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Document 52011AE1390

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Europäischer e Government-Aktionsplan 2011-2015 — Einsatz der IKT zur Förderung intelligent, nachhaltig und innovativ handelnder Behörden“ KOM(2010) 743 endg. und der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Interoperabilisierung europäischer öffentlicher Dienste“ KOM(2010) 744 endg.

    ABl. C 376 vom 22.12.2011, p. 92–96 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    22.12.2011   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 376/92


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Europäischer eGovernment-Aktionsplan 2011-2015 — Einsatz der IKT zur Förderung intelligent, nachhaltig und innovativ handelnder Behörden“

    KOM(2010) 743 endg.

    und der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Interoperabilisierung europäischer öffentlicher Dienste“

    KOM(2010) 744 endg.

    2011/C 376/17

    Berichterstatter: Raymond HENCKS

    Die Europäische Kommission beschloss am 15. bzw. 16. Dezember 2010, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgenden Vorlagen zu ersuchen:

     

    Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Europäischer eGovernment-Aktionsplan 2011–2015 — Einsatz der IKT zur Förderung intelligent, nachhaltig und innovativ handelnder Behörden

    KOM(2010) 743 endg. bzw.

     

    Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Interoperabilisierung europäischer öffentlicher Dienste

    KOM(2010) 744 endg.

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 7. September 2011 an.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 474. Plenartagung am 21./22. September 2011 (Sitzung vom 21. September) mit 161 gegen 1 Stimme bei 8 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1   Der Aktionsplan, der Gegenstand dieser Stellungnahme ist, geht auf die eGovernment-Ministerkonferenz 2009 in Malmö zurück, auf der sich die zuständigen EU-Minister verpflichtet haben, grenzüberschreitende elektronische Behördendienste zu fördern, die besser zugänglich, interaktiv und personalisiert sind. Darüber hinaus gab es Verpflichtungen im Rahmen der im digitalen Agenda und der Europa-2020-Strategie.

    1.2   Da die Kommission im Rahmen ihrer Zuständigkeit auf diesem Gebiet lediglich Bedingungen und Maßnahmen vorschlagen kann, die eine harmonische Entwicklung grenzüberschreitender elektronischer Behördendienste in der EU begünstigen, möchte der EWSA hervorheben, dass es letztlich Aufgabe der Mitgliedstaaten sein wird, die Einhaltung der in Malmö eingegangenen Verpflichtungen sicherzustellen.

    1.3   Um Verwechslungen mit Diensten anderer Art zu vermeiden, schlägt der Ausschuss vor, hier von „grenzüberschreitenden öffentlichen elektronischen Behördendiensten“ in der EU und nicht von „europäischen öffentlichen Diensten“ zu sprechen.

    1.4   Der EWSA unterstützt den von der Kommission vorgelegten Aktionsplan für nachhaltige und innovative elektronische Behördendienste, die stärker personalisierte und interaktive Dienstleistungen ermöglichen und besser den Bedürfnissen und Erwartungen der Nutzer Rechnung tragen, denen eine aktivere Rolle bei der Gestaltung der elektronischen öffentlichen Dienste zukommen muss.

    1.5   Die Förderung elektronischer Behördendienste muss mit einer Reform der Verwaltung und ihrer Beziehungen zu den Nutzern einhergehen, was insbesondere die Unterstützung der Nutzer bei der elektronischen Erledigung von behördlichen Formalitäten betrifft.

    1.6   Die EU und die Mitgliedstaaten müssen alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um die digitale Gesellschaft allen Bevölkerungsgruppen - auch den benachteiligten - zugänglich zu machen, wie das in der Europa-2020-Strategie und in Artikel 9 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union vorgesehen ist.

    1.7   Im Hinblick auf die Interoperabilität, elektronische Signaturen und elektronische Identifizierung bestehen die Hindernisse oft im Fehlen einer grenzübergreifenden Rechtsgrundlage, divergierenden nationalen Rechtsvorschriften und der Tatsache, dass die Mitgliedstaaten sich für untereinander inkompatible Lösungen entscheiden. Es bedarf einer guten und wirksamen multilateralen Steuerung der Systeme durch Menschen und angemessener Mittel.

    1.8   Der Ausschuss unterstützt in einem europäischen Interoperabilitätsrahmen die Entwicklung einer gemeinsamen Vision und gemeinsamer Normen für die Schnittstellen und spricht sich für eine auf Open-source-Software basierende, offene Plattform für den Informations-, Erfahrungs- und Codes-Austausch aus, die Korrekturen und Änderungen ermöglichen und wegen der erforderlichen Interoperabilität vor allem offene Dateiformate anbieten muss. Die von bestimmten Verwaltungen (z.B. vom Zoll) gemachten Erfahrungen sollten genutzt werden, um auf technischer, semantischer und organisatorischer Ebene eine Interoperabilität der Systeme herzustellen, bevor diese miteinander verbunden werden, da dies die Garantie für die Umsetzung der Vereinbarungen und die Funktionsstabilität ist. Dazu müssen gemeinsame Regeln und solide Rechtsgrundlagen geschaffen werden.

    1.9   Interoperabilität ist heute ein unumgängliches Konzept, jedoch nur für jene Dienste, für die dies sinnvoll erscheint. Ihre Verwirklichung ist ein sehr komplexes Unterfangen, bei dem zahlreiche Aktionen zusammengeführt werden und die Sicherheit des Datenaustausches durch technische Maßnahmen gewährleistet werden muss. Sie unterliegt zudem der Weiterentwicklung.

    1.10   Vor Beginn des Datenaustausches sollte den Verwaltungen der Mitgliedstaaten eine Sortierung der Daten empfohlen werden, damit nur die Daten online verfügbar gemacht werden, für die ein elektronischer Austausch sinnvoll ist. Ausgangspunkt muss dabei die Einhaltung der bestehenden Vorschriften sein.

    1.11   Die personenbezogenen Daten der Bürger Unternehmen und Verbände müssen geschützt und ihr Anspruch auf Löschung geachtet werden. Die Datensicherheit muss auf europäischer Ebene gewährleistet und garantiert werden, und zwar von der Konzipierung der Austauschverfahren an und auf der Ebene der Server, der Software, der Speicherung, des Austausches usw. Die eventuelle Weiterverwendung von Daten durch Dritte muss den gleichen Bestimmungen und Anforderungen unterliegen.

    2.   Förderung elektronischer Behördendienste

    2.1   Seit 1993 bemüht sich die Europäische Union um eine Koordinierung der einzelstaatlichen Maßnahmen zur Förderung der digitalen Konvergenz und zur Bewältigung der mit der Informationsgesellschaft entstandenen Herausforderungen (Programme IDA, IDAI, IDAII, IDABC, ISA) (1), um einen europäischen Informationsraum mit erschwinglichen, sicheren und schnellen Breitbandverbindungen sowie vielseitigen und auf die Bedürfnisse der Nutzer ausgerichteten Inhalten von hoher Qualität zu schaffen.

    2.2   Die EU hat denn auch in zahlreichen Mitteilungen und Aktionsplänen die entsprechenden politischen Ausrichtungen festgehalten, von denen einige auf eine schnellere Einführung elektronischer Behördendienste mit fünf Prioritäten abstellen:

    Zugang für alle;

    Erhöhung der Effizienz;

    sichtbare eGovernmentdienste;

    Schaffung zentraler Instrumente;

    stärkere Bürgerbeteiligung an den demokratischen Entscheidungsprozessen.

    2.3   Der neue Aktionsplan ist Teil der digitalen Agenda. Die EU und die Mitgliedstaaten müssen alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um die digitale Gesellschaft allen Bevölkerungsgruppen - auch den benachteiligten - zugänglich zu machen, wie das in der Europa-2020-Strategie und in Artikel 9 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union vorgesehen ist.

    3.   Neue Initiativen der Kommission

    3.1   Auf der fünften eGovernment-Ministerkonferenz 2009 in Malmö haben sich die Minister der EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, Europas Wettbewerbsfähigkeit durch besser zugängliche, interaktive und personalisierte elektronische Behördendienste zu fördern, wodurch Zeit und Geld gespart werden kann.

    3.2   Die Kommission schlägt daher einen neuen Aktionsplan für elektronische Behördendienste vor, mit dem der auf der Konferenz in Malmö vorgebrachten Forderung in konkreter Form entsprochen werden soll und der zu zwei Kernzielen der digitalen Strategie für Europa beiträgt: die Mitgliedstaaten sollten ihren nationalen Interoperabilitätsrahmen bis 2013 an die jeweils geltenden europäischen Rahmen anpassen, und die Behörden sollen elektronische Verwaltungsdienste fördern, so dass bis 2015 50 % der Bürger und 80 % der Unternehmen elektronische Behördendienste nutzen.

    3.3   Die im Aktionsplan 2011-2015 vorgesehenen 40 Maßnahmen betreffen vier Bereiche:

    A.

    Entwicklung von Diensten, die auf die Bedürfnisse der Nutzer abgestimmt sind;

    kooperative Erbringung von Dienstleistungen, zum Beispiel durch Einsatz von Web-2.0-Technologien;

    Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors;

    Erhöhung der Transparenz;

    Einbeziehung der Bürger und Unternehmen in die Politikgestaltung.

    B.

    nahtlose Dienste für Unternehmen;

    EU-weite Einführung grenzübergreifender Dienste.

    C.

    Verbesserung organisatorischer Abläufe (elektronische Auftragsvergabe - eBeschaffung, schnellere Bearbeitung von Anträgen usw.);

    Verringerung der Verwaltungslasten;

    umweltbewusstes Regierungshandeln (elektronische Archivierung, Einsatz von Videokonferenzen zur Verringerung des Reisebedarfs usw.).

    D.

    offene Spezifikationen und Interoperabilität (Anwendung des Europäischen Interoperabilitätsrahmens);

    Schaffung von Schlüsselvoraussetzungen (Überprüfung der eSignatur-Richtlinie, Vorschlag für einen Beschluss, um EU-weit die gegenseitige Anerkennung der elektronischen Identität und Authentifizierung sicherzustellen.

    3.4   Konkret sind im Aktionsplan folgende Maßnahmen vorgesehen:

    Es soll dafür Sorge getragen werden, dass an die Behörden übermittelte Informationen einmalig und sicher registriert werden können (und die gleichen Informationen nicht mehrmals an verschiedene Behörden übermittelt werden müssen);

    Ausdehnung der Verwendung elektronischer Identifizierungssysteme (e-ID) auf die gesamte EU, um bestimmte grenzüberschreitende Formalitäten, z.B. für die Gründung eines Unternehmens im Ausland, einen Umzug oder die Verlagerung eines Gewerbes ins Ausland, die Übertragung von Rentenansprüchen ins Ausland oder die Einschreibung an einer ausländischen Schule oder Universität zu erleichtern;

    Möglichkeit für die Bürger und die Unternehmen, die Bearbeitung ihres Verwaltungsvorgangs durch die Behörden in Echtzeit zu verfolgen, was zur Transparenz und Offenheit beiträgt;

    Abstimmung der Dienste auf die konkreten Bedürfnisse der einzelnen Nutzer, zum Beispiel durch Gewährleistung einer sicheren und schnellen Übermittlung von Dokumenten und Informationen in digitaler Form;

    Zulassung der Weiterverwendung von Daten durch Dritte, um die Entwicklung neuer Anwendungen und öffentlicher Dienste zu ermöglichen.

    4.   Allgemeine Bemerkungen

    Der EWSA schließt sich dem Standpunkt an, dass unbedingt nachhaltige und innovative elektronische Behördendienste sowie eine ungehinderte grenzübergreifende Interoperabilität gefördert werden müssen.

    4.1   In diesem Zusammenhang weist er darauf hin, dass die Hauptaufgabe der Kommission in diesem Bereich darin besteht, bessere Bedingungen für die Entwicklung elektronischer Behördendienste, d.h. vor allem solche Voraussetzungen wie Interoperabilität, elektronische Signaturen und elektronische Identifizierung zu schaffen und das Handeln der Mitgliedstaaten zu koordinieren, da sich ja die Regierungen der Mitgliedstaaten in der Erklärung von Malmö politisch verpflichtet haben, bei der Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen eine zentrale Rolle zu übernehmen.

    4.2   Der Ausschuss möchte vor allem darauf hinweisen, dass die von der Kommission in ihrer Mitteilung über die Interoperabilität verwendete Formulierung „europäische öffentliche Dienste“ unpassend und irreführend ist. Der EWSA hat in seiner Stellungnahme zu den „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse: Wie sollte die Zuständigkeitsverteilung zwischen der EU und den Mitgliedstaaten aussehen?“ (2) diejenigen öffentliche Dienstleistungen angesprochen, die nicht auf die einzelstaatliche oder kommunale Ebene beschränkt werden dürfen und als europäische Dienstleistungen von allgemeinem Interesse angesehen werden können. Grenzüberschreitende elektronische Behördendienste haben zwar aufgrund ihres grenzübergreifenden Charakters eine gewisse europäische Dimension, unterscheiden sich jedoch ihrem Wesen nach grundsätzlich von Dienstleistungen, die als europäische öffentliche Dienste bezeichnet werden könnten.

    4.3   Der EWSA unterstützt die neue Strategie, d.h. den Übergang vom bisherigen, eher universellen Ansatz zu einem personalisierten Ansatz, der den Weg für stärker interaktive öffentliche Dienstleistungen ebnet, den Erwartungen und Forderungen der Nutzer besser gerecht wird. Dieses Konzept basiert auf einer neuen Generation offener, flexibler und nahtlos funktionierender elektronischer Behördendiensten auf kommunaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene.

    4.4   Der Ausschuss begrüßt die von der Kommission eröffnete Möglichkeit, dass die Nutzer (Bürger, Unternehmen, NRO und von der Kommission anerkannte strukturierte Gremien für den Dialog) langfristig eine aktivere Rolle bei der Gestaltung der elektronischen öffentlichen Dienste übernehmen können.

    4.5   Der Ausschuss unterstützt daher den von der Kommission vorgelegten neuen Aktionsplan, der schnellere und bessere Behördendienste für alle Beteiligten ermöglicht und der die Behörden dabei unterstützen wird, ihr Dienstleistungskonzept und ihre internen Verfahren zu überprüfen, um den neuen Anforderungen hinsichtlich Schnelligkeit, Verfügbarkeit und Einfachheit besser gerecht zu werden.

    4.6   Man kann sich jedoch nicht des Eindrucks erwehren, dass die Nutzer nur all zu oft nicht wirklich im Mittelpunkt der Bestrebungen der Behörden stehen, sondern dass die elektronischen Behördendienste vielmehr nach den internen Verwaltungsstrukturen organisiert und nicht auf die Bürgerinnen und Bürger ausgerichtet sind, was für die Nutzer in Zugangsproblemen, mangelnder Sichtbarkeit und uneinheitlicher Gestaltung zum Ausdruck kommt.

    4.7   Der EWSA bedauert, dass die Kommission nicht auf die Frage des Datenschutzes und der Sortierung von Daten eingeht. Die einschlägige Verordnung aus dem Jahr 2001 muss vollständig umgesetzt werden, wobei ohne eine absolute Garantie der Vertraulichkeit, des Anspruchs auf Löschung und der Durchsetzbarkeit dieser Ansprüche keinerlei private Daten von Bürgern ausgetauscht werden dürfen. Der Ausschuss äußert Bedenken hinsichtlich der Weiterverwendung von Daten durch Dritte.

    4.8   Die Bedeutung der technischen und computertechnischen Fragen darf nicht unterschätzt werden, da sie Voraussetzung für den Erfolg der Interoperabilität und der Datensicherheit sind: Interoperabilität der Verfahren, der semantischen Aspekte und der Organisationen. Elektronische Behördendienste müssen in einer Neuorganisation der Verwaltung und ihrer Beziehungen zu den Nutzern münden und können nur dann alle Beteiligten zufrieden stellende Ergebnisse hervorbringen, wenn sie nicht als Selbstzweck, sondern als Instrument für den Wandel konzipiert werden, bei dem Schulung, individuelle und kollektive Kontrolle und Kommunikation Hand in Hand gehen. Folglich kann es nicht darum gehen, Menschen durch Computertechnik zu ersetzen, sondern um die Freisetzung menschlicher Arbeitszeit, die für Aufgaben mit höherer Wertschöpfung verwendet werden kann, insbesondere um die Bürger beim Erlernen und Benutzen elektronischer Behördendienste zu unterstützen (3), dies um so mehr, als die Kommission feststellt, dass es bislang nur wenige grenzübergreifende elektronische Behördendienste gibt, und wenn solche Angebote bestehen, sie von der Mehrheit der EU-Bürger nur zögerlich angenommen werden.

    4.9   Die Förderung der Nutzung elektronischer Behördendiensten steht zwangsläufig im Zusammenhang mit den Problemen der Konnektivität, der Computerkompetenzen und der digitalen Integration (3).

    4.10   Ungeachtet der Tatsache, dass bereits zahlreiche elektronische Behördendienste zur Verfügung stehen, deren Qualität im Laufe der Jahre immer besser wird, äußert der Ausschuss doch Bedenken hinsichtlich der von der Kommission angestellten vergleichenden Bewertung elektronischer Behördendienste, da sich diese auf die Prüfung einer zu geringen Zahl von Diensten stützt und damit nicht repräsentativ ist. So ist die Portugal attestierte Verfügbarkeitsrate für elektronische Behördendienste von 100 % weit von der Realität entfernt. Es gilt jedoch festzuhalten, dass nicht für alle Behördendienste eine grenzüberschreitende Interoperabilität notwendig ist.

    4.11   Gleichwohl geht es darum zu verhindern, dass aus der digitalen Kluft eine Kluft beim Zugang zu Behördendiensten erwächst. Einer der Gründe für die Vorbehalte der Bürger gegenüber der Verwendung elektronischer Behördendienste ist zweifellos das fehlende Vertrauen in die Datensicherheit und den Datenschutz. Der Ausschuss hält es daher für unabdingbar, dass eine echte demokratische Kontrolle der Verfahren und der Datenverwendung eingeführt und der europäische Datenschutzbeauftragte hinzugezogen wird. Anderenfalls würde sich der Ausschuss gegen eine Weiterverwendung von Daten durch Dritte aussprechen, wie sie die Kommission in der Erwartung vorschlägt, dass daraus neuartige Behördendienste entstehen. Der EWSA hält die Einsetzung eines beratenden Gremiums für elektronische Behördendienste mit Vertretern der EU, der nationalen Verwaltungen, der Sozialpartner und der Nutzer für nunmehr unerlässlich.

    4.12   Der Ausschuss weist in diesem Zusammenhang erneut darauf hin, dass unbedingt ein mit den Vertretern der Zivilgesellschaft auszuhandelnder Kodex (Katalog zwingender Vorschriften) der Rechte der Nutzer digitaler Dienste aufgestellt werden muss.

    4.13   Im Hinblick auf öffentliche Aufträge (dieser Bereich steht für ungefähr 18 % des BIP der EU bei Lieferungen, Leistungen und Bauaufträgen und bildet eines der 12 Schlüsselelemente der Binnenmarktakte) beträgt die Verfügbarkeit der elektronischen Auftragsvergabe in der Europäischen Union ungefähr 60 %, was weit hinter dem im ersten Aktionsplan i2010 angestrebten Ziel von 100 % zurückbleibt.

    4.14   Der Ausschuss hat in seiner Stellungnahme (4) zum „Grünbuch zum Ausbau der e-Beschaffung in der EU“ die Schaffung eines Kontrollmechanismus empfohlen, um zumal die Fortschritte, Hindernisse, beschlossenen Abhilfemaßnahmen usw. in Bezug auf die Einführung von e-Beschaffung in den Mitgliedstaaten zu prüfen.

    4.15   Der EWSA hat in der genannten Stellungnahme zudem erklärt, dass im Zuge der Umsetzung der e-Beschaffung die Mitgliedstaaten bei der Suche nach innovativen Lösungen zur Bewältigung von Problemen in Geschäftsprozessen und Sprachfragen unterstützt werden sollten. Die Kommission sollte hierbei nicht nur eine Führungsrolle übernehmen, sondern auch als Vorkämpfer im eigenen Hause Verfahren zur e-Beschaffung einführen.

    4.16   Interoperabilität, elektronische Signaturen und elektronische Identifizierung sind zwar wirksame Instrumente zur Entwicklung grenzüberschreitender elektronischer Behördendienste, stoßen jedoch oft auf Hindernisse wie das Fehlen einer grenz- und sektorübergreifenden Rechtsgrundlage für Interoperabilität, divergierende nationale Rechtsvorschriften und die Tatsache, dass die Mitgliedstaaten sich für untereinander inkompatible Lösungen entscheiden.

    4.17   Es fehlt an gemeinsamen Infrastrukturen, Architekturen und Leitlinien, was immer mehr nicht interoperable Lösungen hervorbringen könnte. Um dem entgegenzuwirken, müssen eine gemeinsame Vision und gemeinsame Normen entwickelt werden.

    4.18   Der Ausschuss unterstützt die Kommission in ihrem Interoperabilitätsbemühungen in den Bereichen vertrauenswürdiger Informationsaustausch, Interoperabilitätsarchitektur und Beurteilung der IKT-Implikationen neuer EU-Vorschriften im Rahmen der Europäischen Interoperabilitätsstrategie (EIS).

    4.19   Der EWSA begrüßt zudem die Idee, dass der Europäische Interoperabilitätsrahmen (EIF) dazu genutzt werden soll, gemeinsam mit den Organisationen, die im Hinblick auf eine gemeinsame Erbringung elektronischer Behördendienste zusammenarbeiten wollen, eine Reihe gemeinsamer Elemente festzulegen wie ein Vokabular, Begriffe, Grundsätze, Leitlinien, Empfehlungen, Normen, Spezifikationen und Praktiken, wobei natürlich Vielsprachigkeit gefördert werden muss und die tägliche Aktualisierung dieser Elemente unverzichtbar ist.

    4.20   Öffentliche Verwaltungen sollen sich beim Aufbau europäischer öffentlicher Dienste mit ihren Interoperabilitätsvereinbarungen auf bestehende formale Spezifikationen stützen oder – sofern es solche nicht gibt - mit den Gemeinschaften zusammenarbeiten, die auf dem gleichen Gebiet tätig sind. Sie sollen bei der Bewertung und Auswahl formaler Spezifikationen einen strukturierten, transparenten und objektiven Ansatz verfolgen.

    4.21   Der EWSA begrüßt die Absicht der Kommission, in Kürze eine Mitteilung zu veröffentlichen, in der den öffentlichen Verwaltungen Orientierungen für die Verknüpfung von IKT-Normung und öffentlichem Auftragswesen an die Hand gegeben werden, was offenbar ein wirksames Mittel ist, um den Zugang zum öffentlichen Auftragswesen in größerem Maße zu öffnen und die sich dabei ergebenden diversen Verwaltungsformalitäten zu erleichtern.

    Brüssel, den 21. September 2011

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Staffan NILSSON


    (1)  ABl. C 249 vom 13.9.1993, S. 6; ABl. C 214 vom 10.7.1998, S. 33; ABl. C 80 vom 3.4.2002, S. 21; ABl. C 80 vom 30.3.2004, S. 83; ABl. C 218 vom 11.9.2009, S. 36.

    (2)  ABl. C 128 vom 18.5.2010, S. 65.

    (3)  ABl. C 318 vom 29.10.2011, S. 9.

    (4)  ABl. C 318 vom 29.10.2011, S. 99.


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