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Document 32013D0370

2013/370/EU: Beschluss des Rates vom 21. Juni 2013 zur Inverzugsetzung Belgiens mit der Maßgabe, die für den zur Sanierung erforderlichen Defizitabbau als notwendig erachteten Maßnahmen zu treffen

ABl. L 190 vom 11.7.2013, p. 87–89 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

Legal status of the document In force

ELI: http://data.europa.eu/eli/dec/2013/370/oj

11.7.2013   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 190/87


BESCHLUSS DES RATES

vom 21. Juni 2013

zur Inverzugsetzung Belgiens mit der Maßgabe, die für den zur Sanierung erforderlichen Defizitabbau als notwendig erachteten Maßnahmen zu treffen

(2013/370/EU)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 126 Absatz 9,

auf Empfehlung der Europäischen Kommission,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Nach Artikel 126 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) haben die Mitgliedstaaten übermäßige öffentliche Defizite zu vermeiden.

(2)

Der Stabilitäts- und Wachstumspakt beruht auf dem Ziel einer gesunden öffentlichen Finanzlage als Mittel zur Verbesserung der Voraussetzungen für Preisstabilität und ein kräftiges tragfähiges Wachstum, das der Schaffung von Arbeitsplätzen förderlich ist.

(3)

Am 2. Dezember 2009 stellte der Rat in einem Beschluss (1) gemäß Artikel 126 Absatz 6 AEUV fest, dass in Belgien ein übermäßiges Defizit bestehe. Am 2. Dezember 2009 nahm der Rat, aufgrund einer Empfehlung der Kommission, gemäß Artikel 126 Absatz 7 AEUV und Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit (2) eine Empfehlung zur Korrektur des übermäßigen Defizits bis spätestens zum Jahr 2012 ("Empfehlung des Rates vom 2. Dezember 2009") an. Um das gesamtstaatliche Defizit glaubwürdig und nachhaltig unter den Richtwert von 3 % des BIP zu senken, wurde den belgischen Behörden empfohlen, a) die defizitsenkenden Maßnahmen für das Jahr 2010 - so wie im Haushaltsentwurf für 2010 vorgesehen - umzusetzen und die haushaltspolitischen Anstrengungen in den Jahren 2011 und 2012 zu verstärken; b) im Zeitraum 2010 bis 2012 eine durchschnittliche jährliche Konsolidierungsanstrengung von ¾ % des BIP zu gewährleisten, was auch dazu beitragen dürfte, dass die Bruttoschuldenqupte wieder rückläufig wird und sich in zufriedenstellendem Tempo dem Referenzwert nähert, indem wieder adäquate Primärüberschüsse erreicht werden; c) im Einzelnen darzulegen, welche Maßnahmen notwendig waren, um bis zum Jahr 2012 die Korrektur des übermäßigen Defizits zu erreichen, sollten die konjunkturellen Bedingungen dies gestattet, und den Defizitabbau zu beschleunigen, sollte die Wirtschafts- oder Haushaltslage besser ausfallen als zum Zeitpunkt der Abgabe der Empfehlungen im Rahmen des Defizitverfahrens erwartet; und d) die Überwachungsmechanismen zu verstärken, um die Einhaltung der haushaltspolitischen Ziele zu gewährleisten. In seinen Empfehlungen legte der Rat eine Frist bis zum 2. Juni 2010 fest. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Belgien wirksame Maßnahmen gemäß Artikel 3 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 zu ergreifen.

(4)

Am 21. Juni 2013 stellte der Rat nach Maßgabe des Artikels 126 Absatz 8 AEUV fest, dass Belgien auf die Empfehlung des Rates vom 2. Dezember 2009 hin keine wirksamen Maßnahmen innerhalb der darin festgelegten Frist getroffen hat.

(5)

Nach Artikel 10 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 hat der Rat unverzüglich einen Beschluss nach Artikel 126 Absatz 9 AEUV zu treffen, wenn aus den gemäß der Verordnung (EG) Nr. 479/2009 ermittelten Daten über die tatsächliche Entwicklung hervorgeht, dass ein übermäßiges Defizit von einem teilnehmenden Mitgliedstaat nicht innerhalb der in den Empfehlungen nach Artikel 126 Absatz 7 AEUV festgelegten Frist korrigiert worden ist, d. h. er setzt den Mitgliedstaat mit der Maßgabe in Verzug, innerhalb einer bestimmten Frist Maßnahmen für den nach Auffassung des Rates zur Sanierung erforderlichen Defizitabbau zu treffen.

(6)

Die Frühjahrsprognose 2013 der Kommissionsdienststellen prognostiziert für das Jahr 2013 eine gleichbleibende durchschnittliche Entwicklung des realen BIP, wobei die Inlandsnachfrage wie schon im Jahr 2012 weiter schrumpft. Während der Verbrauch der privaten Haushalte weiterhin stagnieren dürfte, dürften die Investitionen angesichts eines in der Wirtschaft weit verbreiteten Vertrauensmangels, eines schwachen Bausektors, schlechterer Kreditbedingungen und der großen Kapazitätsüberhänge in der Industrie weiter zurückgehen. Sowohl der private Verbrauch als auch die Investitionen dürften erst ab 2014 wieder anziehen, d. h. einem Zeitpunkt, zu dem die Inlandsnachfrage der Hauptfaktor für ein BIP-Wachstum in Höhe von 1,2 % werden dürfte. Vor dem Hintergrund dieser robusteren Inlandsnachfrage dürfte sich das Importwachstum dem Exportwachstum annähern. Damit würden weitere Gewinne aus den Nettoexporten im Jahr 2014 im Gegensatz zum Jahr 2013 begrenzt sein; im Jahr 2013 dürfte nämlich das positive Nettoauslandsnachfragewachstum eine Schrumpfung des BIP verhindern.

(7)

Nach der Frühjahrsprognose 2013 der Kommissionsdienststellen wird das gesamtstaatliche Defizit 2013 voraussichtlich auf 2,9 % des BIP zurückgehen. Das ursprüngliche Haushaltsziel für das Jahr 2013 lag bei einem nominalen Defizit von 2,15 % des BIP. Seit der Erstellung des Haushaltsentwurfs wurden die amtlichen Wachstumsprognosen, die dem Haushalt zugrunde liegen (+0,7 %, gemäß der Herbstprognose 2012 der Kommissionsdienststellen) jedoch erheblich nach unten revidiert, und zwar auf 0,2 % im Stabilitätsprogramm für die Jahre 2012 bis 2016 und auf 0,0 % in der Frühjahrsprognose. Folglich gab die Regierung das nominale Defizitziel auf und ersetzte es durch die Verpflichtung, den strukturellen Saldo um 1,0 % des BIP zu verbessern. Im März 2013 ergriff die Regierung zusätzliche Maßnahmen in einer Größenordnung von 0,2 % des BIP, über die Maßnahmen im Anfangshaushalt 2013 in Höhe von 0,75 % des BIP hinaus und die in der Frühjahrsprognose 2013 der Kommissionsdienststellen berücksichtigt wurden. Diese Prognose sieht eine strukturelle Verbesserung von ¾ % des BIP im Jahr 2013 vor, einschließlich eines Beitrags von einem ¼ Prozentpunkt aufgrund niedrigerer Zinsaufwendungen.

(8)

Unter der Annahme einer unveränderten Politik projiziert die Frühjahrsprognose 2013 der Kommissionsdienststellen trotz des erwarteten über dem potenziellen Wachstum liegenden Wachstums für das Jahr 2014 einen Defizitanstieg über den Referenzwert auf 3,1 % des BIP. Dieser erneute Anstieg ist auf den selbsttätig steigenden Trend bei den Sozialtransfers und die Tatsache zurückzuführen, dass der Haushalt für das Jahr 2013 auch einmalige und befristete Einnahmen in Höhe von rund 0,4 % des BIP umfasste, wie die Steueramnestie, der Verkauf von Telekomlizenzen und eine außergewöhnlich hohe Dividende der belgischen Nationalbank.

(9)

Der öffentliche Schuldenstand stieg von 84 % des BIP im Jahr 2007 auf fast 100 % des BIP im Jahr 2012. Die Defizit- und BIP-Dynamik machen rund 6,5 Prozentpunkte der Steigerung aus. Exogene Faktoren fallen mit rund 9 Prozentpunkten ins Gewicht Dabei handelte es sich vor allem Rettungsaktionen im Finanzbereich in Form von Kapitalspritzen. Nach der Frühjahrsprognose 2013 der Kommissionsdienststellen dürfte das Defizit im Jahr 2014 voraussichtlich auf mehr als 102 % des BIP steigen. Der belgische Staat denkt an den Verkauf von Finanzvermögenswerten, um den Schuldenstand im Jahr 2013 unter 100 % des BIP zu halten. In diesem Zusammenhang kündigte die belgische Regierung unlängst den Verkauf von Royal Park Investment (der im Zusammenhang mit der Rettungsaktion für Fortis geschaffenen Zweckgesellschaft) an, der den Schuldenstand um 0,2 % des BIP senken dürfte.

(10)

Aus dem Bericht der Europäischen Kommission über die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen aus dem Jahr 2012 geht hervor, dass Belgien kurzfristig nicht mit dem Risiko einer haushaltspolitischen Stresssituation konfrontiert sein dürfte. Allerdings sind die Risiken für die die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen mittel- und langfristig hoch. Die Bevölkerungsalterung wirkt sich in Belgien langfristig weit stärker auf den öffentlichen Haushalt aus als im EU-Durchschnitt, da die Ausgaben für die Altersversorgung im Verhältnis zum BIP in den kommenden Jahrzehnten relativ stark ansteigen. Auch wenn die Reform der Altersversorgung vom Dezember 2011 ein wichtiger und positiver Schritt war, bedarf es zusätzlicher Maßnahmen zur vollständigen Wiederherstellung der langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen.

(11)

Die für den ursprünglichen Haushalt für 2013 und im Rahmen der Haushaltskontrolle vom März 2013 ergriffenen Maßnahmen dürften das Defizit derzeit unter den Richtwert von 3 % des BIP im Jahr 2013 bringen. Gemäß der Frühjahrsprognose 2013 der Kommissionsdienststellen ist die Sicherheitsmarge bei einem Verstoß gegen die Referenzwerte des Vertrags sehr gering. Darüber hinaus ist die Berichtigung derzeit noch nicht nachhaltig.

(12)

Vor diesem Hintergrund großer Unsicherheiten hinsichtlich der Entwicklungen auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Haushaltslage sollte das empfohlene Haushaltsziel für das letzte Jahr des Korrekturzeitraums auf einem deutlich unter dem Referenzwert liegenden Niveau festgelegt werden, um eine wirksame und langfristige Korrektur innerhalb der vorgeschriebenen Frist zu gewährleisten.

(13)

Deshalb ist eine weitere Senkung des Defizits im Jahr 2013 auf 2,7 % des BIP gerechtfertigt, das einer strukturellen Verbesserung des BIP um 1 % des BIP im Jahr 2013 entspricht. Zu diesem Zweck werden zusätzliche Maßnahmen mit einer geschätzten Auswirkung von ¼ % des BIP – auch vor dem Hintergrund möglicher negativer Zweitrundeneffekte - für erforderlich gehalten.

(14)

Belgien verpflichtete sich in seinem Stabilitätsprogramm für die Jahre 2012 bis 2016 dazu, bis zum Jahr 2015 über einen strukturell ausgeglichenen Haushalt zu verfügen, bevor es im Jahr 2016 sein mittelfristiges Haushaltsziel eines Überschusses in Höhe von 0,75 % des BIP in strukturellen Zahlen erreicht. Nach Vorlage des Stabilitätsprogramms für die Jahre 2012 bis 2016 verpflichteten sich die belgischen Behörden in einem Schreiben vom 28. Mai 2013 an die Kommission zu einer höheren haushaltspolitischen Anstrengung von ¾ % des BIP im Jahr 2014. Auch in Anbetracht des hohen Schuldenstands handelt es sich dabei um eine angemessene Anstrengung, die zur Senkung des Richtwerts für den Schuldenabbau beitragen dürfte. Nach 2016 sollte Belgien weiterhin ausreichende Fortschritte in Richtung auf sein mittelfristiges Ziel machen, einschließlich der Einhaltung des Richtwerts für die Ausgaben und Fortschritte bei der Einhaltung des Richtwerts für den Schuldenabbau.

(15)

Darüber hinaus sollte Belgien die langfristige Tragfähigkeit der Altersversorgungs- und Sozialversicherungssysteme ausbauen. In diesem Zusammenhang bedarf es weiterer Anstrengungen zur Schließung der Lücke zwischen dem tatsächlichen und dem gesetzlich vorgeschriebenen Rentenalter, wobei Maßnahmen zur Verknüpfung des gesetzlichen Rentenalters an die Lebenserwartungsentwicklungen der Wahrung der Nachhaltigkeit im Altersversorgungssystem auf lange Sicht zu Gute kämen.

(16)

Darüber hinaus sollte Belgien ausdrückliche Koordinierungsvereinbarungen dahingehend treffen, dass die Haushaltsziele auf föderaler und nachgeordneter Ebene innerhalb einer mittelfristigen Planungsperspektive rechverbindlich sind. Dazu zählt auch die unverzügliche Annahme einer Vorschrift über den gesamtstaatlichen Haushaltssaldo bzw. –überschuss, die den Anforderungen des Vertrags über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion genügt.

(17)

Zur Gewährleistung der haushaltspolitischen Konsolidierungsstrategie ist es schließlich von Bedeutung, dass die haushaltspolitische Konsolidierung durch umfassende Strukturreformen unterlegt wird, die den Empfehlungen des Rates für Belgien im Rahmen des Europäischen Semesters und insbesondere denen zum Verfahren der Behebung makroökonomischer Ungleichgewichte entsprechen —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

(1)   Belgien beendet das zurzeit bestehende übermäßige Defizit bis 2013.

(2)   Belgien begrenzt das Gesamtdefizit auf 2,7 % des BIP im Jahr 2013. Diese nominale Verbesserung entspricht der Frühjahrsprognose 2013 der Kommissionsdienststellen zufolge einer Verbesserung des Struktursaldos von 1 % des BIP im Jahr 2013.

(3)   Belgien nimmt sämtliche im Haushalt 2013 genannten Konsolidierungsmaßnahmen sowie zusätzliche Maßnahmen struktureller Art an und setzt sie in jeder Hinsicht um, um der für das Jahr 2013 empfohlenen strukturellen Anstrengung gerecht zu werden.

(4)   Belgien ist darauf vorbereitet, weitere Maßnahmen zu beschließen, falls Risiken für die Haushaltsplanung eintreten ist. Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen gewährleisten eine langfristige Verbesserung des gesamtstaatlichen Struktursaldos auf wachstumsfreundliche Art.

Artikel 2

(1)   Belgien legt der Kommission bis zum 21. September 2013 einen Bericht darüber vor, welche Maßnahmen es zur Umsetzung des Beschlusses getroffen hat. Die Kommission prüft den Bericht, um die Fortschritte bei der Korrektur des übermäßigen Defizits zu bewerten.

(2)   Belgien übermittelt der Kommission weitere Quartalsberichte, in denen es die Fortschritte bei der Einhaltung dieses Beschlusses prüft.

(3)   Belgien übermittelt bis zum 31. Dezember 2013 einen Bericht über die geplante Umsetzung der ersten Empfehlung im Rahmen des Europäischen Semesters betreffend die Annahme ausdrücklicher Koordinierungsvereinbarungen zur Gewährleistung von Haushaltszielen, die auf föderaler und nachgeordneter Ebene innerhalb einer mittelfristigen Planungsperspektive verbindlich sind.

(4)   Belgien legt für das Jahr 2014 strukturelle Maßnahmen vor, die eine nachhaltige Korrektur des übermäßigen Defizits und angemessene Fortschritte in Richtung auf sein mittelfristiges Ziel gewährleisten.

Artikel 3

Dieser Beschluss ist an das Königreich Belgien gerichtet.

Geschehen zu Luxemburg am 21. Juni 2013.

Im Namen des Rates

Der Präsident

M. NOONAN


(1)  ABl. L 125 vom 21.5.2010, S. 34. Alle Unterlagen für das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit für Belgien sind abrufbar unter:

http://ec.europa.eu/economy_finance/economic_governance/sgp/deficit/countries/belgium_de.htm

(2)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 6.


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