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Document 52015AE6789

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 91/477/EWG des Rates über die Kontrolle des Erwerbs und des Besitzes von Waffen [COM(2015) 750 final — 2015/0269 (COD)]

    ABl. C 264 vom 20.7.2016, p. 77–81 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    20.7.2016   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 264/77


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 91/477/EWG des Rates über die Kontrolle des Erwerbs und des Besitzes von Waffen

    [COM(2015) 750 final — 2015/0269 (COD)]

    (2016/C 264/09)

    Berichterstatter:

    Paulo BARROS VALE

    Der Rat und das Europäische Parlament beschlossen am 14. Dezember 2015, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 114 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

    Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 91/477/EWG des Rates über die Kontrolle des Erwerbs und des Besitzes von Waffen

    [COM(2015) 750 final — 2015/0269 (COD)].

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 13. April 2016 an.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 516. Plenartagung am 27./28. April 2016 (Sitzung vom 27. April) mit 176 gegen 8 Stimmen bei 20 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1

    Die Thematik Waffen wird seit jeher kontrovers diskutiert, doch die tragischen Ereignisse in Europa haben die Debatte darüber noch weiter angeheizt. Bei der Beurteilung der überarbeiteten Richtlinie sind jedoch eine gewisse Nüchternheit und Objektivität angezeigt, um die Fragen der Sicherheit und des Marktes in ausgewogener Weise prüfen zu können, weshalb die grundlegende Frage der Bekämpfung des Terrorismus und der organisierten Kriminalität nicht hier, sondern an anderer Stelle erörtert werden soll, um ihrer Dimension besser gerecht zu werden.

    1.2

    Laut der Study on Firearms  (1) (Studie über Feuerwaffen) des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung gab es 2007 etwa 875 Mio. Waffen. Davon befanden sich nur 3 % im Besitz der Polizei und 23 % im Besitz des Militärs. In einer Branche dieser Größe obliegt es dem Gesetzgeber, Mittel und Wege zu finden, um die von dieser riesigen Zahl von Waffen ausgehenden Gefahren zu mildern.

    1.3

    Der EWSA befürwortet die Annahme dieser Richtlinie, in der Begriffsbestimmungen präzisiert und neue Pflichten und kohärentere Vorschriften für die Kennzeichnung und die Vernichtung von Waffen eingeführt werden, möchte jedoch auch Maßnahmen vorschlagen, die zu mehr Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger beitragen können.

    1.4

    Im Gegensatz zu anderen Bereichen, in denen die Europäische Union umfassend gesetzgeberisch tätig wurde, ist dies bei der Rüstungsindustrie nicht der Fall — hier bleiben die Vorschriften weit hinter dem zurück, was in puncto Sicherheit und Rückverfolgung von Waffen und von an kriminellen Handlungen beteiligten Personen möglich gewesen wäre. Im Hinblick auf die angestrebten Ziele in einem so sensiblen Bereich wie der Sicherheit gilt es daher, entschlossen vorzugehen.

    1.5

    Aufgrund der Bedeutung der Rückverfolgbarkeit nicht nur der Waffen, sondern auch der Munition sollte nach Ansicht des EWSA auf mittlere bis lange Sicht die Möglichkeit erwogen werden, die Industrie zu einer technischen Weiterentwicklung zu veranlassen: die Projektile sollten an einer Stelle, die bei der Verwendung nicht zerstört wird, dauerhaft gekennzeichnet werden. Soweit technisch machbar sollten diese und weitere Angaben über die Waffen den zuständigen Behörden in Form interoperabler Datenbanken zur Verfügung gestellt werden, denn damit wird ein wichtiger Beitrag zur mehr Effizienz bei den Ermittlungen geleistet. Diese Datenbanken sollten nicht nur die einzelstaatlichen Waffenregister umfassen, sondern auch auf europäischer Ebene durch die Behörden aller Mitgliedstaaten mit Daten gespeist und von ihnen verwendet werden.

    1.6

    Nach Ansicht des EWSA sollte die Möglichkeit geprüft werden, dass die EU dem Beispiel Australiens und Großbritanniens hinsichtlich der Programme zum Waffenaufkauf folgt, um so viele Tausende von Waffen aus dem Verkehr zu ziehen. Der direkte Zusammenhang zwischen der Zahl der im Umlauf befindlichen Waffen und der Zahl der begangenen Straftaten ist vielleicht nicht bewiesen, doch die statistische Wahrscheinlichkeit von Verbrechen, Unfällen und Fällen, in denen Waffen in die Hände von Kriminellen gelangen, wäre dann geringer.

    1.7

    Die technologische Entwicklung des 3D-Drucks führt insofern zu Gefahren, als sie die Herstellung von tödlichen und sonstigen Waffen ermöglicht, ohne dass die Möglichkeit einer Kontrolle und Rückverfolgbarkeit besteht. Zudem sind diese Waffen zumeist aus Material hergestellt, das von herkömmlichen Sicherheitssystemen nicht erfasst werden kann. Es ist dringend notwendig, diesen Punkt auf die Sicherheitsagenda der Staaten zu setzen, damit konzertierte Maßnahmen getroffen werden können, um die völlig unkontrollierte Verbreitung tödlicher Waffen zu verhindern.

    2.   Hintergrund des Vorschlags

    2.1

    Vor dem Hintergrund der besonderen Sorge um die Sicherheit schlägt die Kommission eine Änderung der Richtlinie 91/477/EWG (2) über die Kontrolle des Erwerbs und des Besitzes von Waffen, ihrerseits geändert durch die Richtlinie 2008/51/EG (3), vor.

    2.2

    Diese Änderung ist Teil der am 28. April 2015 vorgestellten Europäischen Sicherheitsagenda, die auf europäischer Ebene eine wirksame und koordinierte Antwort auf die Bedrohungen für die Sicherheit geben soll. In der Europäischen Sicherheitsagenda werden die bestehenden Unterschiede zwischen den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften als Hindernis für die Wirksamkeit der Kontrollen und die Zusammenarbeit der Polizeibehörden der Mitgliedstaaten genannt und es wird zur Überprüfung der Rechtsvorschriften über Feuerwaffen und der Bestimmungen über ihre Deaktivierung aufgerufen.

    2.3

    Ziel der Richtlinie ist es, die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger und zugleich das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts für Feuerwaffen zu gewährleisten. Zu diesem Zweck werden Vorschriften festgelegt, die für den gesamten Lebenszyklus einer Feuerwaffe von der Produktion bis zur Vernichtung gelten sollen.

    2.4

    In der Richtlinie sind Mindestanforderungen festgelegt, die die einzelnen Mitgliedstaaten für den Erwerb, den Besitz und die Verbringung der verschiedenen Kategorien von Feuerwaffen, auch der für Jäger und Sportschützen bestimmten Waffen, erlassen müssen.

    2.5

    Als Grundlage für die Überarbeitung des geltenden Rechtsrahmens wurden drei Studien über die Eignung der bestehenden Rechtsvorschriften erstellt, mit dem Ergebnis, dass der Erlass EU-weiter Mindestvorschriften über den unerlaubten Handel mit Feuerwaffen und eine Überarbeitung der bestehenden Richtlinie angezeigt sind, um folgende Zielsetzungen zu erreichen:

    Harmonisierung der Vorschriften für die Kennzeichnung von Waffen;

    Annahme einheitlicher Standards und Verfahren sowie Einführung von Registrierungsanforderungen für deaktivierte Feuerwaffen;

    Festlegung von Verfahren für die Umbaubarkeit von Schreckschuss-/Signalwaffen und Nachbauten;

    Förderung des Wissensaustauschs zwischen den Mitgliedstaaten und Entwicklung und Pflege von Datenbanken über die Herstellung, den Besitz und die Deaktivierung von Feuerwaffen;

    Festlegung eines abgestimmten Konzepts zur Klassifizierung von Jagd- und Sportfeuerwaffen.

    2.6

    Die einschlägigen Interessenträger (Vertreter europäischer Verbände der Hersteller von Feuerwaffen und Munition zu zivilen Zwecken, Vertreter des Handels mit zivilen Waffen, Jäger, Sammler, NGO, Forschungsinstitute usw.) wurden von der Kommission angehört. Die Mitgliedstaaten und die NGO hielten die geltende Richtlinie für nützlich, um die Umlenkung von Feuerwaffen vom legalen Handel auf illegale Märkte zu verhindern. Die Vertreter des privaten Sektors dagegen waren besorgt, dass Änderungen an den Kategorien der Feuerwaffen negative Folgen für kleine und mittlere Unternehmen haben könnten.

    2.7

    Die von der Kommission konsultierten Interessenträger vertraten die Ansicht, dass die Reaktivierung unbrauchbar gemachter Feuerwaffen maßgeblich zur Beschaffung von Waffen für kriminelle Zwecke beiträgt, weshalb eine Harmonisierung der Deaktivierungsvorschriften im Hinblick auf die Bekämpfung dieser Praktiken als vorrangig angesehen wird.

    2.8

    Weitgehende Übereinstimmung besteht bei den konsultierten Interessenträgern auch über die Notwendigkeit eines Informationsaustausches zwischen den Mitgliedstaaten, der Harmonisierung der Definitionen und der Festlegung von Mindeststandards für Deaktivierungsleitlinien.

    3.   Allgemeine Bemerkungen

    Die tragischen Ereignisse der letzten Zeit haben eine intensive Debatte über den Handel und Umgang mit Waffen ausgelöst. Die Sicherheit der Bürger, die immer stärker durch den Terrorismus bedroht wird, darf jedoch nicht mit Waffenbesitz verwechselt werden. Die leichte Beschaffbarkeit von Feuerwaffen muss deshalb dringend und entschieden bekämpft werden, können doch so Gruppen von Extremisten oder der organisierten Kriminalität und gestörte Einzeltäter mit nicht nachvollziehbaren Motiven nach wie vor an die Werkzeuge für ihre schrecklichen Verbrechen kommen. Darüber hinaus dürfen die allgemeine Kriminalität sowie die Selbstmorde und Unfälle im Zusammenhang mit Feuerwaffen nicht außer Acht gelassen werden.

    3.1

    Die vorgeschlagenen Präzisierungen stellen eine erhebliche Verbesserung gegenüber der bisherigen Richtlinie dar und werden daher vom EWSA begrüßt. Ziel dieser Vorschläge ist kein Feuerwaffenverbot, sondern eine Harmonisierung der Vorschriften über den Erwerb und den Besitz von Waffen, die für den gesamten Lebenszyklus einer Feuerwaffe gelten und der Regulierung des Marktes und Gewährleistung der Sicherheit dienen sollen.

    Der EWSA ist jedoch der Auffassung, dass nach Anhörung der Interessenträger (insbesondere Polizei, Industrie, Handel, Nutzer, Sammler und NGO, die sich für die Sicherheit der Bürger einsetzen) die Rechtsvorschriften angesichts der fortbestehenden Sicherheitsprobleme zu diesem Thema ambitionierter ausfallen sollten. Die Kommission sollte Rechtsvorschriften nicht nur als unmittelbare Reaktion auf die jüngsten terroristischen Ereignisse erlassen, sondern auch mit der Zielsetzung, die Frage der Sicherheit legaler Feuerwaffen zu lösen.

    3.2

    Zur Thematik Waffenkontrolle wurden verschiedene Studien durchgeführt. Einige davon enthalten Hinweise darauf, dass durch restriktive Waffengesetze Gewalttaten (4), Unfälle (5) und Selbsttötungen (6) zurückgehen, während es anderen zufolge zur Verringerung von Gewaltverbrechen beiträgt und keine signifikanten Auswirkungen auf die Zunahme von Selbsttötungen oder Unfällen hat (7), wenn Bürgern, die keine Vorstrafen haben und keine psychischen Probleme aufweisen, der Waffenbesitz gestattet wird.

    3.2.1

    Der Fall Australiens ist beispielhaft für die Waffenkontrolle. Nachdem dort ein Mann ein Café betreten und mit zwei Waffen 35 Menschen erschossen und 23 weitere verletzt hatte, unternahm Australien 1997 eine der bisher umfassendsten Reformen des Waffenrechts, die sich in einer deutlichen Verringerung der Todesfälle durch Schusswaffen niederschlug. Das Land verbot bestimmte Arten von Waffen, führte eine Bestimmung ein, wonach für einen Waffenbesitz rechtmäßige Gründe (und nicht nur das Selbstschutz-Argument) geltend gemacht werden müssen, und finanzierte ein Programm zum Aufkauf von Waffen durch den Staat. Im Rahmen dieser Initiative konnten fast 700 000 Waffen aus dem Verkehr gezogen und — im Zusammenwirken mit den neuen Restriktionen — die Zahl von Tötungsdelikten durch Schusswaffengebrauch drastisch gesenkt werden (8).

    3.2.2

    Das australische Programm für den Waffenaufkauf basierte auf der Annahme, dass der Tötungstrieb eines Einzelnen durch die große Verfügbarkeit von Waffen leichter in einem Massenmord enden könnte.

    3.2.3

    Auch im Vereinigten Königreich wurden, nachdem bei einem Amoklauf 15 Menschen erschossen und 15 weitere verletzt wurden, ähnliche Maßnahmen wie in Australien ergriffen: Verbot einiger Arten von Waffen, Einführung einer Registrierpflicht für die Eigentümer von Waffen und Finanzierung eines Programms zum Aufkauf von Waffen. Dies wirkte sich jedoch nicht so stark wie in Australien auf die Zahl der Todesopfer durch Schusswaffengebrauch aus (9).

    3.2.4

    Die jüngste umfassende Studie über Waffenkontrolle wurde im Februar 2016 veröffentlicht. Darin werden 130 andere Untersuchungen ausgewertet, die im Zeitraum zwischen 1950 und 2014 in zehn verschiedenen Ländern durchgeführt wurden (10). Nach Ansicht der Verfasser ist es zwar nicht erwiesen, dass restriktive Gesetze Gewalt verringern, doch lassen die veröffentlichten Daten darauf schließen, dass in einigen Ländern ein Zusammenhang zwischen der Beschränkung des Zugangs zu bestimmten Arten von Waffen und der Verringerung der Zahl der Todesopfer durch Feuerwaffen besteht. Der Erlass von Gesetzen mit strengeren Voraussetzungen für den Erwerb von Schusswaffen (z. B. Überprüfung des Vorstrafenregisters) oder für den Zugang zu Waffen (z. B. in Bezug auf die Lagerung) geht außerdem mit einem Rückgang von Tötungsdelikten in Beziehungen und von tödlichen Waffenunfällen mit Kindern einher.

    3.3

    Angesichts dieser Erwägungen und Untersuchungen ist der EWSA der Auffassung, dass für den Erhalt von Waffenscheinen, den Erwerb von Waffen und Munition, das Verbot und die Deaktivierung bestimmter Arten von Waffen sowie auch im Hinblick auf ein Programm zum Aufkauf und zur anschließenden Vernichtung von Waffen durch die Mitgliedstaaten strenge Vorschriften gelten müssen.

    4.   Besondere Bemerkungen

    4.1

    Der Vorschlag entspricht dem Subsidiaritätsprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Richtlinie ist das geeignete Instrument, da es zweifelhaft ist, dass die Mitgliedstaaten bereit sind, eine Verordnung zu akzeptieren.

    4.2

    Mit dieser Richtlinie werden mehrere Artikel der früheren Richtlinie geändert, Bestimmungen präzisiert und neue Anforderungen eingeführt, was den bisherigen Rechtstext erheblich verbessert und daher vom EWSA begrüßt wird.

    4.3

    Der EWSA unterstützt die Einführung einer obligatorischen medizinischen Untersuchung der körperlichen und geistigen Gesundheit für die Ausstellung oder Erneuerung von Waffenscheinen, was in einigen Mitgliedstaaten bereits praktiziert wird. Diese Untersuchung sollte europäischen Mindeststandards und Mindestqualitätsanforderungen genügen. Er merkt jedoch an, dass in der Richtlinie auch Bestimmungen über regelmäßige Schulungen für den Umgang mit Feuerwaffen sowie Anforderungen an die sichere Lagerung (insbesondere in Waffenschränken, wie sie in einigen Mitgliedstaaten bereits vorgeschrieben sind) und den sicheren Transport von Waffen und ihren Bestandteilen vorgesehen werden könnten.

    4.4

    Die Europäische Union hat unter Beweis gestellt, dass sie in vielen Bereichen umfassend gesetzgeberisch tätig werden kann. Beispielhaft dafür ist die Automobilindustrie, die zur Erfüllung von Sicherheitsanforderungen (in Bezug auf die Insassen und die Umwelt) und damit zu hohen Investitionen in Forschung und Entwicklung gezwungen wurde. In Bezug auf die Kennzeichnung von Waffen und Waffenteilen wurden die Bestimmungen ebenfalls weiter gefasst. Der EWSA schlägt vor, mittel- und langfristig bei der Kennzeichnung von Projektilen noch ein wenig weiter zu gehen und die Möglichkeit zu erwägen, bei den Herstellern auf eine dauerhafte Projektilkennzeichnung an einer Stelle hinzuwirken, die bei der Verwendung nicht zerstört wird, z. B. im Inneren des Geschosses, um damit eine vollständige Rückverfolgbarkeit gewährleisten zu können. Normalerweise werden an Tatorten Projektile und nicht die Waffen selbst gefunden, weshalb diese Kennzeichnung eine wichtige Informationsquelle für die polizeilichen Ermittlungen sein kann.

    4.5

    Hinsichtlich der Datenbanken über Feuerwaffen begrüßt der EWSA die neue Formulierung, mit der der Zeitraum, in dem Aufzeichnungen über Waffen geführt werden müssen, bis zur Vernichtung der Feuerwaffe ausgedehnt wird. Dies bringt zusätzlichen Nutzen und ist ein wichtiges Instrument bei der Kontrolle und den Ermittlungen. Die Kommission sollte die Behörden dahingehend unterstützen, dass diese Register in allen Mitgliedstaaten in Echtzeit abgerufen werden können, was die Beweiserhebung erleichtert und den raschen und effizienten Austausch von Informationen zur Identifizierung und Lokalisierung von Feuerwaffen ermöglicht.

    4.6

    In die Kategorie der verbotenen Waffen wurden auch „halbautomatische zivile Feuerwaffen, die wie vollautomatische Kriegswaffen aussehen“ aufgenommen. Die Formulierung „die wie aussehen“ ist weder objektiv noch ausreichend, weshalb zunächst einmal klare Kriterien für diese Ähnlichkeit festgelegt werden müssen, nach denen diese Waffen in die Kategorie der verbotenen Feuerwaffen fallen sollen.

    4.7

    Schreckschuss-, Signal- und Salutwaffen, akustische Waffen sowie Waffennachbauten wurden in die Kategorie C — meldepflichtige Feuerwaffen — aufgenommen. Der EWSA hegt Zweifel hinsichtlich der Zweckmäßigkeit dieser in den Rechtsvorschriften einiger Mitgliedstaaten bereits vorgesehenen Meldepflicht, da diese Waffen nicht nur im einschlägigen Protokoll der Vereinten Nationen nicht als Feuerwaffen eingestuft werden, sondern auch, weil in den Mitgliedstaaten, in denen die Rechtsvorschriften noch keine solche Meldepflicht vorsehen, erhebliche Verwaltungskosten für eine Art von Waffen entstehen werden, von der keine große Gefahr für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger auszugehen scheint.

    4.8

    Die Gefahren für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger, die von diesen und von anderen, z. B. Luftdruckwaffen ausgehen, sollten in einer Studie untersucht werden, um die Gefährlichkeit dieser Waffen und die Möglichkeiten für ihren Umbau zu potenziell tödlichen Waffen zu bewerten. Diese Studie könnte als Grundlage für neue technische und gesetzliche Vorschriften in Bezug auf die Sicherheit, den Umbau, die Umwandlung, die Deaktivierung und die Vernichtung von Waffen dienen.

    4.9

    In einer digitalen Gesellschaft muss die Aufmerksamkeit auf die Gefahren des elektronischen Waffen- und Munitionshandels gerichtet werden. Facebook und Instagram verkündeten Beschränkungen für den Verkauf von Waffen in ihren sozialen Netzen und untersagten ihren Nutzern, Waffengeschäfte über Veröffentlichungen, Newsgroups oder private Nachrichten anzubieten oder zu verabreden. Obwohl vorgesehen ist, dass der Waffenhandel über elektronische Kanäle nur Waffenhändlern und Maklern für einige Arten von Waffen und Munition gestattet sein soll, ist der EWSA der Auffassung, dass grundsätzlich nur Waffengeschäfte erlaubt sein sollten, bei denen die Geschäftspartner persönlich anwesend sind, um die strenge Überwachung durch die zuständigen Behörden gewährleisten zu können.

    4.10

    Der technische Fortschritt hat zur Entwicklung von 3D-Druckern geführt. Waffen blieben von dieser Technologie nicht ausgespart, und im Internet wurden Anleitungen und Programme zum Druck potenziell letaler Waffen veröffentlicht. Da die Herstellung von Waffen mit diesen Druckern in keinerlei Rechtsvorschriften geregelt ist, geht von dieser Technologie eine echte Bedrohung aus, die jedoch noch unterschätzt wird. Die Staaten sollten diese Thematik gemeinsam erörtern, im Netz beobachten oder sogar den Erwerb des Ausgangsmaterials für die Herstellung solcher Waffen unter Kontrolle stellen sowie ernsthaft ein Verbot ihrer Herstellung erwägen.

    4.11

    Die Richtlinie sieht vor, dass die Mitgliedstaaten den mit kulturellen und historischen Aspekten von Waffen befassten und als solche anerkannten Einrichtungen gestatten können, im Besitz von vor Inkrafttreten dieser Richtlinie erworbenen Feuerwaffen der Kategorie A zu bleiben, sofern diese deaktiviert wurden. Nach Auffassung des EWSA sollten für die Anwendung der Richtlinie auf die in Museen vorhandenen Sammlungen Sonderregelungen gelten, soweit die Tätigkeit dieser Museen von den Mitgliedstaaten als relevant anerkannt wird und keine Gefährdung der Sicherheit oder öffentlichen Ordnung gegeben ist. Diese Regelung muss strenge Bestimmungen für die Ausstellung, Erfassung, Lagerung und Handhabung der Waffen beinhalten, kann jedoch verhindern, dass historisch wertvolle Waffen der Kategorie A vernichtet werden müssen.

    Brüssel, den 27. April 2016.

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Georges DASSIS


    (1)  Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC), Study on Firearms 2015 — A study on the transnacional nature of and routes and modus operandi used in trafficking in firearms (Studie über Feuerwaffen 2015 — Studie über den grenzüberschreitenden Charakter des Handels mit Schusswaffen sowie der entsprechenden Routen und Vorgehensweisen).

    (2)  Richtlinie 91/477/EWG des Rates vom 18. Juni 1991 über die Kontrolle des Erwerbs und des Besitzes von Waffen (ABl. L 256 vom 13.9.1991, S. 51); Stellungnahme des EWSA: ABl. C 35 vom 8.2.1988, S. 25.

    (3)  Richtlinie 2008/51/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 zur Änderung der Richtlinie 91/477/EWG des Rates über die Kontrolle des Erwerbs und des Besitzes von Waffen (ABl. L 179 vom 8.7.2008, S. 5); Stellungnahme des EWSA: ABl. C 318 vom 23.12.2006, S. 83.

    (4)  Hepburn, Lisa; Hemenway, David, Firearm availability and homicide: A review of the literature. (Verfügbarkeit von Feuerwaffen und Tötungsdelikte: ein Überblick über die Fachliteratur), Aggression and Violent Behavior: A Review Journal (Aggression und gewalttätiges Verhalten: Wissenschaftsmagazin), 2004; 9:417-40, zitiert von der Harvard T.H. Chan School of Public Health in http://www.hsph.harvard.edu/hicrc/firearms-research/guns-and-death/.

    (5)  Miller, Matthew; Azrael, Deborah; Hemenway, David, Firearm availability and unintentional firearm deaths (Verfügbarkeit von Feuerwaffen und fahrlässige Tötungen mit Feuerwaffen), Accident Analysis and Prevention (Analyse und Prävention von Unfällen), 2001; 33:477-84, zitiert von der Harvard T.H. Chan School of Public Health in http://www.hsph.harvard.edu/hicrc/firearms-research/gun-threats-and-self-defense-gun-use/.

    (6)  Miller, Matthew; Hemenway, David, Gun prevalence and the risk of suicide: A review (Prävalenz von Schusswaffen und Suizidrisiko), Harvard Health Policy Review (Harvard-Magazin über Gesundheitspolitik), 2001; 2:29-37, zitiert von der Harvard T.H. Chan School of Public Health in http://www.hsph.harvard.edu/hicrc/firearms-research/gun-ownership-and-use/.

    (7)  John R. Lott, Jr. und David B. Mustard, Crime, Deterrence, and Right-to-Carry Concealed Hand Guns (Verbrechen, Abschreckung und das Recht, Handfeuerwaffen verborgen bei sich zu tragen), University of Chicago Law School, Mai 1998.

    (8)  Alpers, Philip, Amélie Rossetti und Marcus Wilson, 2016, Guns in Australia: Total Number of Gun Deaths (Schusswaffen in Australien: Gesamtzahl der Toten durch Schusswaffen), Sydney School of Public Health, The University of Sydney. GunPolicy.org, 7. März. Aufgerufen am 10. März 2016 unter: http://www.gunpolicy.org/firearms/compareyears/10/total_number_of_gun_deaths.

    (9)  Alpers, Philip, Marcus Wilson, Amélie Rossetti und Daniel Salinas, 2016, Guns in the United Kingdom: Total Number of Gun Deaths (Schusswaffen im Vereinigten Königreich: Gesamtzahl der Toten durch Schusswaffen), Sydney School of Public Health, The University of Sydney. GunPolicy.org, 23. Februar. Aufgerufen am 10. März 2016 unter: http://www.gunpolicy.org/firearms/compareyears/192/total_number_of_gun_deaths.

    (10)  Julian Santaella-Tenorio, Magdalena Cerdá, Andrés Villaveces und Sandro Galea, What Do We Know About the Association Between Firearm Legislation and Firearm-Related Injuries? (Was wissen wir über die Korrelation zwischen den Rechtsvorschriften über Feuerwaffen und den durch Feuerwaffen verursachten Verletzungen?), veröffentlicht von Oxford University Press für die Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health.


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