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Document 52016AE0262

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Integration von Flüchtlingen in der EU“ (Sondierungsstellungnahme)

    ABl. C 264 vom 20.7.2016, p. 19–27 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    20.7.2016   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 264/19


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Integration von Flüchtlingen in der EU“

    (Sondierungsstellungnahme)

    (2016/C 264/03)

    Berichterstatterin:

    Christa SCHWENG

    Mitberichterstatter:

    Panagiotis GKOFAS

    Mit Schreiben vom 16. Dezember 2015 ersuchte das niederländische Ministerium für Soziales und Beschäftigung den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss im Namen des niederländischen Ratsvorsitzes gemäß Artikel 304 AEUV um Erarbeitung einer Sondierungsstellungnahme zu folgendem Thema:

    Integration von Flüchtlingen in der EU

    (Sondierungsstellungnahme).

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 4. April 2016 an.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 516. Plenartagung am 27./28. April 2016 (Sitzung vom 27. April) mit 232 gegen 3 Stimmen bei 3 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Einleitung

    Der niederländische Ratsvorsitz hat sein Ersuchen wie folgt begründet:

    Die EU und ihre Mitgliedstaaten sind auf den derzeitigen massiven Zustrom von Flüchtlingen weitgehend unvorbereitet. Allerdings entspricht die Zahl der Neuankömmlinge nur einem Bruchteil aller Personen, die weltweit migrieren; zudem handelt es sich um ein Phänomen, das bereits aus der jüngeren Geschichte Europas bekannt ist. Alle Regierungsebenen und viele zivilgesellschaftliche Organisationen müssen zusammenarbeiten, um die Aufnahme von Flüchtlingen und (nach der Anerkennung des Schutzstatus) ihre Integration sicherzustellen. Konzept, Nutzen und Ausmaß der organisatorischen Maßnahmen als Reaktion auf diese Situation variieren zwischen den Mitgliedstaaten. Beispiele für bewährte Methoden sind in verschiedenen Datenbanken zu finden, die als Grundlage für eingehendere Untersuchungen dienen könnten.

    Die Sondierungsstellungnahme hat zum Ziel, Empfehlungen zu unterbreiten, die sich auf konkrete Erfahrungen und Beispiele aus anderen Weltregionen und Epochen stützen, in denen der Zustrom einer vergleichbaren bzw. noch deutlich höheren Zahl von Flüchtlingen und anderen Migrantinnen und Migranten zu verzeichnen war, wobei der Rolle zivilgesellschaftlicher Organisationen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden soll. Es sollen Antworten auf Fragen gegeben werden wie: Was sind die besten Modelle der Zusammenarbeit zwischen nationalen, regionalen und lokalen Stellen und zivilgesellschaftlichen Organisationen? Welche innovativen Ansätze existieren bereits? Wie können sie auf andere Kontexte übertragen werden?

    2.   Empfehlungen

    2.1

    Der EWSA ist der Überzeugung, dass Integration für unsere Gesellschaften notwendig ist, wenn wir den sozialen Zusammenhalt bewahren wollen.

    2.2

    Nach Auffassung des EWSA bedarf es umgehend eines gemeinsamen europäischen Asylsystems und einer tiefgreifenden Reform der Dublin-Verordnung sowie eines europäischen Migrationsplans, um entsprechende Wirkungen zu erzielen und das Vertrauen in die Werte unserer Gesellschaften wiederherzustellen.

    2.3

    Der EWSA weist darauf hin, dass Integration ein wechselseitiger Prozess ist. Bewährte integrationspolitische Verfahren sind nicht nur auf Flüchtlinge ausgerichtet, sondern auch auf die einheimische Bevölkerung. Ein solcher Ansatz ist für die Akzeptanz der Integrationsmaßnahmen ausschlaggebend. Medien, lokale Gebietskörperschaften, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände und NRO spielen dabei eine wichtige Rolle. Zur Schaffung eines positiven Klimas für Flüchtlinge in den Aufnahmeländern — insbesondere angesichts eines voraussichtlich geringen Wirtschaftswachstums und einer angespannten Arbeitsmarktsituation in einigen Ländern — sollten Integrationsmaßnahmen und soziale Investitionen gleichermaßen auf Einheimische und Flüchtlinge abzielen und dabei den besonderen Bedürfnissen jeder Zielgruppe Rechnung tragen.

    2.4

    Mit dem Sprachunterricht sollte bald nach der Registrierung begonnen werden, wenn eine positive Entscheidung über den Asylstatus zu erwarten ist. Der Unterricht sollte auch grundlegende Informationen über Wertvorstellungen, kulturelle Aspekte und Verfahren umfassen. Außerdem sollten Kompetenzen und Qualifikationen ermittelt werden. Das Cedefop könnte helfen, Methoden zu entwickeln, die dazu dienen, die im Herkunftsland erworbenen Kompetenzen festzustellen.

    2.5

    Der EWSA ist der Ansicht, dass (vor allem unbegleiteten) Minderjährigen besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte, da sie oft traumatisiert sind und sozialpädagogische Unterstützung benötigen. Es sollte für eine rasche schulische Integration bzw. für eine Beratung über Berufsausbildungsmöglichkeiten gesorgt werden.

    2.6

    Der EWSA betont, dass Flüchtlinge Zugang zu Informationen über Rechte und Pflichten in der Aufnahmegesellschaft im Allgemeinen und auf dem Arbeitsmarkt im Besonderen haben müssen. Flüchtlinge müssen auf dem Arbeitsmarkt genauso behandelt werden wie Einheimische, um unfairen Wettbewerb sowie Sozial- und Lohndumping zu vermeiden.

    2.7

    Der EWSA würdigt erneut die Solidarität, die Teile der Zivilgesellschaft, Gewerkschaften, Arbeitgeberorganisationen, Privatpersonen und Unternehmen (insbesondere Kleinstunternehmen und mittelständische Handwerksbetriebe) bei der freiwilligen Hilfe für Asylbewerber an den Tag gelegt haben. Der EWSA unterstreicht, dass ein solches individuelles Engagement geschützt und unterstützt werden muss, durch entsprechende Anreize (insbesondere bei humanitären Notfällen), um die Solidarität in der Zivilgesellschaft zu fördern.

    2.8

    Der EWSA hebt hervor, dass die EU ihre unmittelbaren Reaktionen auf die Situation auf die in Artikel 80 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verankerten Grundsätze der Solidarität und der gerechten Aufteilung der Verantwortlichkeiten, einschließlich in finanzieller Hinsicht, stützen sollte.

    2.9

    Die Mitgliedstaaten und die zuständigen Stellen der EU (auch in den „Transitländern“) sollten im Interesse einer gemeinsamen, wirksameren EU-Asylpolitik mit den Organisationen der Zivilgesellschaft bei der Überwachung, Aktualisierung von Daten und Koordinierung von Tätigkeiten zusammenarbeiten. Es sollten harmonisierte und aktualisierte statistische Systeme entwickelt werden, um die politischen Optionen der EU und der Mitgliedstaaten definieren zu können.

    2.10

    Zum nachhaltigen Gelingen der Integration von Flüchtlingen sind im Rahmen des Juncker-Plans und darüber hinaus verstärkte Anstrengungen bei Investitionen zur Förderung des Wirtschaftswachstums und der Beschäftigung erforderlich. Zusätzliche Investitionen in Integrationsmaßnahmen und soziale Investitionen sollten Einheimischen und Flüchtlingen gleichermaßen zugutekommen und dabei den besonderen Bedürfnissen jeder Zielgruppe Rechnung tragen. Der EWSA hat festgestellt, dass sich eine Finanztransaktionssteuer positiv auf die öffentlichen Finanzen auswirken kann, indem sie einen gerechteren Beitrag des Finanzsektors gewährleistet. Wegen der außergewöhnlichen Umstände und im Einklang mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt sollten die zusätzlichen Kosten für die Aufnahme von Flüchtlingen nach eingehender Prüfung nicht in die Berechnung der öffentlichen Defizite der Mitgliedstaaten einfließen. Investitionen in Integrationsmaßnahmen sind zwar kurz- und mittelfristig kostspielig, sollten aber als Investitionen in Menschen gesehen werden, die sich langfristig rentieren. Eine erfolgreiche Integration führt zu sozialem Zusammenhalt, wirtschaftlichem Wachstum und zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Die Mittel des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) ebenso wie des Europäischen Sozialfonds (ESF) sollten daher angemessen aufgestockt werden — insbesondere in den Mitgliedstaaten, deren Flüchtlingsquoten überschritten wurden —, um eine bessere Kofinanzierung von Maßnahmen zur Integration von Flüchtlingen zu erreichen.

    3.   Hintergrund

    3.1

    Die Konflikte im Nahen und Mittleren Osten haben einen beispiellosen Zustrom von Flüchtlingen nach Europa ausgelöst. Menschen aus kriegsgebeutelten Ländern mischen sich dabei mit Menschen, die ihre Heimat aus wirtschaftlichen Gründen verlassen. Alle europäischen Länder haben die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 unterzeichnet, die Grundrechte für die besonders schutzbedürftige Gruppe der Flüchtlinge garantiert. Angesichts der hohen Zahl betroffener Personen und zur Einhaltung der Konvention und der allgemeinen Menschenrechtsprinzipien ist es wichtig, klar zwischen Wirtschaftsmigranten und Flüchtlingen zu unterscheiden, d. h. Personen, die einen Schutzstatus (insbesondere Asyl oder subsidiären Schutz) benötigen.

    3.2

    Auch wenn es aus der Sicht der Betroffenen völlig verständlich ist, dass sie ihre Heimat verlassen und hoffen, im Ausland unter besseren wirtschaftlichen Bedingungen leben zu können, erfordern die derzeitige Situation und das gesellschaftliche Klima in den meisten Mitgliedstaaten diese deutliche Unterscheidung. Wirtschaftsmigranten müssen in ihre Herkunftsländer zurückkehren, wenn ihr Antrag auf einen Schutzstatus unbegründet ist. Der EU-Aktionsplan für die Rückkehr/Rückführung sowie das Handbuch zu diesem Thema sollten von den Mitgliedstaaten in den Fällen beachtet werden, in denen der Antrag auf internationalen Schutz abgelehnt wurde.

    3.3

    All dies erfordert ein gemeinsames europäisches Asylsystem mit einem wirksamen Schutz der Außengrenzen, einer angemessenen Registrierung in den sogenannten Hotspots, einer schnellen Bearbeitung von Asylanträgen und — falls kein internationaler Schutzstatus zuerkannt wird im Falle einer Ablehnung des Asylantrags — einer Rückführung in den Herkunftsstaat bzw. in einen Drittstaat, mit dem ein Rückübernahmeabkommen geschlossen wurde. Es könnte sich auch als wichtig und wirksam erweisen, Hotspots in an die EU angrenzenden Drittländern zu errichten und migrationspolitische Abkommen über die Registrierung und Beantragung von Asyl zu schließen.

    3.4

    Die Ereignisse in der zweiten Hälfte des Jahres 2015 haben gezeigt, dass Drittstaatsangehörige, die nach Europa kommen, häufig falsche Erwartungen und überzogene Vorstellungen vom Leben in der EU haben, die gewöhnlich von den Schleusern geweckt werden. Konfrontiert mit der Realität zeigen sich diese Personen enttäuscht und entschließen sich mitunter zur freiwilligen Rückkehr. Im Rahmen eines Programms für die freiwillige Rückkehr könnten die betreffenden Rückkehrer dazu beitragen, dass die Bürgerinnen und Bürger ihrer Heimatländer ein realistischeres Bild vom Leben in Europa erhalten, was einige von ihnen davon abhalten könnte, sich auf die gefährliche Reise nach Europa zu begeben.

    3.5

    Zur Entlastung des derzeitigen Asylsystems ist es nicht nur notwendig, für ein voll funktionsfähiges gemeinsames europäisches Asylsystem sowie für eine gerechte Verteilung der Verantwortlichkeiten und Kosten zu sorgen. Nötig sind außerdem rasch ein neues europäisches Migrationskonzept und eine tiefgreifende Reform der Dublin-Verordnung, um die kurz- und langfristigen Probleme zu bewältigen, wie von Präsident Juncker für das erste Quartal 2016 angekündigt. Der EWSA wird sich dazu in einer gesonderten Stellungnahme äußern.

    3.6

    In seiner im Dezember 2015 verabschiedeten Entschließung zu Flüchtlingen hat der EWSA betont, dass es die derzeitige Situation erforderlich macht, dass die EU sichere humanitäre Korridore für Flüchtlinge aus Ländern einrichtet, die von Krieg betroffen und durch Terrorismus bedroht sind, und dass dies in Zusammenarbeit mit den Ländern geschehen muss, in denen sich die meisten Flüchtlinge aufhalten. Der EWSA bekräftigt, dass das Registrierungsverfahren bereits außerhalb der EU stattfinden sollte.

    3.7

    Krieg, Klimawandel und fehlende Perspektiven in Drittstaaten können einen stetigen und sogar verstärkten Zustrom von Flüchtlingen und Migranten zur Folge haben. Die Begrenzung der Schubfaktoren der Migration ist grundsätzlich eine globale Herausforderung. Gegenstand dieser Stellungnahme ist jedoch ausschließlich die Integration von Personen, die einen Schutzstatus erhalten haben oder beantragen.

    4.   Vergleichbarkeit mit früheren Flüchtlingsströmen?

    4.1

    Der niederländische Ratsvorsitz hat die Frage gestellt, welche Lehren für die Integration aus früheren Krisen gezogen werden können, die große Migrationsbewegungen hervorgerufen haben. Der EWSA ist zu dem Schluss gelangt, dass die derzeitige Flüchtlingskrise nicht mit früheren Krisen vergleichbar ist, und zwar einerseits hinsichtlich der Zahl der Migranten (über 900 000 Migranten gelangten 2015 über Griechenland in die EU) und andererseits hinsichtlich der Schnelligkeit der Entwicklung (die in der einheimischen Bevölkerung zu größerer Unsicherheit führt). Wenn man etwa den Fall Österreichs betrachtet, das Anfang der 90er-Jahre ca. 90 000 Flüchtlinge aufgenommen hat, die vor dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien flohen, erkennt man deutliche Unterschiede: Die Menschen aus Bosnien hatten häufig Verwandte in Österreich oder hatten dort bereits gearbeitet. Die im Herkunftsland erworbenen Qualifikationen hatten für österreichische Unternehmen einen unmittelbaren Wert, und es war üblich, dass Frauen uneingeschränkt am Arbeitsmarkt teilhaben. Dadurch erhöhten sich das Einkommen und die Mobilität von Familien, was die Bildung abgegrenzter Gebiete verhinderte und eine bessere soziale Durchmischung in den Schulen und auf dem Arbeitsmarkt begünstigte.

    4.2

    Die Erfahrungen, die in den 90er-Jahren gemacht wurden, sind mit der heutigen Situation nicht völlig vergleichbar. Heute haben die Migranten einen sehr heterogenen Hintergrund: Einige verfügen über Hochschuldiplome, die mit europäischen Abschlüssen gleichgesetzt werden können. Andere haben eine Bildung, die in Europa möglicherweise nicht von unmittelbarem Nutzen ist. Wieder andere sind kaum gebildet, und viele Frauen haben noch nie am Arbeitsmarkt teilgenommen. Darüber hinaus stehen die Bürger in den Aufnahmeländern, die noch unter den Nachwirkungen der Wirtschaftskrise leiden, den mit ihnen auf dem Arbeitsmarkt konkurrierenden Ausländern tendenziell reserviert gegenüber.

    5.   Was ist Integration?

    5.1

    Dem UNHCR zufolge besteht kein Konsens bezüglich der Definition der Integration von Einwanderern im Kontext der Industrieländer; auch gibt es keine offizielle Definition im internationalen Flüchtlingsrecht. Viele Versuche von Regierungen und Wissenschaftlern zu definieren, wie Integration bzw. eine integrative Gesellschaft aussehen sollte, beruhen auf der allgemeinen Vorstellung von Integration als einem individuellen und wechselseitigen Prozess.

    5.2

    „Im Mittelpunkt der Definition des UNHCR steht das Konzept der Integration als ein auf Gegenseitigkeit beruhender Prozess, nämlich der ‚Anpassung‘ der einen Seite und der ‚Aufnahme‘ durch die andere. Erforderlich ist jedoch nicht, dass Flüchtlinge ihre kulturelle Identität aufgeben; insofern unterscheidet sich Integration von Assimilation“ (1). Diese Definition entspricht der Auffassung des EWSA (2).

    5.3

    Der EWSA betont, dass die Integration mit den im Vertrag verankerten Werten und Grundsätzen, der Grundrechtecharta, der Europäischen Menschenrechtskonvention, der Agenda Europa 2020 sowie mit den beschäftigungspolitischen Maßnahmen und der Sozialagenda verknüpft werden muss. Angesichts der in einigen gesellschaftlichen und politischen Kreisen Europas herrschenden Wertekrise misst der EWSA diesem Bezugssystem wesentliche Bedeutung bei. Integration und wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt sind zwei Seiten einer Medaille (3). Die Gewährleistung menschenwürdiger Lebensbedingungen und Perspektiven für alle wird die Akzeptanz von Integrationsmaßnahmen begünstigen.

    5.4

    Die gemeinsamen Grundprinzipien für die Integration (2004) und das Mittel für ihre Umsetzung, die gemeinsame Integrationsagenda (2005), bilden die Basis für die Ausgestaltung der Politik zur Integration von Migranten in der EU. Dieses Integrationskonzept umfasst folgende Aspekte:

    einen wechselseitigen dynamischen Prozess,

    die Achtung der Werte der EU,

    Beschäftigung als entscheidenden Faktor für Integration und Partizipation,

    Kenntnisse der Sprache, Geschichte und Institutionen der Aufnahmegesellschaft als Kernelemente einer erfolgreichen Integration,

    Bildung als grundlegenden Faktor für aktive Teilhabe,

    einen mit den Bürgerinnen und Bürgern des Aufnahmelands gleichberechtigten Zugang zu Institutionen, Waren und Dienstleistungen als grundlegenden Faktor für Integration,

    Interaktion zwischen Migrantinnen und Migranten/Bürgerinnen und Bürgern,

    Schutz unterschiedlicher kultureller und religiöser Praktiken,

    Teilhabe am demokratischen Prozess,

    bereichsübergreifende Berücksichtigung von Integrationsmaßnahmen,

    klare Ziele, Indikatoren und Bewertungsverfahren zur Anpassung der Integrationspolitik.

    5.5

    Bei allen diesen Prinzipien wird zwar nicht zwischen der Integration von Migrantinnen und Migranten und der von Flüchtlingen unterschieden, doch sind sie nach Auffassung des EWSA auch grundlegend für die Integration von Flüchtlingen. Allerdings sind aufgrund der hohen Zahl von Menschen, die nach Europa kommen, zusätzliche Anstrengungen erforderlich, um Sprachausbildung, Unterkünfte und Maßnahmen zur Arbeitsmarktintegration bereitzustellen.

    5.6

    Zur Schaffung eines positiven Klimas für Flüchtlinge in den Aufnahmeländern — insbesondere angesichts eines voraussichtlich geringen Wirtschaftswachstums und einer angespannten Arbeitsmarktsituation in einigen Ländern — sollten Integrationsmaßnahmen und soziale Investitionen gleichermaßen auf Einheimische und Flüchtlinge abzielen und dabei den besonderen Bedürfnissen jeder Zielgruppe Rechnung tragen. Der EWSA hat bereits auf die Bedeutung der Verzahnung und allgemeinen Berücksichtigung sozialer Ziele im Bereich der Integration hingewiesen (4).

    5.7

    Der EWSA ist der Überzeugung, dass die Integration von Flüchtlingen unbedingt erforderlich für unsere Gesellschaften ist, wenn wir den sozialen Zusammenhalt bewahren wollen. Fehlende Integration kann zu Parallelgesellschaften führen, die die Aufnahmeländer destabilisieren könnten. Es ist deshalb in unserem eigenen Interesse, Integrationsmaßnahmen sehr frühzeitig einzuleiten. Die Medien sollten aufgefordert werden, die Bedeutung der Integration wie auch der Rolle anzuerkennen, die sie selbst bei der Schaffung eines positiven politischen und gesellschaftlichen Klimas spielen.

    5.8

    Die demografische Entwicklung in den meisten europäischen Ländern lässt einen Rückgang der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter erkennen. Damit unsere Sozialsysteme für künftige Generationen tragfähig bleiben, muss die Arbeitsmarktintegration aller Erwerbsfähigen — ungeachtet ihres Geschlechts, ihres Alters, ihrer körperlichen Fähigkeiten, ihres Glaubens, ihrer sexuellen Ausrichtung oder ihrer (ethnischen) Herkunft — zu einer Priorität werden. Investitionen in Integrationsmaßnahmen sind zwar kurz- und mittelfristig kostspielig, sollten aber als Investitionen in Menschen gesehen werden, die sich langfristig rentieren. Eine erfolgreiche Integration führt zu sozialem Zusammenhalt, wirtschaftlichem Wachstum und zur Schaffung von Arbeitsplätzen.

    5.9

    Eine entscheidende Rolle bei der Integration kommt der lokalen Ebene zu, wo die Menschen zusammenleben und ein Mangel an Integration zuerst zutage tritt. Die Gemeinden sollten Hilfestellungen und Hinweise zu gut funktionierenden Integrationsmaßnahmen erhalten, z. B. die Einladung an Flüchtlinge, in Freiwilligenorganisationen (z. B. Gewerkschaften, NRO, Feuerwehr- oder Sportvereinen) mitzuarbeiten.

    5.10

    Die Europäische Kommission bietet auf einer Internetseite zum Thema Integration (5) eine Fülle einschlägiger Informationen und Beispiele. Mittels einer Reihe von Suchkriterien (Land, Integrationsbereich, Zielgruppe usw.) können Beispiele für bewährte Methoden gefunden werden. Diese Internetseite sollte bekannter gemacht werden, um Mitgliedstaaten, lokale Gebietskörperschaften, Nichtregierungsorganisationen und Sozialpartner Ideen für Integrationsmaßnahmen zu liefern.

    5.11

    Gemäß einem Vorschlag des EWSA wurde bereits eine strukturierte Zusammenarbeit zwischen zivilgesellschaftlichen Organisationen, dem EWSA und der Europäischen Kommission im Rahmen des Europäischen Migrationsforums eingeleitet, das sich mit sämtlichen Fragen der Migration, des Asyls und der Integration auseinandersetzt. Darüber hinaus könnte es nützlich sein, das Mandat des beratenden Ausschusses für die Freizügigkeit von Personen auf die Integration von Flüchtlingen auszuweiten, da Regierungen in diesem Forum mit Sozialpartnern diskutieren und Meinungen austauschen. Dieser Ausschuss könnte zusätzliche Gelegenheiten für den Austausch bewährter Methoden bieten.

    6.   Integrationsmaßnahmen

    6.1

    Asylsuchende, die in Europa nach einer (zumeist) erschöpfenden und oft traumatisierenden Reise ankommen, brauchen zuerst einmal einen Platz, wo sie unterkommen und sich ausruhen können. Diese Zeit sollte von den Behörden genutzt werden, um sie ordnungsgemäß zu registrieren und eine erste Prüfung vorzunehmen, ob sie eine Chance haben, als Flüchtling anerkannt zu werden. In solchen Fällen sollten sehr frühzeitig Integrationsmaßnahmen eingeleitet werden. Aktuellen Untersuchungen der Weltgesundheitsorganisation zufolge brauchen Flüchtlinge, die unter posttraumatischen Belastungsstörungen leiden, eine besondere medizinische Versorgung, da es sich bei diesen Störungen häufig um ein wichtiges Integrationshindernis handelt.

    6.2

    Integration ist zumindest ohne Grundkenntnisse der Sprache des Aufnahmelands nicht denkbar. Deshalb sollte der Sprachunterricht während des Asylverfahrens so früh wie möglich beginnen. Das erfordert die Schaffung neuer Strukturen sowie ein besseres Management der Zwischenebenen, um die große Zahl der Asylsuchenden bewältigen zu können. Sprachkurse sollten auch dazu dienen, die Asylsuchenden mit den Werten (z. B. Gleichstellung von Frauen und Männern, Meinungsfreiheit, Verbot häuslicher Gewalt) und der Kultur des Aufnahmelands vertraut zu machen. Diese Kurse können auch dazu genutzt werden, Asylsuchenden grundlegende Informationen über Organisationen und Institutionen sowie Ansprechpartner, die bei Problemen helfen können, zu bieten. Asylbewerber kommen häufig aus sehr unterschiedlichen Kulturkreisen. Handlungen, die aus der Unkenntnis der Grundwerte, Rechte und Pflichten des jeweiligen Aufnahmelands resultieren, können die Integration beeinträchtigen.

    6.3

    Flüchtlingskinder sollten so schnell wie möglich gemeinsam mit den Kindern vor Ort zur Schule gehen und beim Erwerb der Landessprache unterstützt werden. Besondere Aufmerksamkeit verdienen (vor allem unbegleitete) Minderjährige, die oft traumatisiert sind. Wenn sie (aufgrund ihres Alters) nicht mehr zur Schule gehen dürfen, sind entsprechende Angebote für diese Zielgruppe erforderlich, die dazu dienen, Frustration vorzubeugen. Die Mitgliedstaaten sollten den besonderen Bedürfnissen traumatisierter Kinder und unbegleiteter Minderjähriger Rechnung tragen und ihnen sozialpädagogische Unterstützung anbieten (z. B. versucht die Stadt Wien im Rahmen bestehender Programme, unbegleitete Kinder in Pflegefamilien unterzubringen).

    6.4

    Die frühzeitige Prüfung und Klassifizierung von Zeugnissen, Kompetenzen und Qualifikationen ist für eine zügige Eingliederung in den Arbeitsmarkt von wesentlicher Bedeutung. Schon zu Beginn des Asylverfahrens sollten die beruflichen Fähigkeiten und Qualifikationen der Asylsuchenden mithilfe von Arbeitsmarktexperten ermittelt werden. Es handelt sich um unerlässliche Aspekte für eine gezielte Sprachförderung, die Initiierung eines Ausbildungskurses, die Anerkennung von Berufsqualifikationen, die Bereitstellung der erforderlichen sekundären Qualifikationen und die wirksame Vermittlung angemessener Arbeitsplätze. Die Feststellung von Qualifikationen kann jedoch ein sehr schwieriger Prozess sein. Viele Flüchtlinge haben noch nicht einmal ihre persönlichen Dokumente bei sich, geschweige denn Bescheinigungen und Zeugnisse zum Nachweis ihres Qualifikationsniveaus. Mehrere Länder (z. B. Deutschland und Österreich) entwickeln derzeit unterschiedliche Methoden zur Prüfung von Fertigkeiten und Kompetenzen. Das Cedefop könnte eine Plattform für gegenseitiges Lernen und den Austausch bewährter Verfahren in diesem Bereich bereitstellen.

    6.5

    Asylverfahren dauern oft sehr lange, was für Asylbewerber eine Situation der Unsicherheit schafft. Lange Phasen, in denen die Asylsuchenden nicht in der Lage sind, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, können psychosozialer Instabilität, einem Verlust an Selbstvertrauen und Abhängigkeitssyndromen Vorschub leisten, was wiederum die Beschäftigungschancen verringert, auch wenn die Anerkennung als Flüchtling erfolgt ist. Kinder sind noch stärker betroffen, da sie ein stabiles Umfeld benötigen. Der EWSA fordert deshalb die Mitgliedstaaten auf, Asylentscheidungen so schnell wie möglich zu treffen. Gemäß einem Bericht (6) der OECD über die Förderung der Integration von Asylbewerbern sind die Asylverfahren in Griechenland, Belgien und Dänemark am kürzesten und umfassen Sprachunterricht in Verbindung mit Erwachsenen- und Berufsbildung.

    6.6

    Mit Blick auf das voraussichtliche Wirtschaftswachstum und die Arbeitsmarktsituation können die Länder Maßnahmen ergreifen, um die Wartefrist für den Zugang zum Arbeitsmarkt zu verringern. Deutschland und Ungarn haben bereits die Wartefrist für den Zugang zum Arbeitsmarkt verringert, während Finnland, Belgien und Luxemburg erste Schritte in diese Richtung unternommen haben. Gerechte, transparente und angemessene Vorschriften über den Arbeitsmarktzugang für Asylbewerber verhindern die illegale Beschäftigung und fördern die Akzeptanz seitens der Einheimischen. Gleichzeitig sollten Menschen mit Schutzstatus auch die Perspektive erhalten, im Aufnahmeland zu bleiben, wenn sie in den Arbeitsmarkt oder die Gesellschaft des Aufnahmelands integriert sind. Asylbewerber sollten darauf hingewiesen werden, dass der Zugang zum Arbeitsmarkt davon abhängt, in welchem Land sie ihren Asylantrag gestellt haben. Einige, denen dies nicht bekannt ist, reisen in andere Mitgliedstaaten in der Hoffnung, dort Arbeit zu finden. Dies ist allerdings nicht rechtmäßig und könnte durch korrekte Informationen einfach vermieden werden.

    6.7

    Die Unterbringung spielt für die Integration eine sehr wichtige Rolle: Aufnahmezentren bieten zwar zunächst den nötigen Platz zum Ausruhen (und dies oft für einen längeren Zeitraum als eigentlich geplant), längere Aufenthalte dort erschweren aber die Integration. In Österreich wurde das Projekt „Kosmopolis“ für Privatunterkünfte ins Leben gerufen. In Neubausiedlungen sind einige Wohnungen Flüchtlingen vorbehalten, die bereits einer Beschäftigung nachgehen. Um Missverständnissen zwischen Flüchtlingen und der lokalen Bevölkerung vorzubeugen, wurde in der Nähe eine Informationsstelle eingerichtet. In Portugal hat eine Vereinbarung zwischen der Stadt Lissabon und portugiesischen Nichtregierungsorganisationen die Bereitstellung von Wohnraum für Flüchtlinge und den Zugang zu städtischen Diensten für die allgemeine und berufliche Bildung und die Eingliederung in den Arbeitsmarkt ermöglicht (7).

    6.8

    Nach einer positiven Asylentscheidung müssen die Flüchtlinge selbst eine Wohnung finden. Dieser Zeitraum erweist sich oft als äußerst schwierig, weil nun die anfängliche staatliche Unterstützung endet und die Flüchtlinge auf die gleiche Weise einen Arbeitsplatz finden müssen wie die Bürger des Aufnahmelands.

    6.9

    In diesem Zusammenhang spielen öffentliche Arbeitsverwaltungen eine besondere Rolle. Sie sollten in erster Linie ihre Aufgabe, für eine dauerhafte Beschäftigung zu sorgen, aktiv erfüllen. Sie müssen aber auch entscheiden, welche Zusatzqualifikationen Flüchtlinge benötigen dürften, um auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich zu sein. Es ist zu betonen und zu berücksichtigen, dass selbst nach vier Jahren Aufenthalt nur 25 % der Flüchtlinge Arbeit haben, und bis zum zehnten Jahr sind es nur rund die Hälfte (8). Mit jedem einzelnen Flüchtling könnte ein individueller Integrationsvertrag geschlossen werden, der die zu ergreifenden Maßnahmen umfasst (zusätzliche Ausbildung, Zahl der Bewerbungen usw.). Ziel wäre die vollständige Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Der EWSA betont, dass Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt genauso behandelt werden müssen wie Einheimische, um unfairen Wettbewerb sowie Sozial- und Lohndumping zu vermeiden. Wenn ein Flüchtling zunächst keine Möglichkeit hat, innerhalb angemessener Zeit einen Arbeitsplatz zu finden, könnte die Ausübung einer gemeinnützigen Tätigkeit eine gute Alternative sein. Damit könnten der Spracherwerb und die gesellschaftliche Integration von Flüchtlingen unterstützt werden.

    6.10

    Ein gutes Beispiel ist Deutschland, wo kürzlich beschlossen wurde, einen speziellen Personalausweis an Asylbewerber auszugeben. Nach der Erstregistrierung ist der Ausweis das wesentliche und verpflichtende Dokument zur Identifizierung, das mit einer zentralen Datenbank verknüpft ist, die Informationen über Bildungsgrad und Berufserfahrung der betreffenden Personen umfasst.

    6.11

    Unter den Flüchtlingen sowie der einheimischen Bevölkerung gibt es Menschen mit unternehmerischen Interessen und Kompetenzen. Sie sollten Informationen und Ratschläge zu der Frage erhalten, wie man ein Unternehmen gründet und Unternehmer wird.

    6.12

    In Deutschland und der Slowakei wird gegenwärtig darüber diskutiert, wie hochqualifizierte Flüchtlinge in Berufen, in denen ein Arbeitskräftemangel herrscht, im Schnellverfahren Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten könnten.

    6.13

    Flüchtlinge benötigen Informationen über den Arbeitsmarkt im Allgemeinen, Berufsausbildungsangebote und freie Stellen. Viele Flüchtlinge sind im klassischen Ausbildungsalter (zwischen 16 und 25 Jahren). Deshalb sind grundlegende Informationen und Vorbereitungskurse für verschiedene Berufe notwendig, bevor die eigentliche Ausbildung beginnen kann. In Deutschland haben die Industrie- und Handelskammern Initiativen zur Stellenvermittlung ergriffen, z. B. Bewerbungsgespräche im Stil von „Speed-Datings“. Die deutschen IHK unterstützen Unternehmen bei der Qualifizierung und Ausbildung von Flüchtlingen im Rahmen von Ausbildungspakten. Sie versuchen auch, freiwillige Unterstützer zu finden, die sich um Flüchtlinge und Unternehmen kümmern und beide Seiten beraten. Außerdem helfen die IHK Flüchtlingen bei der Unternehmensgründung.

    6.14

    In Österreich ist ein Projekt angelaufen, das zum Ziel hat, mit Hilfe öffentlicher Arbeitsverwaltungen und Betreuer jungen Flüchtlingen offene Lehrstellen zuzuweisen. Der Unterzeichnung eines formellen Lehrvertrags kann ein Praktikum vorausgehen. Darüber hinaus haben die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) das Projekt „Diversität als Chance“ ins Leben gerufen und 50 zwischen 15 und 17 Jahre alten unbegleiteten Flüchtlingen Lehrstellen angeboten.

    6.15

    Zur Erleichterung der Integration hochqualifizierter Migrantinnen und Migranten hat die Wirtschaftskammer Österreich das Programm „Mentoring für MigrantInnen“ entwickelt, das auf hochqualifizierte Flüchtlinge ausgeweitet wurde. Mentoren sind Personen, die in den österreichischen Arbeitsmarkt gut integriert sind und Migranten während der Arbeitssuche durch Informationen oder gar den Zugang zu eigenen beruflichen Kontakten unterstützen. Dieses Programm trägt auch dazu bei, kulturellen Missverständnissen vorzubeugen.

    6.16

    In einigen Mitgliedstaaten kümmern sich „Refugee Buddies“ um Flüchtlinge. Sie engagieren sich ehrenamtlich in unterschiedlichen Organisationen und kommen regelmäßig mit einem bestimmten Flüchtling zusammen, um eine persönliche Beziehung aufzubauen. Dies ist umso wichtiger, als eine Vielzahl von Flüchtlingen unbegleitete Minderjährige sind, die ihre Familien zurückgelassen haben. Diese ehrenamtlichen Betreuer haben auch die Aufgabe, das Bild, das die Öffentlichkeit in ihrem Heimatland von Flüchtlingen hat, zu verbessern.

    6.17

    Organisationen der Sozialpartner haben in einigen Mitgliedstaaten (z. B. Spanien, Frankreich, Deutschland, der Tschechischen Republik und Österreich) ihre Regierungen aufgefordert, sich wirksamer für die Integration von Flüchtlingen einzusetzen. In Spanien wurde in den jährlichen Beschäftigungsplan eine zusätzliche Maßnahme speziell zur Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen aufgenommen.

    6.18

    In Dänemark wird ein „Treppenmodell“ für die Eingliederung von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt genutzt: Auf der ersten Stufe (4-8 Wochen) werden die Kompetenzen eines Flüchtlings bestimmt und Dänischkenntnisse vermittelt. Auf der zweiten Stufe (26-52 Wochen) wird der/die Auszubildende in einem Unternehmen untergebracht (ohne Kosten für den Arbeitgeber) und erhält zusätzlichen Dänischunterricht. Danach sind die Flüchtlinge bereit, eine Arbeit auszuüben, für die ein Lohnzuschuss gewährt wird. Eine wirksame Umsetzung solcher Modelle sollte zur Schaffung zusätzlicher Beschäftigungsmöglichkeiten beitragen und die Verdrängung einheimischer Arbeitnehmer („Drehtüreffekt“) verhindern.

    6.19

    Zur Gewährleistung eines fairen Wettbewerbs müssen die Arbeitsbedingungen (u. a. die Löhne) ungeachtet der Nationalität oder des Status eines Arbeitnehmers („Lex loci laboris“) voll und ganz geachtet werden. Um dies zu erreichen, müssen die Mitgliedstaaten für wirksame Maßnahmen, Mechanismen und Verwaltungskapazitäten sorgen. Gewerkschaften unterstützen Flüchtlinge oder Arbeitsmigranten ohne Papiere bei der Wahrnehmung ihrer Rechte („École des solidarités“ in Belgien, „UNDOK“ in Österreich).

    7.   Finanzierung der Integration von Flüchtlingen

    7.1

    Der EWSA weist darauf hin, dass jede Maßnahme angemessen finanziell ausgestattet sein muss, um eine nachhaltig positive Wirkung in unseren Gesellschaften zu entfalten. Zum nachhaltigen Gelingen der Integration von Flüchtlingen sind im Rahmen des Juncker-Plans und darüber hinaus verstärkte Anstrengungen bei Investitionen zur Förderung des Wirtschaftswachstums und der Beschäftigung erforderlich. Zusätzliche Investitionen in Integrationsmaßnahmen und soziale Investitionen sollten Einheimischen und Flüchtlingen gleichermaßen zugutekommen und dabei den besonderen Bedürfnissen jeder Zielgruppe Rechnung tragen. Der EWSA hat festgestellt, dass sich eine Finanztransaktionssteuer positiv auf die öffentlichen Finanzen auswirken kann, indem sie einen gerechteren Beitrag des Finanzsektors gewährleistet. Wegen der außergewöhnlichen Umstände und im Einklang mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt sollten die zusätzlichen Kosten für die Aufnahme von Flüchtlingen nach eingehender Prüfung nicht in die Berechnung der öffentlichen Defizite der Mitgliedstaaten einfließen (9).

    7.2

    Die Mitgliedstaaten der Erstaufnahme, z. B. Italien, Malta, Spanien und Griechenland, sollten eine unmittelbare finanzielle Unterstützung für jeden Flüchtling oder Migranten erhalten, damit sie die Asylanträge ordnungsgemäß und zügig bearbeiten oder aber Vorkehrungen für die Rückführung treffen können, falls die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl nicht erfüllt sind. Mitgliedstaaten, die die Aufgabe übernehmen, mehr Flüchtlinge gesellschaftlich zu integrieren als vom Subsidiaritätsprinzip her erforderlich ist, sollten auf die finanzielle Unterstützung durch die EU zählen können.

    7.3

    Die Mittel aus dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) sollten aufgestockt werden, um eine bessere Beteiligung der Mitgliedstaaten bei der Finanzierung der Integration von Flüchtlingen zu erreichen, insbesondere im Falle von Programmen, die von lokalen Gebietskörperschaften und Nichtregierungsorganisationen durchgeführt werden. Der Europäische Sozialfonds sollte ggf. zusätzliche Mittel bereitstellen, um die soziale Integration von Flüchtlingen, die Gleichstellung von Frauen, die Unterstützung von Unternehmen und die Eingliederung von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt zu erleichtern, was den Dialog und die Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern erfordert. Darüber hinaus sollten aus dem Fonds für regionale Entwicklung zusätzliche Ressourcen für die städtischen Gebiete bereitgestellt werden, die Maßnahmen zur Aufnahme und Integration von Flüchtlingen umsetzen.

    7.4

    In Zusammenarbeit mit dem UNHCR und der Internationalen Organisation für Migration sollte untersucht werden, inwieweit eine internationale Kooperation bei der Finanzierung der Integration von Flüchtlingen möglich ist.

    Brüssel, den 27. April 2016.

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Georges DASSIS


    (1)  A new beginning — Refugee integration in Europe (2013) („Ein neuer Anfang — Integration von Flüchtlingen in Europa“ — Anm. d. Übers. Text liegt nicht auf Deutsch vor; eigene Übersetzung).

    (2)  ABl. C 181 vom 21.6.2012, S. 131 und ABl. C 347 vom 18.12.2010, S. 19.

    (3)  Informationsbericht zum Thema Die neuen Herausforderungen auf dem Gebiet der Integration, Berichterstatter: Luis Miguel PARIZA CASTAÑOS.

    (4)  ABl. C 347 vom 18.12.2010, S. 19.

    (5)  https://ec.europa.eu/migrant-integration/home.

    (6)  Making Integration Work, 28.1.2016, OECD.

    (7)  Approaches towards the labour market integration of refugees in the EU, 7.1.2016, EurWORK.

    (8)  Siehe Fußnote 6.

    (9)  Erklärung des EWSA zu Flüchtlingen.


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