung.

1.5.1

Erneuerbare Energieträger tragen entscheidend zur Erhöhung der Energiesicherheit und Verringerung der Einfuhrabhängigkeit bei.

1.5.2

Die EU sollte alles daransetzen, ihre führende Rolle auf diesem Gebiet beizubehalten.

1.5.3

Energieeffizienz ist einer der Eckpfeiler der Maßnahmen, mit denen der Energieverbrauch der EU reduziert und folglich die Energieeinfuhren verringert werden sollen. Deshalb ist die Senkung der Energieausgaben privater und kommerzieller Verbraucher von wesentlicher Bedeutung.

1.6

Für Forschung und Entwicklung müssen angemessene Mittel bereitgestellt werden, um die Effizienz der Energieerzeugung zu verbessern und ihre Kosten zu senken. Die internationale Zusammenarbeit ist in diesem Zusammenhang zweifellos ebenfalls wichtig.

1.7

Da Energie für die Verbraucher erschwinglich und der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie förderlich sein sollte, fordert der EWSA die Kommission und die nationalen Regierungen zu einer umfassenden Einbindung der Zivilgesellschaft, Sozialpartner und Verbraucherorganisationen auf. Er plädiert aus diesem Grund für die Einrichtung eines europäischen Energiedialogs und eines europäischen Energieforums unter Einbeziehung aller Interessenträger. Dies ist grundlegende Voraussetzung für eine intelligente, effiziente und nachhaltige Energieaußenpolitik der EU.

1.7.1

Der EWSA muss seine international ausgerichteten Arbeitsorgane und Arbeitsgruppen mobilisieren, um eine aktive Rolle bei der Gestaltung einer effizienten und belastbaren EU-Energieaußenpolitik zu übernehmen.

2.   Hintergrund

2.1

Energiefragen haben erst in der jüngeren Vergangenheit in den strategischen Debatten der EU an Bedeutung gewonnen, stehen aber mittlerweile ganz oben auf der Agenda der Europäischen Kommission. Auch der EWSA befasst sich mit der Energieaußendimension und hat sich dazu bereits in verschiedenen Stellungnahmen geäußert (1).

2.2

Angesichts der zunehmenden Abhängigkeit der EU von Energieeinfuhren, insbesondere Erdöl und Erdgas, kommt der externen Dimension der EU-Energiepolitik bei der Stärkung der Energieversorgungssicherheit zentrale Bedeutung zu.

2.2.1

Mehr als die Hälfte (53,2 %) des Bruttoinlandenergieverbrauchs der EU stammt aus Importen. Die EU importiert 44,2 % der festen Brennstoffe (davon ist mehr als die Hälfte Steinkohle), 87,4 % des Erdöls und der Erdölprodukte und 65,3 % des Erdgases (Eurostat, 2013).

2.2.2

An diesen Zahlen wird deutlich, in welchem Umfang die EU vom Handel mit Lieferanten aus Drittstaaten abhängig ist. Erweist sich der Lieferant als unzuverlässig oder unberechenbar oder werden die Infrastrukturen nicht angemessen instand gehalten, könnte dies deshalb die Energiesicherheit der gesamten EU ernsthaft gefährden.

3.   Bedeutung der Diversifizierung in den Energieaußenbeziehungen

3.1

Der EWSA sollte neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit suchen und bestehende Energiepartnerschaften mit Drittländern stärken, um Energiequellen, -lieferanten und -versorgungswege zu diversifizieren.

3.2

Russland wird aller Voraussicht nach in der nahen Zukunft der wichtigste Partner der EU bei Energieeinfuhren bleiben, vor allem für Pipeline-Gas.

3.2.1

Russland hat ein vorrangiges Interesse daran, seine vorteilhafte Position auf dem Energiemarkt der EU, seinem größten Ausfuhrbestimmungsort und einem sehr verlässlichen Kunden, zumindest zu wahren.

3.2.2

Das Pipelineprojekt Nord Stream II ist derzeit ein zentrales Thema auf der Energieagenda Russlands und hat die Erhöhung der Erdgasausfuhren in die EU zum Ziel. In der EU wurden Bedenken geäußert, ob dieses Projekt im Widerspruch zur EU-Strategie für die Energieunion zur Diversifizierung der Gasversorgung stehen könnte. Der EWSA sieht es als wichtigste Aufgabe der Kommission an, das Nord-Stream-II-Projekt und seine Übereinstimmung mit dem Besitzstand der EU, einschließlich des dritten Energiepakets, sowie mit den Zielen der Strategie für die Energieunion, insbesondere der Diversifizierung der Energiequellen, -lieferanten und -versorgungswege, sorgfältig zu bewerten.

3.2.3

Die Interessen aller Mitgliedstaaten müssen bei der Festlegung eines gemeinsamen Standpunkts der EU zum Nord-Stream-II-Projekt berücksichtigt werden. Die kommerziellen Aspekte des Projekts sollten nicht alleiniges Entscheidungskriterium sein, zumal Russland dazu neigt, Energie als geopolitischen Hebel anzusetzen.

3.3

Norwegen ist auf der internationalen Bühne ein zuverlässiger Partner der EU, der die gleichen politischen Prioritäten hat, auch im Energiesektor. Als Unterzeichnerstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist Norwegen Teil des EU-Binnenmarkts.

3.3.1

Die Bedeutung der Nördlichen Dimension wird voraussichtlich zunehmen, ebenso wie die Zusammenarbeit in den nördlichen Regionen hinsichtlich der Erdöl- und Erdgasvorkommen im Arktischen Ozean wichtiger werden wird. Besonderes Augenmerk sollte indes der ökologischen Sensibilität gelten, vor allem dann, wenn Unternehmen die potenziellen Ressourcen in dieser Region ernsthaft zu erschließen beginnen.

3.4

Die Energiezusammenarbeit der EU mit ihren Partnern im südlichen und östlichen Mittelmeerraum hat durch die kürzlich erfolgte Einrichtung regionaler Plattformen für Gas, Strom, erneuerbare Energien und Energieeffizienz neue Impulse bekommen. Diese Plattformen sollen eine wichtige Rolle bei der Erleichterung und Verbesserung der Zusammenarbeit im Energiebereich spielen.

3.5

Da die Europäische Union Zentralasien als Region von strategischer Bedeutung mit umfangreichen Energieressourcen betrachtet, hat sie sich für die Herstellung dauerhafter und stabiler Beziehungen zu den zentralasiatischen Ländern eingesetzt. Wie es in den Schlussfolgerungen des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“ vom 22. Juni 2015 zur Strategie der EU für Zentralasien heißt, sollten die energiepolitischen Bindungen ausgebaut werden, was zur beiderseitigen Energiesicherheit beitragen würde.

3.6

Die Verbindung zwischen der Kaspischen Region und dem EU-Markt über den Südlichen Gaskorridor eröffnet neue Möglichkeiten für den Erdgashandel und trägt zum Diversifizierungsziel der EU bei. Die Transanatolische Pipeline (TANAP) wird neben der Transadriatischen Pipeline (TAP) ein zentraler Teil des Verbundnetzes sein.

3.7

Die energiepolitischen Beziehungen zu den USA nehmen auf der Agenda der EU einen immer wichtigeren Platz ein, wie dies im Energierat EU-USA zum Ausdruck kommt. In den USA sind die Erdgaspreise infolge der Förderung von nicht-konventionellem Erdgas derzeit niedrig. Die EU sollte die Gelegenheit nutzen, um die Entwicklung des transatlantischen Handels mit Flüssigerdgas (LNG) als wichtigen Beitrag zur Diversifizierung der Energieversorgung zu fördern.

3.7.1

Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) könnte zu einem entscheidenden Instrument zur Förderung von u. a. der transatlantischen Energiesicherheit werden. Der EWSA fordert die Parteien auf, alles daranzusetzen, dass Energiefragen in dem Abkommen gebührende Aufmerksamkeit zukommt.

3.8

Die Energiesicherheit der EU ist eng mit der Energiepolitik ihrer Nachbarstaaten verbunden, die EU sollte daher weiterhin eng mit ihren Nachbarn zusammenarbeiten und die für beide Seiten nutzbringende Kooperation ausweiten.

3.8.1

Der EWSA fordert die Kommission auf, die Energiegemeinschaft weiter zu stärken, insbesondere durch die Ausdehnung des EU-Besitzstands im Energiebereich auf die Vertragsparteien (2).

3.8.2

Hauptziel der Energiegemeinschaft ist der Ausbau des Energiebinnenmarkts der EU. Die EU muss die Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten und ihren Zivilgesellschaften weiterhin mit dem Ziel verstärken, einen echten europaweiten Energiemarkt zu schaffen. Der EWSA begrüßt den Vorschlag der Kommission für eine überarbeitete Verordnung zur Gasversorgungssicherheit unter unmittelbarer Einbeziehung der Vertragsparteien der Energiegemeinschaft.

3.9

Nach der Aufhebung der internationalen Sanktionen gegen den Iran muss die EU die Gelegenheit nutzen und die energiepolitischen Beziehungen wiederbeleben, da der Iran eine Rolle bei der Diversifizierung der Energieversorgung der EU spielen kann.

3.10

Die EU sollte auch ihre Bemühungen um stabile Partnerschaften mit so unterschiedlichen, jedoch wichtigen Drittstaaten wie Kanada, der Türkei und Algerien beschleunigen und verstärken. Der EWSA begrüßt die Einleitung von Energiedialogen auf hoher Ebene mit diesen Ländern im Jahr 2015.

3.11

Die Energiedimension sollte in Handelsabkommen mit Drittländern gebührend berücksichtigt werden. Ferner müssen bei Energieabkommen mit Lieferanten aus Drittstaaten die EU-Rechtsvorschriften und die Grundsätze der EU zur Energiesicherheit vollständig gewahrt werden.

4.   Die Bedeutung, „mit einer Stimme zu sprechen“, und ein einheitlicher Ansatz in Energiefragen

4.1

Am 20. Juli 2015 nahm der Rat „Auswärtige Angelegenheiten“ den Aktionsplan für die Energiediplomatie an, um die externe Dimension der Strategie für die Energieunion zu unterstützen. Ziel des Plans ist es, gemeinsame Botschaften und die Fähigkeit der EU, in wichtigen Energiefragen mit einer Stimme zu sprechen, zu stärken und die energiepolitischen Ziele im Geiste der Solidarität und des gemeinsamen Interesses zu erreichen, anstatt die Energiepolitik zu renationalisieren.

4.1.1

Zu den wichtigsten Dimensionen des Energiediplomatie-Aktionsplans gehören diplomatische Unterstützung für die Diversifizierung der Energiequellen, -lieferanten und -versorgungswege, die Verstärkung der Zusammenarbeit mit Transitländern (vor allem mit der Ukraine) und wichtigen Energiepartnern in Drittstaaten, eine Stärkung der Energiegemeinschaft und die Aufrechterhaltung des strategischen Engagements der EU bei energiebezogenen multilateralen Initiativen.

4.2

Ein Mechanismus für den Informationsaustausch über zwischenstaatliche Abkommen wurde mit Annahme eines Beschlusses durch das Parlament und den Rat am 25. Oktober 2012 eingerichtet, um Rechtsklarheit und Transparenz der Abkommen sowie ihre vollständige Übereinstimmung mit dem EU-Recht zu gewährleisten. Im Februar 2016 legte die Kommission einen Vorschlag zur Stärkung des bestehenden Mechanismus vor.

4.2.1

Der EWSA begrüßt die Bemühungen, bei den Abkommen der EU mit Drittstaaten für die Einhaltung der Binnenmarktvorschriften und für Transparenz zu sorgen (3), und befürwortet daher die Stärkung des derzeitigen Mechanismus für den Informationsaustausch.

4.3

Die EU sollte sich weiterhin für die Förderung und ständige Verbesserung von Umweltstandards und nuklearen Sicherheitsstandards in Drittstaaten engagieren.

4.3.1

Besondere Aufmerksamkeit muss den Kernkraftwerken gelten, die von Drittstaaten in der Nähe der EU-Grenzen errichtet werden (beispielsweise das Kernkraftwerk in Astraviec in Belarus, bei dem die Bestimmungen des Übereinkommens von Espoo nicht eingehalten wurden). Die EU sollte gegenüber Drittstaaten unterstreichen, dass die umfassende Sicherheit dieser Projekte in Übereinstimmung mit dem Übereinkommen über nukleare Sicherheit der IAEO und anderen einschlägigen internationalen Abkommen gewährleistet werden muss. Die Kommission sollte sich verstärkt darum bemühen, sicherzustellen, dass Länder, die der kerntechnischen Risiko- und Sicherheitsbewertung gemäß den Bestimmungen der EU zugestimmt haben, dieser Verpflichtung baldmöglichst nachkommen. Darüber hinaus sollte der Zugang unsicherer Kraftwerke zur EU-Energieversorgung beschränkt werden.

5.   Auswirkungen eines starken EU-Energiesystems

5.1

Ein starkes internes Energiesystem schlägt sich unmittelbar in einer belastbaren externen energiepolitischen Position nieder. Die EU sollte daher ihre interne Energiepolitik abstimmen.

5.2

Die Strategie für die Energieunion ist eine vorrangige Initiative mit dem Ziel, eine gemeinsame Haltung der EU gegenüber den energiepolitischen Herausforderungen zu konsolidieren. Energiesicherheit bedingt den wirtschaftlichen und sozialen Wohlstand der EU und fällt somit in die gemeinsame Verantwortung der Mitgliedstaaten, Energieerzeuger, Verbraucher, Transitländer und der internationalen Gemeinschaft, die alle an den heutigen globalisierten Energiemärkten beteiligt sind.

5.2.1

Ein wichtiger Pfeiler der Energieunion ist die Verbesserung der Verbindungsleitungen zwischen den Mitgliedstaaten und die vollständige Umsetzung der Energiebinnenmarktvorschriften. Durch die vollständige Integration des EU-Binnenmarkts wird sich der Wettbewerb zwischen den Energieanbietern verstärken, was wiederum bessere Preise für die Endverbraucher zur Folge hätte.

5.2.2

Durch die zunehmende globale Verfügbarkeit von LNG eröffnen sich neue Möglichkeiten für die EU zur Diversifizierung der Erdgasversorgung. Daher sollte die LNG-Infrastruktur innerhalb der EU ausgebaut und weiterentwickelt werden. Der EWSA begrüßt diesbezüglich die im Februar 2016 beschlossene Strategie der Kommission für Flüssigerdgas und die Speicherung von Gas.

5.2.3

Vollständige Integration der EU bedeutet Beseitigung von „Energieinseln“. Der EWSA unterstreicht, dass die Energienetze und -systeme aller Mitgliedstaaten vollständig in den Binnenmarkt der EU integriert werden müssen, indem die physische Netzverbundinfrastruktur ausgebaut und die Stromnetze der drei baltischen Staaten, deren Elektrizitätssystem derzeit von einem Drittlandsbetreiber (Russland) abhängt, endlich mit dem EU-Verbundnetz synchronisiert werden (4).

5.2.4

Die Wettbewerbsfähigkeit der Energieerzeuger in der EU muss erhalten bleiben. Zwischen europäischen und nichteuropäischen Energieerzeugern müssen gleiche Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden, um dafür zu sorgen, dass die Wettbewerbsregeln der EU von allen Energiemarktteilnehmern befolgt werden.

6.   Eine vorausschauende Energiepolitik als wesentlicher Faktor der externen Dimension

6.1

Erneuerbare Energiequellen bieten der EU eine direkte Möglichkeit, nicht nur ihre Abhängigkeit von importierten fossilen Brennstoffen zu verringern, sondern auch ihre interne Energieerzeugung nachhaltiger zu gestalten. Der EWSA erachtet die Entwicklung der erneuerbaren Energiequellen als eine der wichtigsten Maßnahmen auf dem Weg zu einer sichereren Zukunft im Energiebereich. Die EU sollte sich indes nicht auf ihren bisherigen Erfolgen ausruhen, sondern alles daransetzen, ihre führende Rolle auf diesem Gebiet beizubehalten. EU-Vertreter sollten Drittstaaten anhalten, sich ehrgeizige Ziele im Bereich der erneuerbaren Energieträger zu setzen.

6.1.1

Die EU blickt bereits über den Zeithorizont 2020 hinaus und hat für 2030 noch ehrgeizigere Ziele festgelegt. Das gemeinsame Ziel eines Anteils erneuerbarer Energie von mindestens 27 % würde erfordern, dass die Mitgliedstaaten die Zusammenarbeit auf regionaler Ebene verstärken und den Energiesektor der EU weiter konsolidieren.

6.1.2

Im Rahmen der Eindämmung des Klimawandels begrüßt der EWSA das COP-21-Übereinkommen und die Verpflichtung der EU, gemäß dem Rahmen für die Klima- und Energiepolitik die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 40 % (gegenüber dem Stand von 1990) zu senken. Die EU sollte ihre Partner nicht nur zu aktiven Maßnahmen in diesem Bereich ermutigen, sondern gegebenenfalls auch praktische Unterstützung bieten.

6.1.3

Eine dezentrale Energieerzeugung und Energiegenossenschaften würden dazu beitragen, die Klima- und Energieziele der EU zu erreichen. Dadurch könnte die Gesellschaft insgesamt an den Bemühungen um Energieunabhängigkeit und -sicherheit in den Mitgliedstaaten und in der gesamten Union beteiligt werden. Daher sollten bewährte Verfahren für kosteneffiziente Eigenerzeugung und -verbrauch vorgesehen werden.

6.2

Energieeffizienz ist ebenfalls eine Möglichkeit, das Problem der hohen Einfuhren der EU unmittelbar anzugehen. Für die gesamte EU wurde für das Jahr 2030 das Ziel einer Verbesserung der Energieeffizienz von mindestens 27 % (der gleiche Anteil wie für erneuerbare Energie) vorgesehen, die Kommission bemüht sich dabei um die Umsetzung des Grundsatzes „energy efficiency first“ (= Energieeffizienz zuerst). Die Energieunion wird wiederum weiterhin zur Förderung eines besseren Zugangs zu Finanzinstrumenten für die Energieeffizienz, insbesondere im Verkehrssektor und im Gebäudebereich, beitragen und die Mitgliedstaaten darin bestärken, der Energieeffizienz im Rahmen ihrer eigenen Maßnahmen größte Aufmerksamkeit zu schenken.

6.3

Die Bereitstellung angemessener Mittel für Forschung und Entwicklung ist von entscheidender Bedeutung, um technische Fortschritte bei Energieerzeugung und intelligenter Verteilung sicherzustellen. Dies ist insbesondere im Hinblick auf erneuerbare Energien relevant, um ihre Erzeugung kostengünstig und verlässlich zu machen. Ferner sollte weiter an der Entwicklung von Spitzentechnologien zur Energieerzeugung, wie Wasserstoff- und Brennstoffzellen und Kernfusion, gearbeitet werden.

6.4

Der EWSA drängt die EU, bei der nachhaltigen Auseinandersetzung mit Energiefragen der Entwicklungsländer eine führende Rolle durch Strategien und Initiativen zu übernehmen, die auf eine Verstärkung der finanziellen, technischen und rechtlichen Hilfe abzielen. Die Unterstützung der allgemeinen und beruflichen Bildung in einschlägigen Bereichen sollte bei der Ausweitung der Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern das wichtigste Instrument sein.

7.   Die Zivilgesellschaft als Akteur in den Energieaußenbeziehungen

7.1

Da die Verbraucher erwarten, dass Energie zugänglich ist und die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie unterstützt, fordert der EWSA die Kommission und die nationalen Regierungen auf, die Zivilgesellschaft, die Sozialpartner und die Verbraucherorganisationen in Energiefragen einzubinden und einen offenen Dialog zu führen. Dies würde wesentlich zu einem besseren Verständnis der anstehenden Energiefragen beitragen.

7.1.1

Energiearmut ist ein weltweites Problem, das weder bei der internen noch bei der externen Energiepolitik der EU vernachlässigt werden darf. Die hiervon am stärksten bedrohten Menschen müssen unterstützt werden.

7.2

Die Zivilgesellschaft sollte sich verstärkt in die Gestaltung der Energiepolitik einbringen. Der EWSA begrüßt die Gemeinsame Erklärung zu Energie der Plattform der Zivilgesellschaft EU-Ukraine vom 11. Februar 2016, deren Ziel die Stärkung der Rolle der Zivilgesellschaft und die Erarbeitung von Empfehlungen zur Rechtsstaatlichkeit für die maßgeblichen Behörden ist.

7.2.1

Energiefragen müssen auf die Agenda der internationalen Treffen des EWSA gesetzt und in den Debatten mit der Zivilgesellschaft in Partnerländern thematisiert werden.

Brüssel, den 28. April 2016.

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  

1)

EWSA-Stellungnahme zum Thema „Der Beitrag der Zivilgesellschaft zur Überarbeitung der EU-Strategie für Zentralasien“, ABl. C 242 vom 23.7.2015, S. 1.

2)

EWSA-Stellungnahme zum Thema „Rahmenstrategie Energieunion“, ABl. C 383 vom 17.11.2015, S. 84

3)

EWSA-Stellungnahme zum Thema „Energie als Faktor für die Entwicklung und die Vertiefung des Beitrittsprozesses des Westbalkans“, ABl. C 32 vom 28.1.2016, S. 8.

4)

EWSA-Stellungnahme zum Thema „Sicherstellung von für die EU wichtigen Einfuhren durch die derzeitige EU-Handelspolitik und verwandte Politikbereiche“, ABl. C 67 vom 6.3.2014, S. 47.

5)

EWSA-Stellungnahme zum Thema „Zwischenstaatliche Abkommen zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten im Energiebereich“, ABl. C 68 vom 6.3.2012, S. 65.

6)

EWSA-Stellungnahme zum Thema „Einbeziehung der Zivilgesellschaft in die Errichtung einer künftigen Europäischen Energiegemeinschaft“, ABl. C 68 vom 6.3.2012, S. 15.

7)

EWSA-Stellungnahme zum Thema „Energieaußenbeziehungen der EU“, ABl. C 182 vom 4.8.2009, S. 8.

(2)  Vertragsparteien — Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien, Moldau, Montenegro, Serbien und Ukraine.

(3)  Siehe Fußnote 1, Nummer 5.

(4)  ABl. C 228 vom 22.9.2009, S. 84.


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