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Document 52005AE0118

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „XXXIII. Bericht über die Wettbewerbspolitik — 2003“(SEK(2004) 658 endg.)

ABl. C 221 vom 8.9.2005, p. 1–7 (ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)

8.9.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 221/1


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „XXXIII. Bericht über die Wettbewerbspolitik — 2003“

(SEK(2004) 658 endg.)

(2005/C 221/01)

Die Europäische Kommission beschloss am 4. Juni 2004, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen: „XXXIII. Bericht über die Wettbewerbspolitik — 2003 — Erster Teil“

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 11. Januar 2005 an. Berichterstatter war Herr CHIRIACO.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 414. Plenartagung am 9./10. Februar 2005 (Sitzung vom 9. Februar) mit 75 Ja-Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung

1.1

Der Jahresbericht 2003 über die Wettbewerbspolitik hebt die Änderungen hervor, die in der internen Organisation dieses Bereichs sowie in der Arbeitsweise der Kommission erfolgt sind und verdeutlicht, wie die Kommission zu einem kohärenten wirtschaftlichen Ordnungsrahmen in Europa beiträgt.

1.2

Für die Verwirklichung der Wettbewerbsfähigkeitsziele der Lissabonner Strategie spielt die Wettbewerbspolitik der EU eine maßgebliche Rolle, denn sie beinhaltet nicht nur kartell- und fusionsrechtliche Regelungen, sondern auch die Anwendung effektiver und strenger Vorschriften für staatliche Beihilfen.

1.3

Damit die 10 neuen Beitrittsländer „weich landen“ können, hat die Kommission ein System gemeinsamer Wettbewerbsregeln für die einheitliche Anwendung der Regeln für staatliche Beihilfen erarbeitet, und betont, wie wichtig es ist, die Frage der wettbewerbsverfälschenden staatlichen Maßnahmen mit dem gleichen Nachdruck anzugehen wie die Durchsetzung der für Unternehmen geltenden Regeln.

1.4

2003 wurden insgesamt 815 neue Fälle registriert, in denen gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen wurde, und u.a. wurde ein „Verbindungsbeauftragter“ für die Verbraucher eingesetzt, um einen ständigen Dialog mit den europäischen Verbrauchern zu gewährleisten: die Belange der Verbraucher stehen bei der Wettbewerbspolitik im Vordergrund, doch ihre Stimme findet bei der Klärung einzelner Fälle oder bei der Erörterung von Grundsatzfragen nicht ausreichend Gehör. Das Aufgabengebiet des „Verbindungsbeauftragten“ ist nicht auf die Fusionskontrolle beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf kartellrechtliche Fragen — Kartellbildung und Missbrauch marktbeherrschender Stellungen — sowie auf weitere Verfahren und Maßnahmen dieses Bereichs.

1.5

Die Europäische Kommission hat im Oktober 2003 den Entwurf einer Verordnung und Leitlinien für Technologietransfer-Vereinbarungen veröffentlicht, zu dem sich der EWSA bereits in einer Stellungnahme geäußert hat (1). In dem Reformvorschlag wird berücksichtigt, wie sich derartige Vereinbarungen in den letzten Jahren entwickelt haben, und das Ziel verfolgt, den Anwendungsbereich der gemeinschaftlichen Gruppenfreistellungsverordnung zu vereinfachen und auszudehnen. Die neuen Regeln haben folgende Vorteile:

die Gruppenfreistellungsverordnung enthält nur noch eine „schwarze Liste“, d.h. was nicht ausdrücklich von der Gruppenfreistellung ausgeschlossen ist, gilt als freigestellt,

Lizenzvereinbarungen zwischen Wettbewerbern werden deutlich von Lizenzvereinbarungen zwischen Nicht-Wettbewerbern abgegrenzt,

die Verabschiedung eines „Modernisierungspakets“ ist bereits vorgesehen.

1.6

Die Kommission hat außerdem einen Chefökonomen für Wettbewerbsfragen mit Wirkung vom 1. September 2003 ernannt und zugleich die Rolle des Anhörungsbeauftragten deutlich gestärkt. Der Chefökonom hat drei Aufgaben zu erfüllen:

wirtschaftspolitische und ökonometrische Beratung und Lenkung bei der Anwendung des EU-Wettbewerbsrechts, wozu die Mitwirkung an der Ausarbeitung allgemeiner Leitlinien gehören kann;

allgemeine Beratung und Lenkung bereits im Anfangsstadium von Wettbewerbsverfahren;

detaillierte Beratung und Lenkung in den bedeutendsten und mit komplexen wirtschaftlichen Fragen verbundenen Wettbewerbsfällen, insbesondere wenn sie einer gründlichen quantitativen Analyse bedürfen.

1.7

Der Anhörungsbeauftragte seinerseits spielt mit größeren Befugnissen die Rolle des unabhängigen Garanten für das Recht auf Verteidigung in einigen Wettbewerbsverfahren. Er ist direkt dem zuständigen Mitglied der Kommission unterstellt und nimmt von der GD Wettbewerb keinerlei Weisungen entgegen. Er kann sich jederzeit einschalten, wenn es um begründete Fragen verfahrensrechtlicher Art geht; er organisiert mündliche Anhörungen und führt diese objektiv durch, er entscheidet, ob Dritte gehört und ob neue Unterlagen vorgelegt werden dürfen. Über all dies erstattet er dem zuständigen Mitglied der Kommission Bericht.

2.   Anwendung der Regeln zur Kartellbekämpfung — Artikel 81 und Artikel 82 EG-Vertrag

2.1

Im Oktober 2003 hat die Kommission die Abschlussphase des Reformprozesses zur Durchsetzung des Kartellrechts (sogenanntes Modernisierungspaket) auf den Weg gebracht, um die Durchsetzungsbefugnisse der Wettbewerbsbehörden leichter anwendbar zu machen und die in der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Kooperationsmechanismen zwischen der Kommission, den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten und den nationalen Gerichten zu präzisieren.

2.2

Das Modernisierungspaket umfasst insbesondere eine neue Verordnung über die Modalitäten für die Anhörung der beteiligten Parteien sowie eine Reihe anderer Verfahrensfragen wie Akteneinsicht und Umgang mit vertraulichen Informationen. Die sechs im Entwurf vorgelegten Mitteilungen betreffen unter anderem Kooperationsmechanismen innerhalb des Netzes der europäischen Wettbewerbsbehörden sowie zwischen der Kommission und den nationalen Gerichten, das Konzept der Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten, die Behandlung von Beschwerden und die Beratungsschreiben, mit denen Unternehmen bei der Bewertung neuer oder ungelöster Rechtsfragen unterstützt werden sollen. Hinsichtlich des gesamten Modernisierungspakets wird auf die Stellungnahme des EWSA (1) verwiesen.

2.3

Im Jahr 2003 hat die Kommission fünf Entscheidungen gegen unzulässige horizontale Absprachen erlassen: französisches Rindfleisch, Sorbate, elektrische und mechanische Kohlenstoff- und Graphitprodukte, organische Peroxide und Kupferindustrierohre. Die verhängten Geldbußen beliefen sich auf 400 Mio. EUR: Sie waren jeweils so bemessen, dass sie eine abschreckende Wirkung entfalteten. Die Inspektionen werden auch in den Unternehmen durchgeführt. Dem Unternehmen, das als erstes aussagt und vollständige Beweismittel für die Durchführung einer Inspektion vorlegt, wird die Geldbuße vollständig erlassen. Es ist vorgesehen, dass die Kommission jedoch eine befürwortende Stellungnahme abgibt, wenn die Unternehmensabsprachen den Wettbewerb auf den betroffenen Märkten nicht beschränken und die Verbraucher von diesen Kooperationen profitieren. Ebenfalls im Jahr 2003 hat sich die Kommission zu drei Fällen des Verstoßes gegen Artikel 82 geäußert:

Gebühren, welche die Deutsche Telekom AG von Konkurrenzunternehmen für den Zugang zur örtlichen Infrastruktur ihres eigenen Telekommunikationsnetzes verlangt hatte,

Preispolitik der Firma Wanadoo bei ihren ADSL-Diensten,

Missbrauch einer beherrschenden Stellung der Ferrovie dello Stato Spa (FS) auf den Märkten für den Zugang zur Eisenbahninfrastruktur, Traktionsleistungen und Passagierbeförderung.

3.   Wettbewerbsentwicklung in einzelnen Wirtschaftszweigen

3.1

Im Jahr 2003 waren spürbare, wenngleich nicht völlig zufriedenstellende Fortschritte beim Liberalisierungsprozess im Energiesektor (Strom und Gas) zu verzeichnen: Im Juni erfolgte die Annahme eines Pakets von Rechtsvorschriften, wonach alle europäischen Strom- und Gaskunden spätestens am 1. Juli 2007 ihren Anbieter frei wählen können. Diese Bestimmungen sollen ein Gleichgewicht zwischen Anreizen zur Schaffung neuer Infrastrukturen und der vollständigen Verwirklichung des gemeinsamen Marktes gewährleisten.

3.2

Unter den Verbrauchern und Unternehmen verschiedener EU-Mitgliedstaaten ist jedoch nach wie vor ein Gefühl der Unzufriedenheit aufgrund des immer noch hohen Preisniveaus und der nicht immer zufriedenstellenden Effizienz dieser Dienstleistungen weit verbreitet. Darüber hinaus wird insbesondere in den neuen Mitgliedstaaten von den Sozialpartnern und Verbraucherverbänden nachdrücklich die Wahrung der Unabhängigkeit der nationalen Wettbewerbsbehörden und der nationalen Regulierungsbehörden für öffentliche Versorgungsleistungen gefordert.

3.2.1

Dort, wo angemessene und umfassende Wettbewerbsvorschriften in Kraft sind, kommt es insbesondere in den neuen Mitgliedstaaten bisweilen vor, dass die für Kontrolle und Regulierung zuständigen Stellen bei der unabhängigen Wahrnehmung ihrer Aufgaben auf Widerstand stoßen; daher haben sich die Sektorregelungen für den Schutz der Verbraucherinteressen bzw. das effiziente Funktionieren der Märkte mitunter als uneffektiv erwiesen. Der Ausschuss befürwortet ein pragmatischeres Zusammenspiel von Wettbewerbs- und Verbraucherschutzpolitik. Eine besser organisierte und stärker eingebundene Verbraucherbewegung wird auch die Entscheidungsfindung auf Regierungsebene unterstützen können und Informationen über die Märkte und wettbewerbswidrige Praktiken liefern.

3.3

Im Bereich der Postdienstleistungen zielt die Postrichtlinie aus dem Jahr 2002 auf die Vollendung des Binnenmarktes für Postdienste ab, insbesondere durch einen schrittweisen Abbau des reservierten Bereichs und durch die Liberalisierung des Marktes für abgehende grenzüberschreitende Postsendungen. Darüber hinaus wird die Kommission auf der Grundlage einer Einigung des Europäischen Rates im Laufe des Jahres 2006 eine Studie erstellen, um die Auswirkungen der Universaldienste auf jeden Mitgliedstaat zu evaluieren. Ausgehend von den Ergebnissen dieser Studie wird die Kommission einen Vorschlag annehmen, der auf die vollständige Öffnung des Postmarktes ab 2009 bzw. auf jede andere Maßnahme abzielt, welche die Universalität der Dienste gewährleisten soll.

3.4

Was die elektronische Kommunikation angeht, so lief die Frist für die Umsetzung des neuen Regulierungsrahmens für diesen Sektor im Juli 2004 ab. In ihrem diesbezüglichen Bericht hat die Kommission insbesondere folgende Prinzipien hervorgehoben: Die Märkte müssen anhand der für den Wettbewerb geltenden Grundsätze analysiert werden; Regulierungsmaßnahmen gegen einen Betreiber können nur dann ergriffen werden, wenn er eine beherrschende Stellung innehat; alle elektronischen Kommunikationsdienste und -netze sind gleich („technologieneutral“) zu behandeln. Der Ausbau und der nunmehr allgemeine Zugang zur elektronischen Kommunikation können das Wirtschaftswachstum allein nicht wieder ankurbeln. Hierfür ist es vielmehr grundlegend, den Kenntnis- und Kompetenzstand all derer zu erhöhen, welche die Informations- und Kommunikationstechnologien benutzen müssen.

3.5

Hinsichtlich des Luftverkehrssektors beschloss die Kommission im Jahre 2003, in einen umfassenden und nicht einzelfallbezogenen Dialog mit den einschlägigen Akteuren des Sektors einzutreten. Damit sollen transparente Wettbewerbsleitlinien im Bereich der Allianzen/Fusionen im Luftverkehrsbereich vorbereitet werden.

3.5.1

Ferner wurden die Arbeiten zur Festlegung und Umsetzung gemeinsamer Leitlinien für die Durchsetzung der kartellrechtlichen Bestimmungen im Schienenverkehrssektor in Bezug auf den Güter- und Personenverkehr vorangetrieben.

3.5.2

Der Dialog mit der Branche hat sich auch in den Bereichen Seeverkehr, Kraftfahrzeugvertrieb und Versicherungswirtschaft mit dem Ziel weiterentwickelt, bestehende Rechtsvorschriften über die Gruppenfreistellung zu überprüfen oder neue geeignete Vorschriften zu erlassen.

3.5.3

In dem besagten Dialog sind auch vergleichbare Formen steuerlicher Behandlung zu berücksichtigen.

3.6

Medien: Die Kommission misst der Pluralität der Medien eine grundlegende Bedeutung für das Funktionieren der EU und die kulturelle Identität der Mitgliedstaaten bei, betont jedoch, dass die Kontrolle der Konzentration der Medien in erster Linie Sache der Mitgliedstaaten ist. Die Anwendung der Instrumente der Wettbewerbspolitik im Mediensektor beschränkt sich auf die zugrunde liegende Marktstruktur, die wirtschaftlichen Auswirkungen des Verhaltens von Medienunternehmen und die Kontrolle staatlicher Beihilfen. Diese Instrumente können die Kontrolle der Medienkonzentration sowie Maßnahmen zur Sicherung der Medienvielfalt auf nationaler Ebene nicht ersetzen. Die Anwendung der Wettbewerbsvorschriften dient ausschließlich der Lösung von Problemen im Zusammenhang mit der Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung in den betreffenden Märkten und der Kontrolle des Marktausschlusses.

3.6.1

Es ist festzustellen, dass es mit diesem unter formalen Gesichtspunkten zwar richtigen Ansatz der Kommission insbesondere in einigen Ländern nicht gelungen ist, die Begründung marktbeherrschender Stellungen und damit verbundene wettbewerbswidrige Praktiken zu verhindern oder zu bekämpfen. Betroffen sind davon verschiedene Märkte, und der Markt der Fernsehwerbung, der bisher noch nicht entsprechend untersucht wurde, hat unter ihnen ein immer entscheidenderes Gewicht, wenn es um den Schutz der Vielfalt geht.

3.6.2

Darüber hinaus wurden bei der Kontrolltätigkeit die Methoden außer Acht gelassen, die einige im Medienbereich tätige Konzerne anwenden, um ihre beherrschende Stellung auszubauen: insbesondere Schutzmaßnahmen zur Verhinderung feindlicher Übernahmen durch eine Verschuldung der Zielgesellschaft oder die Erteilung von Mehrfachstimmrechten, die die Kontrolle der Gesellschaft durch die Minderheitsaktionäre erleichtern.

3.6.3

Die Kommission muss deshalb bei der Anwendung der Wettbewerbsregeln und der Kontrolle der Wettbewerbspraktiken besonders wachsam sein.

3.7

Freie Berufe: Die Kommission hat eine Studie des Wiener Instituts für Höhere Studien (IHS) der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, der zufolge das Ausmaß der Reglementierung der Dienstleistungen der freien Berufe zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten und zwischen den verschiedenen Berufen stark voneinander abweicht. Die Schlussfolgerung der Studie lautet, dass in Ländern mit einer restriktiveren Reglementierung und mehr Freiheit bei der Berufsausübung eine höhere Wertschöpfung möglich ist.

3.7.1

Des Weiteren wurden auf der Konferenz über die Reglementierung freiberuflicher Dienstleistungen am 28. Oktober 2003 in Brüssel, an der 260 Vertreter der betreffenden Interessengruppen teilnahmen, die Auswirkungen der Regeln und Rechtsvorschriften auf Marktstruktur und Verbraucherschutz erörtert.

3.7.2

Bei derselben Gelegenheit kündigte Kommissionsmitglied Monti die Absicht der Kommission an, im Jahr 2004 einen Bericht über den Wettbewerb bei freiberuflichen Dienstleistungen herauszugeben. Dieser Bericht, der äußerst wichtige Leitlinien enthält, wurde am 9. Februar 2004 veröffentlicht.

4.   Reform der Fusionskontrolle

4.1

Am 27. November 2003 erzielte der Rat eine politische Einigung über die Neufassung der Fusionskontrollverordnung unter weitgehender Einbeziehung der von der Kommission im Dezember 2002 vorgeschlagenen Reformen. Diese Änderungen umfassten nicht-legislative Maßnahmen, die auf eine Straffung des Entscheidungsverfahrens, eine Aufwertung des Instruments der wirtschaftlichen Analyse und eine wirksamere Wahrung der Verteidigungsrechte abzielten. So wurde beispielsweise ein Chefökonom für Wettbewerbsfragen ernannt, und es wurden Kontrollforen eingesetzt, die völlig unvoreingenommene Schlussfolgerungen garantieren sollen. Bezüglich der Prüfung der Zusammenschlüsse wird auf die Stellungnahme des EWSA zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten (2) verwiesen.

4.2

Ziel: Es soll gewährleistet sein, dass die in der Fusionskontrollverordnung vorgesehene materiellrechtliche Prüfung (Kriterium der beherrschenden Stellung) wirksam alle wettbewerbswidrigen Zusammenschlüsse erfasst; zugleich soll weiterhin Rechtssicherheit garantiert werden. Das Kriterium der materiellrechtlichen Prüfung wird dem Kriterium der wesentlichen Verminderung des Wettbewerbs („substantial lessening of competition“) gegenübergestellt, und die neue Formulierung des Kriteriums lautet letztendlich wie folgt: „Zusammenschlüsse, durch die wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert würde, insbesondere durch Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung, sind für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar zu erklären.“

4.2.1

In der neuen Bestimmung stellt die Formulierung „insbesondere durch Begründung oder Verstärkung ...“ die Möglichkeit in Aussicht, den Anwendungsbereich des Verbots nicht mehr eng mit dem Erfordernis einer beherrschenden Stellung zu verknüpfen. Diese Vorschrift muss jedoch im Lichte der gemeinsamen Erklärung von Rat und Kommission zu Artikel 2 unter Bezugnahme auf Erwägungsgrund 25 der Verordnung (3) ausgelegt werden, wo es heißt: „dahingehend auszulegen, dass er sich über das Konzept der Marktbeherrschung hinaus ausschließlich auf diejenigen wettbewerbsschädigenden Auswirkungen eines Zusammenschlusses erstreckt, die sich aus nicht koordiniertem Verhalten von Unternehmen ergeben, die auf dem jeweiligen Markt keine beherrschende Stellung haben würden“. Hieraus folgt, dass der Anwendungsbereich weiterhin in Bezug auf den Begriff der beherrschenden Stellung definiert wird.

4.3

Leitlinien für die Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse: d.h. Zusammenschlüsse zwischen Konkurrenzunternehmen oder potenziellen Konkurrenzunternehmen. Solche Zusammenschlüsse sind nur insoweit unzulässig, als sie die Marktmacht von Unternehmen in einer Weise stärken, die negative Folgen für die Verbraucher, insbesondere in Form höherer Preise, schlechterer Produktqualität und geringerer Auswahl, haben dürfte. Dies gilt unabhängig davon, ob die wettbewerbswidrigen Wirkungen aus der Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung oder daraus resultieren, dass ein Oligopol vorliegt. Bei der Beurteilung der Auswirkungen eines Zusammenschlusses auf den Wettbewerb wird jedoch geprüft, wie sich der Markt sonst entwickelt hätte. Dies kann zum Beispiel bedeuten, dass der Erwerb eines „konkursbedrohten Unternehmens“ ein Tätigwerden der Kommission nicht rechtfertigen würde.

4.4

Neue beispielhafte Verfahrensweisen (best practices): Im Zusammenhang mit dem Reformpaket von 2002 fand eine öffentliche Anhörung statt, die im Februar 2003 abgeschlossen wurde und interessierten Parteien Leitlinien über den üblichen Ablauf von Fusionskontrollverfahren in der EU liefern sollte.

5.   Internationale Zusammenarbeit

5.1

Die Kommission arbeitet aktiv in der Arbeitsgruppe „Fusionskontrolle“ des ICN (International Competition Network) mit, die sich mit multijurisdiktionellen, d.h. in die Zuständigkeit mehrerer Länder bzw. Ländergruppen fallenden Fusionen, befasst. Die Arbeitsgruppe ist in drei Untergruppen unterteilt:

Anmeldung und Verfahrensweisen,

Untersuchungsmethoden,

analytischer Rahmen.

5.1.1

Die Kommission arbeitet in allen drei Untergruppen mit. Das wichtigste Anliegen besteht darin, die Verständigung zwischen den verschiedenen Rechtssystemen zu verbessern, um die Kontrolle der Zusammenschlüsse effizienter zu gestalten.

5.1.2

Allgemeiner betrachtet ist das ICN ein virtuelles Netz zwischen verschiedenen Wettbewerbsbehörden zur Erleichterung der internationalen Zusammenarbeit und zur Unterbreitung von Vorschlägen mit dem Ziel, die durch die Fusionskontrolle verursachten Kosten zu senken und die verfahrens- und materiellrechtliche Konvergenz zu fördern.

5.1.3

Auf der zweiten ICN-Konferenz im Juni 2003 in Merida, Mexiko, wurde besonders betont, dass auf dem Gebiet des Wettbewerbsschutzes eine klare und leicht verständliche Sprache verwendet werden muss und wettbewerbsfördernde Aktivitäten in regulierten Sektoren von strategischer Bedeutung sind, um so die durch die Fusionskontrolle verursachten Kosten zu senken und Hürden abzubauen, die die Verständigung über die Fusionspolitik zwischen den verschiedenen Rechtssystemen erschweren.

6.   Staatliche Beihilfen

6.1

Die Kontrolle staatlicher Beihilfen dient dazu, die Auswirkungen der von den Mitgliedstaaten an Unternehmen gewährten Beihilfen auf den Wettbewerb zu ermitteln. Ziel: Es muss sichergestellt sein, dass staatliche Eingriffe das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes nicht gefährden, Wettbewerb und Wettbewerbsmärkte in der Gemeinschaft gefördert und Strukturreformen vorangebracht werden. Besonders ist darauf zu achten, dass die staatlichen Beihilfemaßnahmen nicht die erwiesenen Nutzeffekte der Liberalisierung zunichte machen. Europäischer Rat von Stockholm: Die Mitgliedstaaten haben die Aufgabe, das Gesamtniveau staatlicher Beihilfen zu verringern und die Beihilfen auf horizontale Ziele von gemeinsamem Interesse, wie z.B. Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts, Beschäftigung, Umweltschutz, Förderung von Forschung und Entwicklung der KMU, auszurichten. Die Kommission erachtet die Rückzahlung rechtswidriger Beihilfen an die Mitgliedstaaten als eine ihrer Prioritäten.

6.1.1

In diesem Zusammenhang ist zu bedauern, dass etliche Mitgliedstaaten ihr öffentliches Beschaffungswesen nicht Bietern aus anderen Mitgliedstaaten geöffnet haben. In der EU hat das öffentliche Beschaffungswesen ein jährliches Volumen von mehr als 1,5 Billionen Euro: die in einigen Mitgliedstaaten verbreitete Praxis, inländische Unternehmen zu bevorzugen, schadet dem Wettbewerb und erhöht die Steuerlast der Verbraucher.

6.2

Staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten. Die bis Oktober 2004 geltenden diesbezüglichen Leitlinien sahen vor, dass die Beihilfen nur unter bestimmten strengen Auflagen als vereinbar angesehen werden. Diese Leitlinien wurden überprüft und dabei hauptsächlich folgende Möglichkeiten erwogen:

Beschränkung der Rettungsbeihilfen auf widerrufliche, befristete Finanzhilfen, die nur so lange gewährt werden, bis ein umfassender Umstrukturierungsplan in Kraft gesetzt werden kann,

Beihilfenkontrolle vorrangig bei großen Unternehmen mit EU-weitem Warenverkehr,

Stärkung des Grundsatzes (vor allem bei großem Unternehmen), nach dem der Beihilfeempfänger verpflichtet ist, einen großen Teil der Umstrukturierungskosten ohne Beihilfen zu finanzieren,

Anwendung des Grundsatzes der „einmaligen Beihilfe“.

6.3

Multisektoraler Rahmen für große Investitionsvorhaben: Strenge Regeln für Wirtschaftszweige mit strukturellen Schwierigkeiten. Eine Liste dieser Wirtschaftszweige sollte bis Ende 2003 vorliegen. Wegen methodischer und technischer Schwierigkeiten hat die Kommission die Annahme der Liste verschoben, und die bestehenden Übergangsregeln für „sensible“ Sektoren wurden bis Dezember 2006 verlängert.

6.4

FuE-Beihilfen für KMU: Forschungs- und Entwicklungsbeihilfen können zu mehr Wirtschaftswachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung beitragen. Für KMU sind sie von besonderer Bedeutung.

6.5

Umweltschutzbeihilfen, FuE-Beihilfen, Ausbildungsbeihilfen, steuerliche Vergünstigungen. Im Bereich der steuerlichen Vergünstigungen wurden alternative Besteuerungsbeihilfen wie die „Kostenaufschlagsmethode“ (das steuerbare Einkommen wird pauschal auf der Grundlage eines Prozentsatzes der Ausgaben und der Geschäftsführungskosten bestimmt) geprüft. Im Rahmen der sektorbezogenen Beihilfen (vgl. insbesondere Anwendung der BSM — befristete Schutzmaßnahmen) wurden folgende Sektoren berücksichtigt: Stahl, Telekommunikation, Kohle, Schienenverkehr, kombinierter Verkehr, Straßenverkehr, See- und Luftverkehr.

6.6

Landwirtschaft: Am 23. Dezember 2003 hat die Kommission eine neue Verordnung erlassen, mit der bestimmte Kategorien von Beihilfen bis zu einer bestimmten Höhe freigestellt werden. Eine vorherige Anmeldung bei der Kommission ist für diese Beihilfen nicht länger erforderlich. Die bis Ende 2006 geltende Verordnung betrifft Beihilfen an in der Landwirtschaft tätige KMU. Angesichts der KMU-Definition (bis 250 Beschäftigte, 40 Mio. EUR Umsatz oder 27 Mio. EUR Bilanzsumme) fallen fast sämtliche landwirtschaftlichen Betriebe und Unternehmen unter diese Verordnung. Schließlich führt die Kommission ein neues Transparenzinstrument ein: Fünf Tage vor Beginn der Beihilfeauszahlungen werden sämtliche freigestellten Beihilfen, aufgeschlüsselt nach Mitgliedstaat, in Kurzform im Internet veröffentlicht, um zu gewährleisten, dass alle Interessenten über sämtliche erforderlichen Informationen verfügen.

7.   Allgemeine Bemerkungen

7.1

Nach einer Zusammenfassung und teilweisen Kommentierung des XXXIII. Berichts über die Wettbewerbspolitik von 2003 sind nun einige allgemeine Erwägungen zu dem Bericht als Ganzem und einigen seiner bedeutendsten, zukunftsorientierten Aspekte anzustellen.

7.2   Verhältnis zwischen Wettbewerbspolitik und Wirtschaftsentwicklungspolitik

7.2.1

Die Wettbewerbspolitik der Europäischen Union ist wirksamer und offener für ein positives Verhältnis zu den Unternehmen und Verbrauchern geworden, was der Einführung neuer Verfahren für die Anwendung der Kartellbekämpfungsregeln, der Überarbeitung der Fusionskontrollverordnung und schließlich der neuen organisatorischen Ordnung innerhalb der Kommission zu verdanken ist.

7.2.2

Dank der Wettbewerbspolitik hat die EU wesentliche Fortschritte im Liberalisierungsprozess gemacht, indem sie ganze Wirtschaftszweige erneut der Logik und Dynamik des Marktes überlassen und somit einen konkreten Beitrag zur Schaffung eines europäischen Binnenmarkts geleistet hat. Die Wettbewerbspolitik ist daher von wesentlicher Bedeutung, und ihre völlige Autonomie muss stets gewährleistet sein.

7.2.3

Gleichwohl kann die Wettbewerbspolitik allein nicht den heute EU-weit besonders akuten Bedarf an einem kräftigen Wachstumsaufschwung sowie an einer auf Innovation und sozialem Dialog basierenden nachhaltigen Wirtschaftsentwicklungspolitik decken. Die weltweiten strukturellen Veränderungen in Produktion und Handel, beginnend mit denjenigen, die durch das neue technologische System verursacht wurden, verlangen von der Kommission den Einsatz und die Koordinierung weiterer Instrumente der Wirtschaftspolitik, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft zu bewahren und wiederzubeleben, den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt zu stärken und die Beschäftigung, den Umweltschutz sowie umfassende und anspruchsvolle Forschungs- und Entwicklungsprogramme zu fördern. Der in der Kommissionsmitteilung zum Thema „Den Strukturwandel begleiten: Eine Industriepolitik für die erweiterte Union“ sowie in der entsprechenden Stellungnahme des EWSA (4) zum Ausdruck gebrachte Standpunkt weist deutlich in diese Richtung. In der Lissabon-Agenda wird der zu beschreitende Weg beschrieben. Gleichwohl muss auch die Umsetzung der entsprechenden Maßnahmen sowohl auf allgemeiner wie auf sektorspezifischer Ebene ermöglicht und beschleunigt werden.

7.2.3.1

Was die sektorspezifische Ebene betrifft, betont der EWSA, der die Erwägungsgründe seiner Stellungnahme vom 30. Juni 2004 zum Thema „LeaderSHIP 2015 — Die Zukunft der europäischen Schiffbau- und Schiffsreparaturindustrie sichern: Wettbewerbsfähigkeit durch Kompetenz“ (5) bekräftigt, dass das neue vollständig integrierte Konzept, das vom Rat (Wettbewerbsfähigkeit) im November 2003 festgelegt wurde, tatkräftig umgesetzt werden muss, um so die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie zu stärken sowie Forschung, Entwicklung und Innovation in allen Sektoren zu fördern.

7.3   Staatliche Beihilfen und Dienstleistungen von allgemeinem Interesse

7.3.1

Der Reformprozess zur Straffung und Vereinfachung der Kontrollverfahren für staatliche Beihilfen hat bedeutende Fortschritte erzielt und ist dabei dem vom Europäischen Rat von Stockholm vorgezeichneten Weg gefolgt: Verringerung der Höhe staatlicher Beihilfen und deren Umwidmung auf Querschnittsziele von gemeinsamem Interesse, u.a. Kohäsionsziele. In diesem Sinne muss die Kommission tatsächlich verschiedene Maßnahmen ergreifen, wie eine gewisse Ausweitung des Anwendungsbereiches der Beihilfen für Forschung und Entwicklung, Leitlinien für Vereinbarungen über Technologietransfer, über die Umstrukturierung von maroden Unternehmen und über Beihilfen für Bildung und Umweltschutz sowie multisektorale Vorschriften für breitangelegte Investitionsprojekte.

7.3.2

Mit seinem Urteil in der Rechtssache Altmark (Juli 2003) hat der Gerichtshof bekräftigt, dass Entschädigungen für Unternehmen, die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse (DAI) erbringen, aufgrund einiger Bedingungen von der Definition staatlicher Beihilfen ausgeschlossen sind. Einige Probleme bleiben jedoch ungelöst, besonders mit Blick auf das optimale Verhältnis, das zwischen staatlichen Beihilfen und Dienstleistungen von allgemeinem Interesse (DAI) geschaffen werden muss. Die vom Gerichtshof gestellten Bedingungen sind nämlich dergestalt, dass die Rechtssicherheit, insbesondere im Bereich der Kostenbewertung, der Vorschriften über die Finanzierung von Dienstleistungen (4) sowie der Bestimmung der Ziele für die Verpflichtungen des entschädigungsberechtigten öffentlichen Dienstes verbesserungsbedürftig sind. Im Übrigen wurde in dem Grünbuch über Dienstleistungen von allgemeinem Interesse (DAI) (im Mai 2003 veröffentlicht) bereits anerkannt, dass zu prüfen ist, ob die für die DAI geltenden Grundsätze in einem allgemeineren Gemeinschaftskontext weiter gestärkt werden müssen, und dass die optimalen Rechtsvorschriften für diese Dienstleistungen sowie Maßnahmen für eine größere Rechtssicherheit aller Akteure genau festzuschreiben sind.

7.3.3

Wo die Verpflichtungen für Universaldienste nämlich nicht ordnungsgemäß festgelegt und finanziert werden, machen die verpflichteten Unternehmen womöglich immer mehr Verluste, weil u.U. Konkurrenzunternehmen in die profitträchtigsten Tätigkeitssegmente eindringen.

7.3.4

Aus diesem Grunde betont der EWSA die bereits in seiner Stellungnahme (1) zu dem von der Kommission vorgelegten Grünbuch hervorgehobene Notwendigkeit, einen eindeutigen Rechtsakt über die DAI zu verabschieden, der allen Nutzern einen wirksamen und gleichberechtigten Zugang zu hochwertigen Dienstleistungen gewährleistet, die ihre Ansprüche erfüllen können. Darüber hinaus empfiehlt er, insbesondere im Hinblick auf die Reorganisation und Funktionsweise der Sozialdienste einen möglichst breiten Dialog mit den Sozialpartnern und NGO zu fördern.

7.4   Freie Berufe

7.4.1

Die eingehende Analyse, welche die Kommission zu den regulatorischen Rahmenvorgaben für die Dienstleistungen der freien Berufe in den Mitgliedstaaten durchgeführt hat, war sehr nützlich, konnte sie doch wirkungsvoll verdeutlichen, dass die einschlägigen restriktiven Regelungen — mit Besonnenheit — überarbeitet und die großen Kultur- und Wissensressourcen der freien Berufe produktiver und wettbewerbsfähiger eingesetzt werden müssen: Natürlich ist dies von großem Vorteil — nicht nur für die Angehörigen der freien Berufe, sondern auch für die Unternehmen und Verbraucher.

7.4.2

So ist der mehrfach vom Gerichtshof bekräftigte Grundsatz nunmehr allgemein anerkannt, dass auch beim Angebot der Dienstleistungen der freien Berufe die Wettbewerbsregeln eingehalten werden müssen. Zwar ist absolut richtig, dass ökonomische Kriterien nicht den einzigen Parameter zur Bewertung der Dienstleistungen der freien Berufe bilden können, sind diese doch weder rein technischer Natur noch werden sie monoton angewandt, sondern stellen vielmehr ein problemspezifisches Wissen bereit; richtig ist jedoch auch, dass sie eine Wirtschaftstätigkeit darstellen, die, wenn sie unter Einhaltung der Wettbewerbsbestimmungen ausgebaut wird, mehr Wohlbefinden schafft und einen wichtigen Beitrag zur Lissabon-Agenda leisten kann.

7.4.2.1

In diesem Zusammenhang ist der Inhalt der Mitteilung der Kommission zum Thema „Bericht über den Wettbewerb bei freiberuflichen Dienstleistungen“ (6) von Bedeutung. Darin wird einerseits die wichtige Rolle betont, die die freiberuflichen Dienstleistungen bei der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der EU-Wirtschaft spielen können, da sie eine wesentliche Inputleistung für die Unternehmen und die Familien erbringen. Andererseits wird u.a. auf der Grundlage empirischer Untersuchungen über die nachteiligen Auswirkungen, die eine übermäßige oder veraltete Reglementierung — wie die zuweilen existierende Reglementierung in Bezug auf Preise, Werbung, Zugangsvoraussetzungen und ausschließliche Rechte sowie die Unternehmensform — auf die Verbraucher haben kann oder hat, argumentiert.

7.4.3

Der Reformprozess muss also umgesetzt und beschleunigt werden. Zu diesem Zweck fordert der EWSA die Kommission auf, ihrer Verpflichtung nachzukommen, 2005 einen neuen Bericht über die „Fortschritte bei der Beseitigung restriktiver und nicht gerechtfertigter Regeln“ zu veröffentlichen. Ferner erinnert er daran, dass die Kommission sich in diesem Zusammenhang auch verpflichtet hat, eingehend zu untersuchen, welche Beziehung zwischen dem Reglementierungsniveau, den wirtschaftlichen Ergebnissen (Preise und Qualität) und der Verbraucherzufriedenheit besteht.

7.4.4

Zugleich betont der EWSA erneut die Bedeutung des EuGH-Urteils vom 9. Oktober 2003 in der Rechtssache Consorzio Industrie Fiammiferi, das die einzelstaatlichen Behörden dazu legitimiert, die einzelstaatlichen Bestimmungen, welche die Unternehmen zu einem dem Artikel 81 EG-Vertrag zuwiderlaufenden Verhalten verpflichten, nicht zur Anwendung zu bringen.

7.4.5

Schließlich muss eine größere und bewusstere Teilhabe der interessierten Kreise am Reformprozess gefördert werden.

7.5   Informationsvielfalt und Wettbewerbsrecht

7.5.1

In ihrem XXXIII. Bericht über die Wettbewerbspolitik stellt die Kommission zum einen fest, dass die Aufrechterhaltung und der Ausbau der Medienvielfalt und die Freiheit, Informationen weiterzugeben und zu empfangen, grundlegende Ziele der Europäischen Union seien, da sie wesentliche Werte des demokratischen Prozesses darstellten; zum anderen verdeutlicht die Kommission, dass die Kontrolle der Medienkonzentration in erster Linie Sache der Mitgliedstaaten ist. Wie die Kommission weiter ausführt, dient die Anwendung der Wettbewerbsvorschriften ausschließlich der Lösung von Problemen in Zusammenhang mit der Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung in den betreffenden Märkten und der Kontrolle des Marktausschlusses von Wettbewerbern. Nach Auffassung des EWSA erscheint diese Unterscheidung zwischen den Aufgaben der EU und den Aufgaben der einzelnen Mitgliedstaaten einerseits äußerst vage und lässt andererseits jedoch einige Probleme ungelöst:

Es sei darauf hingewiesen, dass in den verschiedenen Mitgliedstaaten unterschiedliche Rechtsvorschriften und Ansätze existieren, die eine Harmonisierung erfordern: die Kommission hat 1989 begonnen, dahingehende Maßnahmen zu ergreifen, die sie 1997 mit der Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“ fortgesetzt hat; darin werden nicht nur Ziele für wirtschaftliche Effizienz festgeschrieben, sondern auch die Achtung der kulturellen Vielfalt, der Minderheitenschutz, das Klagerecht usw.;

darüber hinaus ist im Medienbereich zwischen allgemeinen Kartellbekämpfungsregeln und Bestimmungen zu unterscheiden, die speziell auf den Schutz der Informationsvielfalt ausgerichtet sind. Funktionierende Wettbewerbsregeln sind eine grundlegende Voraussetzung, aber nicht ausreichend für die Förderung der Medienvielfalt. Im Unterschied zu einem Wettbewerbssystem, in dem die Marktmacht jedes Unternehmens sich der Initiative und Tätigkeit von Konkurrenzunternehmen stellen muss, erfordern die Förderung und der Schutz der Medienvielfalt hingegen die ausdrückliche Anerkennung des Bürgerrechts auf tatsächlich verfügbare, freie Informationsquellen und alternative und potenziell vielfältige Informationen — ein Recht, das auf allen Ebenen geschützt werden muss;

schließlich bleibt festzustellen, dass der Prozess einer fortschreitenden Annäherung zwischen Telekommunikation, Informatik, Rundfunk, Fernsehen und Verlagswesen es erschwert, die strukturellen Ordnungen der verschiedenen Märkte genau zu bestimmen. Ohne richtiges Verständnis dieses Prozesses besteht zugleich die Gefahr einer Aufweichung der Wettbewerbsregeln und einer Schwächung des Grundsatzes der Medienvielfalt.

7.5.2

Die neue Verfassung wird das Mandat der Kommission deutlich erweitern. Der EWSA ist überzeugt, dass die Kommission dank der neuen rechtlichen Rahmenbedingungen ihre Rolle als Lenkerin und/oder unmittelbare Akteurin für die Verteidigung und den Ausbau der Informationsfreiheit und -vielfalt wahrnehmen kann.

Brüssel, den 9. Februar 2005

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND


(1)  ABl. C 80 vom 30.3.2004.

(2)  ABl. C 117 vom 30.4.2004.

(3)  Verordnung Nr. 139/2004 des Rates vom 20.1.2004.

(4)  ABl. C 157 vom 28.6.2005.

(5)  ABl. C 302 vom 7.12.2004.

(6)  KOM(2004) 83 endg. vom 9.2.2004.


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