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Document 52009AE1941

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Ein abgestimmtes Vorgehen zur Verbesserung der Karrieremöglichkeiten und der Mobilität der Forscher in der Europäischen Union“

    ABl. C 255 vom 22.9.2010, p. 19–23 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    22.9.2010   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 255/19


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Ein abgestimmtes Vorgehen zur Verbesserung der Karrieremöglichkeiten und der Mobilität der Forscher in der Europäischen Union“

    (2010/C 255/03)

    Alleinberichterstatter: Pedro ALMEIDA FREIRE

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 16. Juli 2009, gemäß Artikel 29 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung eine Stellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

    „Ein abgestimmtes Vorgehen zur Verbesserung der Karrieremöglichkeiten und der Mobilität der Forscher in der Europäischen Union“.

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 10. November 2009 an. Berichterstatter war Pedro ALMEIDA FREIRE.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 458. Plenartagung am 16./17. Dezember 2009 (Sitzung vom 16. Dezember) mit 174 Ja-Stimmen bei 8 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Empfehlungen

    Die Stärkung der Humanressourcen in Wissenschaft und Technologie in Europa und die Förderung der Mobilität sind Schlüsselfaktoren bei der Verwirklichung des Europäischen Forschungsraums (EFR). Sie können ferner dafür sorgen, dass die EU ihre Wettbewerbsfähigkeit auf globaler Ebene behält und in der Lage ist, die wichtigsten Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen.

    Es muss umgehend gehandelt werden, um die Koordinierung zwischen den Maßnahmen in den Bereichen Bildung, Forschung, Beschäftigung und soziale Sicherheit zu verbessern und so eine koordinierte Entwicklung von bildungs-, wissenschafts- und sozialpolitischen Instrumenten zu gewährleisten, damit die einschlägigen europäischen Ziele erreicht werden.

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss schlägt vor, die bestehenden Programme im Bereich der Humanressourcen und der Mobilitätsförderung auszubauen und stärker zu koordinieren und insbesondere die durch die Debatte über das achte EU-Rahmenprogramm für Forschung und technologische Entwicklung gebotene Chance zu nutzen, um u.a. den Faktor Humanressourcen zu stärken und im Rahmen der forschungsbezogenen Maßnahmen die Schaffung einer Plattform für wissenschaftliche Spitzenausbildung zu fördern.

    Der EWSA schlägt auch vor, eine Beobachtungsstelle für Humanressourcen in Wissenschaft und Technologie in Europa einzurichten, die kohärente und vergleichbare Informationen über Entwicklungen auf diesem Gebiet und die nationalen Maßnahmen im Bereich der Humanressourcen zusammenstellen, analysieren und bereitstellen kann und sich dabei nicht auf Europa beschränkt, sondern die ganze Welt im Blick hat.

    Der Ausschuss ruft auf zu koordinierten Maßnahmen zur Verbesserung der Karrieremöglichkeiten und Mobilität der Forscher in der EU, insbesondere hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und der Laufbahn der Forscher, d.h. der Anstellungsbedingungen, der Aufstiegsmöglichkeiten und der Sozialrechte.

    Schließlich fordert der EWSA, dass der neue Europäische Innovationspakt, den die EU derzeit vorbereitet, und die künftige Überarbeitung der Lissabon-Strategie der Bedeutung des Ausbaus und der Qualifizierung der Humanressourcen in Wissenschaft und Forschung gebührend Rechnung tragen.

    2.   Einleitung

    2.1   Maßnahmen in den Bereichen Forschung, technologische Entwicklung und Innovation spielen eine zunehmend wichtige Rolle im Rahmen der Lissabon-Strategie sowohl auf Gemeinschaftsebene als auch auf nationaler Ebene.

    2.2   Der neue Impuls für den Europäischen Forschungsraum und in diesem Zusammenhang für die Entwicklung des Humankapitals im Rahmen der europäischen Strategie für Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Beschäftigung ist der Beweis dafür, dass die Stärkung der Humanressourcen in Wissenschaft und Technologie in Europa und die Mobilität eine Schlüsselrolle für den Erfolg dieser Strategie spielen.

    2.3   Die EU bereitet derzeit die Erarbeitung einer neuen Strategie für Innovation vor, die stärker integriert und auf die Gesellschaft ausgerichtet ist und in der das Wissensdreieck im Mittelpunkt des Interesses stellen soll. Der Faktor Mensch ist diesem Zusammenhang entscheidend, um sicherzustellen, dass die EU weltweit wettbewerbsfähig bleibt und die größten Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte meistern kann.

    2.4   Die Freizügigkeit des Wissens und die Mobilität sind von den Staats- und Regierungschefs zunehmend als entscheidende Faktoren für die Bildungs- und Forschungspolitik in der EU und die europäische Zusammenarbeit anerkannt worden. Mehrere europäische Programme haben zum Ziel, innerhalb ihres Aktionsradius Antworten auf diese Zukunftsfragen zu geben; namentlich sind dies: – das Programm Erasmus für die Mobilität junger Menschen in der Hochschulbildung; – das Programm Erasmus Mundus für mehr Zusammenarbeit mit Drittstaaten durch gemeinsame Master- und Doktor-Studiengänge und Partnerschaften zwischen Hochschuleinrichtungen; – das Rahmenprogramm für Forschung und technologische Entwicklung, in dem das spezifische Programm People (Menschen), das auf die Mobilität von Forschern abzielt und vor allem durch die Marie-Curie-Maßnahmen bekannt ist, eine herausragende Stellung einnimmt. Der Bologna-Prozess soll die europäische Dimension der Hochschulbildung, die Mobilität und die Zusammenarbeit fördern. Allerdings lautet die einhellige Meinung, dass trotz der bestehenden Programme und bisherigen Anstrengungen noch vieles getan werden muss.

    2.5   Im Anschluss an seine Stellungnahme zur Mitteilung der Kommission „Bessere Karrieremöglichkeiten und mehr Mobilität: Eine europäische Partnerschaft für Forscher“ (1) hat der EWSA beschlossen, diese Initiativstellungnahme zu erarbeiten, um einen erneuten Beitrag zu leisten im Zusammenhang mit einer Strategie zur Stärkung des Humankapitals in der EU und der Festlegung einer neuen Forschungspolitik sowie einer neuen Innovationsstrategie, die seines Erachtens den Humanressourcen im Hinblick auf Integrationsmaßnahmen (für die sich der Ausschuss von jeher ausspricht) und im Rahmen einer sozialpolitischen Agenda Rechnung tragen müssen.

    2.6   Im Jahr 2010 wird die Lissabon-Strategie aktualisiert, ein neuer europäischer Innovationsplan auf den Weg gebracht und gleichzeitig die Vision des Europäischen Forschungsraums für 2020 erneuert.

    2.7   Vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise sollten die Anstrengungen zur Verstärkung der - öffentlichen und privaten - Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie der Ausbau der Humanressourcen in Wissenschaft und Technologie auf der politischen Agenda der Mitgliedstaaten und der EU weiterhin Priorität haben.

    2.8   Deshalb müssen dringend gemeinsame Ziele auf EU-Ebene festgelegt und Maßnahmen zur Erreichung des Niveaus der Humanressourcen in Forschung und Entwicklung angeregt werden, das notwendig ist, damit die EU ihre eigenen ehrgeizigen Vorgaben verwirklichen kann.

    2.9   Zu den Zielen zählen: die Gewährleistung einer effektiven Erhöhung der Zahl der Jugendlichen, die ein wissenschaftliches oder technologisches Studium absolvieren (von Mathematik bis Naturwissenschaften, von Ingenieurwissenschaften bis Sozial- und Humanwissenschaften), sowie einer Zunahme der Doktoranden in diesen Fächern; die Förderung einer Zunahme des Anteils von Wissenschaftlerinnen; die Gewährleistung von Bedingungen, die dazu führen, dass Fachkräfte in Wissenschaft und Technologie nach Europa kommen und hier bleiben, sodass das gegenwärtig im transatlantischen Vergleich bestehende Defizit ausgeglichen wird; die Gewährleistung positiver Nettoströme zwischen Europa und dem Rest der Welt. Es handelt sich hier um neue Ziele, die zur Erneuerung der Lissabon-Agenda auf diesem Gebiet beitragen sollten.

    2.10   Die Verwirklichung dieser Ziele erfordert, dass in Europa im weltweiten Vergleich herausragende Kompetenzzentren und -netze entwickelt werden, welche international die größten Talente anziehen können und gleichzeitig die gesellschaftliche Grundlage für die wissenschaftliche und technologische Bildung und Kultur verbreitern.

    3.   Notwendigkeit einer dezidierten einzelstaatlichen und europäischen Politik im Bereich der Humanressourcen in Wissenschaft und Technologie

    3.1   Der EWSA erkennt die Chance, die durch zwei Dokumente eröffnet wurden: das Grünbuch über den Europäischen Forschungsraum (EFR) (2), dem zufolge eine der Hauptprioritäten des EFR in einer europäischen Partnerschaft für Forscher mit besseren Karrieremöglichkeiten und mehr Mobilität besteht, und die vorgenannte Kommissionsmitteilung, die bereits Gegenstand einer Stellungnahme des Ausschusses war. Mit dieser Stellungnahme beabsichtigt der EWSA, einen Schritt weiter zu gehen und die Vorschläge im Dokument „Eine europäische Partnerschaft zur Steigerung der Attraktivität von Laufbahnen in FTE und zur Verbesserung der Mobilitätsbedingungen für Forscher in Europa - Vorgeschlagene vorrangige Maßnahmen“ vom 30. April 2009 (3) zu unterstützen, das von José Mariano Gago, portugiesischer Minister, und François Biltgen, luxemburgischer Minister, in Zusammenarbeit mit ihren Amtskollegen erarbeitet wurde, um damit einen Beitrag zu leisten zur Erarbeitung praktischer Maßnahmen, die die Politik im Bereich der Humanressourcen in Wissenschaft und Technologie voranbringen.

    3.2   Der EWSA nimmt die großen Anstrengungen zur Kenntnis, die bisher in diesem Bereich auf EU-Ebene unternommen wurden. Der Ausschuss hat selbst eine Reihe von Initiativstellungnahmen zu themenverwandten Fragen verabschiedet.

    3.3   Die Humanressourcen in Wissenschaft und Technologie sind seit März 2000 integraler Bestandteil der Strategie der EU. Auf dem Gipfel von Barcelona im Jahr 2002 wurde das europäische Ziel festgelegt, den für Forschung und Entwicklung (FuE) vorgesehenen Prozentsatz des BIP bis 2010 auf 3 % zu erhöhen. Es wurde geschätzt, dass dieses Ziel mit einer Zunahme des in der Forschung tätigen Personals um eine halbe Million verbunden sein würde (4).

    3.4   Vor diesem Hintergrund erscheint eine gemeinsame europäische Politik in diesem Bereich vonnöten, die weit über die sog. offene Methode der Koordinierung der einzelstaatlichen Maßnahmen hinausgeht und u.a. die Änderung der Arbeitsbedingungen und der Laufbahn der Forscher (einschließlich Jungforscher), d.h. der Anstellungsbedingungen, der Aufstiegsmöglichkeiten und der Sozialrechte, beinhaltet.

    3.5   Obwohl das Ziel der Investitionen in FuE impliziert, dass zwei der 3 % des BIP aus dem Privatsektor stammen, kann die Wirtschaft diese Last nicht alleine tragen; diesbezüglich haben die Regierungen eine besondere Verantwortung. Da die Wirtschaft für die meisten Beschäftigungsmöglichkeiten für Forscher sorgt, müssen bessere Bedingungen für die Entwicklung der Forschung im und durch den Privatsektor und insbesondere die KMU in Europa geschaffen werden, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Dies kann beispielsweise durch Anreize für die Bildung von Unternehmensnetzen und -clustern in für die europäische Wirtschaft besonders wichtigen Sektoren erfolgen.

    3.6   Der Umfang der öffentlichen Forschungsfinanzierung ist, auf die einzelnen Forscher bezogen, in Europa signifikant niedriger als in den USA und Japan. Beschäftigungsbedingungen und -perspektiven im öffentlichen Sektor sollten deshalb fester Bestandteil der Zielsetzungen der Wissenschaftspolitik europäischer Regierungen sein. Im Vergleich mit den USA und Japan offenbart sich zudem ein großes Missverhältnis, was den Anteil der Forscher an der Gesamtbevölkerung betrifft: In der EU kommen 6 Forscher auf 1 000 Einwohner, in Japan und den USA hingegen 9 bis 10 Forscher auf 1 000 Einwohner.

    3.7   Die Ausbildung von Forschungskräften erfolgt vorwiegend in Hochschuleinrichtungen, weshalb das Hochschulwesen neue Formen für eine bessere Integration von Bildung und Ausbildung in den Lehrplänen entwickeln und besser mit der Wirtschaft zusammenarbeiten muss, vor allem mit Blick auf das lebensbegleitende Lernen. Im Rahmen ihrer Aufgabe zur Ausbildung von Humanressourcen für eine Wissensgesellschaft müssen die Hochschuleinrichtungen ihre Sichtweise und ihre Haltung gegenüber diesen Fragen ändern und dazu Veränderungen an ihren Lehrplänen vornehmen, die Ausbildung mit der FuE in der Wirtschaft verknüpfen, neue Angebote machen - insbesondere für Späteinsteiger in die Forschungskarriere - sowie Frauen, ethnischen Minderheiten und benachteiligten Gruppen einschließlich Bürgern mit besonderen Bedürfnissen den Zugang zu Forschung und Bildung ermöglichen, da diese hierin möglicherweise ein Gebiet sehen, auf dem sie einen gesellschaftlichen Nutzen erbringen und sich unter den Bedingungen einer modernen Gesellschaft selbst verwirklichen können.

    3.8   Die Einbeziehung der Studierenden in Forschungsaktivitäten sollte normaler Bestandteil des Lehrplans sein, und zwar vom ersten akademischen Grad (Grundstudium) an und nicht nur im Masterstudium und anderen postgradualen Studien. Dies ist allerdings erst sehr begrenzt der Fall und muss verbessert werden.

    3.9   Notwendig sind auch Maßnahmen, um Karrieren auf dem Gebiet der Naturwissenschaften, des Ingenieurwesens und der Technologie für junge Leute attraktiver zu machen, ohne allerdings die Sozial- und Geisteswissenschaften zu vernachlässigen. Es gibt einen großen Unterschied zwischen Karrieren in der Wirtschaft und Laufbahnen an der Universität oder im öffentlichen Sektor; die einzelstaatlichen Regierungen und die Europäische Kommission müssen daher in diesem Bereich nachhaltig und koordiniert tätig werden. Es handelt sich hierbei um einen Schlüsselfaktor für die Entwicklung des Europäischen Forschungsraums und für die künftige Prosperität und Wettbewerbsfähigkeit der EU.

    3.10   Die wissenschaftliche Schulbildung ist ein weiterer wichtiger Faktor, denn sie kann bei Kindern und Jugendlichen Neugier und Interesse für eine wissenschaftliche Laufbahn wecken. Für eine erfolgreiche Verwirklichung des europäischen Forschungsraums ist es unerlässlich, dass von der Primar- und Sekundarstufe an auf Qualifikationen und die Qualität der Bildung geachtet wird, wobei experimentelle Arbeit und Kontakte zur Wissenschaft und Wirtschaft wichtig sind und dafür gesorgt werden muss, dass die Lehrer selbst entsprechende Qualifikationen haben (5).

    3.11   Die Strategien zur Popularisierung der Wissenschaften und Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse sind anerkanntermaßen wesentliche Faktoren für das öffentliche Verständnis von Wissenschaft und für eine Annäherung der Welt der Wissenschaft an die Gesellschaft und insbesondere an junge Menschen. Sie müssen jedoch - auch auf europäischer Ebene, und zwar durch Unterstützung von Initiativen von gemeinsamem Interesse - stärker gefördert werden, denn sie sind besonders in einer globalisierten Welt, in der es vor allem auf das Verständnis kontroverser Fragen und auf die Vermittlung wissenschaftlicher Erfolge ankommt, von großer Bedeutung.

    3.12   Die Präsenz von Frauen in der Wissenschaft ist ein weiterer Faktor von größter Bedeutung. Zahlenmäßig stellt sich die Situation heute zwar ganz anders dar als vor 20 Jahren, doch sind Frauen auf zahlreichen Gebieten der wissenschaftlichen Forschung in vielen Ländern immer noch unterrepräsentiert und steigen insbesondere nicht in Führungspositionen auf. Obwohl die Europäische Kommission und einige Mitgliedstaaten in diesem Bereich erhebliche Anstrengungen unternommen haben, bleibt noch viel zu tun. Frauen stellen nach wie vor das wichtigste Reservoir für eine Aufstockung der Humanressourcen im Bereich Wissenschaft und Technologie in Europa dar; dennoch gibt es bei den entsprechenden Anreizen keine besonders starke Verknüpfung zwischen wissenschaftspolitischen und sozial- bzw. wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Frauenförderung.

    3.13   Wenn es um Humanressourcen für den Bereich Wissenschaft und Technologie geht, darf auch die internationale Dimension des Europäischen Forschungsraums nicht vernachlässigt werden (6). Die EU muss sich dem internationalen Wettbewerb um die bestqualifizierten Fachkräfte stellen und dafür sorgen, dass diese in Europa bleiben können; hierfür bedarf es einer besseren Abstimmung zwischen einzelstaatlichen und gemeinschaftlichen Maßnahmen. Trotz dieses Wettbewerbs muss allerdings stets ein kooperativer Ansatz vorherrschen, um den freien Verkehr und Transfer von Wissen sowie die Mobilität auf der Grundlage der Gegenseitigkeit zu stärken, was insbesondere für Forschungskräfte aus Entwicklungsländern gilt, und zugleich zu einer Verbesserung der Qualifikationen in den Herkunftsländern der Forscher beizutragen.

    4.   Notwendigkeit konkreter politischer Maßnahmen, um in der europäischen Agenda für Humanressourcen im Bereich Wissenschaft und Technologie unmittelbare Fortschritte zu erreichen

    4.1   Der Ausschuss möchte betonen, dass es vor allem auf einen gemeinsamen europäischen Ansatz mit konkreten politischen Maßnahmen ankommt, die unmittelbare Fortschritte hinsichtlich der Humanressourcen im Bereich Wissenschaft und Technologie ermöglichen.

    Er bekräftigt die seiner Stellungnahme zur Mitteilung der Kommission über eine europäische Partnerschaft für die Forscher - insbesondere im Hinblick auf die Anwerbung von Forschungskräften und die dafür notwendigen Bedingungen - enthaltenen Aussagen und hält hier ein stetiges und dauerhaftes Wachstum von durchschnittlich 5 % jährlich in den nächsten 10 Jahren für wünschenswert und realistisch. Dadurch könnte der derzeitige Personalbestand im Bereich Wissenschaft und Technologie binnen eines Jahrzehnts um mehr als die Hälfte aufgestockt werden. Der Ausschuss schlägt vor, dass die diesbezüglichen Maßnahmen vor allem folgende Aspekte betreffen:

    4.2.1   Steigerung der Zahl und des Anteils junger Menschen, die sich für ein Studium in den Bereichen Wissenschaft und Technologie entscheiden;

    4.2.2   Steigerung der Zahl und des Anteils der Hochschulabsolventen, die sich für ein Promotionsstudium anmelden, Diversifizierung der entsprechenden Profile und Stärkung der Qualitätssicherungsverfahren;

    4.2.3   Anwerbung eines größeren Anteils von Wissenschafts- und Technikstudenten und -forschern aus Europa und der übrigen Welt für europäische Institutionen und deren dauerhafte Bindung an diese Einrichtungen sowie Verdoppelung der Zahl der außerhalb des Herkunftslandes absolvierten Promotionsstudiengänge;

    4.2.4   erneute Herausstellung der Bedeutung eines geeigneten Rechts-, Verwaltungs- und Finanzrahmens, um die Umsetzung der oben genannten Aktionen durch Abstimmung der forschungspolitischen und der beschäftigungs- bzw. sozialpolitischen Maßnahmen zu fördern.

    4.3   Die Zahl junger Menschen, die sich für ein Studium in den Bereichen Wissenschaft und Technologie entscheiden, hat in den meisten europäischen Ländern zugenommen, nicht dagegen ihr Anteil an der Gesamtzahl Studierender. Um junge Menschen für die Wissenschaft und Technik zu gewinnen, sind u.a. folgende Maßnahmen denkbar: – Verbesserung der Schulbildung in diesem Bereich und Förderung der Entwicklung von Wissenschaftsnetzen zwischen Schulen, Lehrern für naturwissenschaftliche Fächer und Forschungskräften sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene; – Förderung von Maßnahmen zugunsten einer Wissenschaftskultur und Schaffung einer breiteren gesellschaftlichen Basis für die wissenschaftlich-technische Entwicklung, insbesondere durch Wissenschaftszentren und -museen; – Bereitstellung von Informationsdiensten sowie Schulorientierungs- und Berufsberatungsdiensten, die den gesellschaftlichen Bedürfnissen in Bezug auf Wissenschafts- und Technikunterricht gerecht werden.

    4.4   Ein weiteres Ziel muss die Schaffung von Anreizen sein, um die Zahl der Promotionsstudien zu erhöhen und ihr Profil zu diversifizieren, wobei soweit wie möglich die Wirtschaft einbezogen werden sollte und die Qualitätssicherung nicht aus dem Blick geraten darf. Im Hinblick auf dieses Ziel könnten folgende Maßnahmen gefördert werden: – Steigerung des Anteils von Doktorandenstipendien, die auf nationaler oder internationaler Ebene im offenen Wettbewerb vergeben werden; – Anwerbung von Hochschulabsolventen aus Drittländern für Promotionsstudiengänge in Europa; – weitere Verstärkung der Bedeutung, die das Promotionsstudium in letzter Zeit erlangt hat, um ein hohes Maß an beruflicher Kompetenz in verschiedenen Bereichen und nicht nur bei Forschungskarrieren zu erreichen.

    4.5   International attraktiv sein, so lautet ein weiteres Ziel, für das folgende Maßnahmen notwendig sind: – Verbesserung und Förderung der Mobilität von Studierenden, Forschern und Dozenten über Institutionen, Sektoren und Grenzen hinweg, vor allem zwischen Hochschulen und Wirtschaft; – Förderung von offener, wettbewerbsorientierter und transparenter Rekrutierung von Forschern; – Verbesserung der Bedingungen für die Familien von Forschern sowie erleichterter Zugang zum Arbeitsmarkt für die Partner von Forschern; – merklicher Bürokratieabbau bei der Vergabe öffentlicher Forschungsmittel.

    4.6   Die Verbesserung der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Forschern - wozu auch ein geeigneter Sozialschutz gehört - ist ein entscheidender Faktor, um die Mobilität und das Interesse für wissenschaftliche Laufbahnen sowie den Anteil von Frauen in der Forschung zu erhöhen. Wesentliche Erfolgsfaktoren für jede Forschungs- und Innovationspolitik sind der Abschluss von Arbeitsverträgen, der zunehmend zur Regel werden muss, um die Karrieren wettbewerbsorientierter und attraktiver zu machen, und außerdem geeignete Beschäftigungsbedingungen für Männer und Frauen, wozu auch Mutterschaftsurlaub, Elternurlaub und weitere sozialpolitische Maßnahmen zur Förderung der Mobilität von Forschern gehören.

    4.7   Der EWSA unterstützt es, dass die Mitgliedstaaten Maßnahmen zur einfacheren Übertragung von zusätzlichen Altersversorgungsansprüchen für mobile Forscher prüfen und sich dabei sowohl auf den bestehenden Rechtsrahmen als auch auf bilaterale und multilaterale Übereinkommen stützen. Mit Interesse sieht der Ausschuss dem Ergebnis der Machbarkeitsstudie zu einem etwaigen gesamteuropäischen Pensionsfonds für Forscher der EU entgegen, die derzeit mit Gemeinschaftsfinanzierung durchgeführt wird. Er unterstützt alle Maßnahmen zur Erleichterung der Übertragung von zusätzlichen Altersversorgungsansprüchen für mobile Forscher und hält diese für dringend notwendig.

    4.8   Der EWSA unterstützt und fordert auch sofortige Maßnahmen, um die Koordinierung zwischen den Maßnahmen in den Bereichen Bildung, Forschung, Beschäftigung und soziale Sicherheit zu verbessern und so eine koordinierte Entwicklung von bildungs-, wissenschafts- und sozialpolitischen Instrumenten zu gewährleisten, damit Europa seine Ziele auf dem Gebiet der Humanressourcen für Wissenschaft und Technologie erreichen kann.

    Der Ausschuss hält folgende konkrete Maßnahmen auf EU-Ebene für wünschenswert, um die oben genannten Ziele und Vorgaben zu erreichen:

    4.9.1   Im Zusammenhang mit der in Kürze anlaufenden Debatte über das künftige achte Rahmenprogramm für Forschung und technologische Entwicklung sollte zwingend vorgeschrieben werden, dass im Rahmen der durch das Rahmenprogramm geförderten Forschungsmaßnahmen eine Plattform für wissenschaftliche Spitzenausbildung - insbesondere Promotionsstudien - geschaffen wird, für die sich im offenen Wettbewerb Studierende aller Länder bewerben können.

    4.9.2   Vorgeschlagen wird, eine Beobachtungsstelle für Humanressourcen in Wissenschaft und Technologie in Europa einzurichten, die kohärente und vergleichbare Informationen über Entwicklungen auf diesem Gebiet und die nationalen Maßnahmen im Bereich der Humanressourcen aus europäischer wie globaler Sicht bereitstellt (7).

    4.9.3   Ebenfalls im Zusammenhang mit dem achten Rahmenprogramm sollten die Marie-Curie-Maßnahmen zur Förderung der Mobilität von Forschern und ähnliche Aktionen sowie der Aspekt der internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Humanressourcen verstärkt werden. Das Programm Erasmus Mundus sollte als Instrument zur Förderung der Zusammenarbeit mit Drittländern auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Spitzenausbildung ausgebaut werden.

    4.10   Schließlich fordert der EWSA, dass bei der künftigen Überarbeitung der Lissabon-Strategie das wichtige Ziel Zunahme und Qualifikation der Humanressourcen in Wissenschaft und Technik sowie die Gewährleistung einer stetig zu entwickelnden gemeinsamen EU-Politik auf diesem Gebiet gebührend Berücksichtigung finden.

    Brüssel, den 16. Dezember 2009

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Mario SEPI


    (1)  ABl. C 175 vom 28.7.2009, S. 81.

    (2)  Grünbuch „Der Europäische Forschungsraum: Neue Perspektiven“ (KOM(2007) 161 endg.) vom 4. April 2007.

    (3)  Dok. 10003/09 des Rates vom 18. Mai 2009.

    (4)  Siehe den Bericht der Hochrangigen Gruppe zu Humanressourcen für Wissenschaft und Technologie in Europa„Increasing Human Resources for Science and Technology in Europe 2004“, Europäische Gemeinschaften, 2004.

    (5)  Siehe: „Encouraging Student Interest in Science and Technology Studies“, Global Science Forum, OECD 2008, „Mathematics, Science and Technology Education Report, The Case for a European Coordinating Body“, European Roundtable of Industrialists (ERT), August 2009.

    (6)  Stellungnahme des EWSA zur „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat: Europäischer Strategierahmen für die internationale wissenschaftliche und technologische Zusammenarbeit“, Berichterstatter: Gerd Wolf (ABl. C 306 vom 16.12.2009, S. 13).

    (7)  Ein solcher Vorschlag wurde bereits 2004 von der Hochrangigen Gruppe zu Humanressourcen für Wissenschaft und Technologie in Europa unterbreitet (siehe Fußnote 4).


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