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Document 52013AE4179

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament — Schattenbankwesen — Eindämmung neuer Risikoquellen im Finanzsektor (COM(2013) 614 final)

ABl. C 170 vom 5.6.2014, p. 55–60 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

5.6.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 170/55


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament — Schattenbankwesen — Eindämmung neuer Risikoquellen im Finanzsektor

(COM(2013) 614 final)

2014/C 170/09

Berichterstatter: Christos POLYZOGOPOULOS

Die Europäische Kommission beschloss am 18. April 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament — Schattenbankwesen — Eindämmung neuer Risikoquellen im Finanzsektor

COM(2013) 614 final.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 13. November 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 494. Plenartagung am 10./11. Dezember 2013 (Sitzung vom 10. Dezember 2013) mit 153 gegen 2 Stimmen bei 5 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) würdigt die Mitteilung als konsistenten Beitrag zu den wichtigen Bemühungen um die Reform der Finanzdienstleistungen, die auf die Wiederherstellung des reibungslosen Funktionierens und der Stabilität in dieser entscheidenden Branche sowie auf die Begrenzung der Systemrisiken ausgerichtet sind.

1.2

Der EWSA hofft, dass die neuen Regelungen für die Finanzmärkte einen positiven Beitrag zur Stärkung der Wirtschaft leisten werden, und betont seine feste Überzeugung, dass die Stabilität des Finanzsektors und der Erfolg der Reformen Voraussetzung für die nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung, die Beschäftigung und die Vollendung des EU-Binnenmarkts sind.

1.3

Der EWSA ist der Auffassung, dass der Fahrplan mit den bereits ergriffenen sowie den künftigen Maßnahmen in die richtige Richtung weist, und würdigt die erzielten Fortschritte. Dabei macht er jedoch darauf aufmerksam, dass zahlreiche Arbeiten dringend beschleunigt und noch ausstehende Rechtsetzungsinitiativen zum Abschluss gebracht werden müssen.

Mit Blick auf die fünf Schwerpunktbereiche für künftige Maßnahmen (1):

1.4

begrüßt der EWSA angesichts der entscheidenden Bedeutung der Lösung des Problems der Arbitrage für die Reform der Finanzdienstleistungen (2) das detaillierte Maßnahmenpaket (3) und insbesondere die Stärkung des Rahmens für die Bankenaufsicht zur Begrenzung von Ansteckungs- und Arbitragerisiken;

1.5

würdigt der EWSA die Bemühungen um mehr Transparenz und insbesondere die konkreten Maßnahmen zur Entwicklung eines EU-Überwachungsrahmens für das Schattenbankwesen, die Einrichtung zentraler Datenregister für Derivate im Rahmen der Verordnung über europäische Marktinfrastrukturen (EMIR) (4), die Überarbeitung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) (5), die Umsetzung der Kennung für juristische Personen (Legal Entity Identifier) und die verstärkte Transparenz bei Wertpapierfinanzierungsgeschäften;

1.6

begrüßt der EWSA, dass Fortschritte in Richtung auf die Schaffung eines verstärkten Regelungsrahmens für bestimmte Investmentfonds, vor allem zur Verbesserung der Liquidität und Stabilität, erzielt wurden, insbesondere für Geldmarktfonds, die ihren Sitz in Europa haben oder hier gehandelt werden;

1.7

ist der EWSA der Auffassung, dass sich die Mitteilung im Bereich der Verringerung der Risiken im Zusammenhang mit Wertpapierfinanzierungsgeschäften auf allgemeine Aussagen beschränkt, die zwar durchaus richtig sind, jedoch der Problematik der Lage nicht gerecht werden. Der EWSA empfiehlt, die Maßnahmen zu beschleunigen und konkreter zu gestalten, insbesondere die Vorschriften zu Wertpapieren, da Wertpapierfinanzierungsgeschäfte, vor allem Pensions- und Wertpapierleihgeschäfte, bei der Verschuldung im Finanzsektor eine zentrale Rolle gespielt haben.

1.8

Auch in der wichtigen Frage der Stärkung der Aufsicht über das Schattenbankwesen besteht Nachholbedarf. Angesichts der Tatsache, dass lediglich einige Themen genannt werden und als künftige Maßnahme nur die Überarbeitung des Europäischen Finanzaufsichtssystems (ESFS) durch die Kommission 2013 erwähnt wird, sollten die Aufsicht über das Schattenbankwesen verstärkt und rasch Klärung herbeigeführt werden.

1.9

Hauptopfer der Finanz- und Wirtschaftskrise sind unverschuldeterweise die Bürger in ihrer Eigenschaft als Steuerzahler, Beschäftigte, Anleger und Verbraucher. Der EWSA empfiehlt deshalb, die Rechtsetzungsinitiativen, die den Schutz der Bürger betreffen, durch Transparenz, korrekte Information, soziale Verantwortung der Finanzbranche sowie Schutz von Verbrauchern und Kleininvestoren zu stärken. Er verweist zudem auf seine wichtigen Bemerkungen zur Beteiligung der Zivilgesellschaft an der Regulierung der Finanzmärkte (6).

1.10

Wichtig für den EWSA ist die Einlassung der Kommission in ihrer Mitteilung, dass der Schattenbanksektor nicht nur im Hinblick auf seine Risiken betrachtet werden sollte. Er ist auch ein zusätzlicher alternativer Finanzierungskanal, der für die Realwirtschaft von Nutzen sein kann.

2.   Definition, Anwendungsbereich und Hintergrund

2.1

Das Schattenbankwesen wird definiert als „System der Kreditvermittlung unter Beteiligung von Unternehmen und Tätigkeiten außerhalb des regulären Bankensystems“ (7) und besteht aus zwei miteinander zusammenhängenden Säulen. Die entsprechenden Unternehmen sind hauptsächlich damit beschäftigt, Gelder in einlagenähnlicher Form entgegenzunehmen, Fristen- und/oder Liquiditätstransformationen durchzuführen, Kreditrisikotransfers zu ermöglichen oder direkte oder indirekte finanzielle Hebeleffekte zu nutzen. Diese Tätigkeiten (die potenziell eine wichtige Finanzierungsquelle für Nichtbanken darstellen) umfassen Verbriefungen sowie Wertpapierleih- und Pensionsgeschäfte (Repos).

2.2

Zweckgesellschaften sind: Verbriefungsgesellschaften, z. B. ABCP Conduits, Special Investment Vehicles (SIV) und andere Zweckgesellschaften (SPV), Geldmarktfonds sowie andere Arten von Investmentfonds/-produkten mit einlageähnlichen Merkmalen, die für „Runs“ (d. h. den massiven Abzug von Anlagen) anfällig sind, Investmentfonds, einschließlich börsengehandelter Fonds, die Kredite zur Verfügung stellen oder mit Fremdmitteln arbeiten, Finanzierungsgesellschaften und Wertpapierhäuser, die Kredite oder nicht regulierte Kreditgarantien bereitstellen oder Liquiditäts- und/oder Fristentransformationen durchführen wie eine Bank, und Versicherer und Rückversicherer, die Kreditprodukte ausgeben oder garantieren.

2.3

Ausgangspunkt der Schattenbankaktivitäten war die Deregulierung des Finanzsystems in den 1980er Jahren in Großbritannien, die im darauffolgenden Jahrzehnt (8) in den USA und anderen Ländern fortgesetzt wurde. Eine wesentliche Rolle spielten die Vereinbarungen von Basel I, mit denen spekulative Geschäfte außerhalb der Bilanz angesiedelt und die Bilanzen der Banken streng reguliert wurden (9).

2.4

Die Abschaffung bzw. Lockerung der Regeln und Vorschriften (10) ermöglichte es den Finanzinstituten, ihre Tätigkeiten auf neue Bereiche und komplizierte Modelle auszudehnen, während die Aussicht auf hohe Gewinne Millionen Menschen in der ganzen Welt anlockte, die allerdings kein ausreichendes Wissen über die Produkte und Funktionsweise des Schattenbankwesens hatten.

2.5

2007 beschlossen die G20 eine Reihe von Regulierungsmaßnahmen zur Sicherheit und Nachhaltigkeit des Finanzsystems, und anhand der erheblichen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise 2008 wurden die Gefahren der Schattenbanktätigkeiten und die Schwächen der Gesetzeslücken, unzureichender Aufsicht, Intransparenz der Märkte und übermäßig komplizierter Produkte deutlich. Dies stärkte das Gewicht des Rates für Finanzmarktstabilität.

2.6

Die Europäische Union spielt eine führende Rolle bei den internationalen Anstrengungen im Rahmen der Gruppe der G20 und des Rats für Finanzmarktstabilität und hat erhebliche Fortschritte bei der Umsetzung der Verpflichtungen gemäß dem Finanzreform-Fahrplan und der Entwicklung neuer Aufsichtsstrukturen erzielt. Viele Reformen sind bereits Gegenstand von Rechtsvorschriften, so z. B. der Vorschriften über OTC-Derivate.

2.7

Der im Oktober 2011 vorgelegte Bericht des Rates für Finanzmarktstabilität stellt den ersten umfassenden Versuch zur Stärkung der Aufsicht über das Schattenbankwesen auf internationaler Ebene dar. Im Mittelpunkt standen dabei a) die Festlegung von Grundsätzen für die Beaufsichtigung und Regulierung, b) die Erfassung und Bewertung der Risiken und c) die Ermittlung des Geltungsbereichs etwaiger Regulierungsmaßnahmen zu fünf Themenkomplexen (11). Die Kommission ihrerseits hat ein Grünbuch vorgelegt, in dem es vor allem um die potenziellen Gefahren des Schattenbankwesens in der EU und um mögliche Formen der Bewältigung dieser Probleme durch Rechtsvorschriften geht.

3.   Hauptpunkte der Mitteilung

3.1

In der Mitteilung werden die bereits ergriffenen Maßnahmen in zwei Themenbereichen untersucht. Die Maßnahmen für Finanzunternehmen konzentrieren sich auf die Verschärfung der Anforderungen an Banken und an Versicherungsunternehmen bei ihren Geschäften mit Schattenbanken und die Schaffung eines harmonisierten Rahmens für die Verwalter alternativer Investmentfonds. Die Maßnahmen zugunsten der Marktintegrität sind vor allem auf Risikotransferinstrumente, die Stärkung von Verbriefungsvereinbarungen und einen verbesserten Rahmen für Ratingagenturen ausgerichtet.

3.2

Es werden zudem folgende fünf Schwerpunktbereiche abgesteckt, in denen die Kommission zusätzliche Maßnahmen ergreifen will:

1)

Erhöhung der Transparenz des Schattenbankwesens,

2)

Schaffung eines verbesserten Rahmens für Fonds, insbesondere Geldmarktfonds,

3)

Weiterentwicklung des Wertpapierrechts zur Begrenzung der Risiken im Zusammenhang mit Wertpapierfinanzierungsgeschäften,

4)

Verschärfung der Aufsichtsregeln im Bankensektor,

5)

Verbesserung der Aufsicht über Schattenbanken.

Insbesondere

3.2.1

werden im Interesse der Transparenz des Schattenbankwesens die Bemühungen um Erfassung und Austausch zuverlässiger und lückenloser Daten ergänzt um Initiativen zur Entwicklung eines Überwachungsrahmens im Hinblick auf die Gefahren des Schattenbankwesens und zentraler Datenregister für Derivate im Rahmen der EMIR-Verordnung (12), zur Überarbeitung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) (13), zur Umsetzung der Kennung für juristische Personen (Legal Entity Identifier) und zur verstärkten Transparenz bei Wertpapierfinanzierungsgeschäften.

3.2.2

Es werden neue Regeln für bestimmte Investmentfonds, insbesondere Geldmarktfonds, die in Europa ansässig sind oder hier gehandelt werden, zur Verbesserung der Liquidität und Stabilität sowie eine Reform der Regeln für Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) vorgeschlagen.

3.2.3

Zur Verringerung der Risiken bei Wertpapierfinanzierungsgeschäften wurden laut Mitteilung der Kommission umfassende Arbeiten durchgeführt, um solche Ereignisse besser zu verstehen und Lehren aus ihnen zu ziehen. Damit diese Probleme gelöst werden können, prüft die Kommission derzeit einen Legislativvorschlag zum Wertpapierrecht.

3.2.4

Zur Begrenzung von Ansteckungs- und Arbitragerisiken wird die Bankenaufsicht in Form strengerer Regeln verschärft, d. h. zusätzliche Eigenkapitalanforderungen für Banken bei deren Geschäftstätigkeit mit nicht regulierten Finanzunternehmen, schärfere Solvenzregeln und neue Liquiditätsregeln, insbesondere durch Inkrafttreten der Eigenkapitalverordnung (CRR) (14) und der Eigenkapitalrichtlinie (CRD IV) (15) am 1. Januar 2014. Vorgesehen ist auch die mögliche Ausweitung des Anwendungsbereichs der Aufsichtsvorschriften zur Verringerung der Arbitragerisiken.

3.2.5

Im Zusammenhang mit der Stärkung der Aufsicht wird betont, wie diffus, vielfältig und dynamisch das Schattenbankwesen ist. Zudem wird auf die Probleme in diesem Bereich hingewiesen, z. B. die grenzüberschreitende Umgehung von Aufsichtsvorschriften. Auf europäischer Ebene werden Vorarbeiten im Rahmen des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (ESRB) und der europäischen Aufsichtsbehörden durchgeführt. Diese Aspekte, die Notwendigkeit einer Lösung des Arbitrage-Problems sowie die „eventuelle Notwendigkeit“ einer Klärung der institutionellen Rolle jeder Behörde werden im Rahmen der Überarbeitung des Europäischen Finanzaufsichtssystems (ESFS) aufgegriffen, die 2013 erfolgt.

4.   Bemerkungen

4.1

Der EWSA hat seit dem Beginn der Finanzkrise in mehreren Stellungnahmen (16) die Positionen der Zivilgesellschaft zu einem breiten Spektrum an Themen im Zusammenhang mit der Funktion des Finanzsystems formuliert und aktuelle Bemerkungen und Empfehlungen zu allgemeinen Fragen und insbesondere zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten (17) abgegeben.

4.1.1

Der EWSA hat das Grünbuch über das Schattenbankwesen (18) als wichtigen Schritt in die richtige Richtung zur Lösung der bestehenden Probleme gewürdigt. Dabei wies er unter anderem darauf hin, dass es Geschäftstätigkeiten „im Schatten“, die denselben Regulierungs- und Aufsichtsanforderungen unterliegen müssen wie das gesamte Finanzsystem, zu beseitigen gilt.

4.2

Der EWSA würdigt die Herangehensweise an die Aufsicht auf internationaler Ebene mit dem Ziel, die Regulierung und Aufsicht auf alle systemrelevanten Finanzinstitute, Instrumente und Märkte auszudehnen (19). Er zeigt sich zufrieden darüber, dass die Empfehlungen des Rates für Finanzmarktstabilität, mit denen die Mitteilung völlig übereinstimmt, auf dem jüngsten Gipfel der G20 (20) angenommen wurden.

4.3

Er fordert die Kommission auf, den Aktionsrahmen für eine verstärkte Aufsicht über den Schattenbanksektor durch Einführung eines kohärenten Aufsichtsmechanismus zu konkretisieren und mit einem Zeitplan zu versehen und dabei die Klärung der institutionellen Rolle der Aufsichtsbehörden im Rahmen der Überarbeitung des Europäischen Finanzaufsichtssystems (ESFS) zu beschleunigen.

4.4

Da bestimmte Schattentätigkeiten und -Unternehmen je nach Land einer Regulierung unterliegen oder nicht, ist die Herstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen zwischen den Ländern sowie zwischen dem Bankensektor und den Unternehmen des Schattenbankwesens mithilfe angemessener Regelungen zur Vermeidung von Regulierungsarbitrage, die zur Verzerrung der ordnungspolitischen Anreize führen könnte, besonders wichtig.

4.5

Der EWSA weist insbesondere darauf hin, dass ein gemeinsames internationales Konzept der Regulierungsinstanzen bei der Analyse der Daten mit gemeinsamen Referenzrahmen und offenen Branchennormen erforderlich ist, damit der rasche Datenaustausch und effizientes Handeln ermöglicht werden, um systemischen Risiken rechtzeitig vorzubeugen und die Finanzstabilität zu schützen.

4.6

Der EWSA betrachtet Umfang und Tempo der Ausbreitung des Schattenbankwesens als weiteren wesentlichen Faktor für systemische Gefahren, da der Umsatz des Schattenbankwesens 2011 nach Angaben des Rates für Finanzmarktstabilität (2012) (21) 67 Bio. US-Dollar betrug (gegenüber 26 Bio. US-Dollar 2002) und 111% des kumulierten BIP der Länder, die der Rat für Finanzmarktstabilität prüft, entspricht.

4.7

Der EWSA hält es überdies für zweckmäßig, die analytische Betrachtung des Themas unter dem Gesichtspunkt der Tätigkeiten anstatt der Unternehmen des Schattensektors zu betrachten, da die Aufsicht und Kontrolle dieser Aktivitäten für den Erfolg der Maßnahmen eine zentrale Herausforderung darstellt.

4.8

Der EWSA ist der Auffassung, dass das Problem des Umfangs und der unlauteren Praktiken nicht nur das Schattenbankwesen betrifft. Das überdimensionierte Bankenmodell in Verbindung mit dem Mangel an Transparenz birgt nachgewiesenermaßen die Gefahr der Destabilisierung der Wirtschaft, mit dem Ergebnis, dass die Kosten für die Rettung von Unternehmen, die „zum Scheitern zu groß oder zu sehr verflochten sind“, auf die Gesellschaft abgewälzt werden.

4.9

Der EWSA weist darauf hin, dass zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und der Stabilität des europäischen Finanzsektors parallel zur Reform des Schattenbankwesens grundsätzlich die Frage beantwortet werden muss, was mit Banken geschieht, die „too big to fail“ sind. Dazu sind Stärkung der Transparenz, Rationalisierung der Geschäftsbereiche von Riesenkonzernen und Reduzierung der Abhängigkeiten innerhalb der Konzerne nötig.

4.10

Parallel zu den Aufsichtsmaßnahmen ist es deshalb nach Auffassung des EWSA erforderlich, jede Verzerrung des Finanzsektors insgesamt mithilfe von Strukturreformen wirksam zu beseitigen. Der EWSA fordert die Kommission auf, die Verfahren zur Schaffung eines einheitlichen Abwicklungssystems zu beschleunigen und dabei die Empfehlungen des Berichts Liikanen sowie den jüngsten Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Währung des Parlaments über eine Strukturreform des EU-Bankensektors (22) zu berücksichtigen.

4.11

Da eine wirksame Aufsicht über das Schattenbankwesen angesichts seiner diffusen, vielfältigen und anpassungsfähigen Natur schwierig und kompliziert ist, fordert der EWSA die Kommission auf, rechtzeitig Fragen der Angemessenheit und Verfügbarkeit von Mitteln, Kontrollinstrumenten und Befugnissen der zuständigen nationalen und europäischen Aufsichtsbehörden zu klären, einschließlich des einheitlichen Aufsichtsmechanismus (EAM).

4.12

Der EWSA ist der Auffassung, dass eine erfolgreiche Aufsicht von effizienten, abschreckenden und verhältnismäßigen Verfahren zur Verhängung von Sanktionen flankiert werden muss und dass die unterschiedlichen Sanktionen und Informationen für jene, die die Vorschriften nicht einhalten, bekannt gemacht werden müssen. Er weist darauf hin, dass natürliche und juristische Personen aus Drittstaaten EU-Vorschriften bisweilen nicht einhalten.

4.13

Der EWSA betont, dass Käufer von Finanzprodukten vor unlauteren Praktiken, irreführenden und unsoliden Produkten und Dienstleistungen sowie vor möglicherweise missbräuchlichen Klauseln in Verträgen geschützt werden müssen, und verweist auf seinen Vorschlag zur Einrichtung einer europäischen Agentur für den Schutz der Verbraucher von Finanzdienstleistungen zur Stärkung des Verbraucherschutzes, der Transparenz und der wirksameren Beilegung von Beschwerden.

4.14

Nutzerfreundliche Websites und andere moderne Informationsmedien können den Verbrauchern die Möglichkeit bieten, zu vergleichen und eine Auswahl unter Produkten und Dienstleistungen zu treffen, was dem Wettbewerb und der Selbstregulierung des Finanzmarktes zugutekommen würde.

4.15

Der EWSA fordert die Kommission auf, den Abschluss der Folgenabschätzungen zu beschleunigen, damit die neuen Liquiditätsregeln beschlossen werden können, und eine Kosten-Nutzen-Analyse über die Wirksamkeit und Verhältnismäßigkeit der zahlreichen Rechtsakte seit Beginn der Finanzkrise vorzunehmen, um die Auswirkungen der gesetzlichen Vorschriften auf den Finanzmarkt der EU insgesamt zu bewerten.

4.16

Der EWSA stellt zudem fest, dass die gesetzgeberischen Bemühungen gestärkt werden müssen, und zwar durch fortgeschrittene Fachkenntnis und wissenschaftliche Forschung zu Fragen der Erfassung und des Austauschs von Daten und generell zur umfassenderen Überwachung der dynamischen Entwicklung der Schattenunternehmen und zur Bestimmung der Aspekte, die für die Realwirtschaft von Nutzen sind, aber auch jener, die Quelle von Anfälligkeit und Systemrisiken des Finanzsektors sein können.

Brüssel, den 10. Dezember 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  Siehe Ziffer 3.2 dieser Stellungnahme.

(2)  ABl. C 11 vom 15.1.2013, S. 39.

(3)  COM(2013) 614 final, Abschnitt 3.4.

(4)  OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister.

(5)  Siehe http://ec.europa.eu/internal_market/securities/isd/mifid_de.htm.

(6)  ABl. C 143 vom 22.5.2012, S. 3.

(7)  COM(2013) 614 final, S. 3.

(8)  Nicholas Gregory Mankiw und Mark Taylor, Economics: Special Edition with Global Economic Watch (UK: Cengage Learning EMEA, 2010).

(9)  ABl. C 11 vom 15.1.2013, S. 39 — Grünbuch Schattenbankwesen.

(10)  In den USA wurde mit dem Gramm-Leach-Bliley-Gesetz (1999) die Trennung zwischen Handels- und Hypothekenbanken sowie zwischen Versicherungs- und Wertpapierfirmen abgeschafft.

(11)  Wechselwirkung zwischen Banken und Unternehmen des Schattenbankwesens (Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (BCBS)), Systemrisiken von Geldmarktfonds (Internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO)), Verbriefungsbestimmungen (IOSCO und BCBS), andere Unternehmen des Schattenbanksektors (Rat für Finanzmarktstabilität) und Wertpapierleih- und Pensionsgeschäfte (Rat für Finanzmarktstabilität).

(12)  OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister.

(13)  Siehe http://ec.europa.eu/internal_market/securities/isd/mifid_de.htm.

(14)  Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 1).

(15)  Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG (ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 338).

(16)  Unter anderem ABl. C 11 vom 15.1.2013, S. 59; ABl. C 299 vom 4.10.2012, S. 76; ABl. C 191 vom 29.6.2012, S. 80; ABl. C 181 vom 21.6.2012, S. 64; ABl. C 181 vom 21.6.2012, S. 68. Die Stellungnahmen können auf der Website des EWSA abgerufen werden: http://www.eesc.europa.eu/?i=portal.en.financial-markets-opinions.

(17)  ABl. C 44 vom 15.2.2013, S. 68.

(18)  ABl. C 11 vom 15.1.2013, S. 39.

(19)  Kommuniqué des Gipfeltreffens der G20 vom 2. April 2009, London.

(20)  5./6. September 2013, St. Petersburg.

(21)  Financial Stability Board, Global Shadow Banking Monitoring Report 2012 (FSB, 2012).

(22)  2013/2021(ΙΝΙ).


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