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Document 52016AE1578

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Geänderten Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang von Waren und Dienstleistungen aus Drittländern zum EU-Binnenmarkt für öffentliche Aufträge und über die Verfahren zur Unterstützung von Verhandlungen über den Zugang von Waren und Dienstleistungen aus der Union zu den Märkten für öffentliche Aufträge von Drittländern“ [COM(2016) 34 final — 2012/0060 (COD)]

ABl. C 264 vom 20.7.2016, p. 110–116 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

20.7.2016   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 264/110


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Geänderten Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang von Waren und Dienstleistungen aus Drittländern zum EU-Binnenmarkt für öffentliche Aufträge und über die Verfahren zur Unterstützung von Verhandlungen über den Zugang von Waren und Dienstleistungen aus der Union zu den Märkten für öffentliche Aufträge von Drittländern“

[COM(2016) 34 final — 2012/0060 (COD)]

(2016/C 264/15)

Berichterstatter:

Mário SOARES

Die Europäische Kommission und das Europäische Parlament beschlossen am 29. Januar 2016 bzw. 4. Februar 2016, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 207 und 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang von Waren und Dienstleistungen aus Drittländern zum EU-Binnenmarkt für öffentliche Aufträge und über die Verfahren zur Unterstützung von Verhandlungen über den Zugang von Waren und Dienstleistungen aus der Union zu den Märkten für öffentliche Aufträge von Drittländern

[COM(2016) 34 final — 2012/0060 (COD)].

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Außenbeziehungen nahm ihre Stellungnahme am 19. April 2016 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 516. Plenartagung am 27./28. April 2016 (Sitzung vom 27. April) mit 223 gegen 3 Stimmen bei 7 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Die Europäische Union (EU) hat für eine stärkere Integration und Liberalisierung der öffentlichen Aufträge in der EU im Rahmen der Überprüfung des Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen (Government Procurement Agreement, GPA), in den Handelsverhandlungen mit Drittländern und im Rahmen der von ihr unlängst geschlossenen Handelsabkommen gesorgt. Diese Reformen führten zu einer weiter gehenden Öffnung der Märkte für öffentliche Aufträge in der EU gegenüber den Unternehmen aus Industrie- und Schwellenländern, wobei diese Länder auf diese Öffnung nicht mit einem gleichwertigen Angebot reagiert haben und die Unternehmen aus der EU in den Drittländern weiterhin mit restriktiven und diskriminierenden Maßnahmen konfrontiert sind. Diese Öffnung ist umso notwendiger, weil die öffentliche Auftragsvergabe etwa 20 % des weltweiten BIP ausmacht und weil vor dem Hintergrund der derzeitigen Krise die öffentlichen Investitionen in die Infrastruktur und die Bau- und Lieferaufträge in den Volkswirtschaften der Industrie- und Schwellenländer einer der wesentlichen Hebel für das Wirtschaftswachstum in den kommenden Jahren sind.

1.2.

In mehreren seiner Stellungnahmen hat der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) das Ziel der Europäischen Union unterstützt, die Märkte für öffentliche Aufträge aller Länder stärker für den internationalen Wettbewerb zu öffnen. Der EWSA hat außerdem die Notwendigkeit unterstrichen, die Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge, insbesondere für die KMU, zu vereinfachen, aber auch die Grundsätze der Transparenz, des Diskriminierungsverbots und der Gleichbehandlung zu beachten. Er hat zudem mehrfach gefordert, die soziale und ökologische Dimension sowie die Achtung der grundlegenden Menschenrechte und den Verbraucherschutz bei der Durchführung der europäischen Handelspolitik im Einklang mit Artikel 207 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU gebührend zu stärken, denn in diesem Artikel wird mehr Kohärenz mit den Grundsätzen und Zielen der Union gefordert.

1.3.

Der EWSA kann die Sorgen der Kommission nachvollziehen, die eine größere Öffnung der Märkte für öffentliche Aufträge in Drittländern für Unternehmen aus der EU erreichen möchte, und er ist sich der Hebelwirkung bewusst, die sich aus dem geänderten Vorschlag für eine Verordnung über den Zugang von Waren und Dienstleistungen aus Drittländern zum EU-Binnenmarkt für öffentliche Aufträge ergibt, der Gegenstand dieser Stellungnahme ist.

1.4.

Der EWSA ist der Auffassung, dass der Vorschlag für eine Verordnung ein erster Schritt zur Gewährleistung einer stärkeren Öffnung der öffentlichen Aufträge sein kann, unter anderem bei den laufenden Verhandlungen im Rahmen der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) zwischen der EU und den Vereinigten Staaten, wie auch im Rahmen der Verhandlungen über ein Handelsabkommen mit Japan und im Rahmen der Beitrittsverhandlungen Chinas zum Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen der Welthandelsorganisation (WTO), denn die Märkte für öffentliche Aufträge in diesen Ländern sind weniger offen als die Märkte der Europäischen Union, aber auch gegenüber Staaten wie Russland, Brasilien oder Argentinien, die das GPA nicht unterzeichnet haben.

1.5.

Allerdings ist sich der EWSA der tief greifenden Meinungsverschiedenheiten im Rat und im Europäischen Parlament sowohl in Bezug auf die Relevanz als auch auf die Wirksamkeit der vorgeschlagenen Verordnung bewusst.

1.6.

Der EWSA betont die absolute Notwendigkeit, einen freien und unverfälschten Wettbewerb mit Unternehmen aus Drittländern im Rahmen der Vergabe öffentlicher Aufträge zu gewährleisten. Er hegt jedoch Zweifel, ob mit dem jetzt vorliegenden Verordnungsvorschlag das Ziel einer ausgewogenen Öffnung der Märkte für öffentliche Aufträge in den Drittländern erreicht werden kann. Der EWSA ist insbesondere der Auffassung, dass es dem neuen Vorschlag für eine Verordnung an Ehrgeiz fehlt, denn sein Anwendungsbereich ist auf eine reine Preisanpassung für Aufträge mit einem Auftragswert von über 5 Mio. EUR beschränkt, und er merkt an, dass nur bei 7 % aller öffentlichen Aufträge der Auftragswert über 5 Mio. EUR liegt. Weiterhin ist seiner Ansicht nach ein Aufschlag von bis zu 20 % des Preises der betreffenden Angebote nicht ausreichend, und die Höhe des Aufschlags müsste von Fall zu Fall geprüft werden. Der EWSA schlägt vor, Preisanpassungsmaßnahmen bei Aufträgen anzuwenden, deren geschätzter Wert mindestens 2,5 Mio. EUR beträgt.

1.7.

Der EWSA fragt sich ferner, ob das Verbot für die Mitgliedstaaten, über die in der Verordnung vorgesehenen Maßnahmen hinausgehende restriktive Maßnahmen zu verhängen, nicht darauf hinausläuft, dass öffentliche Aufträge unterhalb des Schwellenwerts von 5 Mio. EUR für die Unternehmen von Drittländern de facto und ohne Gegenleistung liberalisiert werden. Der EWSA verweist daher auf die dringende Notwendigkeit einer ausgewogenen und gegenseitigen Öffnung der Vergabe öffentlicher Aufträge zwischen der EU und den Drittländern.

1.8.

Der EWSA bedauert, dass im Verordnungsvorschlag keinerlei Bezug auf das Ziel der nachhaltigen Entwicklung genommen wird, obwohl die Kommission dieses Ziel als ein wichtiges Element in ihre Mitteilung mit dem Titel „Handel für alle“ aufgenommen und wiederholt angekündigt hat, sie wolle die nachhaltige Entwicklung in allen wichtigen Kapiteln der Freihandelsabkommen (Energie, Rohstoffe und öffentliche Auftragsvergabe) berücksichtigen (1).

1.9.

Der EWSA bedauert die Streichung der Artikel 85 und 86 der Richtlinie 2014/25/EU durch die neue Verordnung, denn diese Bestimmungen sind ehrgeiziger und stehen stärker mit dem Ziel der Berücksichtigung der nachhaltigen Entwicklung im Einklang, weil sie auch eine soziale Dimension bezüglich der Schwierigkeiten der Unternehmen aus der EU enthalten, den Zuschlag für öffentliche Aufträge in Drittländern zu erhalten, in denen die internationalen arbeitsrechtlichen Bestimmungen nicht eingehalten werden. Der EWSA ist ferner der Ansicht, dass es sinnvoll wäre, sich eingehender mit einer möglichen Integration einiger ihrer Elemente in den jetzt vorgelegten Verordnungsentwurf zu befassen.

1.10.

Der EWSA ist nämlich der Auffassung, dass in der Verordnung ein ehrgeizigerer Ansatz zur Förderung der Ziele der nachhaltigen Entwicklung, der Achtung der Grundrechte und des Verbraucherschutzes bei der Vergabe öffentlicher Aufträge in den Drittländern entwickelt werden muss. Nach Ansicht des EWSA können die Verstöße gegen diese Grundregeln sich negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen auswirken, und er ist der Ansicht, dass die Bestimmung des Begriffs „restriktive Maßnahme oder Praxis“ in Artikel 2 des Vorschlags Fälle von Verstößen gegen diese Grundregeln mit erfassen muss. Der EWSA ist zudem der Ansicht, dass die Kommission in dem Bericht, den sie bis spätestens 31. Dezember 2018 und mindestens alle drei Jahre (Artikel 16 des Vorschlags) vorlegen muss, nicht nur den Zugang der Wirtschaftsteilnehmer zu den Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge in den Drittländern erläutern, sondern auch darlegen muss, inwieweit die Vorschriften in den Bereichen Soziales und Umweltschutz bei der Vergabe der Aufträge in den Drittländern eingehalten sowie die grundlegenden Menschenrechte gewahrt und die Verbraucher geschützt werden; die Berichte der Kommission über die Durchführung der Verordnung müssen dem ebenfalls gebührend Rechnung tragen.

1.11.

Der EWSA fordert, dass in dem vorliegenden Vorschlag für eine Verordnung erneut auf die Notwendigkeit hingewiesen wird, dass die an Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge innerhalb der EU teilnehmenden Unternehmen aus Drittländern die Bestimmungen zur Förderung der nachhaltigen Entwicklung und zur Stärkung der sozialen und ökologischen Dimension sowie die grundlegenden Menschenrechte, die Bestimmungen des Verbraucherschutzes und zur sozialen und beruflichen Eingliederung oder Wiedereingliederung von Menschen mit Behinderungen einhalten müssen, die in den Richtlinien 2014/23/EU, 2014/24/EU und 2014/25/EU über das öffentliche Beschaffungswesen verankert sind. Die Einhaltung dieser Bestimmungen ist entscheidend für einen freien und unverfälschten Wettbewerb auf dem Binnenmarkt.

1.12.

Der EWSA begrüßt ausdrücklich, dass die Verordnung nicht auf die am wenigsten entwickelten Länder und die am stärksten gefährdeten Länder laut APS-Verordnung (2) angewandt werden soll, doch weist er die Kommission darauf hin, dass weitere Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Teilnahme der am wenigsten entwickelten Länder und der am stärksten gefährdeten Länder an den Ausschreibungen öffentlicher Aufträge in der EU zu fördern.

1.13.

Der EWSA begrüßt zudem, dass die Verordnung nicht auf die in der EU niedergelassenen KMU angewandt wird. Gleichwohl möchte er die Kommission darauf hinweisen, dass die KMU besondere Unterstützung benötigen, sowohl für den Zugang zu den „grenzüberschreitenden“ Aufträgen in der EU als auch für den Zugang zu öffentlichen Aufträgen in den Drittländern.

2.   Hintergrund

2.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss wurde sowohl von der Europäischen Kommission als auch vom Europäischen Parlament um Stellungnahme zu dem geänderten „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang von Waren und Dienstleistungen aus Drittländern zum EU-Binnenmarkt für öffentliche Aufträge und über die Verfahren zur Unterstützung von Verhandlungen über den Zugang von Waren und Dienstleistungen aus der Union zu den Märkten für öffentliche Aufträge von Drittländern“ ersucht.

2.2.

Die Ausgaben für öffentliche Aufträge werden in der Regel auf etwa 20 % des weltweiten BIP geschätzt. Vor dem Hintergrund der derzeitigen Krise sind die öffentlichen Investitionen in die Infrastruktur und die Bau- und Lieferaufträge in den Volkswirtschaften der Industrie- und Schwellenländer voraussichtlich einer der wesentlichen Hebel für das Wirtschaftswachstum in den kommenden Jahren.

2.3.

Die EU hat schrittweise für eine Integration ihrer Märkte für öffentliche Aufträge gesorgt und sie durch eine weiter gehende Liberalisierung der europäischen Märkte für öffentliche Aufträge im Rahmen der Überprüfung des im April 2014 in Kraft getretenen Übereinkommens der WTO über das öffentliche Beschaffungswesen (Government Procurement Agreement, GPA) sowie in den Handelsverhandlungen mit Drittländern geöffnet (vor allem im Rahmen der von der Europäischen Union unlängst geschlossenen Handelsabkommen — beispielsweise die Abkommen EU–Korea, EU–Zentralamerika und EU–Kolumbien und Peru, EU–Moldawien, EU–Georgien, EU–Ukraine).

2.4.

Allerdings stoßen Unternehmen aus der EU in den Drittländern immer noch auf restriktive und diskriminierende Praktiken. Diese Praktiken sind auf mehrere Faktoren zurückzuführen:

Einige andere Unterzeichnerstaaten des Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen (unterzeichnet von 43 Mitgliedern der WTO) sind nicht so weitgehende Verpflichtungen eingegangen wie die EU. So hat die EU 80 % ihrer Märkte für öffentliche Aufträge geöffnet, während die anderen Industriestaaten nur 20 % geöffnet haben. Die EU hat ihre Märkte für öffentliche Aufträge in einem Gesamtvolumen von rund 352 Mrd. EUR für Bieter aus den Unterzeichnerstaaten des Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA) geöffnet, während die Beschaffungsmärkte weltweit zu über 50 % ihres Wertes geschlossen sind, was dazu führt, dass nur Ausfuhren in einem Wert von 10 Mrd. EUR aus der Union realisiert werden und dass sich der Verlust bei den Ausfuhren auf geschätzte 12 Mrd. EUR beläuft.

China verhandelt noch über seinen Beitritt zu dem Übereinkommen, obwohl sich das Land bereits bei seinem Beitritt zur WTO im Jahr 2001 dazu verpflichtet hat, dem Übereinkommen beizutreten. Russland verpflichtete sich ebenfalls, die Verhandlungen über einen Beitritt zum Übereinkommen innerhalb von vier Jahren nach seinem Beitritt zur WTO im Jahr 2012 aufzunehmen. Die Integration Russlands in das Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen könnte noch mehr Zeit erfordern als die Chinas;

Eine Reihe gewichtiger Akteure, die Mitglieder der G20 sind (Brasilien, Indien, Argentinien), wollen dem GPA nicht beitreten, und die bilateralen Verhandlungen mit diesen Ländern werden wohl kaum in Kürze zum Abschluss gebracht werden.

2.5.

Außerdem ist zu beachten, dass viele Handelspartner der Europäischen Union Präferenzen für inländische Hersteller oder Erzeugnisse bzw. Präferenzen zugunsten der kleinen und mittleren Unternehmen beibehalten (z. B. im Rahmen des Gesetzes „Buy American Act“ in den USA, der „Buy Chinese“-Politik in China, der gesetzlich vorgeschriebenen Präferenzspannen in Brasilien und der nationalen Präferenzen auf regionaler Ebene in Australien), was de facto die Unternehmen der Europäischen Union von einer Bewerbung um diese öffentlichen Aufträge ausschließt (3).

2.6.

Bei den in Drittländern zum Wettbewerb ausgeschriebenen öffentlichen Aufträgen werden die europäischen Unternehmen häufig an einer wirksamen Teilnahme an den öffentlichen Ausschreibungen gehindert — durch komplexere und technisch problematischere Hindernisse „hinter den Grenzen“ (wie verschiedene Vorschriften über Zertifizierung und Standardisierung, Genehmigungsverfahren, intransparente oder diskriminierende Verfahren usw.); diese festzustellen, zu analysieren und aus dem Weg zu räumen ist langwieriger, und die Vorschriften und Verfahren werden restriktiv gehandhabt. Darauf hat der EWSA bereits in einer früheren Stellungnahme hingewiesen.

2.7.

Vor diesem schwierigen Hintergrund — es gibt keinen Hebel, mit dem eine erhebliche Öffnung der Beschaffungsmärkte in Drittländern erreicht werden könnte — versucht die Europäische Union seit mehreren Jahren, ein Instrument zu schaffen, mit dem Beschränkungen eingeführt werden könnten, wenn es keine Gegenseitigkeit gibt oder seitens der Drittstaaten restriktive und diskriminierende Maßnahmen gegen europäische Unternehmen ergriffen werden.

2.8.

Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass die EU über die Möglichkeit verfügt und bislang schon verfügt hat, den Zugang zu öffentlichen Aufträgen in der EU für die Unternehmen der Länder zu beschränken, die keine Gleichbehandlung mit der Behandlung gewähren, die Unternehmen aus diesen Ländern in der Europäischen Union bezüglich der Vergabe öffentlicher Aufträge im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste erhalten. Allerdings hat die EU von dieser Möglichkeit nie Gebrauch gemacht. So ist in der Richtlinie 2004/17/EG in der durch die Richtlinie 2014/25/EU geänderten Fassung (in Kraft getreten am 18. April 2016) vorgesehen, dass Angebote abgelehnt werden können, die mehr als 50 % Erzeugnisse mit Ursprung in einem Drittland enthalten, mit dem die Union keine internationalen Übereinkünfte geschlossen hat (Artikel 58), und dass die Kommission dem Rat vorschlagen kann (Artikel 59), während eines bestimmten Zeitraums den Zugang zu öffentlichen Aufträgen in der Europäischen Union für die Unternehmen aus Ländern einzuschränken oder auszusetzen, die nicht dieselbe Behandlung gewähren, die die Unternehmen dieser Länder in der EU erhalten, bzw. für die Unternehmen der Länder, in denen die Probleme dieser Art auf den Verstoß gegen die Vorschriften des internationalen Arbeitsrechts zurückzuführen sind. Diese Bestimmungen wurden in die Artikel 85 und 86 der Richtlinie 2014/25/EU übernommen.

2.9.

Die Richtlinie 2004/18/EG wiederum, die allgemeine Richtlinie über die öffentlichen Aufträge (in der durch die Richtlinie 2014/24/EU geänderten Fassung), enthält keine vergleichbaren Bestimmungen; daher wurden und werden in den einzelnen Ländern weiterhin ausländische Bieter bzw. Angebote, die Erzeugnisse oder Dienstleistungen mit Ursprung in einem Drittland enthalten, unterschiedlich behandelt. In einigen Mitgliedstaaten gab es eine Gleichbehandlung, in anderen Mitgliedstaaten hingegen war dies von den internationalen Verpflichtungen aus dem Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen der WTO bzw. von bilateralen Abkommen abhängig.

2.10.

Um den Mangel fehlender Bestimmungen in der allgemeinen Richtlinie über die Vergabe öffentlicher Aufträge zu beheben und wegen der Tatsache, dass einige Drittländer ihre Beschaffungsmärkte für den internationalen Wettbewerb nicht öffnen wollen, aber von einem relativ leichten Zugang zum europäischen Markt profitieren, hat die Kommission im Jahr 2012 einen Vorschlag für eine Verordnung zur Einführung eines gewissen Maßes an Gegenseitigkeit beim Zugang zu öffentlichen Aufträgen vorgelegt.

2.11.

In dem ersten Vorschlag der Kommission von 2012 wurde zunächst der allgemeine Grundsatz in Erinnerung gerufen, dass Waren und Dienstleistungen, die Verpflichtungen der EU hinsichtlich des Marktzugangs unterliegen, bei der Vergabe öffentlicher Aufträge auf dem Binnenmarkt der EU genauso behandelt werden müssen wie Waren und Dienstleistungen aus der EU. Diesen Grundsatz weitete die Kommission zudem auf Waren und Dienstleistungen aus den am wenigsten entwickelten Ländern aus.

Für die Waren und Dienstleistungen, die keinen Verpflichtungen hinsichtlich des Marktzugangs unterliegen, basierte der Vorschlag auf zwei Säulen:

Das dezentralisierte Verfahren (Artikel 6), bei dem es einer Vergabestelle gestattet war, der Kommission ihre Absicht einer Ablehnung bestimmter Angebote mitzuteilen, bei denen der Wert der nicht internationalen Verpflichtungen unterliegenden Waren und Dienstleistungen 50 % des Gesamtwerts der Waren und Dienstleistungen im jeweiligen Angebot überschreitet. Die Kommission konnte die Ablehnung genehmigen, wenn ein erheblicher Mangel an Gegenseitigkeit zwischen der EU und dem Land vorliegt, aus dem die Waren bzw. Dienstleistungen stammen. Sie hätte den Ausschluss des Angebots außerdem genehmigen können, wenn für die betreffenden Waren und Dienstleistungen in einem internationalen Übereinkommen ein Marktvorbehalt der EU festgelegt wurde.

Das zentralisierte Verfahren (Artikel 8 bis 13), wonach die Kommission eine Untersuchung einleiten konnte. Diese Untersuchung konnte von der Kommission von Amts wegen oder auf Antrag eines Mitgliedstaats oder einer interessierten Partei eingeleitet werden, um zu prüfen, ob es in Drittländern wettbewerbsbeschränkende Praktiken bei der Vergabe öffentlicher Aufträge gibt. Die Kommission konnte mit dem betreffenden Land Anhörungen zur Lösung dieses Problems und zur Verbesserung der Bedingungen für den Zugang von Unternehmen aus der EU zum Markt dieses Landes durchführen oder, im Falle eines Scheiterns, vorübergehend restriktive Maßnahmen verhängen. Diese restriktiven Maßnahmen konnten grundsätzlich darin bestehen, bestimmte Angebote auszuschließen, die zu über 50 % Waren oder Dienstleistungen aus dem betreffenden Land enthalten, oder die Waren oder Dienstleistungen mit Ursprung in dem betreffenden Drittland mit einer Geldstrafe zu belegen. Die Kommission musste ihre Untersuchung in einem Zeitraum von neun Monaten abgeschlossen haben. Diese Frist konnte in begründeten Fällen um drei Monate verlängert werden.

2.12.

Das Parlament nahm seinen Bericht im Jahr 2014 (4) an und äußerte einen gewissen Widerstand gegen das dezentralisierte Verfahren. Nach Auffassung des Parlaments darf nur die Kommission — und nicht kommunale Behörden — über den Ausschluss eines Angebots entscheiden, weil der internationale Handelsverkehr eine ausschließliche Zuständigkeit der EU ist. Es hat daher vorgeschlagen, das dezentralisierte Verfahren in das zentralisierte Verfahren zu integrieren. Zudem wurden weitere Einwände vorgetragen wie die fehlende Gegenseitigkeit hinsichtlich der Einhaltung der Sozial- und Umweltnormen und der grundlegenden Normen der IAO sowie das Fehlen einer Begriffsbestimmung für die „substanzielle Reziprozität“; außerdem schlägt das Parlament die Vermutung einer fehlenden Gegenseitigkeit im Falle eines Verstoßes gegen Vorschriften des internationalen Arbeitsrechts vor. Das Parlament ist ferner besorgt darüber, dass mit der Verordnung nicht die europäischen Umwelt- und Sozialstandards geschützt wurden.

2.13.

Die erste Lesung hat im Rat nicht zu einer Entscheidung geführt. 15 Mitgliedstaaten billigten den Vorschlag nicht wirklich und bildeten eine Sperrminorität. Die wichtigsten davon waren Deutschland, Großbritannien, die Niederlande und Schweden sowie bestimmte osteuropäische Länder. Sie haben die Befürchtung geäußert, ein solches Instrument werde weltweit als protektionistisch empfunden. Die den Vorschlag unterstützenden Länder, angeführt von Frankreich, konnten im Jahr 2014 eine fachliche Debatte einleiten, und es bestand die Hoffnung auf einen Konsens (während des italienischen Ratsvorsitzes im zweiten Halbjahr 2014). Leider wurde dieser Konsens nicht erzielt, weshalb die Kommission im Januar einen geänderten Vorschlag (5) in der Hoffnung annahm, die Blockade im Rat aufzuheben.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1.

Die Kommission legt einen neuen Vorschlag vor, um bestimmte negative Auswirkungen des vorhergehenden Vorschlags zu beseitigen. In dem neuen Vorschlag streicht die Kommission das dezentralisierte Verfahren, das kritisiert wurde, weil es einen erheblichen Verwaltungsaufwand verursachte und zu einem gewissen Grade eine Zersplitterung des Binnenmarkts förderte. Sie streicht auch die Möglichkeit der vollständigen Abschottung des europäischen Marktes, behält jedoch die Möglichkeit bei, Angebote, die zu über 50 % Waren und Dienstleistungen aus Ländern enthalten, die restriktive oder diskriminierende Maßnahmen anwenden, nach einer Untersuchung der Kommission mit Geldstrafen in Höhe von 20 % zu belegen. Diese Preisanpassungsmaßnahme gilt ausschließlich für Aufträge ab einem geschätzten Wert von 5 Mio. EUR, wodurch nach Ansicht der Kommission das Risiko von Vergeltungsmaßnahmen seitens der Drittländer verringert würde. Ferner ist in dem Vorschlag vorgesehen, dass die Preisanpassungsmaßnahme weder für die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) der EU noch bei Bietern oder Waren mit Ursprung in den am wenigsten entwickelten und den am stärksten gefährdeten Entwicklungsländern im Sinne der Verordnung über das Allgemeine Präferenzsystem (APS) zur Anwendung kommt.

3.2.

Bei verschiedenen Gelegenheiten hat der EWSA das Ziel der EU unterstützt, die eine weitere Öffnung der Märkte für öffentliche Aufträge aller Länder für den internationalen Wettbewerb anstrebt; er hat zudem aber auch auf die Notwendigkeit hingewiesen, die Grundsätze der Vereinfachung der Vorschriften über das öffentliche Auftragswesen, der Transparenz, des Diskriminierungsverbots, der Gleichbehandlung, der Verantwortung für soziale und ökologische Belange sowie die Achtung der Grundrechte durchzusetzen (6).

3.3.

Der EWSA kann die Sorgen der Kommission nachvollziehen, die eine größere Öffnung der Märkte für öffentliche Aufträge in Drittländern für Unternehmen aus der EU erreichen möchte. Der EWSA teilt zudem die Auffassung, dass der Vorschlag für eine solche Verordnung ein erster Schritt bei den Verhandlungen über das öffentliche Beschaffungswesen im Rahmen der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) zwischen der EU und den Vereinigten Staaten wie auch im Rahmen der Handelsverhandlungen mit Japan und im Rahmen der Verhandlungen mit China über den Beitritt zum GPA sein kann, denn die Märkte für öffentliche Aufträge in diesen Ländern sind weniger offen als die Märkte der Europäischen Union, aber auch gegenüber Staaten wie Russland, Brasilien oder Argentinien, die das GPA nicht unterzeichnet haben.

3.4.

Der EWSA hegt jedoch Zweifel, ob nach der Annahme der Verordnung das Ziel einer Öffnung der Märkte für öffentliche Aufträge in den Drittländern erreicht werden kann. Der EWSA ist der Auffassung, dass es dem neuen Vorschlag für eine Verordnung an Ehrgeiz fehlt, denn sein Anwendungsbereich bleibt begrenzt; die Auswirkung auf die Öffnung der Märkte für öffentliche Aufträge in Drittländern ist mehr als ungewiss und könnte zudem nur sehr begrenzt wirksam werden.

3.5.

Die Kommission gibt selbst an, dass nur bei 7 % aller bekannt gegebenen Aufträge der Auftragswert über 5 Mio. EUR liegt. Diese Aufträge machen wertmäßig aber immerhin 61 % der in der EU bekannt gegebenen Aufträge aus. Da jedoch die Verordnung nur für Aufträge gilt, die nicht unter die von der Europäischen Union eingegangenen internationalen Verpflichtungen fallen, wäre die Frage zu stellen, welcher Anteil der öffentlichen Aufträge abgedeckt werden soll, insbesondere nach einem eventuellen Beitritt Chinas zum GPA und nach einem etwaigen Abschluss der Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten und Japan. Es besteht die Gefahr, dass die Anwendung auf eine sehr geringe Zahl der Aufträge und einige wenige Länder beschränkt bliebe, und das könnte den Nutzen der Verordnung erheblich verringern. Der EWSA schlägt vor, Preisanpassungsmaßnahmen bei Aufträgen anzuwenden, deren geschätzter Wert mindestens 2,5 Mio. EUR beträgt.

3.6.

Bedauerlich ist zudem, dass in dem Vorschlag für eine Verordnung keinerlei Bezug auf die nachhaltige Entwicklung genommen wird, obwohl diese von der Kommission in ihrer Mitteilung mit dem Titel „Handel für alle“ hervorgehoben wird, wenn sie sagt, sie wolle „Erwägungen zur nachhaltigen Entwicklung in allen maßgeblichen Bereichen von Freihandelsabkommen (zum Beispiel bei den Themen Energie, Rohstoffe oder öffentliches Beschaffungswesen) berücksichtigen“ (7). Die soziale und ökologische Dimension sowie die Achtung der grundlegenden Menschenrechte und der Verbraucherschutz müssen bei der Durchführung der europäischen Handelspolitik im Einklang mit Artikel 207 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU gebührend gestärkt werden, denn in diesem Artikel wird mehr Kohärenz mit den Grundsätzen und Zielen der Union gefordert.

3.7.

Die neuen Richtlinien 2014/23/EU, 2014/24/EU und 2014/25/EU über die Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen dienen der Förderung der Einhaltung der nachhaltigen Entwicklung und der Stärkung der sozialen und ökologischen Dimension sowie der Wahrung der Menschenrechte, dem Verbraucherschutz und der sozialen und beruflichen Eingliederung oder Wiedereingliederung von Personen mit Behinderungen. Die Einhaltung dieser Bestimmungen ist entscheidend für einen freien und unverfälschten Wettbewerb auf dem Binnenmarkt. Der EWSA ist der Ansicht, dass es nützlich wäre, in dem vorliegenden Vorschlag für eine Verordnung darauf hinzuweisen, dass die Unternehmen aus Drittländern, die an Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge innerhalb der EU teilnehmen, diese Vorschriften einhalten müssen.

3.8.

Die Kommission spricht in der Tat von „restriktiven Maßnahmen oder Praktiken“, doch findet sich kein Verweis auf die Schwierigkeit, den Zuschlag für öffentliche Aufträge in den Drittländern zu erhalten, wenn Mitbewerber gegen die grundlegenden Sozial- und Umweltschutzvorschriften verstoßen und die grundlegenden Menschenrechte nicht achten sowie die Verbraucher nicht schützen. Nach Ansicht des EWSA können die Verstöße gegen diese Grundregeln sich negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen auswirken, und er ist der Ansicht, dass die Bestimmung des Begriffs „restriktive Maßnahme oder Praxis“ in Artikel 2 des Vorschlags Fälle von Verstößen gegen diese Grundregeln mit erfassen muss. Der EWSA ist zudem der Ansicht, dass die Kommission in dem Bericht, den sie bis spätestens 31. Dezember 2018 und mindestens alle drei Jahre (Artikel 16 des Vorschlags) vorlegen muss, nicht nur den Zugang der Wirtschaftsteilnehmer zu den Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge in den Drittländern erläutern, sondern auch darlegen muss, inwieweit die Vorschriften in den Bereichen Soziales und Umweltschutz bei der Vergabe der Aufträge in den Drittländern eingehalten sowie die grundlegenden Menschenrechte gewahrt und die Verbraucher geschützt werden; die Berichte der Kommission über die Durchführung der Verordnung müssen dem ebenfalls gebührend Rechnung tragen.

3.9.

Der Erfolg dieser neuen Verordnung darf angezweifelt werden angesichts der im Ministerrat zu verzeichnenden Uneinigkeit, die zur Blockade der Verordnung geführt hat. Der Wegfall des dezentralisierten Verfahrens könnte zu einer erneuten Blockade führen, vor allem in Anbetracht aller übrigen Änderungen.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1.

Der EWSA begrüßt die Klarstellung in Artikel 1 Absatz 5 des Vorschlags für eine Verordnung, wonach die Mitgliedstaaten gegenüber Wirtschaftsteilnehmern, Waren und Dienstleistungen aus Drittländern keine über die in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen hinausgehenden restriktiven Maßnahmen anwenden dürfen. Dies hat den Vorteil einer größeren Einheitlichkeit bei der Anwendung der europäischen Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge auf ausländische Unternehmen. Der EWSA fragt sich jedoch, ob dieses Verbot nicht darauf hinausläuft, dass öffentliche Aufträge in der EU unterhalb des Schwellenwerts von 5 Mio. EUR für die Unternehmen aus Drittländern de facto und ohne Gegenleistung liberalisiert werden. Denn derzeit wenden einige Mitgliedstaaten Beschränkungen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge an, die nicht von internationalen Verpflichtungen erfasst sind, und in Artikel 85 der Richtlinie 2014/25/EU über die Vergabe öffentlicher Aufträge im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste ist ausdrücklich die Möglichkeit vorgesehen, Angebote abzulehnen, bei denen mehr als 50 % der Erzeugnisse ihren Ursprung in den Ländern haben, mit denen die EU keine internationalen Übereinkünfte geschlossen hat. Dieser Artikel wird in der vorgeschlagenen Verordnung gestrichen.

4.2.

Der EWSA befürwortet voll und ganz, dass die Verordnung nicht auf die am wenigsten entwickelten Länder und die am stärksten gefährdeten Länder laut APS-Verordnung (Artikel 4) angewandt wird; damit diese Ausnahme wirksam wird und den am wenigsten entwickelten Ländern und ihren Unternehmen zugutekommt, fordert er die Kommission auf, Erläuterungen über die öffentlichen Aufträge in der Europäischen Union und einen Link zu den Bekanntmachungen im Amtsblatt (TED) in die Export-Helpdesk-Datei für Entwicklungsländer aufzunehmen, damit die erforderliche technische Hilfe denjenigen Unternehmen in den Entwicklungsländern zugutekommt, die Informationen über die Anwendung der Vorschriften über die öffentliche Auftragsvergabe in der EU erhalten möchten.

4.3.

Der EWSA begrüßt zudem, dass die Verordnung nicht auf die in der EU niedergelassenen KMU angewandt wird (Artikel 5). Gleichwohl möchte er die Kommission darauf hinweisen, dass die KMU besondere Unterstützung benötigen, sowohl für den Zugang zu den „grenzüberschreitenden“ Aufträgen in der EU als auch für den Zugang zu öffentlichen Aufträgen in Drittländern. Dieses Vorgehen steht im Einklang mit der besonderen Beachtung, die den KMU in der Mitteilung der Kommission „Handel für alle“ geschenkt wird. Insbesondere im Rahmen des KMU-Kapitels der TTIP, aber auch in künftigen Handelsabkommen mit Kapiteln dieser Art sollte ein Ziel der Verbesserung des Zugangs der KMU zu öffentlichen Aufträgen verankert werden. Der EWSA hat sich bereits gegen die Festsetzung von Quoten für KMU bei der Vergabe öffentlicher Aufträge nach dem Vorbild des Small Business Act in den USA ausgesprochen; er plädiert jedoch für eine gezielte Politik zur Unterstützung der Teilnahme von KMU, damit sie Zugang zu einer größeren Zahl öffentlicher Aufträge erhalten (8). Der EWSA hat auch bereits darauf hingewiesen, dass die Datenbank mit Angaben über die Aufträge der Kommission (Marktzugangsdatenbank) verbessert werden muss, damit zum einen zuverlässige und leicht zugängliche Informationen über Ausschreibungen, über Formalitäten und technische Spezifikationen in Leistungsbeschreibungen aufgenommen werden, die die Teilnahme in Drittländern tatsächlich verhindern, und damit sie andererseits statistische Grundlagen und Indikatoren zur Bewertung der Auswirkungen von Wettbewerbsverzerrungen liefern kann (9).

4.4.

Der EWSA kann die Sorgen der Kommission der Kommission in Bezug auf das Fehlen eines Rechtsinstruments zur Gewährleistung eines tatsächlichen Zugangs der Unternehmen der EU zu öffentlichen Aufträgen der Drittländer nachvollziehen, da die Verordnung (EU) Nr. 654/2014 über die Ausübung der Rechte der Union in Bezug auf die Anwendung und die Durchsetzung internationaler Handelsregeln in Ermangelung eines internationalen Übereinkommens nicht anwendbar ist. Allerdings scheint das in den Artikeln 6 bis 8 der Verordnung vorgesehene Untersuchungsverfahren besonders schleppend und wirkungslos angelegt zu sein. Der EWSA hat zum einen Zweifel hinsichtlich des weiten Ermessensspielraums, der der Kommission bei der Entscheidung überlassen bleibt, ob eine Untersuchung durchgeführt wird. Das gilt auch für die Dauer der Untersuchung: im Gegensatz zu der Behauptung der Kommission wurde die Dauer nicht verkürzt und liegt weiterhin bei insgesamt möglichen zwölf Monaten. Dies scheint besonders lange, weil die Kommission in vielen Fällen und vor allem in den Fällen, in denen sie die Untersuchung aus eigener Initiative einleitet, bereits über eine Reihe Anhaltspunkte verfügt und dieses Thema häufig bereits im laufenden Dialog mit den Drittländern angesprochen hat. Der EWSA hat zugleich Verständnis dafür, dass eine Untersuchung während möglicherweise laufender Handelsverhandlungen ausgesetzt wird. Angesichts der Dauer der Handelsverhandlungen und der für ihre Umsetzung benötigten Zeit ist es seines Erachtens jedoch wünschenswert, eine Frist von höchstens zwei Jahren für die Aussetzung festzulegen.

4.5.

Der EWSA ist der Ansicht, dass die Vorlage nicht ausreicht und die Verordnung ihrer Wirksamkeit beraubt wird, weil die Untersuchung nur zu einer Anpassung des Preises um 20 % für Aufträge mit einem Wert über 5 Mio. EUR führen könnte, wobei für diese Bestimmung noch eine große Zahl von Ausnahmen vorgesehen ist.

4.6.

Der EWSA bedauert die Streichung der Artikel 85 und 86 der Richtlinie 2014/25/EU durch die neue Verordnung, denn diese Bestimmungen sind ehrgeiziger und stehen stärker mit dem Ziel der Berücksichtigung der nachhaltigen Entwicklung im Einklang, weil sie auch eine soziale und ökologische Dimension enthalten. Der EWSA ist ferner der Ansicht, dass es sinnvoll wäre, sich eingehender mit einer möglichen Integration einiger ihrer Elemente in den jetzt vorgelegten Verordnungsentwurf zu befassen.

Brüssel, den 27. April 2016.

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  Siehe COM(2015) 497 final.

(2)  Verordnung (EU) Nr. 978/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates.

(3)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Thema „Staatsunternehmen aus Drittländern auf den öffentlichen Beschaffungsmärkten der EU“ (ABl. C 218 vom 23.7.2011, S. 31).

(4)  P7_TA (2014)0027.

(5)  COM(2016) 34 final.

(6)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses über das Thema „Internationale Beschaffungsmärkte“, verabschiedet am 28. Mai 2008, Berichterstatter Henri Malosse (ABl. C 224 vom 30.8.2008, S. 32), und Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Thema „Staatsunternehmen aus Drittländern auf den öffentlichen Beschaffungsmärkten der EU“ (ABl. C 218 vom 23.7.2011, S. 31).

(7)  Siehe Fußnote 1.

(8)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Internationale Beschaffungsmärkte“, verabschiedet am 28. Mai 2008, Berichterstatter: Henri Malosse (ABl. C 224 vom 30.8.2008, S. 32).

(9)  Siehe Fußnote 3.


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