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Document 62008CN0061

    Rechtssache C-61/08: Klage, eingereicht am 18. Februar 2008 — Kommission der Europäischen Gemeinschaften/Hellenische Republik

    ABl. C 92 vom 12.4.2008, p. 20–21 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    12.4.2008   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 92/20


    Klage, eingereicht am 18. Februar 2008 — Kommission der Europäischen Gemeinschaften/Hellenische Republik

    (Rechtssache C-61/08)

    (2008/C 92/38)

    Verfahrenssprache: Griechisch

    Parteien

    Klägerin: Kommission der Europäischen Gemeinschaften (Prozessbevollmächtigte: G. Zavvos und H. Støvlbæk)

    Beklagte: Hellenische Republik

    Anträge

    Der Klägerin beatragt,

    festzustellen, dass die Hellenische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und insbesondere aus den Art. 43 und 45 des EG-Vertrags sowie aus der Richtlinie 89/48/EWG (1) über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen, verstoßen hat, dass sie Art. 19 Abs. 1 des Notargesetzbuchs (Gesetz Nr. 2830/2000) erlassen und in Kraft gelassen hat;

    der Hellenischen Republik die Kosten aufzuerlegen.

    Klagegründe und wesentliche Argumente

    1.

    Die griechischen Behörden machten geltend, dass die Tätigkeiten des Notars von der Anwendung des Art. 43 EG ausgenommen seien, da sie in den Anwendungsbereich des Art. 45 EG fielen. Sie beriefen sich auf die Eigenschaft des Notars als öffentlichem Beamten, die dem notariellen Schriftstück eine erhöhte Beweiskraft und Wirksamkeit verleihe, die denjenigen einer gerichtlichen Entscheidung ähnlich seien, und zwar durch den Gebrauch des staatlichen Siegels, auf die Eigenschaft des Notars als Organ der Rechtspflege, auf seine Rolle als Rechtsberater und auf eine Reihe anderer Tätigkeiten. Sie beriefen sich auch auf den Grundsatz der Territorialität, der es einem griechischen Notar nicht erlaube, sich in einem anderen Ortsbezirk niederzulassen.

    2.

    Die Kommission ist der Ansicht, dass Art. 43 EG einen der grundlegenden Bestimmungen der Gemeinschaft darstelle und in den Mitgliedstaaten vom Ende der Übergangszeit an unmittelbar anwendbar sei. Er solle sicherstellen, dass jeder Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, der sich, sei es auch nur mit einem zweiten Wohnsitz, in einem Mitgliedstaat zur Ausübung eines freien Berufs niederlasse, die Inländerbehandlung genieße, und verbiete durch nationale Rechtsvorschriften geschaffene Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit.

    3.

    Die Ausnahmen von der Niederlassungsfreiheit, die Art. 45 Abs. 1 vorsehe, sei auf die Tätigkeiten zu beschränken, die eine „unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt“ beinhalteten. Keine der Eigenschaften oder Tätigkeiten, auf die sich die griechischen Behörden beriefen, stelle eine unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt dar, wie sie die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vorsehe, und könne daher das Staatsangehörigkeitserfordernis nicht rechtfertigen.

    4.

    Der Gerichtshof sei der Ansicht, dass das Kriterium der „unmittelbaren und spezifischen Teilnahme“ nicht für die Wahrnehmung von Hilfs- und Vorbereitungsaufgaben im Zusammenhang mit den Aufgaben der öffentlichen Behörde gelte, die die abschließende Entscheidung treffe. Ferner habe der Gerichtshof bei der Untersuchung der Stellung der privaten Sicherheitsunternehmen entschieden, dass als Voraussetzung dafür, dass eine unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt vorliege, den Betroffenen „Zwangsbefugnisse“ (2) verliehen worden sein müssten, was im vorliegenden Fall sicherlich nicht gegeben sei.

    5.

    Wie aus der Untersuchung der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervorgehe, dürfe die Ausübung öffentlicher Gewalt nicht mit einer bloßen Handlung verwechselt werden, die auch im Namen des öffentlichen Interesses vorgenommen werde. Der Umstand allein, dass ein Einzelner oder ein Unternehmen in einem gewissen Maß verpflichtet sei, im Namen des öffentlichen Interesses tätig zu werden, genüge nicht, um diese Tätigkeit als Ausübung öffentlicher Gewalt zu qualifizieren.

    6.

    Die Richtlinie 89/48 gelte für den Beruf des Notars, da es sich in Bezug auf die erforderlichen Qualifikationen um einen gesetzlich geregelten Beruf handele, und die Anwendung der Richtlinie könne nicht unter Berufung auf die Übertragung hoheitlicher Rechte, über die die Notare verfügten, umgangen werden, und zwar aus folgenden Gründen:

    a)

    diese Übertragung stelle keine unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt dar, die die Aufstellung des Staatsangehörigkeitserfordernisses rechtfertigen würde, und

    b)

    auch wenn angenommen werde, dass die Notare als normale Staatsbeamte angesehen werden könnten, was — mangels eines Abhängigkeitsverhältnisses und ihrer Besoldung als Staatsbeamte — nicht zutreffe, seien sie auch in diesem Fall von der Anwendung dieser Richtlinie nicht ausgenommen, da diese grundsätzlich auch für den öffentlichen Dienst gelte.


    (1)  ABl. L 19 vom 24.1.1989, S. 16.

    (2)  Urteil des Gerichtshofs vom 29. Oktober 1998, Kommission/Spanien (C-114/97, Slg. 1998, I-6717, Randnr. 37).


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