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Document 52012IE1774

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Europäisches Jahr der seelischen Gesundheit — bessere Arbeit, mehr Lebensqualität“ (Initiativstellungnahme)

ABl. C 44 vom 15.2.2013, p. 36–43 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

15.2.2013   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 44/36


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Europäisches Jahr der seelischen Gesundheit — bessere Arbeit, mehr Lebensqualität“ (Initiativstellungnahme)

2013/C 44/06

Berichterstatter: Bernd SCHLÜTER

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 12. Juli 2012 gemäß Artikel 29 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung, eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

„Europäisches Jahr der seelischen Gesundheit — bessere Arbeit, mehr Lebensqualität“.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 23. November 2012 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 485. Plenartagung am 12./13. Dezember 2012 (Sitzung vom 13. Dezember 2012) mit 74 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 2 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Zusammenfassung und Empfehlungen

1.1

Seelische Gesundheit ist ein wesentlicher Bestandteil der Lebensqualität und des Wohlbefindens aller Menschen in der EU. Die WHO definiert seelische Gesundheit als „Zustand des Wohlbefindens, in dem der Einzelne seine Fähigkeiten ausschöpfen, die normalen Lebensbelastungen bewältigen, produktiv und fruchtbar arbeiten kann und imstande ist, etwas zu seiner Gemeinschaft beizutragen“ (1). Dies kann durch wirtschaftliche Daten wie das BIP nur unzureichend erfasst werden. Die gegenwärtige Krise hat viele Millionen Menschen in Existenzangst, Sinnkrisen und Arbeitslosigkeit gestürzt und die Suizidgefahr beeinflusst. Eine Sicherung der psychischen Stabilität ist daher mehr als abstrakte Finanzfragen von zentraler Bedeutung für das Lebensglück sehr vieler Menschen. Auf individueller Ebene bildet die psychische Gesundheit die Voraussetzung dafür, dass der Einzelne sein intellektuelles und emotionales Potenzial verwirklichen kann. Auf gesellschaftlicher Ebene stellt die psychische Gesundheit eine Ressource für den sozialen Zusammenhalt sowie für ein besseres Sozialwohl und, daneben, den wirtschaftlichen Wohlstand dar.

1.2

Die Initiative zielt auf eine Stärkung der seelischen Gesundheit und eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit im umfassenden Sinne. Neben chronischen und akuten mentalen Erkrankungen oder Behinderungen werden auch einschränkende Belastungen erfasst, welche nicht als Krankheiten eingestuft werden und welche möglicherweise auch körperliche Gründe oder Auswirkungen haben. Die Thematik „seelische Gesundheit“ setzt sich aus zahlreichen und unterschiedlichen Facetten zusammen, die durch medizinische und sozialpolitische Aspekte, aber auch Lebenslagen, wie z.B. Arbeitswelt, Jugend, Alter und Armut, geprägt werden.

1.3

Beeinträchtigungen können verschiedene Gründe und Folgen haben wie z.B. Traumata, belastende Kindheitserfahrungen, Drogenkonsum, Überlastung, Arbeitslosigkeit, Wohnungslosigkeit, Ausgrenzung – auch in Verbindung mit genetischen Anlagen. Dementsprechend vielfältig sind die Lösungswege und die relevanten Politikfelder. Diese Gründe sind häufig beeinflussbar und sollten daher eine angemessene Beachtung im Rahmen einer inklusiven Politik und Wirtschaft finden. Die Sozialwirtschaft, die Zivilgesellschaft sowie neue Ansätze sozialen Unternehmertums können hier eine Schlüsselrolle einnehmen. Prävention, Früherkennung und Behandlung von psychischen Erkrankungen müssen multidimensional angelegt sein (psychotherapeutische, medizinische und sozioökonomische Ansätze). Psychische Beeinträchtigungen und Erkrankungen sind verstärkt in der allgemeinen Ausbildung der Gesundheitsberufe, der Erzieher, der Lehrer und der Leitungskräfte einzubeziehen. Eine öffentlich unterstützte betriebliche Gesundheitsförderung und eine moderne Unternehmenskultur können Menschen mit Beeinträchtigungen unterstützen und die Entstehung von arbeitsbezogenen Problemen begrenzen.

1.4

Eine zentrale Rolle spielt die Stärkung der bürgerschaftlichen, ehrenamtlichen, familiären und professionellen Netzwerke und die Partizipation der Betroffenen und ihrer Verbände. Prävention und Bewusstseinsbildung sind eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Durch wohnortnahe ambulante Hilfen und betreutes Wohnen können Freiheitsbeschränkungen und stationäre Therapien oft vermieden werden. Hier sind europäische Empfehlungen und good practices besonders wichtig, die sich u.a. auf eine adäquate Reduzierung der stationären Psychiatrie und des Medikamentenverbrauchs beziehen, um zum Aufbau sozialräumlicher Hilfen und sonstiger alternativer Unterstützungsformen beizutragen. Auch könnten so gewonnene Mittel für Wissenschaft und Forschung stärker auf die Erhaltung der seelischen Gesundheit gerichtet werden. Auch für finanzschwächere Mitgliedstaaten sind Umstrukturierungen und neue Prioritätensetzungen möglich.

1.5

Die Sensibilisierung der breiten Öffentlichkeit für diese Thematik, z.B. auch in Kindergärten und Schulen, in Unternehmen, bei Ärzten und in Pflegeeinrichtungen, sollte EU-weit gefördert werden. Antistigmatisierungskampagnen und eine nichtdiskriminierende Sprache der Medien können eine Diskriminierung der Menschen mit seelischen Erkrankungen abbauen. Es sind auch signifikante volkswirtschaftliche Folgen der Gesundheitssituation zu verzeichnen. Sie sind gegenüber den gravierenderen persönlichen Folgen eher sekundär (2). Vermehrt ist danach zu fragen, welche sozialen, politischen und wirtschaftlichen Interessen und Strukturen die Problemstellung verstärken und wie durch eine effektive Weiterentwicklung der personenzentrierten Versorgungsstrukturen und durch Unterstützung von Familien als erste Lernorte im Leben eines Menschen die Inklusion aktiv gefördert werden kann. Die deutlichen Fortschritte der Medizin, der professionellen und ehrenamtlichen Hilfen sowie der Unternehmensmodelle zur Gesundheitsprävention müssen verstärkt Beachtung und Förderung finden.

2.   Hintergrund

2.1

Die am weitesten verbreiteten Erkrankungen in Europa sind Angststörungen, Depressionen und Abhängigkeitserkrankungen. Nach Studien aus 2010 leiden 38 % der Europäer und Europäerinnen an psychischen Erkrankungen (3). 2005 waren es bereits 27 % (4). 58 000 Menschen sterben jährlich an Suizid. Bis zum Jahr 2020 werden Depressionen in den Industriestaaten die zweithäufigsten Erkrankungen sein (5). So nahmen etwa die Fehlzeiten von Versicherten einer großen Krankenkasse in Deutschland (6) aufgrund psychischer Erkrankungen von 2006 bis 2009 um 38 % bei Berufstätigen und um 44 % bei Arbeitslosen zu. Die Zahl der in diesem Zeitraum verschriebenen „Arzneimittel zur Behandlung des Nervensystems“ stieg um 33 %, darunter fallen beispielsweise Antidepressiva (7). Auch in Großbritannien verzeichnen 44 % der Arbeitgeber eine Zunahme von Problemen psychischer Gesundheit und 40 % eine Zunahme der stressbedingten Fehltage (8).

2.2

Seelische Gesundheit und seelisches Wohlbefinden standen bisher nicht im Fokus eines Europäischen Jahres. Allerdings sind Vorurteile im Zusammenhang mit mentalen Beeinträchtigungen und psychosozialen Behinderungen sowie Stigmatisierung, z.B. in der Gesellschaft oder bei der Arbeit, auch heute noch an der Tagesordnung. Die Strategie Europa 2020 verlangt im Sinne eines inklusiven und nachhaltigen Wachstums ebenfalls eine stärkere soziale Inklusion dieser Gruppe und entsprechend gestaltete EU-Gesundheitsprogramme. Das VN-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen – das allererste internationale Menschenrechtsinstrument, dem die EU beigetreten ist – sieht überdies eine Reihe eindeutiger Rechte für Menschen mit psychosozialen Behinderungen vor. Die in diesem Übereinkommen verankerten Rechte müssen im Rahmen aller relevanten EU-Politiken und -Maßnahmen geachtet und umgesetzt werden. Ein Europäisches Jahr der seelischen Gesundheit und dem seelischen Wohlbefinden zu widmen, wäre deshalb eine Möglichkeit, diesen Erfordernissen die gebührende Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.

2.3

Seelische Gesundheit ist seit Mitte der 1990er Jahre Gegenstand einiger spezifischer Projekte auf dem Gebiet der Europäischen Gesundheitspolitik und wird dort als zentraler Wert dargestellt (9). 2005 eröffnete die Kommission eine Konsultation auf der Grundlage des Grünbuchs zur seelischen Gesundheit (10).

2.4

Der EWSA bekräftigt seine Stellungnahme  (11) zum Grünbuch und unterstreicht die gesellschaftliche und persönliche Bedeutung seelischer Gesundheit als eines fundamentalen Bestandteils des Gesundheitsbegriffs. Für die Europäische Union, die sich als Wertegemeinschaft begreift, ist die seelische Gesundheit eine wichtige Quelle des sozialen Zusammenhalts und der Teilhabe aller. Dies verlangt auch die VN-Behindertenrechtskonvention, die von ihrem menschenrechtlichen Gehalt her Teilhabe und eine ganzheitliche Sicht des Menschen realisieren will.

2.5

Die Kommission befasst sich mit vorliegender Thematik auch im Zusammenhang mit Wirtschaft, Beschäftigungspolitik und Gesundheitspolitik (public health). Dabei zählt die Sicherstellung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus zu den Querschnittsaufgaben der EU: Artikel 168 AEUV. Mit einem Europäischen Jahr der seelischen Gesundheit würde die EU zudem ihrer in Artikel 6 AEUV enthaltenen Aufgabe nachkommen, „Maßnahmen zur Unterstützung, Koordinierung oder Ergänzung der Maßnahmen der Mitgliedstaaten [… zum …] Schutz und [zur] Verbesserung der menschlichen Gesundheit“ mit europäischer Zielsetzung zu treffen.

2.6

Die EU-Strategie für eine seelische Gesundheit hat unter anderem den 2008 geschlossenen Europäischen Pakt für psychische Gesundheit und Wohlbefinden gefördert (12). Die Schlussfolgerungen des Rates vom Juni 2011 gehen ebenfalls auf diesen Europäischen Pakt zurück (13).

2.7

Die im Rahmen der EU-Strategie veranstalteten Themenkonferenzen waren nicht hinreichend geeignet, eine breitere Öffentlichkeit zu sensibilisieren und die Themen in den Alltag der EU-Bürgerinnen und -Bürger zu tragen. Dies wäre mit einem entsprechenden Europäischen Jahr zu leisten. Dann würden sich öffentliche Stellen aller Ebenen mit dem Thema befassen, ebenso zivilgesellschaftliche Akteure in der Mehrfachrolle als Expertiseträger, als Multiplikatoren sowie als soziale Unternehmen. Ein Europäisches Jahr der seelischen Gesundheit ist vor allem kohärent mit der VN-Konvention über Rechte von Menschen mit Behinderung auszugestalten. Menschen mit einer psychischen Erkrankung oder Behinderung müssen als gleichberechtigte Rechtssubjekte anerkannt werden und in allen Lebensbereichen ihre vollumfängliche Rechts- und Handlungsfreiheit wahrnehmen können (vgl. Artikel 12 CRPD).

2.8

Viele Menschen mit mentalen Beeinträchtigungen erhalten oft nicht die nach fachlichen und ethischen Gesichtspunkten erforderlichen Formen der Behandlung, der Rehabilitation und der Hilfen zur sozialen Teilhabe, obwohl Medizin und soziale Dienste große Fortschritte in diesem Bereich erzielt haben. Die seelische Gesundheit stellt häufig keine gesundheitspolitische Priorität dar. Statt eines Aufbaus von Hilfsstrukturen kommt es insbesondere in finanziell schwierigen Haushaltssituationen und Krisenzeiten oft zu einem Abbau bzw. zu einer Verteuerung der notwendigen Dienste und Behandlungsmöglichkeiten. Stattdessen wären gerade in der Wirtschaftskrise Investitionen in Teilhabe und Bildung und in die Sozialwirtschaft notwendig. Vor allem in Krisenzeiten darf sich der Staat nicht aus dem Wohlfahrtssektor zurückziehen.

Wartelisten und weite Wege sind insbesondere bei akuten Problemlagen kontraproduktiv. Zugunsten von wohnortnahen ambulanten Diensten, Treffpunkten, Beratungsstellen und medizinischen Behandlungsmöglichkeiten sollten stationäre Hilfen und Freiheitsbeschränkungen auf ein notwendiges Mindestmaß reduziert werden. Die Autonomie der Betroffenen ist durch rechtliche Leistungsansprüche und durch Konzepte zu stärken, welche eigene Entscheidungen nicht ersetzen, sondern sie in ihrer Entscheidungsfindung, auch hinsichtlich Hilfebedarf und Therapie, unterstützen, um letztlich die rechtliche Handlungsfähigkeit nicht beschränken zu müssen. Die Einordnung in Krankheitskategorien, die einseitige Einbeziehung in die Mechanismen der Psychiatrie, die Gabe von Psychopharmaka und die Anwendung von Zwang sind systematisch einer kritischen Überprüfung und der Anwendung rechtsstaatlicher und menschenrechtlicher Maßstäbe zu unterziehen. In allen Arten von Einrichtungen und Wohnformen muss eine Teilhabe an der Gesellschaft, eine sinnvolle Beschäftigung und Tagesstruktur Teil des Konzepts sein. Die Einflüsse von Psychopharmaka auf die Teilhabefähigkeit und die Morbidität sind sensibler zu betrachten. Die Zugänglichkeit der Hilfen darf nicht durch eine Zersplitterung der Hilfsstrukturen und bürokratische sowie zeitintensive Antragsverfahren beschränkt werden. Die Krisenintervention und Suizidprävention bedürfen leicht zugänglicher und fachlich kompetenter Dienste. Landesweit bekannte Notrufnummern und andere fachlich geeignete Interventionsmöglichkeiten sind in ganz Europa einzuführen.

2.9

Zugleich sind die wechselseitigen Verstärkungen von sozioökonomischen Lebenslagen, Arbeitslosigkeit und Krankheitsbelastungen immer mit in den Blick zu nehmen. Zudem gibt es Menschen, die Ressourcen und Unterstützung für ein gutes Leben mit einer psychischen Erkrankung brauchen. Das heißt, die Förderung von Teilhabechancen und die Stärkung der Rechtsstellung chronisch psychisch kranker und seelisch behinderter Menschen sollten bei der Themenstellung eines Europäischen Jahres berücksichtigt werden.

2.10

Die Hilfen für Menschen mit mentalen Beeinträchtigungen sollten weltanschauliche, religiöse, seelsorgerliche und spirituelle Bedürfnisse und Prägungen berücksichtigen.

2.11

Soziale Faktoren haben keine geringe Bedeutung für die Erhaltung der seelischen Gesundheit. Gute Arbeit als sinn- und identitätsstiftende Aufgabe spielt dabei eine zentrale Rolle. Die täglichen Lebens- und Arbeitsumstände werden jedoch teilweise nicht mehr durch verlässliche kulturelle Traditionen, kommunale und demokratische Entscheidungen, sondern durch zentralisierte wirtschaftliche Weichenstellungen und Strukturen bestimmt. Die Wirtschafts- und Strukturpolitik sollte daher auch die seelische Gesundheit der Menschen und die Ziele lebenswerter und inklusiver Wohnquartiere und Arbeitsbedingungen berücksichtigen.

2.12

Der moderne Mensch sieht sich in der Multioptions-, Medien- und Konsumgesellschaft neuen Möglichkeiten aber auch neuen Stressfaktoren ausgesetzt. Dabei sind z.B. die Bildungssysteme vielfach nicht in der Lage, der dringenden Notwendigkeit einer hochwertigen ethischen, kognitiven und sozialen Bildung gerecht zu werden. Diese könnte jedoch die nötige Selbstständigkeit und das seelische Gleichgewicht fördern. Die Auflösung sozialer Beziehungen nimmt zu und führt zum Verlust von externen Ressourcen wie Freunden, Familie, Kollegen. Denn häufiger Wechsel des Arbeits- und damit auch Wohnortes, Arbeitslosigkeit sowie abnehmende Verbindlichkeit in persönlichen Beziehungen tragen nicht zum Aufbau sozialer Netze in der unmittelbaren Wohnumgebung bei. Umso wichtiger ist die verbindliche Beteiligung von Betroffenen und ihren Verbänden bei der Gestaltung der Hilfs- und Netzwerkstrukturen.

2.13

Wo das Gleichgewicht von Eigenverantwortlichkeit und sozialer Sicherheit gestört ist, steigt die Gefahr seelischer Erkrankungen. Dies betrifft z.B. sog. Arbeitsanreize zur Aktivierung, die wegen eines Mangels an Arbeitsplätzen oder strukturell bedingter Chancenlosigkeit von Existenzgründern keine Wirkung zeigen können. Auch stehen Wohnungslosigkeit und mentale Beeinträchtigungen oft in enger Verbindung miteinander, so dass Hilfen an beiden Problemlagen ansetzen müssen. Eltern in prekären Beschäftigungssituationen und ihre Kinder sind der mehrfachen Belastung durch Unsicherheit, Armut, Erziehungsanforderungen, Zeitnot und familiärem Stress ausgesetzt. Hilfen müssen entsprechend vielfältig sein und auch Angebote z.B. der öffentlich geförderten Erziehungshilfen und Familienerholung enthalten. Hohe staatliche Schulden und wirtschaftliche Schwierigkeiten wie auch Abbau an sozialer Sicherheit und hohe Arbeitslosigkeit verstärken das Risiko von Depressionen, Angstzuständen und Zwangserkrankungen deutlich. In elf EU-Mitgliedstaaten ist die Suizidrate in der ersten Hälfte des Jahres 2011 um über 10 % gestiegen. Geeignete Investitionen in soziale Sicherheit und soziale Dienstleistungen würden dem spürbar abhelfen (14).

3.   Seelische Gesundheit in besonderen Lebenswelten

3.1   Arbeitswelt

3.1.1

Diskontinuitäten der Beschäftigungsverhältnisse, häufige Umstrukturierungen, allseitige Erreichbarkeit, hoher Zeitdruck, Überlastung, steigende Anforderungen an Flexibilität und Mobilität bleiben oft nicht ohne Folgen für die psychische Gesundheit (15). „Disability Statistics“ der Niederlande zeigt, dass Probleme psychischer Gesundheit 2010 der Hauptgrund für langfristige Krankschreibungen (ca. 55 Tage) waren. In Großbritannien schätzt HSE (16), dass ca. 9,8 Mio. Arbeitstage durch arbeitsbezogenen Stress verlorengegangen sind (2009-10), und im Durchschnitt wird jede unter arbeitsbedingtem Stress leidende Person 22,6 Tage krankgeschrieben. 2010-2011 waren es 10,8 Mio. verloren gegangene Arbeitstage (17). Wenn Familie, Pflege von Angehörigen und Zeiten des kulturellen, sportlichen und seelischen Ausgleichs nicht mit dem Berufsleben vereinbart werden können, entstehen weitere Gefahren. Manche Staaten haben Pflegezeiten für Angehörige und Freistellungsansprüche eingeführt. Oft haben sich Unternehmen auch mit Problemlagen zu beschäftigen, die nicht im betrieblichen Zusammenhang entstanden sind. Vorbildliche Unternehmensmodelle zur Gesundheitsprävention, zur Inklusion, zu geeigneten Teilzeitlösungen, zur Assistenz am Arbeitsplatz und zur Fortbildung von Management und Mitarbeitern sollten stärker öffentlich gefördert werden. Innovative Unternehmenskulturen können auch die Qualität der Arbeit und der Produkte stärken. Eine proaktive Behandlung des Stressrisikos, das auf der Ermittlung, Beseitigung bzw. Verringerung des Stressfaktors beruht, sollte Teil einer konsequenten Präventionsstrategie sein, und zwar nach Maßgabe der Vertragsbestimmungen, der Rahmenrichtlinie 89/391/EWG über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit und des von den europäischen Sozialpartnern 2004 geschlossenen Rahmenabkommens zu Stress am Arbeitsplatz.

Unsicherheit in Fragen der Arbeit und der Existenz und übermächtige strukturelle Zwänge am Arbeitsmarkt bilden zusätzliche Gefahren. Der Überbietungswettbewerb bezüglich der Arbeitsleistung und der Unterbietungswettbewerb bezüglich der Arbeitsbedingungen müssen eindeutige Grenzen haben. Oft wird den Verlierern am Arbeitsmarkt auch dann eine individuelle Schuld zugewiesen, wenn sie diese nicht haben. Der Forderung der Arbeitgeber nach einer notwendigen und zumutbaren Flexibilität des Arbeitnehmers steht dessen Forderung nach einer Flexibilität zugunsten von Familie, Pflege und individuellen Problemlagen gleichberechtigt gegenüber (Fürsorge des Arbeitgebers und „Personenzentrierung“). Menschen mit seelischen Erkrankungen haben ein höheres Risiko, ihre Arbeit zu verlieren bzw. aufgrund ihrer Erkrankung erwerbsunfähig zu werden. Hierbei spielen auch gesellschaftliche Vorurteile eine maßgebliche Rolle. Es gehen dadurch Arbeitskräfte, allgemeine Ressourcen und Wertschöpfung verloren.

3.1.1.1

Beispielsweise reichen die Quotenregelungen für Menschen mit Behinderungen in einigen Ländern als Instrumente bei weitem nicht aus. Gefragt ist vielmehr eine offensive berufliche Eingliederungspolitik zugunsten vieler bisher ausgegrenzter Menschen und der Gesellschaft.

3.1.2

Paritätisch besetzte und öffentlich geförderte Beratungs- und Schlichtungsstellen können einen offeneren Umgang mit der Thematik bewirken. Es sollte betriebliche oder externe Stellen geben, die die Interessen von Menschen mit Behinderungen und mentalen Beeinträchtigungen im Arbeitsleben vertreten. Ein angemessener Kündigungsschutz, gesetzlicher Arbeitsschutz, Arbeitslosenunterstützungen, ein öffentlich gefördertes betriebliches Gesundheitsmanagement, Return-to-work-Pläne und eine aktive Arbeitsmarkt- und Familienpolitik sollten außerdem die Gefährdungen begrenzen. Zugunsten der Arbeitgeber, insbesondere auch der KMU, muss dabei sichergestellt sein, dass die Wettbewerbsfähigkeit gewahrt bleibt, Bürokratie vermieden wird und die öffentlichen Unterstützungsstrukturen verlässlich sind. Gemeinnützige Dienste und Verbände der Wohlfahrtspflege und andere zivilgesellschaftliche Kräfte können bei der politischen und praktischen Unterstützung von Betroffenen, von Unternehmen und von Arbeitsverwaltungen eine wichtige Rolle spielen (18).

3.2   Kinder und Jugendliche

3.2.1

Psychische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter lassen sich statistisch kaum exakt ermitteln. Dies hat u.a. damit zu tun, dass die Differenzierung zwischen krank und verhaltensauffällig, zwischen beratungs-, erziehungs- und behandlungsbedürftig oft schwierig ist. Das heißt, dass eine Trennung zwischen den genannten Bedarfen in der Regel kaum möglich ist; die Übergänge sind eher fließend. Z.B. verzeichnet die deutsche Psychotherapeutenkammer eine Jahresprävalenz zwischen 9,7 % (psychisch krank) und 21,9 % (psychisch auffällig) (19). Bezüglich Depressionen sind ein ansteigendes Ersterkrankungsrisiko sowie ein absinkendes Ersterkrankungsalter festzustellen. Experten erkennen bei Kindern und Jugendlichen eine wachsende Zahl von Angst- und Verhaltensstörungen und eine definitive Zunahme des Konsums von Psychopharmaka.

3.2.2

Zugleich verzeichnen Kindertageseinrichtungen und Schulen einen steigenden Anteil an Kindern und Jugendlichen mit z.B. Schulabbrüchen (14,4 % EU-weit), auffälligen Verhaltensweisen, Konzentrationsstörungen und Gewaltphänomenen. Dabei liegen oft gemischte Problemlagen vor, welche u.a. mit psychischen Beeinträchtigungen, fehlenden Widerstandskräften gegen Konsumangebote (20) und Medien, Computer- oder weiteren Suchtproblemen und allgemeinen Entwicklungsdefiziten einhergehen. Alarmierend ist der steigende Konsum von Antidepressiva, Methylphenidaten und ähnlichen Arzneimitteln schon im kindlichen oder jugendlichen Alter. Hier sind dringend europaweite Statistiken zu erheben und Alternativen zu entwickeln.

3.2.3

Die zunehmende Verunsicherung der Kinder und Jugendlichen sowie deren Eltern ist ein Problem, das die Kinder- und Jugendpsychiatrie nicht – schon gar nicht allein – lösen kann. Frühkindliche Hilfen und die Unterstützung der Familien in ihrer zentralen Rolle sind ebenso wichtig wie das Vorhalten der fachlichen Kompetenzen in Kindertagesstätten, bei Kinderärzten und Schulen. Es ist dabei nicht hilfreich, wenn jede Auffälligkeit des Verhaltens als eine psychische Auffälligkeit oder Krankheit definiert wird und komplexe individuelle und gesellschaftliche Probleme einseitig zu solchen der medizinischen Professionalität gemacht werden (21). Individualisierung, unterschiedlicher Zugang zur Bildung, Arbeitslosigkeit, Armut, soziale Ausgrenzung, persönliche Scham und Überforderung der Eltern sowie Bildungssysteme, die auf der von Kindesalter an zunehmenden Konkurrenz und auf der Beschränkung der Chancen derjenigen, die sich in diesem Wettstreit nicht an der Spitze halten können, beruhen, können Faktoren sein, die ein präventiver Ansatz zu berücksichtigen hat. Die gemeinsame Verantwortung aller gesellschaftlichen Kräfte ist hier gefragt: ein vitales Wohnumfeld, geeignete Jugendbildungskonzepte, gut ausgestattete Schulen und Kindertagesstätten, ein nichtkommerzielles Regelangebot an Freizeitaktivitäten, Jugendgruppen, Vereinen und Kulturangeboten und ein dichtes Netz an professionellen, interdisziplinären Hilfen wie Erziehungsberatung und nonformale Bildungsangebote. Dem Drogenmissbrauch ist durch Früherkennung, Prävention, Beratung und Therapien sowie durch eine Kontrolle der Beschaffungswege konsequent zu begegnen. Investitionen in diesem Bereich vermeiden unübersehbare persönliche und soziale Schäden. Die Eingliederung in Ausbildung, Arbeit und in weitere Formen sinnvoller Beschäftigung muss für Jugendliche und junge Erwachsene als rechtliche Garantie ausgestaltet sein. In all diesen Feldern kommt den gemeinnützigen Diensten und Verbänden der Wohlfahrtspflege und der Zivilgesellschaft eine besondere politische und praktische Rolle zu.

3.3   Ältere Menschen  (22)

3.3.1

Die gestiegene und weiter steigende Lebenserwartung gilt als eine von mehreren maßgeblichen Erklärungen für das Ansteigen der Zahl der psychischen Erkrankungen im Allgemeinen. Denn im höheren Alter nimmt die Multimorbidität somatischer Erkrankungen zu, die mit einem erhöhten Depressionsrisiko einhergeht. Ebenso lösen bestimmte altersbedingte Erkrankungen, wie z.B. Alzheimer und Parkinson, oft als Begleiterkrankung eine Depression aus. Ein vitales und teilhabefreundliches Wohnumfeld, erreichbare und ambulante soziale Dienste, ehrenamtliche Beteiligungsmöglichkeiten, ggf. eine geeignete Beteiligung am Berufs- und Geschäftsleben und eine entsprechende Ausrichtung von Pflegeeinrichtungen sind wesentliche Faktoren einer Vermeidung von Vereinsamung und einer gesundheitlichen Prävention. In den Sozialräumen, bei den Pflegediensten und Ärzten sollte eine ausreichende gerontopsychiatrische Kompetenz aufgebaut werden. Best Practice-Modelle insbesondere hinsichtlich demenziell erkrankter Menschen verdienen eine stärkere europäische Aufmerksamkeit.

3.3.2

Ältere werden in der Regel von allgemeinmedizinisch ausgebildeten Hausärzten versorgt, die eine Überweisung an neuropsychiatrische Fachärzte nicht im erforderlichen Umfang vornehmen. Gerade bei demenziellen Erkrankungen und Depressionen ist die Früherkennung jedoch wichtig, was den Regelbedarf einer Querschnittversorgung offenlegt: In den meisten allgemeinen Alteneinrichtungen fehlt die regelmäßige psychiatrische Fachversorgung. Dies gilt auch für andere Einrichtungen für ältere Menschen, wie z.B. Beratungsstellen. Die Fortschritte der Medizin und speziell der Gerontologie und der technischen Hilfsmittelversorgung sollen allen betroffenen Menschen in geeigneter Weise zugutekommen.

3.3.3

Insgesamt sollten diese Besonderheiten der Kinder- und Jugend- sowie Gerontopsychiatrie sowohl in den allgemeinmedizinischen und allgemeinpsychiatrischen als auch –psychotherapeutischen Fächerkanon der jeweiligen Ausbildung verstärkte Aufnahme finden.

4.   Antistigmapolitik

4.1

In einem Europäischen Jahr für seelische Gesundheit wäre der menschenrechtliche Ansatz von zentraler Bedeutung. Die medizinischen und psychosozialen Dienstleistungen sollen den betreffenden Menschen unterstützen und ihn und seine Selbsthilfepotenziale im Sinne des empowerment stärken. Dabei müssen die Würde und die Rechtssubjektivität des Menschen im Mittelpunkt stehen, an der sich die Personen ausrichten, die den Einzelnen in seiner Krise begleiten. Darüber hinaus müssen die Fähigkeiten der Fachkräfte in unterschiedlichen Dienstleistungsbereichen ausgebaut werden, um ihr Verständnis von mentalen Beeinträchtigungen und psychosozialen Behinderungen zu verbessern.

4.2

Menschen in seelischen Krisen setzen sich oft nicht mit ihren Erkrankungen auseinander, da diese gesellschaftlich stigmatisiert sind. Dazu tragen auch die Medien einen wesentlichen Teil bei. Das von der Erkrankung vermittelte Bild ist häufig geeignet, in der breiten Bevölkerung Ängste und Abwehrhaltungen zu erzeugen und sinnvollen Behandlungsangeboten zu misstrauen. Europaweite Kampagnen zur Entstigmatisierung sind dringend erforderlich. Sie müssen langfristig angelegt sein und sich auf Prävention konzentrieren. In diese Kampagnen sind auch Mitarbeitende aller rechtlich relevanten Lebensbereiche (Justiz, Polizei, öffentliche Ämter etc.) einzubeziehen, um ihre fachlichen und professionellen Voraussetzungen im Umgang mit psychisch Erkrankten zu optimieren. Auch bei der Organisation und Finanzierung von Hilfen sollten Stigmatisierungen möglichst vermieden werden. Insbesondere die Stärkung der Lebensbewältigungskompetenz sollte ein Angebot an die gesamte Bevölkerung sein. Die Förderung der Begegnung und des Austausches zwischen Betroffenen und Menschen ohne Psychiatrieerfahrung sollte ein zentrales Element dieser Politik sein.

4.3

Auch im Beschäftigungsbereich sollten möglichst keine Sonderwelten geschaffen werden, in welche Betroffene ohne Berücksichtigung ihres Wunsch- und Wahlrechts eingeordnet werden. Zuallererst muss der betroffene Mensch selbst entscheiden können, ob er die unterstützte Arbeit in einer spezialisierten Einrichtung oder im allgemeinen Arbeitsleben erbringt. Denn durch betriebsintegrierte Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsleben lassen sich in vielen Fällen die Chancen zu einer Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit erhöhen („supported employment“) (23). Für eine Arbeitsleistung ist generell ein Tariflohn zu zahlen, der durch die Sozialpartner ausgehandelt werden sollte. Ein existenzsicherndes „Taschengeld“ ist für Menschen mit seelischen Erkrankungen oder Behinderungen nicht angemessen. Ein relativ erfolgreiches Modell zur stufenweisen Wiedereingliederung ist das sogenannte Hamburger Modell (24).

4.4

Konkret sind in der EU folgende Menschenrechtsverletzungen gegenüber Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen zu verzeichnen: unverhältnismäßige Freiheitsbeschränkungen und Zwangsbehandlungen, wobei bei letzteren ein informiertes Einverständnis des Betroffenen fehlt, und häufig fehlt es darüber hinaus an Möglichkeiten, Rechtsmittel einzulegen. Wichtig sind Programme der Deinstitutionalisierung, wohnortnahe ambulante Versorgungsdienste, die unbürokratische Zugänglichkeit der Hilfen, der Abschluss von menschenrechtskonformen Behandlungsvereinbarungen und eine Antistigmapolitik, diese auch unter Einbeziehung von Betroffenen als Experten ihrer Lebenssituation.

4.5

Eine Überprüfung der EU-Strategie für eine seelische Gesundheit ist notwendig. Der EWSA sieht vor allem die Notwendigkeit zu prüfen, wie deutlich die Ausgrenzung von Menschen mit seelischer Erkrankung von gesellschaftlicher Teilhabe im Allgemeinen und vom Arbeitsmarkt im Besonderen ist. Dabei ist auch zu untersuchen, wie durch Prävention bzw. gute Versorgung Erwerbsunfähigkeit oder Erwerbsminderung vermieden werden können. Zum zweiten fragt es sich, wie bspw. der Sprachgebrauch in Medizin, Medien und Gesellschaft Inklusion erschwert oder verhindert.

4.6

Die Chancen, für das Themenfeld „seelische Gesundheit“ eine breitere Öffentlichkeit herzustellen, nehmen durch diese Initiative zu. Die Themenhierarchie der politischen Agenda wird beeinflusst, und es wird ein gutes Klima geschaffen, um innovative Ideen zum Wohle aller zu fördern.

4.7

Um das Europäische Jahr für seelische Gesundheit zu fördern, sind neben dem EWSA selbst vor allem die relevanten Akteure der Zivilgesellschaft, einschließlich psychiatrieerfahrener Gruppen und Verbände, sowie weitere Akteure des Gesundheitswesens einzubeziehen, außerdem die betroffenen Generaldirektionen der Kommission, die Mitglieder des Europäischen Parlaments und der Ausschuss der Regionen. Auf der nationalen Ebene sind die betroffenen Ministerien einzubeziehen, ebenso wie die Mitglieder der nationalen Parlamente. Die Gestaltung der Fachpolitiken muss insgesamt unter stärkerer Einbeziehung der Betroffenen stattfinden.

4.8

Um sichtbare Auswirkungen der Initiative auch auf der Ebene der Mitgliedstaaten zu erzielen, sollten parallel der „Aktionsrahmen für psychische Gesundheit“ genutzt und ein gemeinsamer Bezugsrahmen für Maßnahmen zu psychischer Gesundheit in Gesundheitssystemen und der Sozialpolitik sowie in relevanten Feldern des Lebens wie Schule und Arbeitsplatz erarbeitet werden. Als Instrument für gegenseitiges Lernen sollten peer reviews ähnlich der OMK eingesetzt werden. Die Maßnahmen müssen in Rechtsvorschriften, finanziellen Regelungen, wie dem ESF, und Ansprüchen für betroffene Erkrankte und Unternehmen wirksam werden. Zu prüfen ist, ob eine ständige Beobachtungsstelle für eine kontinuierliche Bearbeitung des Themas sorgen kann. Die EU-Gesundheitsberichterstattung sollte verstärkt europäische Daten zu mentalen Beeinträchtigungen und insbesondere auch zu der Art der Hilfe und den Fallzahlen der stationären Psychiatrien sowie des Verbrauchs an Psychopharmaka beinhalten. Potenzielle Bündnispartner aus den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen sollten im Laufe der Zeit als dauerhafte Unterstützer gewonnen werden. Die Initiative und ein Europäisches Jahr selbst dürfen keine zeitlich begrenzten Auswirkungen haben. Vielmehr sollten sich daraus eine dauernde und nachhaltige Sensibilität für das Thema und spürbare Wirkungen für die betroffenen Menschen entwickeln.

Brüssel, den 13. Dezember 2012

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  http://www.who.int/mediacentre/factsheets/fs220/en/ (Abruf am 4.10.2012).

(2)  COM(2005) 484 final.

(3)  „The size and burden of mental disorders and other disorders of the brain in Europe 2010“, H.U. Wittchen et al., European Neuropsychopharmacology (2011) 21, 655 – 679.

(4)  http://www.psychiatrie-psychotherapie.de/archives/14 (Abruf am 15.8.2012).

(5)  S. Fußnote 1.

(6)  Gesundheitsreport 2010, Techniker Krankenkasse, Deutschland.

(7)  S. Fußnote 6.

(8)  Catherine Kilfedder, British Telecom, Hearing EWSA, 30.10.2012.

(9)  „Action for Mental Health. Activities co-funded from European Community Public Health Programmes 1997–2004“.

(10)  S. Fußnote 1.

(11)  COM(2005) 484 final.

(12)  Europäischer Pakt für psychische Gesundheit und Wohlbefinden, Brüssel, 12./13. Juni 2008.

(13)  309. Sitzung des Rates, EPSCO, 6.6.2011.

(14)  Pressemitteilung, Folgen der Euro-Krise: Schuldenberge und psychische Erkrankungen, Pressedienst des EP, 25.6.2012.

(15)  Gesundheitsreport 2011, Betriebskrankenkassen (BKK), Deutschland.

(16)  Health and Safety Executive, http://www.hse.gov.uk/

(17)  Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz, Bilbao/Spanien.

(18)  ABl. C 351 vom 15.11.2012, S. 45–51.

(19)  Vgl. Angaben der Bundespsychotherapeutenkammer, Deutschland, http://www.bptk.de/presse/zahlen-fakten.html (Abruf 15.8.2012).

(20)  ABl. C 351 vom 15.11.2012, S. 6–11.

(21)  Arbeitsgemeinschaft Psychiatrie der AOLG – Bericht für die Gesundheitsministerkonferenz der Länder in Deutschland 2012, vom 15.3.2012, S. 20.

(22)  ABl. C 51 vom 17.2.2011, S. 55–58.

(23)  Stellungnahme der Verbände des Kontaktgespräches Psychiatrie zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, Freiburg/Berlin/Stuttgart, 15.5.2012.

(24)  § 74 Sozialgesetzbuch V sowie § 28 Sozialgesetzbuch IX (für behinderter oder konkret von Behinderung bedrohter Menschen). Der Arbeitnehmer stimmt mit einem Arzt einen Eingliederungsplan ab, der dem Genesungsfortschritt des Arbeitnehmers entspricht. Die ärztliche Bescheinigung enthält den Wiedereingliederungsplan und eine Prognose, wenn möglich, über den Zeitpunkt der zu erwartenden Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit. Die Zustimmung von Arbeitgeber und Krankenkasse ist vor Beginn der Maßnahme erforderlich. Der Arbeitnehmer erhält weiterhin Krankengeld von seiner Krankenkasse bzw. Übergangsgeld von der Rentenversicherung.


ANHANG

zur Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Folgender Text der Stellungnahme der Fachgruppe wurde zugunsten eines vom Plenum angenommenen Änderungsantrags abgelehnt, erhielt aber mindestens ein Viertel der abgegebenen Stimmen:

Ziffer 3.1.1

„[…] Maßnahmen dieser Art sollten die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen beachten und die bürokratischen Belastungen gering halten. Auch die finanzielle Entlastung von inklusiven, familienfreundlichen und sozial sensiblen Unternehmen kann eine Verbesserung der Lage bewirken […].“

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen zugunsten der Änderung dieser Ziffer

:

35

Nein-Stimmen und

:

26

Stimmenthaltungen

:

6


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