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Document 52012IE1374

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Für eine aktualisierte Analyse der Kosten des Nicht-Europa“ (Initiativstellungnahme)

    ABl. C 351 vom 15.11.2012, p. 36–41 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    15.11.2012   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 351/36


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Für eine aktualisierte Analyse der Kosten des Nicht-Europa“ (Initiativstellungnahme)

    2012/C 351/08

    Berichterstatter: Georgios DASSIS

    Mitberichterstatter: Luca JAHIER

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 14. Juli 2011, gemäß Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

    Für eine aktualisierte Analyse der Kosten des Nicht-Europa

    (Initiativstellungnahme).

    Der mit den Vorarbeiten beauftragte Unterausschuss "Kosten des Nicht-Europa" nahm seine Stellungnahme am 19. Juni 2012 an.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 483. Plenartagung am 18./19. September 2012 (Sitzung vom 18. September) mit 154 gegen 5 Stimmen bei 7 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Zusammenfassung

    1.1

    Nahezu ein Vierteljahrhundert nach der Veröffentlichung des Cecchini-Berichts 1988 wird die Frage nach den "Kosten des Nicht-Europa" wieder aufgeworfen. Diese berechtigte und interessante Frage kann der Ausgangspunkt einer Debatte darüber sein, wie es mit der europäischen Integration weitergehen soll. Während dieses Thema im Cecchini-Bericht ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des Binnenmarkts angegangen wurde, ist es heute unumgänglich, weit darüber hinauszugehen und über die Kosten einer Nichtvollendung der wirtschaftlichen und politischen Union in Europa zu diskutieren. Diese Kosten sind bereits jetzt äußerst hoch und könnten noch steigen, wenn nichts unternommen wird.

    1.2

    Vor dem Hintergrund dessen, dass die einzelnen Mitgliedstaaten – unter dem Druck der Finanzmärkte, aber auch neuer verbindlicher institutioneller Regeln – gezwungen sein werden, ihre Entschuldungsbemühungen zu verstärken, stellt sich das Problem in aller Schärfe. Wie sollen sie dies bewerkstelligen, ohne das Wachstum zu opfern, das die Finanzmärkte im Übrigen fordern? Die richtige Vorgehensweise, um eine endlose Abwärtsspirale zu verhindern und einen bedeutenden Teil der Bevölkerung Europas nicht zu Armut und Elend zu verdammen, wären die Vergemeinschaftung eines gewissen Teils der Ausgaben auf europäischer Ebene und eine ehrgeizigere europäische Politik. Dies würde es der Union ermöglichen, einen positiven Kreislauf des Wachstums einzuleiten, sich eine starke wirtschaftliche, industrielle und technologische Identität in dem globalisierten Umfeld zu schaffen und unser Sozialmodell zu wahren, das in großem Maße dazu beigetragen hat, Europa zu dem zu machen, was es heute ist.

    1.3

    Die in dieser Stellungnahme vorgeschlagene Herangehensweise an die Frage der Kosten des Nicht-Europa weist sicher einige methodisch-technische Nachteile auf, doch besteht ihr hauptsächlicher Vorteil darin, dass Argumente zur Bewältigung der aktuellen Krise und Vollendung der wirtschaftlichen und politischen Union in Europa vorgebracht werden, die rational schwer anfechtbar sind. Im Grunde genommen geht es darum, mit schlüssigen Argumenten die Öffentlichkeit zu überzeugen, dass die Probleme dadurch zu lösen sind, dass der Subsidiaritätszeiger auf mehr Europa und auf ein besseres Europa gestellt wird, während gewisse politische Kräfte versuchen, Europa zum Sündenbock zu machen.

    1.4

    In dieser Hinsicht enthält die Europa-2020-Strategie sehr interessante Elemente. Ihr Ziel, insbesondere mit Hilfe gemeinsamer politischer Maßnahmen und Vorgaben sowie einer verstärkten Abstimmung unter den Mitgliedstaaten auf allen Ebenen und in den Bereichen, in denen ein europäisches Vorgehen inexistent oder rudimentär ist, eine wahrhaftige Konvergenz zu fördern, ist zu begrüßen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob diese Strategie ausreicht, um die große Aufgabe zu bewältigen, eine echte wirtschaftliche und politische Union zu schmieden, mit der sich die Stellung Europas im globalisierten Umfeld stärken lässt, und ob ihr in ihrer jetzigen Form ein besseres Schicksal beschieden sein wird als der Lissabon-Strategie.

    1.5

    Es erscheint dem Ausschuss notwendig, noch weiter zu gehen und sich an den geplanten halbjährlichen Debatten der Staats- und Regierungschefs der 17 Euro-Länder und der 27 EU-Mitgliedstaaten zu beteiligen und die Staats- und Regierungschefs und die Öffentlichkeit zu der Einsicht zu bringen, dass eine kopernikanische Revolution im Verhältnis zwischen den Staaten, der EU und der Welt herbeigeführt werden muss. Sich zu überlegen, welche Kosten ein "Nicht-Europa" uns heute und in Zukunft beschert, ist eine sehr gute Art, darauf hinzuarbeiten. Durch den Nachweis der wirtschaftlichen, politischen und strategischen Vorteile muss den Euroskeptikern widersprochen und die Öffentlichkeit als Zeuge gewonnen werden: Europa ist nicht das Problem, sondern Europa muss die Lösung sein.

    1.6

    Ein solcher Ansatz birgt den Vorteil, die Kosten zu senken, die Ausgaben zu optimieren und mehr Chancen zu schaffen, um angemessen auf die aktuellen Herausforderungen reagieren zu können und einen für alle günstigen Ausstieg nach oben zu finden.

    1.7

    Angesichts dessen müssen die Kosten des Nicht-Europa in einer deutlich breiter angelegten Analyse untersucht werden, als dies im Rahmen der von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebenen "Studie über die Kosten des Nicht-Europa: die unausgeschöpften Potenziale des europäischen Binnenmarkts" vorgeschlagen wird. Wir brauchen nicht noch eine x-te Studie (so gut sie auch sein mag), die in unseren Bücherregalen verstaubt und von Zeit zu Zeit von einigen hochspezialisierten Kennern hervorgezogen wird.

    1.8

    Der EWSA fordert dementsprechend die Kommission auf, in einem ersten Schritt eine möglichst genaue Schätzung sämtlicher in dieser Stellungnahme angesprochenen Kosten des Nicht-Europa und ihrer Wirkung auf die Beschäftigung und das Wachstum vorzunehmen. Er schlägt vor, in einem zweiten Schritt in die Europa-2020-Strategie konkret bezifferte Ziele für die Senkung dieser Kosten mit einem klaren Aktionsplan und einer systematischen Bewertung der bei dessen Umsetzung erzielten Fortschritte aufzunehmen.

    2.   Allgemeine Bemerkungen

    2.1

    Die Frage der Kosten des Nicht-Europa wurde vom EWSA in den letzten Jahren in mehreren Stellungnahmen unter verschiedenen Blickwinkeln aufgeworfen (1). Ende 2010 wurde die Debatte über ein Nicht-Europa vom Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission wieder angefacht. Letztere hat ferner eine ambitionierte Studie in Auftrag gegeben, um die Arbeiten des Cecchini-Berichts zu aktualisieren (2)  (3).

    2.2

    Die Kommission und das Europäische Parlament ließen sich offenbar bei der Wahl der Methode und des Gegenstands stark von den Vorbereitungen der Binnenmarktakte II leiten, obgleich sie in ihren Mitteilungen auch die Notwendigkeit hervorhoben, das Thema genau einzugrenzen und sich auf "wissenschaftliche Erkenntnisse" (4) zu stützen, die ein solches Vorgehen bieten würde. Mit den relativ komplexen Modellbetrachtungen des Cecchini-Berichts war damals ein Zugewinn von zwischen 4,5 % und 7 % des gemeinschaftlichen BIP (der damals 12 Mitgliedstaaten) und eine voraussichtliche Schaffung von 2 bis 5 Mio. neuen Arbeitsplätzen in der EU errechnet worden. Diese Schätzungen stützten sich jedoch auf einen methodischen Ansatz und zugrundegelegte Annahmen, die nicht über eventuelle Kritik oder Anfechtung erhaben sind. Des Weiteren wurde aus diesen Untersuchungsergebnissen trotz ihrer Aussagekraft unseres Wissens nie eine fundierte Bilanz gezogen, aufgrund derer ihre Richtigkeit nachträglich hätte bestätigt werden können (5).

    2.3

    Der EWSA begrüßt, dass dieses Thema erneut in den Brennpunkt rückt, selbst wenn dies erstaunlicherweise erst nahezu ein Vierteljahrhundert nach der Veröffentlichung des Cecchini-Berichts geschieht. Doch ist die Herangehensweise an das Thema, d.h. das Übernehmen derselben Methode und die erneute Bezifferung der potenziellen wirtschaftlichen Auswirkung einer Beseitigung der Handelshemmnisse innerhalb des Binnenmarkts ein Ansatz, der aus zwei komplementären Gründen bestenfalls einengend und schlimmstenfalls einfach unangemessen erscheint.

    2.4

    Der erste Grund ist die Gefahr, in einer rein technischen (um nicht zu sagen technokratischen) Debatte über die Kosten des Nicht-Europa hängenzubleiben, obwohl – ungeachtet der äußerst komplexen Instrumente, die eingesetzt werden könnten – die technische Seite in den Sozialwissenschaften häufig nur ein äußerer Anschein ist.

    2.5

    Der zweite, noch gewichtigere Grund besteht darin, dass die heutige Epoche eine völlig andere ist. 1988 stand im Wesentlichen der Stand der Verwirklichung des gemeinsamen Markts, der in "Binnenmarkt" umbenannt wurde, im Mittelpunkt der Debatte. Insofern war der Cecchini-Bericht wirklich nützlich, denn in ihm wurden durchaus die Hindernisse und Verzögerungen in diesem Bereich angeprangert und quantifiziert. Dadurch hat er die Rechtfertigung für ein Konjunkturprogramm geliefert und eine positive Dynamik gefördert, die insbesondere im Delors-Programm und seinem Ziel für 1992 resultierte.

    2.6

    2012 bildet nicht mehr der Entwicklungsstand des Binnenmarkts den Kern des Problems. Nicht nur wurden beim Aufbau des europäischen Binnenmarkts im vergangenen Vierteljahrhundert große Fortschritte gemacht, sondern es hat sich vor allem der Kontext erheblich gewandelt, mit mindestens fünf neuen Merkmalen im Vergleich zur Situation Ende der 80er Jahre: 1) einer deutlich fortgeschrittene Globalisierung und dem Eintritt von Schwellenländern wie Brasilien, Indien und vor allem China in den Weltmarkt, wohingegen Europa in den 80er Jahren vor allem mit Industrieländern konkurrierte; 2) einer EU mit 27 Mitgliedstaaten, deren Entwicklungsniveau, Wirtschaftsstrukturen und gesellschaftliche Systeme heterogener sind, als es in den 80er Jahren der Fall war; 3) einer deutlich vertieften europäischen Integration mit neuen Kernelementen wie dem Euro und der EZB; 4) einer Wirtschaftskrise, wie sie die Welt seit den 30er Jahren nicht erlebt hat und welche in Form der Staatsschuldenkrise weiterhin andauert und schließlich 5) der zwingenden Notwendigkeit einer Entschuldung der EU-Mitgliedstaaten in den kommenden Jahren.

    2.7

    Ausgehend von diesen Überlegungen wird vorgeschlagen, die Frage nach den Kosten des Nicht-Europa auf eine ganz andere Weise zu stellen. Die Handicaps, unter denen die EU heute leidet, betreffen weniger die Verzögerungen in der Errichtung des Binnenmarktes (der im Übrigen sowohl den Konkurrenten Europas als auch den Europäern selbst zugutekommt). Sie beruhen vor allem auf der Schwierigkeit, eine starke wirtschaftliche, industrielle und technologische Identität für Europa in einer globalisierten Welt zu schaffen, die multipolar geworden ist, was einen stetig schärfer werdenden Wettbewerb, insbesondere durch die sogenannten Schwellenländer, mit sich bringt, und dies inmitten einer systemischen Krise ungekannten Ausmaßes.

    2.8

    Daher müssen sich die Überlegungen auf die Gesamtheit der "Kosten des Nicht-Europa" richten, welche aus der Unvollendetheit der europäischen Einigung resultieren. Diese Kosten stehen in keinem Verhältnis zu denen, die durch bis heute fortbestehende eventuelle Hemmnisse im innergemeinschaftlichen Handel entstehen könnten. Der EWSA ist sich der Schwierigkeiten bewusst, die eine so breit angelegte und grundsätzlich politische Herangehensweise aufwerfen kann, aber sie ist die einzige, die in unserer aktuellen Lage einen Sinn hat (6).

    3.   Die Errungenschaften Europas

    3.1

    Vor 60 Jahren wurde dank der Gründung der ersten Europäischen Gemeinschaft, der EGKS, die Hoffnung der Europäer auf ein Leben in Frieden Wirklichkeit. Bis 1992 schritt die Integration langsam, aber stetig voran. Im Laufe der letzten zwanzig Jahre war die Erweiterung der Union auf 27 Mitgliedstaaten zwar ein unbestreitbar bedeutsamer Fortschritt, allerdings auch der einzige wirklich abgeschlossene Fortschritt. Die bereits zu Beginn der 80er Jahre angekündigte Vertiefung der Union wurde dabei vergessen. Die gemeinsame Währung, der Binnenmarkt und die Kohäsionspolitik oder auch die GAP sind zwar sicher wichtige Errungenschaften, aber sie sind unvollständig und reichen vor allem nicht aus, um eine echte Union zu schaffen.

    3.2

    Über den Gegenstand der Debatte hinaus muss natürlich auch eine begriffliche Debatte geführt werden. Was bedeutet "Kosten"? Was bedeutet "Nicht-Europa"? Und was beinhaltet das "Nicht"? Grundsätzlich kann man unter Europa oder Nicht-Europa alles Mögliche verstehen. Es ist objektiv schwer, die betreffenden Instrumente/Maßnahmen/öffentlichen Güter zu bestimmen, ihre Wirkung einzugrenzen, zu ermitteln, auf welcher Ebene (europäischer/nationaler/ lokaler) sie am wirksamsten wären, zu entscheiden, wie die Kosten/Vorteile ausgedrückt oder aber auf welchen Zeitraum hin sie analysiert werden sollten (und damit sind noch gar nicht alle Schwierigkeiten genannt). Angesichts dessen ist es kein leichtes Unterfangen, sich auf einen strengen methodischen Ansatz zu einigen und über allgemeine, konsensfähige Aussagen hinauszugehen. Die Mitteilung des Europäischen Parlaments zu den methodischen Aspekten enthält wertvolle Erläuterungen zu dieser Frage und zeigt deren außergewöhnliche Komplexität sehr gut auf.

    3.3

    Unabhängig vom gewählten Ansatz kann selbst mit den am breitesten gefassten Begriffsbestimmungen ein Teil der grundlegenden öffentlichen Güter (wie der Friede oder die Freizügigkeit der Unionsbürger), die die europäische Integration seit einem guten halben Jahrhundert sichert, nicht in die Debatte einbezogen werden.

    3.4

    Ohne den Versuch unternehmen zu wollen, ihren Beitrag zum Wohl der EU-Bürger zu beziffern oder Spekulationen über einen anderen Verlauf der Geschichte anzustellen (was wäre passiert, wenn sich die europäische Integration nicht in ihrer aktuellen Form vollzogen hätte?), ist es dennoch sinnvoll, – nun, da Überlegungen über die "Kosten Europas" immer mehr in Mode kommen –, darauf hinzuweisen, dass die Geschichte unseres Kontinents nicht immer so verlaufen ist, wie wir sie seit 1945 kennen. Friede, Wohlstand, die (in der EU-Charta verankerten (7) Grundrechte, die Freizügigkeit der Personen und der freie Warenverkehr, die Möglichkeit, über die Grenzen hinweg dieselbe Währung benutzen zu können, die Preisstabilität und andere Vorteile, die Teil unseres Alltags sind, sind heute für viele Europäer (vor allem die junge Generation) absolute Normalität, eine Art Naturzustand: Kontrollen an der deutsch-französischen Grenze würden als lästige Absonderlichkeit betrachtet, während das Schreckgespenst eines Krieges zwischen europäischen Ländern als schlechter Witz gälte. Es lässt sich natürlich nur schwer oder überhaupt nicht mit Sicherheit sagen, wie die heutige Lage wäre, wenn Europa ein rein nationalstaatliches Gebilde geblieben wäre. Dennoch scheint die Behauptung, dass das europäische Aufbauwerk zumindest das Entstehen dieser öffentlichen Güter erleichtert und dafür gesorgt hat, dass sie allen derart selbstverständlich und natürlich erscheinen, nicht unangemessen.

    3.5

    Bedeutet dies, dass sie ewig weiterbestehen werden? Dies ist nicht sicher. Die Möglichkeit eines Bruderkrieges wäre einem Jugoslawen in den 80er Jahren genauso absurd und unwahrscheinlich vorgekommen, was allerdings nicht die äußerst blutigen Kriege nach dem Auseinanderbrechen des Landes verhindern konnte. Die übrigen, über Jahrzehnte erzielten Errungenschaften können wieder abgeschafft werden: Die Wiedereinführung der Grenzkontrollen oder das Infragestellen der Euro-Zone sind Perspektiven, die nunmehr hier und da heraufbeschworen werden, sowohl von Kommentatoren als auch von euroskeptischen und/oder populistischen Parteien, aber auch – immer häufiger – von traditionellen politischen Bewegungen.

    3.6

    Ohne mit dem Schlimmsten rechnen zu wollen: An der Frage über die Kosten eines "Nicht-Europa" wird man nicht vorbeikommen, falls bestimmte Kernelemente, wie die Gemeinschaftswährung, ganz oder teilweise zerschlagen werden. Eine kürzlich durchgeführte Studie der Bank UBS (8), so kritikwürdig ihre Methodik an vielen Stellen auch sein mag, ergab, dass sich die Kosten eines Ausstiegs aus dem Euro bei einem "schwachen" Land allein im ersten Jahr auf 40-50 % des BIP belaufen würden. Selbst im Falle des Ausstiegs eines "starken" Landes (beispielsweise Deutschlands) würden die Kosten im ersten Jahr 20-25 % des BIP, also 6 000 bis 8 000 EUR pro Einwohner ausmachen. Selbstverständlich sind in diesen Untersuchungen die destabilisierenden Auswirkungen auf politischer Ebene, etwaige Währungskämpfe mit kaskadenartigen Abwertungen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, das Wiederaufkommen von nationalem Protektionismus und die potenziell katastrophale Wirkung auf die Erwartungen der Wirtschaftsakteure nicht miteingerechnet. Diese Phänomene könnten Europa in eine jahrelange Rezession stürzen. Niemand kann die Folgen solcher Ereignisse vorhersehen, aber es ist mit bedeutenden Bewegungen einer geopolitischen Neuordnung zu rechnen, die zu neuen Allianzen führen würden, die auf Europa als politischem und wirtschaftlich geeintem Block destabilisierend wirken könnten.

    4.   Keine Europäische Union ohne eine echte Wirtschaftsunion

    4.1

    Im Gegensatz zu den demagogischen Vorstellungen, die in zahlreichen Ländern der EU von gewissen politischen Strömungen insbesondere seit dem Ausbruch der Krise von 2008/2009 mit ihren seitherigen vielfältigen Erscheinungsformen verbreitet werden, sind die derzeitigen wirtschaftlichen Probleme nicht auf "Exzesse der Brüsseler Eurokraten" zurückzuführen, sondern darauf, dass die europäische Integration grundsätzlich noch nicht vollendet ist. Das erklärte Ziel, eine Währungs- und Wirtschafts union zu schaffen, wurde in Wirklichkeit nie erreicht. Das schuldhafte Desinteresse der Mitgliedstaaten und der EU-Institutionen, die ständig die für eine echte Wirtschaftsintegration erforderlichen Arbeiten aufschieben, aber auch die für eine legitime und demokratische Beschlussfassung in den Mitgliedstaaten unerlässlichen Prozesse (von denen einige auf großes Echo in den Medien stießen) haben schließlich – aufgrund eines unglaublich heftigen asymmetrischen externen Schocks – eine Spirale des Misstrauens der Märkte nach sich gezogen. Für diese Situation zahlen sämtliche EU-Mitgliedstaaten einen immer höheren Preis im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit, das Wachstum, die Beschäftigung, den sozialen Zusammenhalt und sogar die demokratische Legitimität auf europäischer Ebene.

    4.2

    Die Grenzen der Schaffung einer Währungsunion ohne echte Wirtschaftsunion sind offenbar geworden, denn sie hat am Ende nicht zu Konvergenz, sondern zu Divergenz geführt. Europa hat in historischer Hinsicht heute keine Zeit mehr, abzuwarten, bis sich die Dinge in einer fernen Zukunft auf natürliche Weise von selbst ergeben. Es bestehen nur zwei Möglichkeiten: Entweder müssen rasch Fortschritte erzielt werden, um für die Vollendung einer echten europäischen Wirtschaftsunion zu sorgen, die über einen wirksamen Mechanismus verfügt, der es ermöglicht, asymmetrischen Schocks standzuhalten, oder es müssen die möglicherweise explosiven Kosten einer Zukunft ohne Union getragen werden.

    4.3

    Die derzeitigen Schwierigkeiten des Euro – einer im Kern "unvollständigen" Währung – spiegeln diese Situation wider. Der relative Stand der Staatsschulden in der Euro-Zone als Ganzes, ja sogar der meisten als "bedroht" angesehenen europäischen Länder, ist niedriger als der anderer, so genannter "fortschrittlicher" Länder, wie USA, Großbritannien oder Japan. Während der Dollar, das Pfund Sterling und der Yen als Währungen echter "vollwertiger" Staatsmächte gelten, leidet der Euro unter seinem Image als einer Währung, bei der nicht ganz klar ist, zu welchem Hoheitsraum sie gehört (9), und krankt an dem restriktiven Mandat der Europäischen Zentralbank und an dem Fehlen einer echten wirtschaftspolitischen Steuerung auf europäischer Ebene. Aus all diesen Gründen muss unbedingt eine tatsächliche europäische Wirtschaftsunion mit klaren, vor allem durchsetzbaren Regeln und Zuständigkeiten auf den einzelnen Ebenen herbeigeführt werden. Dies wäre aber ohne grundlegende politische Reformen, die einer solchen Union die nötige Legitimität verleihen würden, undenkbar.

    4.4

    Die Kosten, die durch dieses Misstrauen der Märkte verursacht werden, dem darüber hinaus in großem Maße die aktuelle Rezession zuzurechnen ist, lassen sich nur schwer in ihrer Gesamtheit messen. Die "Kosten des Nicht-Europa" für die Staatshaushalte könnten sich jedoch, allein aufgrund der in der aktuellen Situation von einigen Staaten verlangten Risikozulagen, schätzungsweise auf zwischen 0,4 % und 1,5 % des BIP im Jahr 2012 (d.h. 9 bis 36 Mrd. EUR) und in den Jahren 2013 und 2014 auf bis zu jeweils 1,8 % und 2,4 % des BIP (d.h. 42 bzw. 56 Mrd. EUR) innerhalb der gesamten Eurozone belaufen, natürlich mit sehr starken Unterschieden zwischen den einzelnen Staaten (10).

    4.5

    Bei einer erfolgreich abgeschlossenen wirtschaftlichen Integration, die insbesondere eine strengen Bedingungen und Kontrollen unterworfene stärkere haushalts- und finanzpolitische Integration umfasst, hätten sich diese Risikozulagen mit der Einführung von Mechanismen der gegenseitigen Stützung (wie Euroanleihen u.a.) auf europäischer Ebene anstelle der ständigen Improvisiererei und Flickschusterei mit Dringlichkeitsmaßnahmen, die spontan ergriffen werden, wenn die Situation unhaltbar wird, vermeiden lassen. Die Mitgliedstaaten und die EU müssen den Mut aufbringen, statt eine reaktive Haltung an den Tag zu legen, einen Plan mit Maßnahmen und kohärenten institutionellen Reformen zu beschließen, um eine umfassende Antwort auf die aktuelle Krise mit einer wirklich glaubwürdigen Perspektive zu finden.

    4.6

    In jüngster Zeit wurden einige Schritte in diese Richtung unternommen. Bedauerlicherweise werden sie nicht den Herausforderungen gerecht.

    5.   Die von der Europäischen Union erwarteten Vorteile

    5.1

    Die jüngsten Maßnahmen, die auf dem EU-Gipfel in Brüssel am 9. Dezember 2011 beschlossen wurden und an die Vorgaben des Stabilitätspakts von Maastricht anknüpfen, beinhalten eine drastische Senkung der Haushaltsdefizite der Staaten durch Einführung nunmehr automatischer Sanktionen für den Fall einer Verletzung der "goldenen Haushaltsregel". Die Staaten werden folglich unter dem Druck der Finanzmärkte, aber auch der neuen zwingenden Regelungen verpflichtet sein, ihre Anstrengungen zum Schuldenabbau zu verstärken.

    5.2

    Die grundlegende Frage, die sich den politischen Entscheidungsträgern mehrerer europäischer Länder angesichts ihrer Staatsverschuldung stellt, kommt einer Quadratur des Kreises gleich: Wie lässt sich die Bewältigung des Misstrauens der alles verlangenden Märkte mit dem Gegenteil, nämlich einem drastischen Schuldenabbau und – praktisch gleichzeitig – der Wiederankurbelung der Konjunktur vereinbaren? Ein Weg zur Auflösung dieser unlösbaren Gleichung wäre die Vermeidung unnötiger Arbeitsüberschneidungen der Mitgliedstaaten, indem sie gemeinsam größenbedingte Kosteneinsparungen anstreben, und die Schaffung einer Grundlage für künftige fiskalpolitische Impulse auf europäischer Ebene. Hierdurch könnten vor allem die dämpfenden Effekte einer Sparpolitik, bei der "jeder für sich" agiert, vermieden oder zumindest begrenzt werden, ohne die Qualität der öffentlichen Dienste für die Bürger zu schmälern. Zugleich könnte dies eine Antwort auf das Problem der Verschwendung aufgrund von 27 unterschiedlichen – häufig nicht aufeinander abgestimmten – Politiken in denselben Bereichen sein. Es liegt auf der Hand, dass diese Idee nicht mit einem auf 1 % des BIP begrenzten EU-Haushalt umsetzbar ist und in völligem Widerspruch zu dem Vorschlag steht, die Haushaltsausgaben überall, auch auf europäischer Ebene, zu reduzieren.

    5.3

    So belief sich die Gesamtsumme der Verteidigungsausgaben der EU-Staaten 2010 auf knapp 200 Mrd. EUR, doch viele Experten halten die Politik der einzelnen Staaten in diesem Bereich für bruchstückhaft und allgemein wenig effizient (11). Trotz zahlreicher Initiativen auf europäischer und nationaler Ebene sind die Mittel für Ausrüstungsgüter und Forschungs- und Entwicklungsprogramme im Verteidigungssektor (mit knapp 20 % des Gesamthaushalts) nahezu der einzige Bereich, in dem von einem wirklich gemeinsamen Ausgabenverhalten gesprochen werden kann; doch selbst dort waren es laut EDA im Jahr 2010 nur 22 % (12). Untersuchungen zu dieser Frage zeigten allein für diese Posten im Falle einer Ausgabenbündelung ein Einsparungspotenzial von 32 %, also 13 Mrd. EUR (13).

    5.4

    Die gleichen Überlegungen könnten bezüglich anderer hoheitlicher Befugnisse der Staaten angestellt werden, z.B. im diplomatischen Dienst, beim Zoll, Grenzschutz, Katastrophenschutz, bei der Betrugsbekämpfung usw. Eine Senkung der Kosten in all diesen Bereichen ist ungeachtet der möglichen Uneinigkeit über ihre genaue Bezifferung eine reine Frage des politischen Willens.

    5.5

    Die Steuerausfälle im Falle eines Nicht-Europa wirken als direkte Folge zusätzlich belastend auf den Haushalt. Der Steuerwettbewerb unter den Mitgliedstaaten wurde nicht dem Rahmen gemeinsamer europäischer Interessen unterworfen. Hieraus resultiert eine Unterbesteuerung mobiler, verlagerbarer und eine Überbesteuerung anderer Steuerobjekte, was Steuermindereinnahmen (und somit Kosten) für die EU und die Mitgliedstaaten mit sich bringt. Dies führt zudem zu Ungleichgewichten, Ungerechtigkeiten und vor allem zu hohen sozialen Kosten, was in der Öffentlichkeit auf großen Unmut stößt.

    5.6

    Im sozialen Bereich ist die Debatte um die "Kosten des Nicht-Europa" keineswegs neu. Der Grundsatz des freien Handels, bei dem die Wettbewerbspolitik und das Wohl der Verbraucher Vorrang vor allem anderen haben und eine Harmonisierung der sozialen Standards auf kleinstem gemeinsamen Nenner bewirken, reicht allein nicht als Grundlage für die europäische Integration aus. Es ist darauf hinzuweisen, dass auch hier – ungeachtet der häufigen Beschuldigungen hinsichtlich des vermeintlichen "europäischen Diktats" – das Problem in zu wenig und nicht zu viel Europa liegt. Abgesehen von den empfundenen Ungerechtigkeiten und den – vor allem im aktuellen Kontext – äußerst hohen sozialen Kosten zeigen die Ergebnisse mehrerer Studien, dass ein Nicht-Europa in diesem Bereich auch hohe volkswirtschaftliche Kosten mit sich bringt (14). So geht aus den vorliegenden empirischen Daten hervor, dass eine gerechte und wirksame Sozialpolitik zu einer makroökonomischen Stabilisierung beiträgt, vor allem indem sie das Ausmaß zyklischer Phänomene reduziert und eine bessere Verteilung der Ressourcen begünstigt, aber auch generell das Wohlergehen der Bürger fördert (15). Des Weiteren trägt eine gute Sozialpolitik zur Verringerung von Problemen der "Negativauslese", zur Internalisierung bestimmter externer Effekte und zu einer besseren Qualität der Arbeitskräfte und des "sozialen Kapitals" im weiteren Sinne bei. Mit der Europäischen Sozialcharta sollten einige für alle Mitgliedstaaten geltende, einschlägige Grundregeln eingeführt werden. Derzeit scheint es notwendig, weiter zu gehen und einen strukturierten Rahmen für eine Konvergenz der Sozialpolitiken in Erwägung zu ziehen, um die viel zu großen Unterschiede zu verringern und zu vermeiden, dass eine Verschärfung sozialer Ungleichgewichte und eine allgemeine Zunahme der Armut sich letztlich zu erheblichen Hemmnissen für ein starkes, ausgewogenes und nachhaltiges Wachstum entwickeln.

    5.7

    Der nur sehr begrenzt regulierte steuerliche und soziale Wettbewerb in einem Wirtschaftsraum mit wenigen Hindernissen für den Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr führt zudem zu weiteren Tendenzen, die in einer zunehmend globalisierten Wirtschaftslandschaft besonders schädlich sind. Die fortschreitende Deindustrialisierung in mehreren europäischen Ländern ist eine unbestreitbare Realität, die nicht nur starken Widerstand in der Bevölkerung auslöst, sondern auch zu strategischen Problemen für die betroffenen Staaten führt, denn es handelt sich um besonders bedeutsame Entwicklungen, die kurz- und mittelfristig kaum umkehrbar sind und somit weitreichende Konsequenzen haben (16). Die wachsenden Inkohärenzen, die durch den Vorrang einer nationalen Ausrichtung im Bereich der Industriepolitik hervorgerufen werden, führen zu nicht-kooperativen, suboptimalen und zum Teil gar kontraproduktiven (17) Lösungsansätzen in einem Moment, in dem die Schwellenländer eine "bedenkenlose" Industriepolitik betreiben, bei der ihnen eine schwache Währung und eine aktive öffentliche Unterstützung zugutekommen (18). Statt ihre Ressourcen zusammenzulegen oder wenigstens deren Nutzung zu koordinieren, um diesen Herausforderungen zu begegnen, sind mehrere große europäische Staaten mehr und mehr gezwungen, mangels einer "Europäischen Energiegemeinschaft" (19) bilaterale Abkommen mit Drittländern zu schließen, selbst in Schlüsselbereichen wie Energie oder Forschung und Entwicklung (20). Es liegt auf der Hand, dass eine gemeinsame europäische Politik ohne Zweifel eine deutlich wirkungsvollere Lösung wäre.

    5.8

    Der FuE-Haushalt der Union für den Zeitraum 2014-2020 beträgt 0,08 % ihres BIP, 20 bis 30 Mal weniger als die nationalen Haushalte. Eine Studie kommt indes zu dem Schluss, dass jeder zusätzliche, vom öffentlichen Sektor in die europäische Forschung und Entwicklung investierte Euro 0,93 EUR aus dem Privatsektor anzieht (21). Das siebte Forschungsrahmenprogramm der EU (7. RP, 2007-2013), das mit Mitteln in Höhe von 50,5 Mrd. EUR ausgestattet ist, zeigt, dass es sich hierbei nicht um einen frommen Wunsch handelt und eine gemeinsame Politik in diesem Bereich möglich ist. Dieses Programm hat bedeutende Auswirkungen: Jeder Euro des Rahmenprogramms führt letztlich zu einer Steigerung des industriellen Mehrwerts von schätzungsweise 7 bis 14 EUR. Langfristig gesehen wird in den von der GD Forschung durchgeführten makroökonomischen Analysen prognostiziert, dass dank des siebten Rahmenprogramms bis 2030 900 000 Arbeitsplätze – davon 300 000 Stellen für Forscher – geschaffen werden. In demselben Zeitraum wird das Programm infolge einer gesteigerten Wettbewerbsfähigkeit eine Zunahme der Ausfuhren der EU um rund 1,6 % und eine Senkung der Einfuhren um etwa 0,9 % mit sich bringen.

    5.9

    Die gemeinsame Industriepolitik muss ferner notwendigerweise Umweltfragen berücksichtigen und eng auf die Energiepolitik der Union abgestimmt sein. Es kann kurz- oder mittelfristig leichter erscheinen, Energiefragen auf nationaler Ebene anzugehen, doch kann sich dies langfristig auch als äußerst kostspielig erweisen, da es zu einer starken Abhängigkeit von den Erdöl- und Erdgas-Förderländern und einer sehr hohen Energierechnung führt. Die Lösung könnte darin liegen, in den Ausbau der Energieinfrastrukturen und die Verbreitung neuer Energieträger dank europäisch betriebener FuE zu investieren (22). Einer von Accenture für die GD Energie durchgeführten Studie zufolge ließe sich durch eine mit dem Verbund der nationalen Energieversorgungsnetze gekoppelte Nutzung erneuerbarer Energieträger, wie der Windkraft in Großbritannien oder der Sonnenenergie in Spanien, die Rechnung der europäischen Energiekunden bis 2020 um etwa 110 Mrd. EUR senken.

    5.10

    In der gegenwärtigen Krise steigt das Risiko der Langzeitarbeitslosigkeit mit einer möglichen Dauerarbeitslosigkeit als Folge. Das kann dazu führen, dass sich viele Menschen am Arbeitsplatz nicht mehr entfalten können und die europäische Wirtschaft ihr Potenzial nicht mehr nutzen kann. Diese Lage steht im Widerspruch zu den Bemühungen um ein integratives Wachstum und erfordert eine intensive Suche nach dauerhaften Lösungen, die unter anderem darin bestehen können, integrative Beschäftigung aus öffentlichen Mitteln zu unterstützen mit dem Ziel, die Gewohnheit zu arbeiten aufrechtzuerhalten und Umschulungsmaßnahmen zu fördern, damit die Betroffenen in die Lage versetzt werden, den künftigen Anforderungen des Arbeitsmarktes zu genügen.

    Schlusswort

    "Es geht nicht mehr um leere Worte, sondern um eine mutige Tat, um eine Gründungstat."

    Diese Worte, die Robert Schuman am 9. Mai 1950 gesprochen hat, sind heute aktueller denn je. Ihr Entscheidungsträger, tut etwas! Die Bürger wünschen sich Frieden und Würde. Nutzt das enorme Potenzial von 500 Millionen Europäern. Ihr dürft sie nicht enttäuschen.

    Brüssel, den 18. September 2012

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Staffan NILSSON


    (1)  Siehe beispielsweise die Stellungnahme des EWSA zum Thema "Die Erneuerung der Gemeinschaftsmethode (Leitlinien)" vom 21. Oktober 2010 oder die Stellungnahme zu der "Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, den Ausschuss der Regionen und die nationalen Parlamente: Überprüfung des EU-Haushalts" vom 16. Juni 2011.

    (2)  Dieser Bericht hatte zum Ziel, die mögliche wirtschaftliche Wirkung einer Beseitigung innergemeinschaftlicher Handelshemmnisse unter den Mitgliedstaaten zur damaligen Zeit zu beziffern. Die neue Studie dürfte der gleichen Methodik folgen, angepasst an die aktuellen Anliegen und Herausforderungen.

    (3)  Am 15. Dezember 2010 wurde vom Europäischen Parlament ein ausführlicher Bericht über die Kosten des "Nicht-Europa" angefordert. Nach vorangegangener Ausschreibung vergab die Europäische Kommission den Auftrag zur Durchführung der Studie an ein Konsortium unter Leitung der London School of Economics. Diese Studie dürfte die Debatten im Rahmen der Vorbereitung der Binnenmarktakte II untermauern.

    (4)  Dies betont auch der Vermerk zur Methodik der Generaldirektion Interne Politikbereiche des Europäischen Parlaments vom 21. Februar 2011: Grundsätzlich spiegelt die Motivation, die es rechtfertigen würde, diese Kosten/Vorteile zu schätzen, den Willlen wider, Entscheidungen auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse zu verschiedenen Begriffen oder Prinzipien (der guten Finanzverwaltung, der Effizienz, der Effektivität oder der Nachhaltigkeit) zu treffen, um so die Transparenz und die Verantwortung der Politik gegenüber den Bürgern zu gewährleisten (Hervorhebung im Original).

    (5)  Abgesehen von einem obskuren Analysevermerk, dessen Verfasser unbekannt sind und der zwanzig Jahre später verfasst wurde und auf www.oboulo.com zu finden ist. Darin heißt es, dass die Erwartungen nicht erfüllt wurden, jedoch die Qualität der Prognosen im Großen und Ganzen zufriedenstellend war (siehe The Cecchini Report – 20 years later, 16.1.2009).

    (6)  Die Kommission und das Parlament sind sich der Bedeutung dieser Fragen bewusst. In dem Vermerk des Europäischen Parlaments wird zwar anerkannt, dass die mit der externen Dimension dieser gemeinsamen Politikbereiche verbundenen Kosten hoch ausfallen können, doch wird darin der Schluss gezogen, dass sich eine solche Untersuchung wegen der Abhängigkeit von Beschlüssen internationaler Institutionen und aufgrund der Schwächen der multilateralen Governance als äußerst komplex und die Ergebnisse als zu ungewiss erweisen könnten (a.a.O., S. 15). Was die internen Herausforderungen anbelangt, wird in dem Vermerk vorgeschlagen, die Problematik mit Hilfe der Europa-2020-Strategie anzugehen, und es werden zwölf Bereiche angeführt, in denen auf EU-Ebene durchgeführte politische Maßnahmen nutzbringend sein könnten (a.a.O., S. 15-17).

    (7)  Die Grundrechtecharta umfasst die Grundrechte der EU-Bürger und die in der Sozialcharta des Europarats und der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer enthaltenen wirtschaftlichen und sozialen Rechte.

    (8)  UBS Investment Research, Euro Break-up - the Consequences, www.ubs.com/economics, September 2011.

    (9)  Die berühmte Frage, die Henry Kissinger in den 1970er Jahren gestellt haben soll: "Wen rufe ich an, wenn ich mit Europa sprechen will?" ist leider immer noch aktuell.

    (10)  Vause N., von Peter G. (2011), "Euro Area Sovereign Crisis Drives Global Markets", BIS Quartely Review, Dezember 2011, http://www.bis.org/publ/qtrpdf/r_qt1112a.pdf#page=4.

    (11)  Heuninckx B. (2008), “A Primer to Collaborative Defence Procurement in Europe: Troubles, Achievements and Prospects”, Public Procurement Law Review, Band 17, Ausgabe 3.

    (12)  Dieser Wert ist im Vergleich zu 2009 rückläufig. Siehe "Defence Data: EDA participating Member States in 2010", 18. Januar 2012.

    (13)  Siehe z.B. Dufour N. et al. (2005), Intra-Community Transfers of Defence Products, Unisys.

    (14)  Fouarge, D., The Cost of non-Social Policy: Towards an Economic Framework of Quality Social Policies - and the Cost of not Having Them, Bericht für die GD Beschäftigung und Soziales, 2003, Brüssel.

    (15)  Zu dem Verhältnis zwischen Ungleichheiten und Wohlergehen siehe auch Wilkinson und Pickett (2009), "The Spirit Level. Why Equal Societies Almost Always Do Better", Allen Lane, London.

    (16)  Hier ist das Beispiel der EGKS zu nennen, deren Auflösung den Niedergang der europäischen Stahlindustrie beschleunigt hat, oder auch die erheblichen Verzögerungen beim Projekt Galileo, das aufgrund einer mangelnden öffentlichen Steuerung auf europäischer Ebene in Schwierigkeiten bei der Projektlenkung und -finanzierung steckt.

    (17)  Zum Beispiel im Hinblick auf die Regeln und Programme zur Finanzierung der Energiepolitik auf nationaler Ebene.

    (18)  Während in der Lissabon-Strategie Ausgaben für FuE in Höhe von mindestens 3 % des BIP vorgesehen waren, steht die EU derzeit bei 1,84 % gegenüber 3 % in den USA und 8 % in China.

    (19)  Gemeinsame Erklärung der Strategiegruppe "Notre Europe" und des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Ziel einer Europäischen Energiegemeinschaft vom 21. Februar 2012.

    (20)  Eines der jüngsten Beispiele ist eine Reihe von Abkommen, die Deutschland und China am 27. Juli 2011 über die Forschung und Investitionen in grüne Technologien, insbesondere in Elektrofahrzeuge und Systeme zur Kohlenstoffabscheidung und –speicherung geschlossen haben (Peel Q., Anderlini J., "China and Germany launch green initiative", The Financial Times, 28. Juli 2011).

    (21)  Mitteilung der Europäischen Kommission "Die Schaffung des EFR des Wissens für Wachstum", COM(2005) 118 final vom 6. April 2005.

    (22)  Syndex, Eine Industriepolitik für eine CO2-arme Wirtschaft als Ausweg aus der Krise in Europa, für den EWSA erstellter Bericht, März 2012, Brüssel.


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