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Document 52017IE1834

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Der neue Kontext der strategischen Partnerschaft zwischen der EU und der CELAC und die Rolle der Zivilgesellschaft“ (Initiativstellungnahme)

ABl. C 434 vom 15.12.2017, p. 23–29 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

15.12.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 434/23


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Der neue Kontext der strategischen Partnerschaft zwischen der EU und der CELAC und die Rolle der Zivilgesellschaft“

(Initiativstellungnahme)

(2017/C 434/04)

Berichterstatter:

Mário SOARES

Mitberichterstatter:

Josep PUXEU ROCAMORA

Beschluss des Plenums

30.3.2017

Rechtsgrundlage

Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung

 

Initiativstellungnahme

 

 

Zuständige Fachgruppe

REX

 

 

Verabschiedung auf der Plenartagung

21.9.2017

Plenartagung Nr.

528

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

179/15/31

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Die Region Lateinamerika und Karibik, die sich zur Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (CELAC) zusammengeschlossen hat, und Europa teilen seit Jahrhunderten die gleichen Grundsätze und Werte und damit eine gemeinsame Weltsicht. Eine starke Allianz aus EU und CELAC mit einer gemeinsamen Strategie zur Bewältigung der globalen Herausforderungen kann auf internationaler Ebene mit einer stärkeren Stimme sprechen und mehr Wirkung erzielen.

1.2.

Die EU und ihre Mitgliedstaaten sind der größte Investor und der größte Kooperationspartner in Lateinamerika und der Karibik. Zwischen den beiden Regionen bestehen über Jahrhunderte gewachsene politische, wirtschaftliche, soziale, kulturelle und historische Bindungen, die unter anderen in den alle zwei Jahre stattfindenden Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs, einer parlamentarischen Versammlung, Abkommen unterschiedlicher Art und insbesondere in einem umfassenden zivilgesellschaftlichen Netz zum Ausdruck kommen.

1.3.

Die neuen globalen Herausforderungen erfordern die Stärkung dieser Allianz und vor allem eine neue Strategie, die über rein formale Festlegungen und große Erklärungen hinausgeht und darauf abzielt, auf internationaler Bühne mit einer starken und gewichtigen Stimme aufzutreten. Im neuen geopolitischen Szenario erlangt Lateinamerika in der Außenpolitik der EU eine noch größere strategische Priorität.

1.4.

Der EWSA stellt mit Befriedigung fest, dass im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten des Europäischen Parlaments derzeit eine Entschließung zu diesem Thema behandelt wird. Darin wird davon ausgegangen, dass die CELAC ein zentraler Partner für die EU ist und die Priorität des auswärtigen Handelns der EU im Hinblick auf die CELAC die Intensivierung des politischen Dialogs und der Zusammenarbeit in den Bereichen Migration, Klimawandel, erneuerbare Energien, Bekämpfung der organisierten Kriminalität und Vertiefung der politischen, kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen sein muss.

1.4.1

Der EWSA hofft, dass das nächste Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der EU und der CELAC am 26. und 27. Oktober 2017 sich den Herausforderungen, vor denen die Welt und unser Planet heute stehen, in angemessener Weise stellt und eine Strategie zur Stärkung der strategischen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Beziehungen zwischen beiden Regionen festlegt.

1.4.2

Der EWSA ruft auf zu Fortschritten auf dem Weg zu einem umfassenden Rahmenabkommen zwischen der Europäischen Union und der CELAC, das die Grundsätze des Handelns in den Bereichen politischer Dialog, Zusammenarbeit und nachhaltige Entwicklung beinhaltet. Dies würde die Grundlage für ein geopolitisches Handlungskonzept in der gesamten Welt sein und dazu beitragen, dass unsere Regionen auf der internationalen Bühne mit einer stärkeren Stimme sprechen.

1.4.3

Der EWSA fordert alle führenden Politiker in der EU und in Lateinamerika und der Karibik auf, die Beteiligung der Zivilgesellschaft anzuerkennen und zu würdigen. Daher ist es wichtig, dass

in allen Verhandlungen ein strukturierter Dialog mit der organisierten Zivilgesellschaft eingerichtet wird, wobei die Beteiligung an diesem Dialog auf den Kriterien der Repräsentativität der einzelnen Organisationen und der Ausgewogenheit zwischen den verschiedenen vertretenen Bereichen beruhen sollte. Bei den Verhandlungen über Freihandelsabkommen muss die wirksame Einbeziehung der Zivilgesellschaft in allen Verhandlungsphasen und auch bei der Umsetzung und Bewertung der Ergebnisse sichergestellt werden;

von Anfang an die notwendigen und ausreichenden materiellen Ressourcen bereitgestellt werden, damit alle in den Abkommen vorgesehenen Mitwirkungsmechanismen ihre Funktion erfüllen können;

Transparenz und ein geregelter und regelmäßiger Dialog mit den Behörden die Grundlage für Vertrauen im Hinblick auf Qualität bei den Maßnahmen und beteiligten Akteuren bilden;

die Begleitung und Überwachung der unterzeichneten Abkommen durch ein einziges institutionalisiertes und mit angemessenen Finanzmitteln ausgestattetes Gremium erfolgt, nach dem Grundsatz: ein zivilgesellschaftliches Gremium pro Abkommen.

1.4.4

Der EWSA bekräftigt als vorrangige Ziele der Zivilgesellschaft die Stärkung der Demokratie, eine nachhaltige menschliche Entwicklung, den sozialen Zusammenhalt und die soziale Gerechtigkeit, den Schutz der natürlichen Ressourcen und der Umwelt, die volle Verwirklichung der Menschenrechte und die Einhaltung der Kernarbeitsnormen und der Bedingungen für menschenwürdige Arbeit sowie die Bekämpfung der Ungleichheit.

1.4.5

Er hält es für einen Teil seines Auftrags, aktiv am Aufbau einer Welt mitzuwirken, in der es möglich ist, in Vielfalt, Dialog und vor allem Frieden zu leben. Eine Welt, in der alle Staaten und alle Menschen Wege und Möglichkeiten finden, auf der Grundlage ihrer Kultur eine demokratische, integrative und auf Wohlstand ausgerichtete Gesellschaft zu entwickeln und aufzubauen. Der EWSA macht seine Rolle in diesem Prozess geltend.

2.   Ein komplexes und sich wandelndes globales Umfeld

2.1.

Die Welt steht heute vor unterschiedlichen, sehr komplexen Problemen: der Klimawandel beschleunigt sich, es gibt immer mehr bewaffnete Konflikte mit Tausenden von Flüchtlingen, einen Rückfall in den Nationalismus und unilaterale Konfliktlösungsansätze und sogar eine Rückkehr zur atomaren Bedrohung.

2.2.

Der Handel hat sich auf globaler Ebene in einem Ausmaß entwickelt, dass er aus politischer Sicht durchaus zu einem stärkeren Ausgleich zwischen den verschiedenen Teilen der Welt beitragen könnte; er lässt jedoch die Unterschiede zwischen Arm und Reich, z. T. auch innerhalb einer Region oder eines Landes, fortbestehen und hat sie mitunter sogar größer werden lassen.

2.3.

Die Achtung der Menschenrechte und der internationalen Standards und der Normen der Vereinten Nationen und der IAO ist in vielen Teilen der Welt gefährdet. Verletzungen der Rechte von Frauen, Kindern sowie ethnischen, religiösen und kulturellen Minderheiten sind nach wie vor an der Tagesordnung. Auch die Grundfreiheiten werden weiter häufig missachtet, was eine Bedrohung für die Sicherheit und Lebensqualität der Bevölkerung darstellt.

2.4.

Das in Paris geschlossene Klimaschutzübereinkommen, das breite Unterstützung fand und selbst von den Vereinigten Staaten und China (also Ländern, die Verpflichtungen in diesem Bereich üblicherweise ablehnen) mitgetragen wurde, ist heute in Gefahr. Die neue amerikanische Regierung hat ihren Rückzug aus dem Übereinkommen angekündigt, was zum Aussetzen des „Clean Power Plan“, einer Rechtsvorschriften von 2015 zur Verringerung der Emissionen aus dem Energiesektor und zur Steigerung der Erzeugung erneuerbarer Energien, führen wird.

2.5.

Auf einen Zeitraum, in dem die Welt allmählich ein gewisses Gleichgewicht gefunden zu haben schien, folgte ab 2007 die Finanzkrise, durch die die sozialen Auswirkungen ungezügelter Märkte auch in den Industrieländern spürbar wurden. Die Konflikte haben nicht abgenommen, sondern sich noch verschärft und die divergierenden Interessenlagen zwischen verschiedenen Ländern und Regionen akzentuiert.

2.6.

In Europa sind im Hinblick auf die Zusammenarbeit zwischen der EU und Russland oder zwischen der EU und der Türkei (die nach wie vor in EU-Beitrittsverhandlungen steht) wieder deutliche Unterschiede aufgebrochen, was zeigt, dass dieses empfindliche Gleichgewicht zerstört bzw. ernsthaft bedroht ist.

2.7.

Die Wahl einer neuen US-Regierung und insbesondere deren unklare und offenbar weniger freundliche Haltung gegenüber der EU machen die Lage in der Welt noch komplexer. Die Aussetzung der Verhandlungen über die TTIP, die in den Vereinten Nationen geäußerte Warnung, dass sich das Handeln des Landes in Zukunft nicht in jedem Fall nach den geltenden Entscheidungsfindungskriterien der UNO richten wird, die Nicht-Ratifizierung der Transpazifischen Partnerschaft (TPP), die Versuche zur Änderung der Migrationspolitik und das Infragestellen der zwischen verbündeten Ländern üblichen Praktiken und Gepflogenheiten verursachen Unsicherheit und tragen zur Instabilität auf internationaler Ebene bei.

2.8.

Diese und andere Bedrohungen und Probleme können umfassend und global nur durch Verhandlungen und Kompromisse gelöst werden, die umsetzbar, zugleich aber auch verbindlich sein müssen, damit sie zu echten Lösungen beitragen, die sicherlich komplexer als bisher und zwingend multilateral sein werden.

3.   Europa: globaler Akteur und strategische Partnerschaften

3.1.

Der EWSA ist der Ansicht, dass Europa auch weiterhin eine führende Rolle im gegenwärtigen komplexen internationalen Kontext spielen muss und Partner und Verbündete braucht, die nicht nur im Bereich Entwicklung und Handel mit uns zusammenarbeiten, sondern auch unsere Werte und Grundsätze teilen. Der Mehrwert der Europäischen Union kann und muss darin liegen.

3.2.

Bislang verfolgte Europa gegenüber Lateinamerika und die Karibik eine Strategie, die unter anderem auf Folgendem basierte:

Förderung des sozialen Zusammenhalts;

Unterstützung der regionalen Integration in Lateinamerika;

Förderung der „Süd-Süd-Zusammenarbeit“;

Abschluss von Assoziierungsabkommen, Abkommen über den politischen Dialog und die Zusammenarbeit, Handelsabkommen oder Abkommen über eine strategische Partnerschaft (Abkommen mit Mexiko und Chile (2002), das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit fünfzehn karibischen Ländern (2008), Assoziierungsabkommen mit Zentralamerika (2012), mehrseitiges Handelsabkommen mit Peru und Kolumbien (2010) und Ecuador (2014), Abkommen über den politischen Dialog und die Zusammenarbeit mit Kuba, strategische Partnerschaft mit Brasilien (2008)) (1).

3.3.

Ausdruck dieser Strategie auf politischer Ebene sind die Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der EU und Lateinamerikas und der Karibik, später mit der CELAC, und die Parlamentarische Versammlung Europa-Lateinamerika (EuroLat), das parlamentarische Organ der Biregionalen Strategischen Partnerschaft.

3.4.

Auf globaler Ebene hat sich die EU deutlich zu den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (SDG) und den Zielen der Agenda 2030 sowie des Übereinkommens von Paris verpflichtet. Die EU hat u. a. folgende Ziele aufgegriffen:

den Schutz der sozialen Rechte, der Arbeitnehmerrechte und der kulturellen Rechte;

die Förderung einer nachhaltigen und gerechteren wirtschaftlichen Entwicklung;

die Bewahrung unseres Planeten und die Bekämpfung der negativen Folgen des Klimawandels;

die Achtung und vollständige Verwirklichung der Menschenrechte;

einen Beitrag zur Erhaltung von Frieden, Unterstützung des Multilateralismus und Lösung der vorhandenen Konflikte durch Verhandlungen.

3.5.

Vor diesem Hintergrund könnten die EU und die CELAC als starke Allianz auf internationaler Bühne mehr Gewicht in die Waagschale werfen. Eine Allianz wäre auch von wesentlicher Bedeutung für den Schutz und die Verteidigung der Werte, die sowohl die EU als auch die CELAC insgesamt gesehen teilen. Deshalb stellt sich nun die Frage, ob die bisherige Strategie, die sicherlich wertvolle Ergebnisse und Erfolge hervorgebracht hat, angesichts der globalen Herausforderungen, vor denen beide Regionen stehen, noch ausreicht.

3.6.

Der EWSA hält eine ernsthafte Debatte zwischen unseren Regionen für unverzichtbar, in der nicht nur die bislang erzielten Erfolge, sondern auch die nach wie vor bestehenden Schwachstellen und Beschränkungen aufgezeigt und Lehren aus dem bisherigen Handeln gezogen sowie die Herausforderungen der Gegenwart und die Gültigkeit der gemeinsamen Werte und Grundsätze herausgearbeitet werden. Ziel ist die Herausbildung von Beziehungen auf der Grundlage einer erneuerten und umfassenderen Kooperation und Legitimität für die Zukunft.

4.   Frischer Wind in den Beziehungen zwischen der EU und der CELAC

4.1.

Vor dem Hintergrund der derzeitigen Situation in der Welt bietet sich eine neue Gelegenheit zum Aufbau solider und effizienterer Beziehungen zwischen Lateinamerika/der Karibik und Europa, die sich im künftigen Abkommen EU-MERCOSUR konkretisieren könnten (2). Dieses Abkommen stellt eine große Herausforderung für die EU dar, da dadurch die gesamte Region Lateinamerika (mit Ausnahme Boliviens und Venezuelas) enge politische und wirtschaftliche Bindungen zur Europäischen Union eingehen würde, vorausgesetzt, das Abkommen wird unterzeichnet. Die Neuverhandlung des Abkommens mit Mexiko ist einerseits von größter Bedeutung für dieses Land und bietet andererseits Europa die Möglichkeit, angesichts des absehbaren Rückgangs des Handels zwischen Mexiko und der USA seine Präsenz zu verstärken.

4.2.

Die Beziehungen zwischen der EU und Lateinamerika und der Karibik müssen sich für alle als nützlich erweisen, d. h. sowohl für die europäischen Länder als auch für die lateinamerikanischen und karibischen Staaten und vor allem für die Bevölkerung dieser Länder.

4.3.

Ein Schlüsselfaktor der Interaktion zwischen der politischen, sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Dimension der Entwicklung sind produktive Investitionen in beiden Regionen. Die EU und ihre Mitgliedstaaten sind nach wie vor der größte Investor in der Region. Die Länder Lateinamerikas und der Karibik sind der zweitgrößte Handelspartner der EU, und die CELAC und die Europäische Union zusammengenommen stellen ein Drittel der Mitglieder der Vereinten Nationen und erwirtschaften etwa 25 % des weltweiten BIP.

4.4.

Eine engere Partnerschaft zwischen Lateinamerika und der Europäischen Union würde Fortschritte im Hinblick auf ein beschleunigtes Wirtschaftswachstum, den Strukturwandel hin zu wissensintensiven Sektoren, die Bekämpfung der Armut, die Förderung der sozialen Eingliederung und den Schutz der Umwelt ermöglichen.

All dies durch

die Vertiefung von Partnerschaftsvereinbarungen, die Spielraum für Investitionen schaffen, insbesondere in neuen Geschäftsbereichen, die wissensintensiv sind und hochwertige Arbeitsplätze bieten;

die Förderung der Gründung kleiner und mittlerer Unternehmen durch die Schaffung vernetzter Beschäftigungsmöglichkeiten;

Investitionen in Bereichen, die nachhaltiges Wachstum, menschenwürdige Arbeit, soziale Eingliederung und ökologische Nachhaltigkeit fördern;

Förderung der Innovation und der Demokratisierung der neuen Technologien und Beiträge zu ihrer umfassenden Verbreitung, insbesondere im Hinblick auf die Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT);

Aufbau einer integrativen und umweltschonenden Infrastruktur, die den Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen im Rahmen eines neuen Models für Stadtentwicklung gewährleistet und den territorialen Zusammenhalt fördert;

die Förderung von Investitionen in Technologien zur Abmilderung der Erderwärmung;

den Ausbau umweltschonender Energieträger durch Diversifizierung in erneuerbare Energien und unter Nutzung der Erfahrungen der europäischen Wirtschaft in diesem Bereich zur Umstellung auf eine ökologische Wirtschaft;

die Förderung und Stärkung der Unternehmensverbände und Gewerkschaften als wichtige Akteure des sozialen Dialogs, um eine möglichst harmonische Entwicklung des lokalen Produktionsgefüges zu fördern und die Schattenwirtschaft zurückzudrängen.

4.5.

Das wäre für den wirtschaftlichen und sozialen Wohlstand in beiden Regionen von Nutzen und würde sich zweifellos in der Schaffung von Arbeitsplätzen niederschlagen, z. B. durch

neue Geschäftsmöglichkeiten für Unternehmen in neuen Bereichen wie Technologie, grüne Wirtschaft und soziale Netzwerke;

die Ausweitung der traditionellen Märkte in den Bereichen Telekommunikation, Kraftfahrzeuge, Pharmaindustrie, Stromsektor, Bankwesen u. a.;

die Erschließung neuer Märkte für KMU;

die Versorgung mit natürlichen Ressourcen und Lebensmitteln bei gleichzeitigen Maßnahmen zur Erhaltung der biologischen Vielfalt und der ökologischen Nachhaltigkeit;

die Förderung der Sozial- und Solidarwirtschaft als ein Mittel zur Verbesserung des sozialen und wirtschaftlichen Gefüges, zur Regularisierung der Schattenwirtschaft und zur Verringerung der Migration.

4.6.

Die EU und die CELAC stehen vor Problemen, aber auch vor Chancen für eine positive Entwicklung in Fragen, die für beide Region von entscheidender Bedeutung sind. Beide Seiten würden dabei nachhaltig von einem gemeinsamen Vorgehen profitieren, insbesondere im Hinblick auf

eine hochwertige allgemeine und berufliche Bildung für alle;

menschenwürdige Beschäftigung für Frauen und junge Menschen;

Mobilität und Anerkennung von Rechten, insbesondere durch eine gute Nutzung der bewährten Stärken des Erasmus-Austauschprogramms von Studierenden.

4.7.

Der EWSA ist der Auffassung, dass das Verhältnis zwischen den öffentlichen Maßnahmen und dem privaten Sektor auf die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung, eine bessere Kooperation im Unternehmensbereich und finanzielle Investitionen für Wachstum abzielen sollte. Er betont die Notwendigkeit der Bekämpfung der Schattenwirtschaft, der Unterentwicklung und der geringen Wettbewerbsfähigkeit der KMU und fordert die Verbesserung und Unterstützung der Mobilität zwischen den beiden Regionen durch Gewährleistung einer Kohärenz zwischen den jeweiligen Arbeitnehmerrechten und die Förderung der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit.

4.8.

Nach Ansicht des EWSA ist es unbedingt notwendig, die einseitigen Vorstellungen von den Beziehungen zwischen den beiden Regionen zu überwinden und die Wirtschaft, die Menschenrechte und die nachhaltige Entwicklung als untrennbares Ganzes zu betrachten. Im Hinblick auf die Umsetzung eines Aktionsplans und eines gemeinsamen Programms zur Bewältigung der wichtigsten Herausforderungen unserer Welt wie Armut, Klimawandel und bewaffnete Konflikte sind die Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung von ausschlaggebender Bedeutung.

5.   Die Beteiligung der Zivilgesellschaft: Defizite und Perspektiven

5.1.

Der Wert, die Präsenz und die aktive Beteiligung der organisierten Zivilgesellschaft beider Regionen, der Erfahrungsaustausch zwischen ihnen und gemeinsame Projekte sowie die aktive Beteiligung an den beschlossenen Maßnahmen müssen als wesentliche Elemente eines neuen Paradigmas der strategischen Beziehungen gewürdigt, anerkannt und übernommen werden.

5.2.

Der EWSA ist der Ansicht, dass die Zivilgesellschaft beider Seiten vor einer Chance und einer großen Herausforderung steht, da die Beziehungen zwischen den beiden Regionen auf eine neue Ebene — hin zu einem stärker politisch und strategisch geprägten Prozess — gehoben werden müssen, ohne jedoch das bisher Erreichte zu missachten oder zu ignorieren.

5.3.   Beschränkungen

5.3.1

Die Präsenz der Zivilgesellschaft wurde zwar in den letzten Jahren immer stärker als wesentlicher Faktor für die Stärkung einer gemeinsamen Strategie der beiden Regionen anerkannt, leidet aber nach wie vor unter bestimmten Zwängen, die eine wirksamere und effizientere Beteiligung beeinträchtigen, was vor allem daran liegt, dass

die Einbeziehung der organisierten Zivilgesellschaft nicht im ausreichenden Maße institutionalisiert ist;

die Finanzmittel fehlen, die eine regelmäßige Teilnahme an den Tätigkeiten und Maßnahmen erlauben würden;

es Schwierigkeiten gibt, einen geregelten und offenen Dialog mit den Behörden zu führen;

es bei den Verhandlungen über die Abkommen, insbesondere Handelsabkommen, an Transparenz mangelt, was die Möglichkeiten zur Analyse dieser Abkommen und zur Vorlage von entsprechenden Vorschlägen und Forderungen der Gesellschaft gegenüber den Behörden erheblich einschränkt;

es zahlreiche verschiedene Gremien zur Überwachung der unterzeichneten Abkommen gibt, wodurch sich deren Begleitung komplex und schwierig gestaltet.

5.4.   Perspektiven

5.4.1

Die Überwindung dieser Defizite und Zwänge erfordert einen Aktionsplan und eine Agenda, die

die Partnerschaft zwischen den beiden Regionen in realistischer, ausgewogener und ehrgeiziger Weise stärken, mit mehr Vertrauen für die verschiedenen Akteure und einer größeren Transparenz des Prozesses;

den Beteiligten gesellschaftliche Legitimität geben, indem Themen aufgegriffen und vorangetrieben werden, die für die Bürgerinnen und Bürger in den beiden Regionen wirklich von Belang sind;

Maßnahmen umfassen, die der Partnerschaft EU-CELAC auf internationaler Ebene zu einer größeren Rolle verhelfen, wobei die Gültigkeit der gemeinsamen Werte und Prinzipien sichergestellt werden muss;

Asymmetrien als Herausforderung anerkennen, die es zu bewältigen gilt, wobei Übergangsregelungen zur Bewältigung oder zum Ausgleich dieser Asymmetrien vorzuschlagen sind.

5.5.

Der EWSA betont, dass es für erfolgreiche Verhandlungen zwischen der EU und Lateinamerika und der Karibik von wesentlicher Bedeutung ist, einen förmlichen und strukturierten Dialog mit der organisierten Zivilgesellschaft einzurichten und ihre wirksame Beteiligung in jeder Phase der Verhandlungen, während der Umsetzung und bei Bewertung der Ergebnisse zu gewährleisten. Vor diesem Hintergrund begrüßt der EWSA nachdrücklich die Einsetzung des Gemischten Beratenden Ausschusses EU-Chile, auf die er gemeinsam mit den Organisationen der chilenischen Zivilgesellschaft hingewirkt hat.

5.6.

Der EWSA ist der Auffassung, dass die Beziehungen zwischen der europäischen und der lateinamerikanischen Zivilgesellschaft vorrangig auf die Stärkung der Demokratie, eine nachhaltige menschliche Entwicklung, sozialen Zusammenhalt und soziale Gerechtigkeit, den Schutz der natürlichen Ressourcen und der Umwelt, die volle Verwirklichung der Menschenrechte und die Einhaltung der Bedingungen für menschenwürdige Arbeit abzielen sollten.

5.7.

Es wird immer wieder kritisiert, dass die organisierte Zivilgesellschaft in Europa, Lateinamerika und der Karibik keinen geregelten und umfassenden Zugang zu Informationen hat, was als wesentliches Problem bei der Überwachung und Begleitung der Beziehungen zwischen der EU und Lateinamerika und der Karibik und als eines der größten Hindernisse für die rechtzeitige Erarbeitung von Vorschlägen durch die Zivilgesellschaft benannt wurde. Der EWSA bekräftigt, dass der Informationszugang eine der Prioritäten in den Beziehungen zwischen den beiden Regionen sein muss, wofür klare Regeln und Verfahren für den Zugang auf Informationen und deren Verbreitung festgelegt werden sollten.

5.8.

Wenn die Vertragsparteien der Abkommen der Einbeziehung der Zivilgesellschaft wirklich Bedeutung beimessen, sollten sie auch von Anfang an die notwendigen und ausreichenden materiellen Ressourcen bereitstellen, damit alle in den Abkommen vorgesehenen Mitwirkungsmechanismen ihre Funktion erfüllen können.

5.9.

Der EWSA begrüßt die jüngste Umwandlung der EU-LAK-Stiftung in eine internationale Organisation, die ein wichtiges Element sein kann, um die biregionale Partnerschaft zu stärken und ihr neue Impulse zu verleihen. Er bekräftigt seinen in der Erklärung von Santiago de Chile im Jahr 2012 unterbreiteten Vorschlag an die Adresse der Staats- und Regierungschefs der EU und der CELAC, eine echte und wirksame Zusammenarbeit mit den repräsentativen Organisationen der organisierten Zivilgesellschaft beider Kontinente als wichtige Komponente in das Arbeitsprogramm der Stiftung aufzunehmen.

5.10.

Der EWSA fordert, dass die künftigen politischen Strategien und Maßnahmen zu mehr Kohärenz beitragen und die positiven Ergebnisse der Beziehungen zwischen den beiden Regionen besser zum Tragen bringen, um die Qualität und die Relevanz dieser Strategien und Maßnahmen zu gewährleisten und sicherzustellen, dass die Zivilgesellschaften sich diese zu eigen machen.

6.   Die Vorschläge der Zivilgesellschaft

6.1.

Am 26. und 27. Oktober 2017 wird das Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union und der Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten (EU-CELAC) in El Salvador stattfinden. Vor dem Hintergrund des abgekühlten Verhältnisses zwischen den USA und Lateinamerika sollte dieses Gipfeltreffen nach Ansicht des EWSA auf eine Stärkung der strategischen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Beziehungen zwischen der EU und Lateinamerika und der Karibik abzielen.

6.2.

Der EWSA ermutigt die politischen Entscheidungsträger beider Regionen, Folgendes anzustreben: mehr Wirksamkeit in ihrem Handeln und ihrer Präsenz, Förderung des Schutzes unseres Planeten, Bekämpfung des Klimawandels, Erhaltung der biologischen Vielfalt und nachhaltige Entwicklung, Förderung des Wohlstands, einen Beitrag zur Beseitigung der Armut, Sicherstellung des sozialen und territorialen Zusammenhalts, Förderung von hochwertiger Bildung und Gesundheitsversorgung für alle, Gleichstellung der Geschlechter und Kultur der Völker, Wahrung von Frieden, Würdigung der Rolle der internationalen Organisationen und Verteidigung des Multilateralismus.

6.3.

Der EWSA hält es für einen Teil seines Auftrags, aktiv am Aufbau einer Welt mitzuwirken, in der es möglich ist, in Vielfalt, Dialog und vor allem Frieden zu leben. Eine Welt, in der alle Staaten und alle Menschen Wege und Möglichkeiten finden, auf der Grundlage ihrer Kultur eine demokratische, integrative und auf Wohlstand ausgerichtete Gesellschaft zu entwickeln und aufzubauen. Der EWSA macht seine Rolle in diesem Prozess geltend.

6.4.

Er fordert alle führenden Politiker in der EU und in Lateinamerika und der Karibik auf, die Beteiligung der Zivilgesellschaft anzuerkennen und zu würdigen, um möglichst viele Bürger in den Entscheidungsprozess einzubinden. Der EWSA möchte niemanden ausschließen, ist jedoch der Ansicht, dass eine strukturierte und wirksamere Mitwirkung vor allem durch eine institutionelle bzw. institutionalisierte Form der Beteiligung erreicht werden kann.

6.5.

Die Förderung menschenwürdiger Arbeit muss zu einer Priorität der Politik der Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und Lateinamerika und der Karibik werden. In diesem Zusammenhang braucht es konkrete Zusagen für die Achtung und die Einhaltung der grundlegenden Übereinkommen der IAO sowie für die Schaffung von Verfahren zur Kontrolle ihrer Einhaltung mit zivilgesellschaftlicher und gewerkschaftlicher Beteiligung in allen Politikbereichen und bei allen Verhandlungen zwischen der EU und Lateinamerika und der Karibik.

6.6.

Im aktuellen geopolitischen Kontext vertritt der EWSA die Auffassung, dass Assoziierungsabkommen, Handelsabkommen, Abkommen über den politischen Dialog und strategische Partnerschaften wichtige Instrumente bleiben, heute aber nicht mehr die einzigen möglichen Instrumente sind. Heute kommt es vor allen darauf an, dass diejenigen, die gemeinsame kulturelle, historische und politische Werte und Vorstellungen teilen, sich der Notwendigkeit der Bildung einer strategischen Allianz, die international Einfluss nehmen kann, bewusst werden. Die Abkommen sollten nur die Folge dieses Bewusstseins sein und nicht sein Instrument.

6.7.

Der EWSA ruft auf zu Fortschritten auf dem Weg zu einem umfassenden Rahmenabkommen zwischen der Europäischen Union und der CELAC, das die Grundsätze des Handelns in den Bereichen politischer Dialog, Zusammenarbeit und nachhaltige und wirtschaftliche Entwicklung beinhaltet. Dies könnte die Grundlage für ein geopolitisches Handlungskonzept in der gesamten Welt sein, bei dem u. a. das Vorgehen bei einer Bedrohung unserer gemeinsamen Grundsätze und Werte festgelegt wird.

6.8.

Der EWSA hält es für wesentlich anzuerkennen, dass die organisierte Zivilgesellschaft als Akteur zur Herausbildung eines weltweiten Bewusstseins für die Notwendigkeit globaler Lösungen für Frieden, nachhaltige Entwicklung, fairen Handel und Wohlstand für alle Völker und Regionen beitragen muss.

Brüssel, den 21. September 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  Im Jahr 2016 wurden die Verhandlungen mit dem Mercosur im Hinblick auf den Abschluss eines Assoziierungsabkommens wiederaufgenommen.

(2)  In den Mercosur-Ländern leben insgesamt 250 Millionen Einwohner, was den Mercosur zur fünftgrößten Wirtschaftsmacht in der Welt macht, dessen BIP ein Volumen von zwei Billionen US-Dollar erreicht. Der Mercosur ist Standort von mehr als 5 % aller ausländischen Direktinvestitionen der EU. Die EU ist der größte Investor in der Region. 2016 beliefen sich die Ausfuhren aus der EU in den Mercosur auf 41,633 Mrd. EUR und die Importe der EU aus dem Mercosur auf 40,33 Mrd. EUR. Es handelt sich um den zehntgrößten Exportmarkt der EU.


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