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Document 32005D0941

    2005/941/EG: Entscheidung der Kommission vom 1. Dezember 2004 über die staatliche Beihilfe, die Frankreich dem Unternehmen Bull gewähren will (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2004) 4514) (Text von Bedeutung für den EWR)

    ABl. L 342 vom 24.12.2005, p. 81–91 (ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)

    Legal status of the document In force

    ELI: http://data.europa.eu/eli/dec/2005/941/oj

    24.12.2005   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    L 342/81


    ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION

    vom 1. Dezember 2004

    über die staatliche Beihilfe, die Frankreich dem Unternehmen Bull gewähren will

    (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2004) 4514)

    (Nur der französische Text ist verbindlich)

    (Text von Bedeutung für den EWR)

    (2005/941/EG)

    DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —

    gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 88 Absatz 2 erster Unterabsatz,

    gestützt auf das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, insbesondere auf Artikel 62 Absatz 1 Buchstabe a,

    nach Aufforderung der Beteiligten zur Äußerung gemäß den oben genannten Artikeln (1) und unter Berücksichtigung ihrer Stellungnahme,

    in Erwägung nachstehender Gründe:

    I.   DAS VERFAHREN

    (1)

    Am 13. November 2002 hatte die Kommission ein Verfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag wegen eines Liquiditätsvorschusses von 450 Mio. EUR des französischen Staates an das Unternehmen Bull mit einer befürwortenden Entscheidung (Entscheidung 2003/599/EG (2) unter der Voraussetzung eingestellt, dass die Beihilfe bis spätestens 17. Juni 2003 zurückgezahlt wird. Am 26. November 2003 hat die Kommission beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Klage wegen Nichteinhaltung dieser Entscheidung durch Frankreich erhoben (3). Ende 2003 und Anfang 2004 fanden mehrere Besprechungen statt, auf denen die französischen Behörden und das Unternehmen Bull den Inhalt des Umstrukturierungsplans von Bull und insbesondere dessen dritte Phase erläutert haben, also die Phase der Kapitalaufstockung. Frankreich hat das neue Beihilfevorhaben, das Gegenstand dieser Entscheidung ist, mit Schreiben vom 20. Februar 2004 der Kommission gemeldet.

    (2)

    Die Kommission hat Frankreich mit Schreiben vom 16. März 2004 von ihrem Beschluss in Kenntnis gesetzt, wegen der Beihilfe das Verfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag einzuleiten.

    (3)

    Der Beschluss der Kommission über die Einleitung des Verfahrens wurde im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht (4). Die Kommission hat die Beteiligten zur Äußerung zu der betreffenden Beihilfe aufgefordert.

    (4)

    Die Kommission hat Stellungnahmen von Seiten der Arbeitnehmervertreter des Unternehmens Bull erhalten. Am 8. Juni 2004 fand eine Besprechung zwischen einer Abordnung dieser Vertreter und der Kommission statt, nach der die Arbeitnehmervertreter der Kommission ergänzende Informationen übermittelten. Diese Informationen sind von der Kommission an Frankreich zur Stellungnahme weitergeleitet worden; gleichzeitig stellte die Kommission Fragen zu verschiedenen Aspekten des Falls. Die Bemerkungen und Antworten Frankreichs gingen mit Schreiben vom 28. Mai 2004 und 29. Juli 2004 ein. Am 10. September 2004 fand dann eine Besprechung zwischen der Kommission, den französischen Behörden und Bull statt.

    II.   BESCHREIBUNG

    1.   Empfänger

    (5)

    Das Unternehmen Bull ist ein in Europa ansässiger internationaler EDV-Konzern, der in mehr als 100 Ländern tätig ist (5). Bull tritt vor allem in zwei Geschäftsbereichen auf:

    Hochwertige EDV-Server für Unternehmen: Bull konzipiert und vermarktet eine Serie von Großservern für Unternehmen und direkt mit den Servern verbundene Wartungsdienste. Der Marktanteil von Bull in der Gemeinschaft in ihrer Zusammensetzung am 30. April 2004 (im Folgenden EU-15 genannt) beläuft sich auf rund 3 % (ungefähr 5 % bei den Servern des mittleren und oberen Segments). Die wichtigsten Wettbewerber in diesem Bereich sind IBM (34,3 % Marktanteil), Hewlett Packard (HP), das im Jahr 2001 Compaq aufgekauft hat (29,4 %), Sun (12,6 %) und Fujitsu/Siemens (8,9 %).

    Informationstechnische Spezialdienstleistungen: Bull entwickelt und integriert verschiedene Anwendungen, entwirft Software-Architektur usw. Nach dem Verkauf der Konzerndivision Integris an Steria ist Bull auf diesem Markt hauptsächlich in Frankreich und Italien aktiv. Die wichtigsten Wettbewerber von Bull in diesem Bereich sind IBM und HP. Der Marktanteil von Bull in der EU-15 beläuft sich auf weniger als 1 %.

    (6)

    Im Jahr 2003 belief sich der Umsatz von Bull auf 1,265 Mrd. EUR und verteilte sich folgendermaßen auf die einzelnen Geschäftsfelder: Hardware 46 %, damit verbundene Wartung 27 % und Dienstleistungen 27 %.

    (7)

    Bull ist eine französische Aktiengesellschaft. Zu ihren Aktionären nach der Kapitalaufstockung vom Juli 2004 und nach der Wahrnehmung der Rechte an Optionsscheinen durch die früheren Inhaber von Schuldverschreibungen gehören France Télécom und NEC mit jeweils 10,1 %, Axa Private Equity und Artemis mit 8,6 %, die Führungskräfte von Bull mit 5,1 %, Motorola mit 3,0 % und Debeka mit 2,9 %. Der französische Staat hält nur noch 2,9 %; die übrigen 57,3 % verteilen sich auf wechselnde Anteilseigner.

    (8)

    Zur Beseitigung der Anfang der 90er Jahre aufgetretenen Schwierigkeiten führte Bull ab 1994 gemäß den von Frankreich eingegangenen Verpflichtungen die Maßnahmen eines früheren Umstrukturierungsplans durch, die die Kommission in ihrer Entscheidung 94/1073/EG vom 12. Oktober 1994 betreffend die staatliche Beihilfe Frankreichs an den Bull-Konzern in Form einer nicht notifizierten Kapitalaufstockung (6) zur Kenntnis nahm. So wurde insbesondere Zenith Data Systems veräußert und der Geschäftsbereich OSS (Open Systems and Software) geschlossen. Darüber hinaus hat Frankreich Bull durch die Freigabe seiner Kapitalbeteiligung privatisiert. Ab dem Jahr 1999 war Bull erneut gezwungen, Vermögenswerte zu veräußern und Beschäftigte zu entlassen. Im Jahr 2000 wurde mithilfe eines Plans eine strategische Neuausrichtung vorgenommen, wurden Vermögenswerte ohne strategische Bedeutung abgegeben und die Kosten gesenkt. Ende 2001 beschäftigte Bull in ganz Europa nur noch rund 9 500 Menschen; 1999 waren es noch 11 500 gewesen.

    2.   Die Schwierigkeiten von Bull vor dem Umstrukturierungsplan, der Gegenstand dieser Entscheidung ist

    (9)

    Ungeachtet der in Randnummer 8 dargelegten Maßnahmen scheiterte der Plan im Jahr 2001. Auf der einen Seite konnte Bull aufgrund der Börsenkrise für Technologiewerte seinen hoch defizitären Geschäftsbereich Integris nicht an Dritte abgeben. Auf der anderen Seite hat die Krise im Internetsektor die Aktivitäten im Bereich der Internettechnologien schwer belastet. Durch den Zusammenbruch des Telekommunikationsmarktes, das Platzen der Internetblase, den starken Rückgang der Unternehmensspannen und durch internationale Spannungen ist die Nachfrage geschrumpft. Im Jahr 2002 gingen die Ausgaben der Unternehmen für Computer stark zurück (– 25 % bei den Servern des mittleren und oberen Segments). Auch auf dem Markt für Dienstleistungen gab es nach dem Aufschwung in Zusammenhang mit dem Jahr-2000-Problem und dem Übergang zum Euro einen Einbruch. Die Wirtschaftskrise nach den Ereignissen vom 11. September 2001 hat die Lage von Bull noch weiter verschlechtert.

    (10)

    Bull hatte mehrere Jahre lang hohe Beträge in die Internettechnologien investiert und sein Angebot für seine Kunden auf die Konzepte „E-Services“ und „Netz-Infrastruktur“ ausgerichtet. Die Krise des Internetsektors machte deutlich, dass Bull in diesem Zusammenhang die falschen technologischen Entscheidungen getroffen und sich zu sehr auf Märkte konzentriert hatte, auf denen dem Unternehmen der Erfolg versagt blieb. Ansonsten gelang es Bull nicht, seine Ambitionen in puncto Zielmärkte und Produkte auf der einen Seite und die Investitionen in die technologische Entwicklung sowie die wirtschaftlichen und administrativen Ausgaben auf der anderen Seite auf einen Nenner zu bringen.

    (11)

    Des Weiteren litt der Konzern unter den Auswirkungen sehr hoher Aufwendungen für die Rentensysteme seiner Beschäftigten in den USA. Nach den amerikanischen Vorschriften umfassten die Aktiva der konsolidierten Bilanz die Aufwendungen für die zu zahlenden Renten, die dem Wertüberschuss der Aktiva des Pensionsfonds (aktueller Marktwert) im Vergleich zur aktualisierten Verbindlichkeit der projizierten Rentenansprüche entsprachen. Im Jahr 2002 beschloss Bull die Übertragung seiner sämtlichen Verpflichtungen zur Rentenzahlung auf Versicherungen. Zusammen mit dem Kurssturz bei Wertpapieren führte diese Entscheidung zu Verlusten in Höhe von 87 Mio. EUR für die Jahre 2002 und 2003.

    (12)

    Die Unsicherheit ob der finanziellen Leistungsfähigkeit des Unternehmens hat bei den Kunden zu einer gewissen Zurückhaltung bei Großprojekten geführt, da die Kunden nicht mehr sicher waren, ob das Unternehmen in den kommenden Jahren seinen Verpflichtungen würde nachkommen können. Die Lieferanten verschärften ihre Zahlungsbedingungen, während Bull praktisch keine Bankbürgschaften mehr erhielt.

    3.   Umstrukturierungsplan

    (13)

    Am 2. Dezember 2001 wurde ein neuer Präsident an die Spitze von Bull berufen. Sein vom Verwaltungsrat im März 2002 gebilligter Umstrukturierungsplan sieht eine massive Senkung der Gemeinkosten sowie eine Verringerung der Beschäftigtenzahl und die Konzentration auf die Stärken des Unternehmens mithilfe umfangreicher Veräußerungen von Vermögenswerten des Konzerns vor. Die Entwicklungsstrategie beruht auf drei Schwerpunkten:

    Aufwertung des Bestandes an großen Unternehmensservern zur Sicherung des Fortbestehens der von den Kunden gewählten Lösungen und Gewährleistung einer wettbewerbsfähigen technischen Entwicklung;

    Entwicklung zum europaweit stärksten Anbieter von Lösungen auf der Grundlage der 64-Bit-Intel-Architektur und der Open Source Software in Zielmärkten;

    Fortführung der Entwicklung der Dienstleistungstätigkeiten in den Bereichen, wo Bull sich auszeichnet, insbesondere durch Bereitstellung vollständiger Lösungen (Hardware + Middleware + Anwendungen) für Schwerpunktsektoren wie z. B. öffentliche Verwaltung (Steuern, Zoll, Sozialsysteme, E-Regierung), Verteidigung und Sicherheit sowie Telekommunikationsbetreiber (7).

    (14)

    Das Finanzpaket enthält folgende Hauptpunkte:

    Abbau der Schulden von 204 Mio. EUR gegenüber den Inhabern von Wandelschuldverschreibungen in Höhe von 90 % in Verbindung mit einem Angebot zur Umwandlung ihrer Papiere in Aktien oder Aktien in Verbindung mit Optionsscheinen. Damit verschiebt sich die Fälligkeit der Schuldverschreibungen, verringert sich die jährliche Ausschüttung und entfällt das Rückzahlungsagio. Die Konditionen des Angebots für die Umwandlung ihrer Schuldverschreibungen lauten entweder 20 neue Aktien für eine Schuldverschreibung oder ersatzweise 16 Aktien plus 16 Aktienoptionen, die bis zum 15. Dezember 2004 wahrgenommen werden müssen. Die große Mehrheit hat sich für das zweite Angebot entschieden, und falls die Inhaber von Wandelschuldverschreibungen ihre Aktienoptionen systematisch wahrnähmen, erbrächten sie auf diesem Wege einen Beitrag von 17,2 Mio. EUR;

    eine Kapitalerhöhung, die über den Markt finanziert und in Höhe von 33 Mio. EUR von einer Investorengruppe garantiert wird: NEC und France Télécom (frühere Aktionäre von Bull) garantieren für jeweils 7,5 Mio. EUR, Debeka (deutsche Versicherungsgesellschaft und wichtiger Kunde von Bull) für 3 Mio. EUR, die Investmentfonds Axa Private Equity und Artemis für 7 Mio. EUR bzw. 2 Mio. EUR und schließlich 350 Führungskräfte des Bull-Konzerns mit 6 Mio. EUR. De facto haben die Privatanleger einen Beitrag von 13,8 Mio. EUR geleistet. Folglich machen die Beiträge der Investoren nur rund 90 % der garantierten Beträge aus. Die Kapitalerhöhung beläuft sich auf insgesamt 44,2 Mio. EUR;

    die in Abschnitt 4 beschriebene Beihilfe wird in Form einer Zahlung von 517 Mio. EUR gewährt und geht einher mit einer Besserungsklausel.

    (15)

    Nach Durchführung dieses Maßnahmenpakets sollte sich das Eigenkapital der Unternehmensgruppe Bull auf 59,2 Mio. EUR belaufen. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die finanziellen Prognosen in Zusammenhang mit dem Plan.

    Tabelle

    (Mio. EUR)

     

    2004

    2005

    2006

    2007

    Umsatz

    […] (8)

    […]*

    […]*

    […]*

    EBIT (9)

    […]*

    […]*

    […]*

    […]*

    Netto-Ergebnis

    […]*

    […]*

    […]*

    […]*

    4.   Beschreibung der Beihilfe

    (16)

    Die angemeldete Beihilfe wird in Form einer Zahlung durch den französischen Staat in Höhe von 517 Mio. EUR gewährt, die frühestens am 31. Dezember 2004 erfolgen soll. Dieser Betrag entspricht der mit der Entscheidung 2003/599/EG genehmigten Rettungsbeihilfe einschließlich der Zinsen seit ihrer Gewährung im Dezember 2001 und im Juni 2002. Die neue Beihilfe wird erst ausgezahlt, wenn Bull diese Rettungsbeihilfe zurückgezahlt hat. Im Austausch wird der französische Staat eine Besserungsklausel auferlegen, die eine Rückzahlung an den französischen Staat von 23,5 % des laufenden konsolidierten Jahresergebnisses von Bull vor Steuern in einem Zeitraum von acht Jahren ab dem zum 31. Dezember 2005 zu Ende gehenden Geschäftsjahr vorsieht.

    (17)

    Laut französischen Behörden entspricht dieser Klausel ein aktualisierter Wert von 50 bis 60 Mio. EUR. Der Beihilfehöchstbetrag beliefe sich folglich auf 467 Mio. EUR, also ungefähr 90 % der bestehenden Forderung. Auf diese Weise wollen sich die französischen Behörden ähnlich wie die Inhaber von Wandelschuldverschreibungen behandelt wissen, die ihrerseits auch auf rund 90 % ihrer Forderungen verzichten.

    III.   GRÜNDE FÜR DIE EINLEITUNG DES VERFAHRENS NACH ARTIKEL 88 ABSATZ 2 EG-VERTRAG

    (18)

    Der Beschluss zur Einleitung des Verfahrens nach Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag beinhaltet eine vorläufige Bewertung der Beihilfe, insbesondere nach Maßgabe der gemeinschaftlichen Leitlinien für staatliche Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen an Unternehmen in Schwierigkeiten (10) (im Folgenden „Leitlinien“ genannt). Darin bezweifelte die Kommission, dass der Plan eine Rückkehr zur Rentabilität zu gewährleisten vermag. Die letzten Unternehmenszahlen zeigten zwar eine Rückkehr zur Rentabilität für den Fall einer gesunden Unternehmensbilanz, doch hielt die Kommission die Dauer eines Jahres für zu kurz, um die Rückkehr zur Rentabilität nachweisen zu können. Die Vorhersagen für die betreffenden Märkte seien relativ vage und uneinheitlich und einige Märkte befänden sich vor allem kurzfristig in einer prekären Lage. Grundsätzlich erlaubten es die Angaben der französischen Behörden nicht zu erkennen, ob Bull in der Lage sein werde, sich ein mögliches Marktwachstum zunutze zu machen, zumal die sonstigen Produktionsbereiche der Gruppe auf Systemen beruhten, bei denen lebhafter Wettbewerb herrsche. Außerdem sehe die vorgesehene Kapitalaufstockung nicht die Hinzuziehung eines neuen Partners neben den bereits vorhandenen Aktionären France Télécom und NEC vor.

    (19)

    In Anbetracht des hohen Beihilfebetrages befürchtete die Kommission außerdem, dass unzulässige Verfälschungen des Wettbewerbs eintreten könnten, dass die Beihilfe nicht auf das unbedingt erforderliche Maß beschränkt ist und dass das Unternehmen über überschüssige Finanzmittel verfügen könnte, die es für ein aggressives, nicht an den Umstrukturierungsprozess gebundenes Vorgehen verwenden könnte, das Verfälschungen im Markt hervorrufen könnte. So sei z. B. nicht klar, wie nach der Gewährung der Beihilfe die Solvabilitäts- und Liquiditätskennziffern aussehen würden und im Vergleich zu den Wettbewerbern auf den betreffenden Märkten einzustufen wären.

    IV.   STELLUNGNAHMEN VON BETEILIGTEN UND BEMERKUNGEN FRANKREICHS

    (20)

    Frankreich hat aktualisierte Prognosen für die betreffenden Märkte vorgelegt, ferner nähere Angaben zu den Hauptwettbewerbern, zu den Unternehmenszahlen und zu den Ereignissen der letzten Monate gemacht, und hier insbesondere zum Erfolg der Kapitalaufstockung.

    (21)

    Frankreich weist darauf hin, dass die Beihilfe mit einem erheblichen finanziellen Engagement seitens bestimmter Aktionäre und privater Gläubiger verknüpft ist. Aus wettbewerbspolitischer Sicht sei der Fortbestand von Bull eher geeignet, den Wettbewerb auf dem europäischen Markt zu fördern als ihn zu behindern. Aufgrund seines Marktanteils könne Bull kaum die Preisführerschaft übernehmen; das Unternehmen sei vielmehr ein Außenseiter, der den Wettbewerb belebe. Mit der Umsetzung seiner auf Itanium und „Open Source“ fußenden Strategie könne Bull diese Rolle in Zukunft ausbauen.

    (22)

    Frankreich stellt fest, dass sich trotz abflauender Konjunktur die Ergebnisse des Unternehmens im Verlauf des Jahres 2003 weiterhin verbessert haben. Die Prognosen für 2004, die noch vor einem schwierigen Hintergrund zu sehen seien, deuteten auf ein dem von 2003 ähnliches operationelles Ergebnis hin, nämlich einen EBIT von 17 Mio. EUR und ein Nettoergebnis von 2 Mio. EUR für das erste Halbjahr 2004. Dies beweise, dass das Unternehmen es geschafft habe, seine Gewinnschwelle deutlich zu senken. Unter diesen Voraussetzungen würde der steigende Umsatz, der ab dem kommenden Jahr aufgrund einer für 2005 erwarteten Erholung des Marktes, der Bereitstellung eines neuen Angebots durch Bull und einer besseren finanziellen Lage erzielt werden dürfte, automatisch die Gewinnsituation weiter verbessern. Der Unternehmensplan für den Zeitraum 2004-2007 belege ebenfalls, dass das Unternehmen auf Dauer zur Rentabilität zurückkehre.

    (23)

    Mit seiner Entscheidung, seine weitere Entwicklung auch auf Server mit der 64-Bit-Intel-Architektur zu stützen, habe Bull sich für technologische Lösungen entschieden, die dem Bedarf der Kunden in den kommenden Jahren entsprächen. Des Weiteren eröffne der Einsatz dieser Technologie auf den Servern von Bull neue Wachstumsmöglichkeiten, insbesondere bei wissenschaftlichen Berechnungen.

    (24)

    Bei den Dienstleistungen bestehe die Strategie von Bull in der Kombination dreier Kompetenzbereiche und dreier Schwerpunktbereiche. Die Kompetenzbereiche sind 1. Integration und Entwicklung offener Infrastrukturen, 2. die Sicherheit von Informationssystemen und 3. Informationsverwaltung bei verteilten Systemen. Als Schwerpunkte gelten die Bereiche, aus denen die treuesten Kunden von Bull kommen: Verwaltung, Telekommunikationsbetreiber und öffentliche Versorgungsunternehmen („utilities“).

    (25)

    Diese Kompetenzbereiche und die Auswahl dieser Sektoren passten hervorragend zu den großen Tendenzen, wie sie sich in den Analysen der Experten abzeichneten: Optimierung und Senkung der Infrastrukturkosten (weshalb Bedarf an der Entwicklung offener Infrastrukturen bestehe), systematische Entwicklung und Konsolidierung der Informationssysteme (ein Bereich, in dem sich Bull ausgezeichnet hat), Verwaltung und Sicherung (ein Bereich, in dem Bull in verschiedenen Funktionen auftritt, nämlich als Ausrüster für Verschlüsselung, Entwickler von Software und Integrator). Bull habe sich ferner sehr schnell einen Platz auf bestimmten neuen Märkten erobert, wie mobile Plattformen, E-Verwaltung, Verbreitung der elektronischen Kennung und Signatur.

    (26)

    Da Bull ein relativ geringes Gewicht habe und auf dem betreffenden Markt nach wie vor eine sehr hohe Konzentration herrsche, dürfte die Beihilfe für Bull kaum eine unzulässige Verfälschung des Wettbewerbs mit sich bringen. Auf einigen Einzelmärkten sei das Angebot von Bull die einzige glaubhafte Alternative zu IBM. Außerdem sei die auf „Open Source“ ausgerichtete Strategie von Bull in der Lage, den Wettbewerb auf dem Server-Markt in den kommenden Jahren zu beleben.

    (27)

    Die Beihilfe sei auf ein Mindestmaß beschränkt. Die Rentabilität des Unternehmens lasse sich eigentlich nur durch die Aufstockung von Eigenkapital erreichen, bei dem die Beihilfe und die Entschuldung wichtige Elemente seien. Die verschiedenen Investoren hätten ihrer Einlage kaum zugestimmt, wenn die für die Wiederherstellung der Rentabilität des Unternehmens erforderliche Finanzierung teilweise durch ein Darlehen erfolgt wäre.

    (28)

    Bull dürfte nach Gewährung der Beihilfe über keine überschüssige Liquidität verfügen. Durch die Beihilfe werde ein angemessenes, doch keineswegs überhöhtes Eigenkapitalniveau wiederhergestellt, was sich am Verschuldungsgrad und an der Liquidität dritten Grades ablesen lasse, die mit denen der wichtigsten Wettbewerber vergleichbar seien.

    (29)

    Im Hinblick auf den privaten Beitrag zum Umstrukturierungsplan seien drei Elemente gleichzeitig zu berücksichtigen: Die Anstrengungen, die das Unternehmen selbst in den Jahren 2002-2003 unternommen hat, die Kapitalerhöhung und der Beitrag der Inhaber von Wandelschuldverschreibungen.

    (30)

    Frankreich erinnert daran, dass in den Randnummern 60 und 70 der Entscheidung 2003/599/EG über die Gewährung einer Rettungsbeihilfe für Bull die Kommission ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass Frankreich vor dem 31. Dezember 2004 Bull keine Umstrukturierungsbeihilfe gewähren dürfe.

    (31)

    Die Arbeitnehmervertreter von Bull unterstützen den Umstrukturierungsplan und unterstreichen die Bedeutung der Beihilfe für den Fortbestand des Unternehmens und der bestehenden Arbeitsplätze. Sie schließen sich den von den französischen Behörden vorgetragenen Argumenten an und haben ergänzende Informationen und Angaben insbesondere zur Rentabilität und zur Position des Unternehmens im Wettbewerb vorgelegt. Ihre Stellungnahme ist an die französischen Behörden weitergeleitet worden, die den Ausführungen zustimmen.

    V.   WÜRDIGUNG DER BEIHILFE

    1.   Vorliegen einer Beihilfe

    (32)

    Nach Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag sind „staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen“.

    (33)

    Die von Frankreich angemeldete Maßnahme ist eine Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag. Sie wird vom Staat finanziert und aus staatlichen Mitteln einem bestimmten Unternehmen gewährt, nämlich Bull. Sie entspricht nicht dem Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden privaten Kapitalgebers. So lässt sich insbesondere nicht behaupten, dass der Staat in gleicher Weise und zu den gleichen Bedingungen tätig wird wie die Inhaber der Wandelschuldverschreibungen, weil sich die Forderung Frankreichs auf eine staatliche Rettungsbeihilfe bezieht, deren Rückzahlungsfrist abgelaufen ist; genauso wenig kann man sagen, dass der Verzicht auf eine solche Forderung oder die Gewährung einer neuen Beihilfe in gleicher Höhe typisch für das Verhalten eines Kapitalgebers und deshalb mit dem Grundsatz des privaten Kapitalgebers vereinbar sind. Darüber hinaus unterscheidet sich die angemeldete Maßnahme in ihrer Form und in ihren Konditionen von den finanziellen Maßnahmen der Aktionäre und der Inhaber der Wandelschuldverschreibungen. Jedenfalls geht die angemeldete Maßnahme nicht mit einem vergleichbaren finanziellen Engagement der übrigen Aktionäre einher. Die Beihilfe beeinträchtigt den Handel zwischen den Mitgliedstaaten und verfälscht bzw. droht den Wettbewerb aufgrund der Tatsache zu verfälschen, dass Bull ein internationales Unternehmen ist und seine Erzeugnisse international gehandelt werden. Außerdem hat Bull Wettbewerber auf dem Gemeinsamen Markt, wie IBM, Fujitsu/Siemens, Sun und HP. Diese Sichtweise stellen die französischen Behörden nicht in Frage.

    2.   Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt

    (34)

    Die angemeldete Maßnahme ist als staatliche Ad-hoc-Beihilfe einzustufen. Artikel 87 Absatz 2 und 3 EG-Vertrag sieht Ausnahmen zu der in Absatz 1 dieses Artikels beschriebenen Unvereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt vor.

    (35)

    Nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag sind staatliche Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete, soweit sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft, mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar. Auf dieser Grundlage hat die Kommission besondere Leitlinien für die Bewertung staatlicher Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten (11) verabschiedet. Angesichts der Eigenkapitalzahlen von Bull liegt es auf der Hand, dass das Unternehmen als Unternehmen in Schwierigkeiten gemäß Ziffer 5 a der Leitlinien zu gelten hat und dass der Konzern insgesamt als Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne der Ziffern 4 bis 8 dieser Leitlinien anzusehen ist (12). Nach Prüfung des Sachverhalts ist die Kommission der Auffassung, dass es keine andere gemeinschaftliche Fördermaßnahme oder sonstige Bestimmung gibt, aufgrund derer im vorliegenden Fall die Beihilfe als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt werden könnte. Frankreich hat sich im Übrigen auf keine andere im Vertrag vorgesehene Ausnahme berufen, sondern gründet seine Argumentation zugunsten einer Vereinbarkeit der betreffenden Beihilfe ausschließlich auf die Leitlinien. Die Kommission hat daher die Beihilfe im Lichte der Leitlinien bewertet.

    (36)

    Nach den Leitlinien müssen vier Bedingungen erfüllt sein, damit eine Umstrukturierungsbeihilfe genehmigt werden kann: Es muss ein Plan zur Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität vorliegen, Wettbewerbsverfälschungen müssen vermieden werden, die Beihilfen müssen auf ein Minimum begrenzt sein und der Umstrukturierungsplan muss vollständig umgesetzt werden. Darüber hinaus gelten die Grundsätze der „einmaligen Beihilfe“ („one time, last time“) sowie des Urteils „Deggendorf“ (13).

    (37)

    Nach den Leitlinien wird die Gewährung der Beihilfe von der Durchführung des Umstrukturierungsplans abhängig gemacht, der bei allen Einzelbeihilfen von der Kommission gebilligt werden muss. Der Umstrukturierungsplan, dessen Laufzeit möglichst begrenzt sein muss, soll die Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität des Unternehmens innerhalb einer angemessenen Frist auf der Grundlage realistischer Annahmen hinsichtlich seiner künftigen Betriebsbedingungen erlauben. Umstrukturierungsbeihilfen müssen demnach mit einem tragbaren Umstrukturierungsplan verknüpft sein, für den sich der Mitgliedstaat engagiert.

    (38)

    Die infrage stehende Beihilfe ist mit dem Umstrukturierungsplan vom März 2002 und dem damit verbundenen Finanzpaket verknüpft, das bei der Anmeldung der Beihilfe genauer erläutert wurde. Dieser Plan betrifft den Zeitraum bis Ende 2007; dann soll sich die finanzielle Lage verbessert haben und die neue Struktur eingeführt worden sein. Die meisten Maßnahmen wurden bereits durchgeführt; die Kapitalaufstockung ist abgeschlossen. Der Zeitraum bis Ende 2007 kann allerdings als angemessene notwendige Frist bezeichnet werden, innerhalb derer das Unternehmen sein Angebot neu strukturieren und seine Aktivitäten an die Entwicklungen auf den betreffenden Märkten anpassen kann.

    (39)

    Der Plan scheint auf realistischen Annahmen hinsichtlich der künftigen Betriebsbedingungen zu gründen. Er berücksichtigt die allmähliche Erholung der Märkte und scheint auch nicht übertrieben optimistisch zu sein. Er bietet drei Szenarios hinsichtlich der Ergebnisse der Kapitalneuausstattung, wobei das optimistischste Szenario dem derzeitigen Ergebnis am nächsten kommt. Er unterstreicht die Wiederherstellung eines stimmigen Verhältnisses zwischen der Strategie des Unternehmens, seinen Stärken, den Bedürfnissen der Kunden und der technologischen Entwicklung. Unter Berücksichtigung der unsicheren technologischen und wirtschaftlichen Entwicklung scheint der Plan in Anbetracht der von den französischen Behörden vorgelegten Zusatzinformationen hinreichend präzise zu sein.

    (40)

    Die verbesserte Rentabilität ist im Wesentlichen das Ergebnis unternehmensinterner Maßnahmen wie insbesondere der Veräußerung von Geschäftsfeldern, die nicht zu den Kerngeschäftsbereichen gehören, der Umstrukturierung des Angebots und der Senkung der Gemeinkosten.

    (41)

    Die Schwierigkeiten des Unternehmens rühren hauptsächlich aus falschen technologischen Entscheidungen und die Konzentration auf Märkte, auf denen Bull keine Erfolge verzeichnen konnte. Diese Aktivitäten einschließlich des Service-Netzes in mehreren europäischen Ländern sind aufgegeben worden. Die Ursachen für mehrere spezifische Verluste, wie diejenigen, die durch das Pensionssystem in den USA verursacht wurden, dürften sich nicht wiederholen. Die meisten Führungskräfte wurden ersetzt. Bull hat sich wieder auf seine Stärken besonnen.

    (42)

    In den Jahren 2000 bis 2002 lag die Bruttoumsatzspanne zwischen 21 % und 25 %. Doch überstiegen die Gesamtaufwendungen für Forschung und Entwicklung, die Geschäfts- und Verwaltungskosten die Bruttospanne alljährlich um rund 100 Mio. EUR. Der Umstrukturierungsplan sieht eine Beseitigung dieses Ungleichgewichts vor: Die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung gehen von 160 Mio. EUR im Jahr 2000 auf […]* Mio. EUR in den Jahren 2005-2007 zurück. Die Geschäfts- und Verwaltungskosten fallen von 706 Mio. EUR im Jahr 2000 auf […]* Mio. EUR in den Jahren 2006-2007. Bei diesen Prognosen sind bereits Rückstellungen in Zusammenhang mit eventuellen Gerichtsentscheidungen berücksichtigt (Eventualfall). Dieser Betrag wird auf […]* % des Umsatzes im Jahr 2007 ansteigen. Ausgehend von diesen Prognosen wird der künftige EBIT auf […]* % bei Eintritt des Eventualfalls geschätzt. Die derzeitigen Kosten für 2003 und das erste Halbjahr 2004 bestätigen diese Prognosen. Daher ist die Kommission der Auffassung, dass der Umstrukturierungsplan eine zufrieden stellende Leistung des Unternehmens ermöglicht.

    (43)

    In der Zukunft dürfte sich die Nachfrage aus mehreren Gründen erholen, wenn auch langsamer als im vergangenen Jahrzehnt: Rückgang der Kommunikationstarife, Ausbau der Breitbandnetze, starke Zunahme der elektronischen Verfahren in der öffentlichen Verwaltung, Verbesserung der gemeinsamen Anwendungen über das Internet, stärkere Mobilität und zunehmende Berücksichtigung von Sicherheitsproblemen und schließlich allgemeine Verbreitung digitaler Technologien, die die analogen Technologien ablösen. Nach den neuesten Prognosen von IDC (International Data Corporation) für die Jahre 2003 bis 2007 dürfte der europäische Server-Markt vom Volumen her um 44 % wachsen, der Markt für das mittlere und obere Server-Segment um 39 %. Auf dem Markt für Server auf der Grundlage der 64 Bit-Intel-Architektur, der einen Schwerpunkt in der weiteren Entwicklung von Bull bildet, dürfte es zu einem deutlichen Durchbruch kommen. Für 2007 wird dieser Markt auf fast 2,4 Mrd. USD geschätzt; das entspräche 16 % des Server-Marktes (im Vergleich zu weniger als 1 % im Jahr 2003).

    (44)

    In einer Studie vom Dezember 2002 sagt IDC für Westeuropa bis zum Jahr 2006 eine Steigerung der Ausgaben der Unternehmen für Dienstleistungen um 30 % und bei den Servern um fast 20 % voraus. Die neuesten Prognosen von Gartner (November 2003) hinsichtlich der Dienstleistungen in Westeuropa sprechen von + 3 % im Jahr 2004 und einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 6,2 % zwischen 2002 und 2007. Bei den Servern wird sich das Wachstum vor allem je nach verwendeter Technologie unterschiedlich gestalten; insbesondere bei den Intel-Itanium-Bauteilen, die ja die Grundlage des neuen Server-Angebots von Bull bilden und seit Anfang 2003 verwendet werden, sollte im Jahr 2008 ein Umsatz von 8 Mrd. EUR erzielt werden. Der Dienstleistungsmarkt ist stark segmentiert, steht unter hohem Wettbewerbsdruck und wird ständig umstrukturiert, doch wird er mittel- und langfristig schneller wachsen als der Hardware-Markt. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die Gegebenheiten auf den betreffenden Märkten die Wiederherstellung der Rentabilität nicht gefährden und, wie im Umstrukturierungsplan vorgesehen, durchaus zu einer Steigerung des Anteils der Dienstleistungen am Gesamtumsatz und an der Bruttospanne führen können.

    (45)

    In verschiedenen Untersuchungen werden die Wachstumsprognosen in den von Bull anvisierten Nischen und die Chancen bei den vom Unternehmen ausgewählten Technologien bestätigt (14).

    (46)

    Die bei den Kunden installierten Großserver, die „GCOS“, bilden eine wichtige Einnahmequelle. Nach […]* wird allerdings der Ersatz der GCOS weitgehend abgeschlossen sein, und Bull wird dann seinen Wettbewerbern unter anderen Voraussetzungen entgegentreten und seine Ambitionen, seien sie auch noch so bescheiden, durchsetzen müssen. Vor diesem Hintergrund gibt die Kommission vor allem zu bedenken, was in den Randnummern 47 bis 54 festgehalten ist.

    (47)

    Mit seiner Entscheidung für Lösungen auf der Grundlage der 64-Bit-Intel-Architektur, für Open-Source-Software und die Nutzbarmachung der Normung der Komponenten („commoditisation“) dürfte Bull technologisch den richtigen Weg eingeschlagen haben, der den Entwicklungen des Marktes und den Bedürfnissen seiner Kunden gerecht wird. Aufgrund dieser Entwicklungen wird der Wettbewerb auf den Märkten für Server und Dienstleistungen intensiver werden, doch ist Bull dank seiner Größe in der Lage, nicht unerhebliche Beträge in Forschung und Entwicklung zu investieren und eine breitere und kohärentere Produktpalette anzubieten als Start-ups oder kleine Spezialunternehmen. Die Größe des Unternehmens könnte auch den Kunden das Gefühl einer gewissen Zuverlässigkeit vermitteln, die der Wahl ihres Server-Lieferanten eine strategische Bedeutung zumessen. Riesen wie IBM, HP und Dell sind hingegen eher auf Großserienprodukte spezialisiert, die in größeren Bereichen einsetzbar sind oder bei denen die Kunden nicht in gleichem Umfang maßgeschneiderte Produkte benötigen.

    (48)

    Der Plan stellt auf die Sektoren ab, aus denen die treuesten Kunden kommen, nämlich den öffentlichen Sektor, Verteidigung und Sicherheit sowie Telekommunikation. Bull verfolgt keine Ambitionen, die über die eines Anbieters auf Nischenmärkten hinausreichen.

    (49)

    Die Markteinführung der neuen Server-Reihe NovaScale als Ersatz für die GCOS-Systeme stieß bei unabhängigen Experten auf ein positives Echo (15). Bull hat diese Server schon an wichtige Kunden verkauft, und diese Produktreihe soll sich von den Erzeugnissen der Wettbewerber in puncto Kosten, Zuverlässigkeit, Benutzerfreundlichkeit und Anpassungsfähigkeit der Größe deutlich abheben.

    (50)

    Dank der Umstrukturierung bietet Bull wieder ein geschlossenes Bild, was sein Know-how, sein Angebot, seine Organisation und seine kurzfristigen Ziele betrifft. Eine wichtige Ursache für die Schwierigkeiten des Unternehmens bestand ja gerade darin, dass es an einem solchen geschlossenen Bild fehlte. Die weitgehend 2002 vorgenommene Verjüngung des Mitarbeiterstamms sowie die zahlreichen strategischen Partnerschaften sollten Garanten technologischer Erfolge in der Zukunft sein.

    (51)

    Der neuen Server-Reihe auf der Grundlage von Intel-Prozessoren und insbesondere dem 64-Bit-Prozessor kommt eine wichtige Rolle zu: 2007 soll der Umsatz hiermit […]* % der gesamten Verkäufe ausmachen, und zwar mit einer Bruttospanne von […]* %. Da es sich nicht mehr um eine „proprietäre“ Technologie handelt, kann diese Spanne logischerweise nicht mehr die Höhe der Margen der alten GCOS-Server erreichen. Mit den 64-Bit-Servern lassen sich komplexere und größere Systeme betreiben, doch sind sie natürlich teurer als die „Standard“-Server mit 32 Bit. Bull wird versuchen, das Vertrauen seiner Kunden durch die technische Qualität seiner 64-Bit-Server zu gewinnen, indem das Unternehmen zusätzlich zu seinen Produkten seine anerkanntermaßen hervorragenden Dienstleistungskompetenzen anbietet. Es soll eine enge Zusammenarbeit zwischen den eigenen Teams und denen der Kunden aufgebaut werden. Nach Auffassung der Kommission passt diese Strategie zu der Konzentration von Bull auf bestimmte Sektoren.

    (52)

    Bezüglich des Dienstleistungssegments sei auf einige Schlussfolgerungen des bereits erwähnten Berichts von Forrester verwiesen (16). Bei den Open-Source-Diensten gilt das Know-how von Bull dem der anderen globalen Generalisten wie IBM überlegen. Im Kreise der weltweit tätigen und mittelgroßen Generalisten ist Bull der einzige, der alle Technologien abdeckt. In dem Bericht ist nur noch von einem weiteren, kleinen Open-Source-Spezialisten die Rede, der ebenfalls alle Technologien abdeckt.

    (53)

    Die vorgesehene Kapitalaufstockung sieht nicht die Hinzuziehung eines neuen Partners aus der Industrie neben den bereits vorhandenen Aktionären France Télécom und NEC vor. Durch die Beteiligung des Versicherungsunternehmens Debeka wird jedoch die Strategie der Konzentration auf einige wenige Sektoren bekräftigt. Ansonsten unterhält Bull mehrere Partnerschaften und engagiert sich in mehreren Projekten zur Entwicklung von Schlüsseltechnologien für künftige Aktivitäten. Schließlich sei als Beispiel noch die Unterzeichnung eines ersten Vertrags „Original Equipment Manufacturer“ mit Kraftway erwähnt, dem führenden russischen Hersteller von Servern auf Intel-Basis. Gegenstand eines weiteren Abkommens ist der Vertrieb von Servern in China.

    (54)

    Zusammenfassend ist die Kommission der Ansicht, dass sich Bull mithilfe des Umstrukturierungsplans einigermaßen auf dem Markt positionieren kann. Ungeachtet der auf den betreffenden Märkten gegebenen technologischen und wirtschaftlichen Risiken vertritt die Kommission die Auffassung, dass ausreichende Garantien für eine Rückkehr zur Rentabilität bestehen.

    (55)

    Damit Umstrukturierungsbeihilfen von der Kommission genehmigt werden können, müssen sie eine zweite Bedingung erfüllen. Es müssen nämlich Maßnahmen getroffen werden, um nachteilige Auswirkungen der Beihilfe auf Konkurrenten nach Möglichkeit abzumildern.

    (56)

    Frankreich hat darauf verwiesen, dass die Marktanteile von Bull bei Dienstleistungen und Servern sehr klein sind. Bei den Servern gilt als relevanter geografischer Markt der Weltmarkt oder zumindest der europäische Markt. Im Jahr 2002 entfiel auf dem gesamten Server-Markt der Gemeinschaft (EU-15) auf Bull ein Marktanteil von rund 3 %. Bei den Servern des mittleren und oberen Segments hatte Bull sich einen Anteil von ungefähr 5 % erhalten können, lag damit aber weit hinter seinen wichtigsten Konkurrenten IBM (40 %), HP-Compaq (24 %), Sun (17 %) und Fujitsu (9 %). Im hochwertigen Segment dürfte der Marktanteil höher ausfallen. Bull möchte sich nämlich auf den Zielmärkten als führendes europäisches Unternehmen bei Lösungen auf der Grundlage der 64-Bit-Architektur und bei Open-Source-Software etablieren. Für das Jahr 2007 wird der Markt für Server auf der Grundlage der Intel-64-Bit-Architektur auf fast 2,4 Mrd. USD geschätzt; das entspräche 16 % des Server-Marktes (im Gegensatz zu weniger als 1 % im Jahr 2003).

    (57)

    Im Dienstleistungsbereich deutet vieles darauf hin, dass als relevanter geografischer Markt der europäische Markt anzusehen ist, auch wenn die Existenz regionaler oder nationaler Märkte nicht ausgeschlossen werden kann. Auf dem Dienstleistungsmarkt der Gemeinschaft (EU-15) hatte Bull im Jahr 2002 einen Marktanteil von rund 0,4 %; seit 2002 hat sich Bull verstärkt auf Infrastrukturdienstleistungen und seine anderen speziellen Dienstleistungen konzentriert und einen Umsatzeinbruch bei den Dienstleistungen erlitten. In einer im September 2003 vom Institut Gartner veröffentlichten Studie taucht Bull unter den ersten zehn Wettbewerbern auf dem Weltmarkt für Informatikdienstleistungen gar nicht auf; im Jahr 2002 belegte das Unternehmen den 22. Rang auf dem europäischen Markt. Auf diesem Markt herrscht darüber hinaus sehr starker Wettbewerb, weshalb die Kommission beispielsweise Zusammenschlussvorhaben mehrerer Wettbewerber von Bull (HP/Compaq (17), Cap Gemini/Transiciel (18), Atos Origin/Sema (19) mit dem Argument genehmigen konnte, dass diese Zusammenschlüsse die Wettbewerbsbedingungen auf den Märkten für Informatikdienstleistungen nicht beeinträchtigen würden.

    (58)

    Natürlich ist das Unternehmen in bestimmten geografischen Gebieten, vor allem in Frankreich, stärker auf dem Markt vertreten. Doch ist der Wettbewerb nach wie vor auch dort intensiv.

    (59)

    Bei einigen Segmenten des Server-Marktes in Europa ist der Fortbestand von Bull eher geeignet, den Wettbewerb auf dem europäischen Markt zu beleben, und zwar insbesondere in den Segmenten, in denen IBM eine beherrschende Rolle spielt. Im Segment der Systeme mit hoher Transaktionsleistung beispielsweise scheint das Angebot von Bull die einzige Alternative zu IBM für alle die Kunden zu sein, die nicht einfach zu Lösungen von Sun, HP oder Wintel migrieren können (Banken, Versicherungen, Sozialeinrichtungen, Sozialverwaltungen usw.). […]* zeigt, dass dieser Kundenkreis auch weiterhin auf das Angebot von Bull zurückgreifen möchte. Es handelt sich dabei jedoch um ganz spezifische Nischenmärkte, während sich der Fortbestand von Bull auf den Wettbewerb im hochwertigen Server-Segment insgesamt nur wenig auswirkt.

    (60)

    Die Kommission trägt auch der Tatsache Rechnung, dass die Strategie von Bull auf „Open Source“ ausgerichtet ist. Die meisten Wettbewerber sind außerdem gleichzeitig Partner bei verschiedenen Entwicklungsprojekten. Bei der Einleitung des Verfahrens hat sich keiner der Konkurrenten zu Wettbewerbsverfälschungen geäußert.

    (61)

    Bisher gibt es keine Expansionsbestrebungen, sieht man einmal von der Anwerbung von „klugen Köpfen“ ab, die aber im Sektor gang und gäbe ist. Nach Auffassung von Bull steht jeder Kauf eines bestimmten Umfangs im Widerspruch zur Strategie des Umstrukturierungsplans und brächte außerdem Integrationsprobleme mit sich.

    (62)

    Bull hat in erheblichem Umfang Vermögenswerte veräußert. Im Hardwaresegment hat sich Bull von allen Aktivitäten in den Bereichen Bankautomaten, Zahlungsterminals, Chipkarten sowie mehrheitlich von seiner Middleware-Software getrennt. Auf dem Dienstleistungsmarkt hat Bull mit dem Verkauf von Division Integris an Steria den größten Teil seines Vertriebsnetzes außerhalb Frankreichs und Italiens veräußert. Der Umstrukturierungsplan sieht eine Neuausrichtung auf die Kernbereiche vor. Damit werden auch die nachteiligen Auswirkungen auf den Wettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten begrenzt. Vor diesem Hintergrund kommt es darauf an, dass die im Umstrukturierungsplan vorgesehene Strategie auch tatsächlich umgesetzt wird.

    (63)

    Deshalb ist die Kommission der Auffassung, dass unzumutbare Wettbewerbsverfälschungen vermieden werden. Aufgrund der Position von Bull auf den betreffenden Märkten und bei Einhaltung des Umstrukturierungsplans und Vollendung der Neuausrichtung sind zusätzliche Gegenleistungen nicht erforderlich.

    (64)

    Damit eine Beihilfe genehmigt werden kann, muss noch eine dritte Bedingung erfüllt sein. Höhe und Intensität der Beihilfe müssen sich auf das für die Umstrukturierung unbedingt notwendige Mindestmaß nach Maßgabe der verfügbaren Finanzmittel des Unternehmens, seiner Aktionäre oder des Konzerns, dem es angehört, beschränken. Daher müssen die Beihilfeempfänger aus eigenen Mitteln einen bedeutenden Beitrag zu dem Umstrukturierungsplan leisten. In jedem Fall ist der Kommission der Nachweis zu erbringen, dass die Beihilfe nur zur Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität des Unternehmens dient und dem Beihilfeempfänger nicht die Möglichkeit gibt, während der Durchführung des Umstrukturierungsplans seine Produktionskapazitäten zu erweitern.

    (65)

    Der Beihilfeempfänger und seine Aktionäre leisten einen bedeutenden Beitrag. Seit dem 31. Dezember 2001 hat Bull 160 Mio. EUR in die Umstrukturierung eingebracht, und zwar aus Veräußerungen von nicht zum Kerngeschäft gehörenden Vermögenswerten im Jahr 2002 und im ersten Halbjahr 2003. Des Weiteren hatte das Unternehmen für Umstrukturierungsmaßnahmen Rückstellungen in Höhe von 94 Mio. EUR aus den am 31. Dezember 2001 verfügbaren Barmitteln gebildet (20). Alte und neue Aktionäre haben 44,2 Mio. EUR zur Kapitalaufstockung beigetragen — auch dies ist ein bedeutender Beitrag. An dieser Tatsache ändert auch nichts, dass als Kapital zeichnende Investoren teilweise Unternehmen auftreten, die Partnerschaften mit Bull unterhalten (France Télécom, NEC), ferner Kunden (Debeka) und Führungskräfte des Konzerns Bull. Die Kommission kann außerdem das Kapital in Höhe von 17 Mio. EUR berücksichtigen, dass aus den ausgegebenen Optionsscheinen zu erwarten ist, denn die früheren Inhaber der Wandelschuldverschreibungen hätten sich nicht für diese Möglichkeit entscheiden müssen.

    (66)

    Nach Gewährung der Beihilfe und bei Betrachtung der Beihilfe als Verbindlichkeit sind die Solvabilitäts- und Liquiditätskennziffern von der Höhe her mit denen der Wettbewerber vergleichbar. Dank der Verbesserung der finanziellen Lage sind vor allem wieder Bankbürgschaften für die laufenden Geschäfte erhältlich. Es ist nämlich vorgesehen, dass Bull auch weiterhin auf kurzfristige externe Finanzierungen durch Verbriefung seiner Forderungen zurückgreift, und zwar in einer Größenordnung von […]* bis […]* Mio. EUR. In Anbetracht der auf den Märkten bestehenden Risiken und der Strategie von Bull, sich in Nischenmärkten zu betätigen, dürften die Finanzinstitute wohl kaum bereit sein, neue Kreditlinien für aggressives Vorgehen zu gewähren, das in keiner Verbindung mit dem Umstrukturierungsprozess steht.

    (67)

    Nach Aussage der französischen Behörden hätten bei einer geringeren Beihilfe die anderen Partner nicht investiert und die Inhaber der Wandelschuldverschreibungen den Austausch ihrer Forderungen gegen neue Titel nicht akzeptiert. Zu dem — allerdings verworfenen — wichtigsten Alternativvorschlag eines amerikanischen Investmentfonds haben die französischen Behörden in zufrieden stellender Weise dargelegt, dass bei dieser Lösung die Beihilfe auch nicht geringer ausgefallen wäre. Dieser Fonds sah eine größere Kapitalspritze als die 33 Mio. EUR vor, die die Investorengruppe ins Auge gefasst hatte, doch wird die Differenz durch die von den Inhabern der Wandelschuldverschreibungen gestellte Sicherheit von 11 Mio. EUR abgedeckt.

    (68)

    Zusammenfassend ist die Kommission der Ansicht, dass dem Unternehmen durch die Beihilfe keine überschüssige Liquidität zugeführt wird, die es zu einem aggressiven und marktverzerrenden Verhalten in von dem Umstrukturierungsprozess nicht berührten Tätigkeitsbereichen verwenden könnte.

    (69)

    Um jede missbräuchliche Förderung zu vermeiden, besagt Ziffer 48 der Leitlinien, dass Umstrukturierungsbeihilfen nur einmal gewährt werden dürfen. Hat das Unternehmen bereits in der Vergangenheit eine staatliche Umstrukturierungsbeihilfe erhalten und ist der Umstrukturierungszeitraum seit weniger als zehn Jahren abgeschlossen, genehmigt die Kommission in der Regel die Gewährung einer weiteren Umstrukturierungsbeihilfe nur unter außergewöhnlichen und unvorhersehbaren Umständen, die das Unternehmen nicht zu vertreten hat. Die im vorliegenden Fall angemeldeten Beihilfen werden frühestens am 31. Dezember 2004 ausgezahlt. In den Jahren 1993 und 1994 hatte der französische Staat dem Unternehmen Bull Umstrukturierungsbeihilfen gewährt, die von der Kommission Ende 1994 genehmigt worden waren. Der entsprechende Umstrukturierungsplan betraf allerdings einen Zeitraum bis Ende 1995. In der Entscheidung 2003/599/EG, mit der die Kommission die Rettungsbeihilfe genehmigt hat (21), wird irrigerweise in Randnummer 60 der 31. Dezember 2004 als Stichtag genannt, ab dem eine neue Umstrukturierungsbeihilfe gewährt werden kann. Die Zehnjahresfrist ist folglich im vorliegenden Fall noch nicht abgeschlossen.

    (70)

    Der Grundsatz der einmaligen Beihilfe gilt jedoch nicht unumschränkt. Wie der Gerichtshof in einem Urteil festgestellt hat (22), das zwar auf den EGKS-Vertrag Bezug nimmt, aber noch viel mehr auf den EG-Vertrag zutrifft, ist es die Zielsetzung dieser Vorschrift, der Kommission die Befugnisse zu verleihen, die erforderlich sind, um unvorhergesehenen Lagen unter Berücksichtigung der Entwicklung der Marktbedingungen zu begegnen. Die strikte Anwendung des Einmaligkeitsgrundsatzes würde die Beihilfen, die als erforderlich im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden, übermäßig beschränken und es der Kommission nicht erlauben, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob eine beabsichtigte Umstrukturierungsbeihilfe zur Erreichung der Ziele des Vertrags unerlässlich ist. Desgleichen dürfe sich die Kommission grundsätzlich nicht ausschließlich auf eine frühere Entscheidung berufen, um dem gleichen Beihilfeempfänger eine spätere Beihilfe zu verweigern (23).

    (71)

    In diesem Zusammenhang besagen die Leitlinien, dass vom Grundsatz der einmaligen Beihilfe abgewichen werden kann, wenn außergewöhnliche und unvorhersehbare Umstände vorliegen, die das Unternehmen nicht zu vertreten hat. Hierzu ist anzuführen, dass die Krise im Sektor der Informationstechnologien und der Kommunikation im Jahr 2001 weder außergewöhnlich noch unvorhersehbar war, dass sie jedoch in ihrem Umfang, insbesondere hinsichtlich des Segments der Internet- und Telekommunikationstechnologien, außergewöhnlich, unvorhersehbar und von Bull nicht zu vertreten war. Ein weiterer Aspekt, der im vorliegenden Fall zu berücksichtigen ist, ist die Rasanz, mit der sich im betreffenden Sektor technologische Entwicklungen vollziehen.

    (72)

    In diesem Zusammenhang sollte unterstrichen werden, dass Bull und der französische Staat den alten Umstrukturierungsplan äußerst sorgfältig umgesetzt haben, insbesondere was die Privatisierung, die Partnerschaft mit NEC und France Télécom und die Veräußerung verschiedener Vermögenswerte angeht, wie es ein unabhängiger Experte vorgeschlagen und wie es auch die Kommission angeregt hatte; außerdem konnte dieser Plan die derzeitigen Schwierigkeiten nicht verhindern. Seinerzeit waren die finanziellen Schwierigkeiten nämlich weitgehend auf Konzernsparten und Tochtergesellschaften zurückzuführen, die im Rahmen des Umstrukturierungsplans veräußert worden sind, insbesondere Zenith Data Systems im Bereich der Kleinstcomputer sowie der Konzernbereich OSS. Es hat bereits eine erste Umstrukturierung von Bull stattgefunden, bei der sich das Unternehmen an sein Umfeld anzupassen versucht hat. Der Arbeitsplatzabbau im Unternehmen macht diesen radikalen Kurswechsel deutlich: 1990 hatte es 44 500 Beschäftigte, 1995 waren es noch 24 000 und 1999 nur noch 11 500. Die derzeitigen Schwierigkeiten, die in den Randnummern 9 bis 12 dargestellt sind, unterscheiden sich in ihrer Art grundsätzlich von denen, die zu der Umstrukturierung im Zeitraum 1993-1995 geführt haben.

    (73)

    Aus dem bisher Gesagten ergibt sich, dass im vorliegenden Fall der Grundgedanke des Prinzips der einmaligen Beihilfe, nämlich missbräuchliche Förderung zu verhindern, respektiert wird. Der Staat hat Bull nicht künstlich am Leben erhalten, auch wenn das Unternehmen immer wieder vor den gleichen Schwierigkeiten zu stehen scheint. Ganz im Gegenteil: Die Beihilfe, die Gegenstand dieser Entscheidung ist, diente der Bewältigung neuartiger Schwierigkeiten.

    (74)

    Zudem sei noch hinzugefügt, dass die Zehnjahresfrist fast abgelaufen ist.

    (75)

    Zusammenfassend ist die Kommission angesichts der Umstände im vorliegenden Fall der Auffassung, dass das Kriterium der einmaligen Beihilfe einer Genehmigung der angemeldeten Beihilfe nicht im Wege steht.

    (76)

    Nach dem Urteil „Deggendorf“ des Gerichtshofes (24) hat die Kommission bei der Prüfung der Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt alle einschlägigen Elemente zu berücksichtigen, insbesondere aber die eventuell kumulierende Wirkung dieser Beihilfe und anderer Beihilfen, die nicht zurückgezahlt worden sind. Im vorliegenden Fall verfügt Bull über die Rettungsbeihilfe, deren Genehmigung von ihrer Rückzahlung durch Bull bis spätestens 17. Juni 2003 abhängig war. Nach Aussage der französischen Behörden wird die angemeldete Beihilfe auf jeden Fall erst nach Rückzahlung der Rettungsbeihilfe gewährt. Unter diesen Voraussetzungen wird der Grundsatz „Deggendorf“ eingehalten, doch muss sich die Kommission dessen versichern.

    (77)

    Gemäß Ziffer 43 der Leitlinien ist der der Kommission vorgelegte Umstrukturierungsplan in seiner präzisierten und vervollständigten Fassung vollständig durchzuführen.

    (78)

    Gemäß den Ziffern 45 und 46 der Leitlinien sind der Kommission jährlich Berichte vorzulegen.

    VI.   SCHLUSSFOLGERUNGEN

    (79)

    Nach Auffassung der Kommission kann die von Frankreich angemeldete Umstrukturierungsbeihilfe für das Unternehmen Bull unter der Voraussetzung als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt werden, dass alle Zusagen Frankreichs eingehalten und alle Bedingungen erfüllt werden —

    HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

    Artikel 1

    Die Beihilfe in Höhe von 517 Mio. EUR, die Frankreich zugunsten des Unternehmens Bull gewähren will und die mit einer Besserungsklausel belegt ist, ist mit dem Gemeinsamen Markt vorbehaltlich der in Artikel 2 aufgeführten Bedingungen vereinbar.

    Artikel 2

    (1)   Der der Kommission von Frankreich übermittelte Umstrukturierungsplan von Bull wird vollständig umgesetzt.

    (2)   Die in Artikel 1 genannte Beihilfe wird erst nach Rückzahlung der mit der Entscheidung 2003/599/EG genehmigten Rettungsbeihilfe gewährt. Sie wird frühestens am 31. Dezember 2004 ausgezahlt.

    (3)   Frankreich legt der Kommission alljährlich einen Bericht über die Umsetzung des Umstrukturierungsplans für den Zeitraum bis Ende 2007 vor.

    Artikel 3

    Frankreich teilt der Kommission innerhalb von zwei Monaten nach der Bekanntgabe dieser Entscheidung die Maßnahmen mit, die ergriffen wurden, um der Entscheidung nachzukommen.

    Artikel 4

    Diese Entscheidung ist an die Republik Frankreich gerichtet.

    Brüssel, den 1. Dezember 2004

    Für die Kommission

    Neelie KROES

    Mitglied der Kommission


    (1)  ABl. C 102 vom 28.4.2004, S. 12.

    (2)  ABl. L 209 vom 19.8.2003, S. 1.

    (3)  Unter der Nummer C-504/03 eingetragen.

    (4)  Vgl. Fußnote 1.

    (5)  http://www.bull.com

    (6)  ABl. L 386 vom 31.12.1994, S. 1.

    (7)  Zu näheren Einzelheiten über den Umstrukturierungsplan vgl. Entscheidung 2003/599/EG.

    (8)  Teile dieses Textes wurden ausgelassen, um zu gewährleisten, dass keine vertraulichen Informationen bekannt gegeben werden; diese Teile sind durch eckige Klammern und ein Sternchen gekennzeichnet.

    (9)  Gewinn vor Zinsen und Steuern (Earnings before interest and taxes).

    (10)  ABl. C 288 vom 9.10.1999, S. 2.

    (11)  Vor kurzem wurde eine Neufassung der Leitlinien veröffentlicht (ABl. C 244 vom 1.10.2004, S. 2). Nach Ziffer 103 dieser Neufassung ist die betreffende Beihilfe gemäß den zum Zeitpunkt der Anmeldung der Beihilfe geltenden Kriterien zu prüfen, hier also im Lichte der Leitlinien von 1999.

    (12)  Seit 2001 ist das Eigenkapital negativ; Ende 2003 belief es sich auf – 726 Mio. EUR. Die Verluste in den Jahren 2000, 2001 und 2002 betrugen 243 Mio. EUR, 253 Mio. EUR. bzw. 548 Mio. EUR.

    (13)  Urteil des Gerichtshofes vom 15. Mai 1997, Textilwerke Deggendorf GmbH gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften und Bundesrepublik Deutschland, Rechtssache C-355/95 P, Slg. 1997, I-2549.

    (14)  Beispielsweise: Forrester, „Market overview — Exploiting open source in Europe“, 22.6.2004.

    (15)  Vgl. The Clipper Group Navigator, „Bull transitions GCOS 8 to Open Systems — Novascale 9000 to the Rescue“, 15.10.2003, und IDC, „Vendor needs and Strategies, Bull fills out Novascale line — targets commercial and High-Performance Computing (HPC) Customers in 2004“, April 2004. IDC z. B. kommt zu folgendem Schluss:„Dank der Einführung der NovaScale-Server im Jahr 2003 konnte Bull seine Position auf dem Markt für Hochleistungsrechner verbessern — einem Markt, auf dem das Unternehmen auch schon früher tätig war. Im letzten Jahr konnte es eine Reihe wichtiger Kunden in diesem Sektor erobern. (...) Mit der Hinzufügung des Server-Betriebssystems Microsoft Windows 2003 und des Servers SQL sowie der neuen Software ISV — vor allem von Oracle, SAP und BEA — kann sich das Unternehmen der erwarteten steigenden Nachfrage nach hochwertigen Unternehmensanwendungen auf einem sich allmählich erholenden europäischen Markt stellen.“

    (16)  Vgl. Fußnote 12.

    (17)  Entscheidung der Kommission vom 31. Januar 2002 zur Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt (Fall IV/M.2609 — HP/Compaq) gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates (ABl. C 39 vom 13.2.2002, S. 23).

    (18)  Entscheidung der Kommission vom 24. November 2003 zur Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt (Fall IV/M.3307 — Cap Gemini/Transiciel) gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates (ABl. C 295 vom 5.12.2003, S. 16).

    (19)  Entscheidung der Kommission vom 10. November 2003 zur Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt (Fall IV/M.3295 — Atos Origin/Sema Group) gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates (ABl. C 295 vom 5.12.2003, S. 16).

    (20)  Dieser Betrag enthält weder den vom Staat Ende Dezember 2001 gewährten Vorschuss noch die Mittel, die Bull dank dieses Vorschusses generieren konnte.

    (21)  Vgl. Fußnote 7.

    (22)  Urteil des Gerichtshofes vom 23. November 2000, Wirtschaftsvereinigung Stahl, Thyssen Stahl AG, Preussag Stahl AG und Hoogovens Staal BV, früher Hoogovens Groep BV gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Rechtssache C-441/97 P, Slg. 2000, I-10293, Randziffer 55.

    (23)  Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache C-110/02, Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen den Rat der Europäischen Union, Randziffer 43 (noch nicht in der Sammlung veröffentlicht).

    (24)  Vgl. Fußnote 11.


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