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Document 52021AE3918

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Union, des Beschlusses (EU) 2015/1814 über die Einrichtung und Anwendung einer Marktstabilitätsreserve für das System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Union und der Verordnung (EU) 2015/757“ (COM(2021) 551 final — 2021/0211 (COD)) sowie zum „Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung des Beschlusses (EU) 2015/1814 in Bezug auf die Menge der Zertifikate, die bis 2030 in die Marktstabilitätsreserve für das System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Union einzustellen sind“ (COM(2021) 571 final — 2021/0202 (COD))

    EESC 2021/03918

    ABl. C 152 vom 6.4.2022, p. 175–180 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    6.4.2022   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 152/175


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Union, des Beschlusses (EU) 2015/1814 über die Einrichtung und Anwendung einer Marktstabilitätsreserve für das System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Union und der Verordnung (EU) 2015/757“

    (COM(2021) 551 final — 2021/0211 (COD))

    sowie zum „Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung des Beschlusses (EU) 2015/1814 in Bezug auf die Menge der Zertifikate, die bis 2030 in die Marktstabilitätsreserve für das System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Union einzustellen sind“

    (COM(2021) 571 final — 2021/0202 (COD))

    (2022/C 152/29)

    Berichterstatter:

    Stefan BACK

    Befassung

    Europäisches Parlament, 13.9.2021

    Rat, 20.9.2021

    Rechtsgrundlage

    Artikel 192 Absatz 1 und Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

    Zuständige Fachgruppe

    Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umwelt

    Annahme in der Fachgruppe

    25.11.2021

    Verabschiedung im Plenum

    8.12.2021

    Plenartagung Nr.

    565

    Ergebnis der Abstimmung

    (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

    219/3/13

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1.

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt das Bestreben, die CO2-Emissionen schneller und stärker zu senken, um die Ziele des Europäischen Klimagesetzes und des europäischen Grünen Deals zu erreichen. Zudem befürwortet er uneingeschränkt das übergeordnete Ziel, die CO2-Emissionen bis 2030 um 55 % zu senken und die Wirtschaft bis 2050 klimaneutral zu machen.

    1.2.

    Der EWSA unterstützt die vorgeschlagenen Maßnahmen und hält es deshalb für äußerst wichtig, dass die Probleme im Zusammenhang mit dem geplanten Übergang angemessen angegangen und gelöst werden. Dies ist nach Ansicht des EWSA eine grundlegende Voraussetzung für den Erfolg der Maßnahmen.

    1.3.

    Es kommt somit darauf an, dass die potenziell negativen Auswirkungen der vorgeschlagenen Maßnahmen auf die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie und Dienstleister sowohl in CO2-intensiven Branchen als auch im Allgemeinen sehr sorgfältig analysiert und Maßnahmen ergriffen werden, um negative Folgen für die Wirtschaft sowie negative soziale Auswirkungen wie Arbeitslosigkeit, Energiearmut oder Mobilitätsarmut möglichst zu vermeiden.

    1.4.

    Der EWSA nimmt zur Kenntnis, dass die Bereitstellung von Mitteln für Umschulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen sowie für die Abfederung der negativen sozialen Auswirkungen des Vorschlags zum System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Union (EU-EHS) an die Fortschritte gekoppelt wurde, die in Bezug auf noch bei den beiden gesetzgebenden EU-Organen anhängige Vorschläge erzielt werden, darunter auch jener zur Einrichtung eines Klima-Sozialfonds. Der EWSA billigt diese Vorschläge zwar als solche, fragt sich aber nach wie vor, ob die verfügbaren Mittel auch dann ausreichen werden, wenn die Finanzierungsvorschläge ohne wesentliche Änderungen angenommen werden.

    1.5.

    Es muss auch geprüft werden, wie Klimafragen weltweit angegangen werden, wobei es gilt, Unterschiede zu vermeiden, die Nachteile für europäische Unternehmen mit sich bringen könnten. Der EWSA verweist in diesem Zusammenhang u. a. auf seine Stellungnahme zum CO2-Grenzausgleichssystem (CBAM).

    1.6.

    Das hochgesteckte Ziel einer rascheren Senkung der CO2-Emissionen und die geringere Verfügbarkeit von Treibhausgasemissionszertifikaten werden für alle unter das EU-EHS fallende Sektoren höhere Kosten verursachen. Trotz des Schutzes, den das CO2-Grenzausgleichssystems (CBAM) einigen Sektoren bietet, wird dies die globale Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen, wenn sich nicht eine beträchtliche Zahl von Staaten der EU anschließt, die hier eine Vorreiterrolle einnimmt. Dies ist jedoch noch nicht absehbar. Möglicherweise sind Maßnahmen zur Stützung der Exporte erforderlich. Der EWSA weist darauf hin, dass diesbezüglich effiziente und mit dem WTO-Rahmen vereinbare Lösungen gefunden werden müssen, wozu die EU-Kommission unverzüglich politisch aktiv werden sollte. Zudem sind alle bilateralen Handelsabkommen der EU entsprechend zu modifizieren.

    1.7.

    Der EWSA fragt sich auch, ob sich das infolge der EU-EHS-Änderungen höhere Kostenniveau negativ auf den Wirtschaftsaufschwung nach der COVID-19-Krise auswirken könnte.

    1.8.

    Der EWSA weist darauf hin, dass der Seeverkehr zu den Branchen zählt, in denen die Verringerung der CO2-Emissionen bis 2030 besonders schwierig und kostspielig ist, dass die Branche aber dennoch angekündigt hat, bis 2050 klimaneutral zu werden. Ob die jetzt geplante Einbeziehung des Seeverkehrs zu einem generellen Preisanstieg bei Emissionszertifikaten mit Auswirkungen auf alle vom EU-EHS erfassten Sektoren führen könnte, sollte von der EU-Kommission untersucht werden.

    1.9.

    Der EWSA begrüßt grundsätzlich den Vorschlag, das EU-EHS auf Schiffe aus Drittländern sowie auf Fahrten von und zu Häfen in Drittländern auszuweiten, weist jedoch auf die laufenden Arbeiten der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) hin, die auf eine globale Lösung in Bezug auf die Emissionen des Seeverkehrs abzielen, und fordert die EU auf, aktiv auf eine Lösung im Rahmen der IMO hinzuarbeiten.

    1.10.

    Der EWSA weist darauf hin, dass die Lösung für die Ausweitung des EU-EHS auf Gebäude und Straßenverkehr in Form eines Parallelsystems, in dem die Kraftstoffvertreiber als Handelsakteure auftreten, für Gebäudeverwalter, Verkehrsunternehmen und Besitzer von Personenkraftwagen zu vor allem preislichen Konsequenzen führt, da Kraftstoffvertreiber die Handelskosten in den Kraftstoffpreis einfließen lassen können, was erhebliche Folgen für die Haushalte/Verbrauche und die Unternehmen hätte.

    1.11.

    Da in diesem Fall nicht die eigentlichen Akteure der betroffenen Branchen (Straßenverkehr und Gebäudes) dem EU-EHS unterliegen, sondern die Kraftstoffvertreiber, verfügen die betroffenen Akteure nur über sehr begrenzte und vielfach gar keine Möglichkeiten, Einfluss auf ihre Situation zu nehmen. Eingeführt wird lediglich ein Preissignal, das ähnliche Auswirkungen hat wie z. B. eine Steuererhöhung. Der übliche zusätzliche Nutzen des EU-EHS kommt hier daher weitgehend nicht zum Tragen.

    1.12.

    Besonders stark könnte sich die Ausweitung auf den Straßenverkehr auf jene Haushalte auswirken, die aus finanziellen oder anderen Gründen nicht auf Elektroautos oder mit alternativen Kraftstoffen betriebene Fahrzeuge umsteigen können, sowie für den Schwerlast- und insbesondere den Fernverkehr, wo bislang keine echten Alternativen zu fossilen Brennstoffen zur Verfügung stehen.

    1.13.

    In Bezug auf die Ausweitung auf den Straßenverkehr weist der EWSA darauf hin, dass diese Maßnahme trotz der skeptischen Haltung der Privatwirtschaft, der Gewerkschaften und der NGO beschlossen wurde. Deren Standpunkten scheint im Vergleich zu jenen von Privatpersonen und der Wissenschaft und Forschung offenbar nur wenig Bedeutung beigemessen worden zu sein. Gesetzgebung ist ein politischer Prozess mit gesellschaftlichen Auswirkungen, und die umfassende Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Gesellschaft, einschließlich Wirtschaft und Beschäftigung, sollte nach Auffassung des EWSA bei der Entscheidungsfindung ausschlaggebend sein.

    1.14.

    Der EWSA weist darauf hin, dass die EU-Binnenschifffahrt, der Gebäudesektor und der Straßenverkehr weiterhin der Lastenteilungsverordnung unterliegen und die im Rahmen des EU-EHS in diesen Sektoren erzielten Ergebnisse auf die Anstrengungen der Mitgliedstaaten zur Erfüllung der Verpflichtungen aus dieser Verordnung angerechnet werden. Der Verkehrssektor wird ferner durch Emissionsstandards, der Gebäudesektor durch die Energieeffizienzbestimmungen tangiert, beide Bereiche zusätzlich durch die Erneuerbare-Energien-Richtlinie. Der EWSA weist deshalb darauf hin, dass die Kommission und die Mitgliedstaaten die Frage der Schnittstelle zwischen den Systemen reibungslos und transparent angehen müssen.

    1.15.

    Der EWSA begrüßt den Vorschlag zur Anpassung der Mengen sowie zur Verbesserung der Stabilität und Vorhersehbarkeit der Marktstabilitätsreserve. Außerdem begrüßt der EWSA die Schaffung der Marktstabilitätsreserve auch in Bezug auf den Emissionshandel für den Straßenverkehrs- und den Gebäudesektor.

    2.   Hintergrundinformationen

    2.1.

    Die Kommission hat die beiden folgenden Vorschläge zur Aktualisierung und Ausweitung des EU-EHS vorgelegt:

    Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Union, des Beschlusses (EU) 2015/1814 über die Einrichtung und Anwendung einer Marktstabilitätsreserve für das System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Union und der Verordnung (EU) 2015/757 (COM(2021) 551 final — 2021/0211 (COD)) (im Folgenden kurz: EU-EHS-Vorschlag);

    Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung des Beschlusses (EU) 2015/1814 in Bezug auf die Menge der Zertifikate, die bis 2030 in die Marktstabilitätsreserve für das System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Union einzustellen sind (COM(2021) 571 final — 2021/0202 (COD)) (im Folgenden kurz: Vorschlag zur Marktstabilität).

    2.2.

    Die beiden Vorschläge sind Teil des Pakets „Fit für 55“, mit dem der Rechtsrahmen geschaffen werden soll, um das im Klimagesetz festgelegte Ziel zu erreichen, die CO2-Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 auf faire, kosteneffiziente und wettbewerbsorientierte Weise um mindestens 55 % zu senken.

    2.3.

    Dieses Ziel soll durch dreizehn miteinander verbundene Legislativvorschläge erreicht werden, die die Bereiche Preisfestsetzung, Festlegung von Zielen und Standards sowie flankierende Maßnahmen umfassen.

    2.4.

    Die beiden in der vorliegenden Stellungnahme behandelten Vorschläge zielen auf die Schaffung eines leistungsfähigeren EU-EHS sowie auf die Ausweitung des Emissionshandels auf den See- und Straßenverkehr sowie den Gebäudesektor ab. Die Vorschläge zum EU-EHS im Luftverkehr werden in einer gesonderten Stellungnahme behandelt.

    2.5.

    Die Vorschläge stehen im Zusammenhang mit den Vorschlägen für die Überarbeitung der Energiebesteuerungsrichtlinie (1) und dem Vorschlag für ein CO2-Grenzausgleichssystem (CBAM) (2). Relevant ist auch der Vorschlag für eine Verordnung über einen Klima-Sozialfonds (3), mit dem negative soziale Folgen des EU-EHS-Vorschlags abgemildert werden sollen.

    2.6.

    Die Anhebung des Emissionsreduktionsziels von 43 % auf 61 % bis 2030 bedeutet, dass der Ausstoß jährlich nicht mehr wie derzeit um 2,2 %, sondern um 4,2 % gesenkt werden muss. Dies soll durch eine Verringerung der jährlich verfügbaren Zertifikate geschehen. Für die Branchen, die durch das vorgeschlagene CBAM geschützt werden sollen (Zement, Strom, Düngemittel, Eisen und Stahl sowie Aluminium), wird es nach vollständiger Umsetzung des Systems keine kostenlosen Zertifikate mehr geben. Dies gilt auch für den Gebäude- und den Straßenverkehrssektor, in denen nicht von einer drohenden Verlagerung der CO2-Emissionen ausgegangen wird.

    2.7.

    Wegen der geplanten Ausweitung des EU-EHS auf Straßenverkehr und Gebäude stehen die beiden Vorschläge auch im Zusammenhang mit dem Vorschlag für eine aktualisierte Lastenteilungsverordnung (4).

    3.   Allgemeine Bemerkungen

    Der EU-EHS-Vorschlag im Allgemeinen

    3.1.

    Der EWSA begrüßt das Bestreben, die CO2-Emissionen schneller und stärker zu senken, um die Ziele des Europäischen Klimagesetzes und des europäischen Grünen Deals zu erreichen. Der EWSA befürwortet zudem uneingeschränkt das übergeordnete Ziel, die CO2-Emissionen bis 2030 um 55 % zu senken und die Wirtschaft bis 2050 klimaneutral zu machen. Ferner spricht sich der EWSA grundsätzlich für die Anwendung des Verursacherprinzips aus. Wie auch der jüngste Bericht des Weltklimarats (IPCC) zeigt, sind unverzüglich entschlossene Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels erforderlich.

    3.2.

    Es kommt somit darauf an, dass die potenziell negativen Auswirkungen der vorgeschlagenen Maßnahmen auf die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie und Dienstleister sowohl in CO2-intensiven Branchen als auch im Allgemeinen sehr sorgfältig analysiert und Maßnahmen ergriffen werden, um negative Folgen für die Wirtschaft sowie negative soziale Auswirkungen wie Arbeitslosigkeit, Energiearmut oder Mobilitätsarmut möglichst zu vermeiden.

    3.3.

    So muss auch geprüft werden, wie Klimafragen weltweit angegangen werden, wobei es gilt, Unterschiede zu vermeiden, die Nachteile für europäische Unternehmen mit sich bringen und/oder soziale Probleme wie Energie- oder Mobilitätsarmut verursachen können. Der EWSA bedauert, dass diesen Problemen offenbar zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde und die vorgeschlagenen Lösungen wohl nicht gänzlich ausreichen werden.

    3.4.

    In Bezug auf die sozialen Auswirkungen wird ganz eindeutig Bedarf an Umschulung und Weiterqualifizierung bestehen, um die Arbeitskräfte in die Lage zu versetzen, sich anzupassen und den neuen Qualifikationsanforderungen gerecht zu werden. Darüber hinaus dürften die Auswirkungen auf die Haushalte wie höhere Strom- und Mobilitätskosten zu Energie- und Mobilitätsarmut führen, wobei Letztere in entlegenen und dünn besiedelten Regionen wohl besonders verbreitet wäre. Es ist geplant, diese Probleme durch verschiedene Abhilfemaßnahmen zu lösen, die weitgehend aus EHS-Einnahmen finanziert werden sollen, darunter auch aus den für die Mitgliedstaaten und zur Finanzierung des vorgeschlagenen Sozialfonds bestimmten Einnahmen. Der EWSA weist darauf hin, dass die Verfügbarkeit von Mitteln zur Lösung dieser Probleme somit davon abhängen wird, ob bei den noch bei den gesetzgebenden EU-Organen anhängigen Vorschlägen Fortschritte erzielt werden. Der EWSA ist der Auffassung, dass die Bewältigung dieser Probleme auf Dauer erhebliche Kosten verursachen wird. Der EWSA fragt sich deshalb angesichts der Zahl der Beteiligten und der für den geplanten Übergang benötigten Zeit zudem, ob die verfügbaren Mittel ausreichen werden, selbst wenn die Finanzierungsvorschläge ohne wesentliche Änderungen angenommen werden.

    3.5.

    Das hochgesteckte Ziel einer rascheren Senkung der CO2-Emissionen und die geringere Verfügbarkeit von Treibhausgasemissionszertifikaten werden zwar Vorteile für die Umwelt mit sich bringen, jedoch auch für alle unter das EU-EHS fallende Sektoren höhere Kosten verursachen. Die Kosteneffekte werden zwar durch die Verfügbarkeit kostenloser Zertifikate und für einige Sektoren durch das CBAM verringert, allerdings gelten diese Maßnahmen nicht für alle Sektoren, die Energie in verschiedenen Prozessen nutzen und auf dem Binnenmarkt mit Drittländern konkurrieren. Zudem schützen sie die EU-Unternehmen nicht vor Wettbewerbsnachteilen auf Auslandsmärkten, die sich aus dem Anstieg der Kosten ergeben.

    3.6.

    Nach Auffassung des EWSA ist überdies nicht absehbar, ob emissionsfreie Produkte attraktiv genug sein werden, um die vom EU-EHS verursachte Kostendifferenz auszugleichen, oder ob auf den Weltmärkten künftig flächendeckend Maßnahmen mit Kosteneffekten eingeführt werden, die jenen des EU-EHS entsprechen. Andernfalls könnte dies zu einem Problem für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen auf den Weltmärkten werden.

    Dies wirft die Frage auf, ob für den Export in Drittländer bestimmte Produkte und Dienstleistungen vom EU-EHS ausgenommen werden oder ob andere Unterstützungsmaßnahmen in Betracht gezogen werden sollten. Es darf bezweifelt werden, ob die Innovationsförderung, die die einzige mit dem WTO-Rahmen vereinbare Unterstützungsmaßnahme zu sein scheint, ausreicht, um ein mögliches Wettbewerbsproblem zu lösen.

    3.7.

    Eine weitere Frage ist, ob sich das infolge der EU-EHS-Änderungen höhere Kostenniveau negativ auf den Wirtschaftsaufschwung nach der COVID-19-Krise auswirken könnte. Der EWSA hegt Zweifel, dass dieses Risiko ausreichend berücksichtigt wurde.

    3.8.

    Der EWSA begrüßt, dass im EU-EHS-Vorschlag vorgesehen ist, die Einnahmen aus dem EHS auf verschiedene Weise (über die Eigenmittel der Kommission oder gemäß den Bestimmungen über die Verwendung der Einnahmen durch die Mitgliedstaaten) zur Förderung der Nachhaltigkeit sowie zum Ausgleich der sozialen Auswirkungen der Umstellung auf eine CO2-neutrale Gesellschaft zu verwenden.

    3.9.

    Der EWSA betont, dass die vorstehenden Bemerkungen nicht die dringende Notwendigkeit von Maßnahmen zur Eindämmung der negativen Klimaauswirkungen von Emissionen in Frage stellen, sondern dafür sensibilisieren sollen, dass negative Auswirkungen sowohl auf die Gesellschaft als auch auf die Wettbewerbsfähigkeit drohen, wenn Fragen wie die oben genannten nicht angegangen und gelöst werden.

    Einbeziehung des Seeverkehrs

    3.10.

    Der EWSA begrüßt, dass alle in EU-Häfen ankommenden oder von dort auslaufenden Schiffe denselben Vorschriften unterliegen. Dennoch wird das Kostenniveau für auch sonst unter das EU-EHS fallende EU-Schiffseigner oder EU-Schiffsbetreiber höher sein als für Wettbewerber aus Drittstaaten, die zudem ihre Kosten teils durch Sozialdumping reduzieren. Die EU darf die Auswirkungen der eingeschränkten Wettbewerbsfähigkeit der Schifffahrt in der EU nicht ignorieren.

    3.11.

    Es sollte auch bedacht werden, dass der Seeverkehr zu den Branchen zählt, in denen die Verringerung der CO2-Emissionen besonders schwierig und kostspielig ist, und dass seine Einbeziehung deshalb zu einem generellen Preisanstieg bei Emissionszertifikaten führen könnte, der sich auf die Wettbewerbsfähigkeit der vom EU-EHS erfassten Sektoren im Allgemeinen auswirkt.

    3.12.

    Gemäß dem EU-EHS-Vorschlag ist der Handel im Seeverkehr im Einklang mit der Verordnung (EU) 2015/757 des Europäischen Parlaments und des Rates (5) über die Überwachung von Kohlendioxidemissionen aus dem Seeverkehr, die Berichterstattung darüber und die Prüfung dieser Emissionen auf Schiffe mit einer Bruttoraumzahl von über 5 000 Bruttoregistertonnen (BRT) beschränkt. Dies könnte die unerwünschte Auswirkung haben, dass im Schiffsneubau vermehrt Schiffe unter 5 000 BRT gebaut werden bzw. beim Schiffsumbau die Bruttoraumzahl der Schiffe unter die Obergrenze von 5 000 BRT gesenkt wird. Eine vernünftige Lösung bestünde darin, die Obergrenze erheblich zu senken und das EU-EHS z. B. auf Schiffe über 400 BRT anzuwenden. Eine weitere Lösung könnte darin bestehen, die Überwachungspflicht entsprechend anzupassen.

    3.13.

    Der EWSA begrüßt zwar grundsätzlich den Vorschlag, das EU-EHS auf Schiffe aus Drittländern sowie auf Fahrten von und zu Häfen in Drittländern auszuweiten, weist jedoch auf die laufenden Arbeiten der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) hin, die auf eine globale Lösung in Bezug auf die Emissionen des Seeverkehrs abzielen, und fordert die EU auf, aktiv auf eine Lösung im Rahmen der IMO hinzuarbeiten.

    Berücksichtigung des Gebäude- und des Straßenverkehrssektors in einem parallelen System

    3.14.

    Die gewählte Lösung in Form eines Parallelsystems, in dem die Kraftstoffvertreiber als maßgebliche Handelsakteure auftreten, führt für Gebäudeverwalter, Verkehrsunternehmen und Besitzer von Personenkraftwagen zu vor allem preislichen Konsequenzen, da Kraftstoffvertreiber die Handelskosten in den Kraftstoffpreis einfließen lassen können. Daraus können sich erhebliche Auswirkungen sowohl für Haushalte/Verbraucher als auch für Unternehmen ergeben.

    3.15.

    In Bezug auf die Ausweitung auf den Straßenverkehr weist der EWSA darauf hin, dass diese Maßnahme trotz der skeptischen Haltung der Privatwirtschaft, der Gewerkschaften und der NGO beschlossen wurde. Deren Standpunkten scheint im Vergleich zu jenen von Privatpersonen und der Wissenschaft und Forschung offenbar nur wenig Bedeutung beigemessen worden zu sein. Gesetzgebung ist ein politischer Prozess mit gesellschaftlichen Auswirkungen, und die umfassende Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Gesellschaft, einschließlich Wirtschaft und Beschäftigung, sollte nach Auffassung des EWSA bei der Entscheidungsfindung ausschlaggebend sein.

    3.16.

    Besonders stark könnten die Auswirkungen auf jene Haushalte ausfallen, die aus finanziellen oder anderen Gründen nicht auf Elektroautos oder mit alternativen Kraftstoffen betriebene Fahrzeuge umsteigen können, sowie für den Schwerlast- und insbesondere den Fernverkehr, wo bislang keine echten Alternativen zu fossilen Brennstoffen zur Verfügung stehen.

    3.17.

    Angesichts der gestiegenen Nachfrage sowie insbesondere mit Blick auf die strengen Rechtsvorschriften für erneuerbare Kraftstoffe, die deren Verfügbarkeit einschränken und höhere Kosten verursachen, dürften auch die Preise für alternative Kraftstoffe steigen.

    3.18.

    Ein wesentliches Merkmal und ein entscheidender zusätzlicher Nutzen des EU-EHS dürfte wohl darin bestehen, dass es den Akteuren der betreffenden Branchen Anreize bietet, die von ihm verursachten Belastungen aktiv durch Verhaltensänderung oder Weiterentwicklung zu verringern. Da in diesem Fall nicht die eigentlichen Akteure der betroffenen Branchen (Straßenverkehr und Gebäudes) dem EU-EHS unterliegen, sondern die Kraftstoffvertreiber, verfügen die betroffenen Akteure nur über sehr begrenzte und vielfach gar keine Möglichkeiten, Einfluss auf ihre Situation zu nehmen. Eingeführt wird lediglich ein Preissignal, das ähnliche Auswirkungen hat wie z. B. eine Steuererhöhung. Der übliche zusätzliche Nutzen des EU-EHS kommt hier daher weitgehend nicht zum Tragen.

    Schnittstelle zwischen dem EU-EHS für den Seeverkehr, den Gebäudesektor und den Straßenverkehr und der Lastenteilungsverordnung (EU) 2018/842 des Europäischen Parlaments und des Rates (6)

    3.19.

    Der EWSA nimmt zur Kenntnis, dass die EU-Binnensschifffahrt, der Gebäudesektor und der Straßenverkehr weiterhin der Lastenteilungsverordnung unterliegen und dass diese Sektoren auch durch andere neue Vorschriften, die im Paket „Fit für 55“ geschnürt werden, betroffen sein werden, u. a. durch die Vorschläge für eine Energieeffizienzrichtlinie (7), die Erneuerbare-Energien-Richtlinie (8) oder die Emissionsvorschriften für Kraftfahrzeuge. Dies dürfte so zu verstehen sein, dass die im Rahmen des EU-EHS für diese Sektoren erzielten Emissionswerte auf die Bemühungen der Mitgliedstaaten zur Erfüllung der Verpflichtungen aus der Lastenteilungsverordnung angerechnet werden. Außerdem dürfte dies bedeuten, dass die Mitgliedstaaten weiterhin befugt sind, diesen Sektoren als Beitrag zur Erreichung ihrer Verpflichtungen aus der Lastenteilungsverordnung zusätzliche Verpflichtungen aufzuerlegen, gleichzeitig aber auch die Bestimmungen der Lastenteilungsverordnung über Flexibilität und Fairness gelten. Der EWSA weist daher darauf hin, dass die Kommission und die Mitgliedstaaten die Frage der Schnittstelle zwischen den verschiedenen Systemen reibungslos und transparent angehen müssen.

    Der Vorschlag zur Marktstabilität

    3.20.

    Der EWSA nimmt zur Kenntnis, dass die Berechnung der Gesamtmenge der Zertifikate angepasst wird, damit die Marktstabilitätsreserve auch für den Luft- und Seeverkehr genutzt werden kann, und dass die sogenannte Einstellungsrate geändert wird, um durch die Schaffung der als Puffer dienenden Marktstabilitätsreserve eine Flexibilitätskomponente einzuführen.

    3.21.

    Außerdem begrüßt der EWSA die Schaffung der Marktstabilitätsreserve auch in Bezug auf den Emissionshandel für den Straßenverkehrs- und den Gebäudesektor.

    3.22.

    Der EWSA begrüßt die Änderungen des Beschlusses (EU) 2015/1814 des Europäischen Parlaments und des Rates (9) über die Marktstabilitätsreserve sowie die erklärte Absicht, den Bedürfnissen des Luft- und Seeverkehrs sowie des Gebäude- und des Straßenverkehrssektors Rechnung zu tragen. Ferner begrüßt der EWSA das Ziel, die Vorhersehbarkeit und Stabilität in Bezug auf die Verfügbarkeit von Zertifikaten zu verbessern. Positiv bewertet der EWSA zudem, dass in dem Vorschlag vorgesehen ist, die Verdopplung der Prozentsätze und Zertifikate zu verlängern, damit eine ausreichende Anzahl von Zertifikaten in die Marktstabilitätsreserve eingestellt werden kann.

    Brüssel, den 8. Dezember 2021

    Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Christa SCHWENG


    (1)  https://eur-lex.europa.eu/legal-content/de/TXT/?uri=CELEX%3A52021PC0563.

    (2)  https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A52021PC0564&qid=1634050477623.

    (3)  https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=celex:52021PC0568.

    (4)  https://ec.europa.eu/info/sites/default/files/proposal-amendment-effort-sharing-regulation-with-annexes_en.pdf.

    (5)  Verordnung (EU) 2015/757 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2015 über die Überwachung von Kohlendioxidemissionen aus dem Seeverkehr, die Berichterstattung darüber und die Prüfung dieser Emissionen und zur Änderung der Richtlinie 2009/16/EG (ABl. L 123 vom 19.5.2015, S. 55).

    (6)  Verordnung (EU) 2018/842 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 zur Festlegung verbindlicher nationaler Jahresziele für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Zeitraum 2021 bis 2030 als Beitrag zu Klimaschutzmaßnahmen zwecks Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Übereinkommen von Paris sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 525/2013 (ABl. L 156 vom 19.6.2018, S. 26).

    (7)  COM(2021) 558 final.

    (8)  COM(2021) 557 final.

    (9)  Beschluss (EU) 2015/1814 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Oktober 2015 über die Einrichtung und Anwendung einer Marktstabilitätsreserve für das System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Union und zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG (ABl. L 264 vom 9.10.2015, S. 1).


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