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Document 52022DC0138

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN EUROPÄISCHEN RAT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN Versorgungssicherheit und erschwingliche Energiepreise: Optionen für Sofortmaßnahmen und zur Vorbereitung auf den nächsten Winter

COM/2022/138 final

Brüssel, den 23.3.2022

COM(2022) 138 final

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN EUROPÄISCHEN RAT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

Versorgungssicherheit und erschwingliche Energiepreise:
Optionen für Sofortmaßnahmen und zur Vorbereitung auf den nächsten Winter


EINLEITUNG

Die Endverbraucherpreise für Erdgas und Strom sind in den vergangenen 12 Monaten um 65 bzw. 30 % gestiegen. Die russische Invasion der Ukraine verschärft diese schwierige Situation noch durch Versorgungsengpässe und hat die Preisvolatilität verstärkt. Hohe Energiepreise treiben die Inflation in die Höhe, schaden der europäischen Wirtschaft und verlangsamen die Erholung von der COVID-19-Krise.

Als Teil der Reaktion auf diese außergewöhnliche Situation hat die Europäische Kommission im Oktober 2021 eine „Toolbox“ mit Gegenmaßnahmen und Hilfeleistungen 1 zur Abmilderung der Auswirkungen auf die Verbraucher und Unternehmen auf Ebene der EU und der Mitgliedstaaten angenommen. Gezielte Unterstützungsmaßnahmen zur Senkung der Energiekosten für die Verbraucher, Haushalte und Industrie haben dazu beigetragen, den Druck zu mindern.

Am 8. März 2022 hat die Kommission den Mitgliedstaaten mit ihrer Mitteilung „REPowerEU: gemeinsames europäisches Vorgehen für erschwinglichere, sichere und nachhaltige Energie“ 2 weitere Leitlinien für die Abmilderung des Anstiegs der Strompreise für die Haushalte und Unternehmen sowie für die Nutzung der von einigen Stromerzeugern erwirtschafteten hohen Gewinne für die Finanzierung dieser Maßnahmen an die Hand gegeben. Um ein nachhaltigeres Energiesystem sicherzustellen, wird die Kommission im Mai einen Plan vorschlagen, um die Abhängigkeit Europas von fossilen Brennstoffen aus Russland zu beenden und gleichzeitig die Widerstandsfähigkeit des EU-weiten Energiesystems zu erhöhen.

Die Führungsspitzen der EU sind bei ihrer informellen Tagung in Versailles (10./11. März 2022) übereingekommen 3 , die Abhängigkeit der EU von Gas-, Öl- und Kohleeinfuhren aus Russland so bald wie möglich zu beenden. Sie haben die Kommission ersucht, bis Ende März einen Plan zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit und erschwinglicher Energiepreise in der nächsten Wintersaison vorzulegen. Parallel dazu haben sie angekündigt, sich auf der Grundlage der Mitteilung der Kommission vom 8. März 2022 vordringlich mit den Folgen der gestiegenen Energiepreise für unsere Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen, insbesondere für finanziell schwächere Bevölkerungsgruppen und KMU, zu befassen und über konkrete Optionen für die Bewältigung dieser Folgen zu beraten, auch auf der nächsten Tagung des Europäischen Rates am 24./25. März 2022.

Mit dieser Mitteilung wird der Forderung der EU-Führungsspitzen nachgekommen. In ihr werden die Vor- und Nachteile konkreter kurzfristiger Sondermaßnahmen (Optionen) zur Abfederung von Preisspitzen dargelegt. Außerdem werden gemeinsame europäische Maßnahmen zur Beseitigung der Ursachen des Problems auf dem Gasmarkt vorgeschlagen, um die Versorgungssicherheit bei angemessenen Preisen für den nächsten Winter und darüber hinaus zu gewährleisten. Zu diesem Zweck könnten EU-Partnerschaften mit Drittländern für den gemeinsamen Erwerb von Gas und Wasserstoff geknüpft werden. Ferner wird ein Vorschlag für eine europäische Gasspeicherpolitik vorgestellt, durch den die Resilienz des EU-weiten Energiesystems verbessert werden soll.

OPTIONEN FÜR EIN VORGEHEN ZUR BEGRENZUNG DER AUSWIRKUNGEN HOHER STROMPREISE AUF DIE BEVÖLKERUNG UND DIE UNTERNEHMEN

Von den Mitgliedstaaten, den Interessengruppen und den akademischen Kreisen sind mehrere Optionen für Sofortmaßnahmen zur Begrenzung der Auswirkungen der hohen Strompreise vorgeschlagen worden. Ziel dieser Maßnahmen ist es, die Endverbraucher zu entlasten, ohne Abstriche in Bezug auf den längerfristig ausgelegten, übergreifenden europäischen Grünen Deal (beispielsweise bei der Dekarbonisierung und der Energieeffizienz) zu machen. Um erfolgreich zu sein, müssen diese zeitlich befristeten, gezielten Sondermaßnahmen für die öffentlichen Haushalte finanzierbar sein, und sie dürfen weder die Versorgungssicherheit noch die Ausgewogenheit der Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt beeinträchtigen.

Die kurzfristigen Optionen in Bezug auf den Strompreis lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen: 

Eingriffe mit finanziellem Ausgleich

Diese Optionen zielen auf die Senkung der Strompreise ab, sei es direkt auf der Endverbraucherseite oder indirekt auf dem Großhandelsmarkt.

Endverbraucherseite

Diese Optionen zielen darauf ab, die Auswirkungen der hohen Preise auf die Endverbraucher abzufedern und die Preisfestlegung auf Großhandelsebene weiterhin den europäischen Strom- und Gasmärkten zu überlassen. In Übereinstimmung mit der „Toolbox“ der Kommission vom vergangenen Oktober 4 haben bereits 26 Mitgliedstaaten Krisenmaßnahmen dieser Art ergriffen.

Die im Rahmen dieser Maßnahmen geleistete direkte Unterstützung für finanziell schwächere Endverbraucher zielt auf Haushalte ab, die diese Hilfe am dringendsten benötigen. Unternehmen, die mit überhöhten Energiepreisen zu kämpfen haben, können Hilfe in Form staatlicher Beihilfen erhalten. Grundlage hierfür ist der neue befristete Krisenrahmen für staatliche Beihilfen 5 , der am 22. März angenommen wurde und Unterstützungsmöglichkeiten für direkt oder indirekt betroffene Unternehmen in Form von begrenzten direkten Zuschüssen, Liquiditätshilfe oder Unterstützung bei gestiegenen Gas- und Stromkosten vorsieht.

Die Mehrheit der Mitgliedstaaten hat ermäßigte Mehrwertsteuersätze für Gas, Strom und/oder Fernwärme eingeführt. Allerdings werden viele Möglichkeiten, wie sie insbesondere im Rahmen der Energiebesteuerungsrichtlinie 6 bestehen (beispielsweise Steuerermäßigungen oder -befreiungen für Privathaushalte), noch nicht voll ausgeschöpft. 

Die Kommission zieht in Erwägung, den Mitgliedstaaten Orientierungshilfen für die bestmögliche Nutzung des Rechtsrahmens (einschließlich der gezielten länderspezifischen Ausnahmeregelungen im Rahmen der Energiebesteuerungsrichtlinie 7 ) an die Hand zu geben, um Verzerrungen im Binnenmarkt zu vermeiden. 

Sämtliche Optionen auf der Endverbraucherseite können direkte Entlastungen für die Bevölkerung und die Unternehmen bewirken. Die höheren Einnahmen aus den Energiesteuern und der Bepreisung von CO2-Emissionen oder aus ungewöhnlichen Gewinnen einiger Energieunternehmen 8 können zur Finanzierung derartiger gezielter und befristeter Maßnahmen zur Unterstützung finanziell schwächerer Haushalte und Unternehmen beitragen.

Großhandel

Die Mitgliedstaaten können die Einrichtung eines Aggregatormodells in Erwägung ziehen, bei dem ein Unternehmen Strom zu günstigen Bedingungen einkauft und ihn bestimmten Verbraucherkategorien unter dem Marktpreis zur Verfügung stellt, indem es seinen Preisvorteil an die Verbraucher weitergibt und so im Wesentlichen die Differenz zwischen den Einzelhandelspreisen und den Großhandelspreisen subventioniert.

Andere Optionen würden ein direktes Eingreifen in die Funktionsweise der Stromgroßhandelsmärkte beinhalten. Diese bestehen entweder darin, dass die Erzeuger von auf fossilen Brennstoffen basierendem Strom für einen Teil ihrer außerordentlich hohen Brennstoffkosten finanziell entschädigt werden, damit sie ihren Angebotspreis auf dem Großhandelsmarkt senken können, oder darin, dass der Strompreis auf dem Großhandelsmarkt durch die Festlegung eines Referenzwerts direkt gedeckelt und jeweils die Differenz zum Angebotspreis ausgeglichen wird.

Diese Optionen würden darauf abzielen, die negativen Auswirkungen sehr hoher Gaspreise auf den Stromgroßhandelsmarkt zu verringern. Ihre Hauptnachteile sind die hohen Kosten für die Staatshaushalte, die möglichen Wettbewerbsverzerrungen sowie die Risiken für den grenzübergreifenden Handel und somit für die Sicherheit der Stromversorgung, deren genaues Ausmaß mithin von der Ausgestaltung dieser Optionen abhängt.

Mögliche Regulierungsmaßnahmen ohne finanziellen Ausgleich

Diese Optionen bestehen in der regulatorischen Deckelung des Höchstpreises, den bestimmte Grundlasterzeuger verlangen können. Diese Möglichkeit würde langfristig zu geringeren Kosten führen und hätte auf kurze Sicht den zusätzlichen Nutzen, dass gegen die übermäßigen Gewinne bei bestimmten Technologien vorgegangen würde.

Die Hauptnachteile dieser Optionen sind die mit ihrer Umsetzung verbundenen Herausforderungen, denn sie würden den Zugang zu Informationen über Kosten und Einnahmen der Erzeuger erforderlich machen, welche öffentlichen Stellen möglicherweise nicht zugänglich sind, und unter Umständen rechtliche Fragen aufwerfen. Zudem würde Rechtsunsicherheit entstehen, da durch diese Optionen bestimmte Anreize für private Investitionen in erneuerbare Energien wegfallen könnten, die für die Erreichung unseres langfristigen Ziels eines widerstandsfähigen, nachhaltigen und sicheren Energiesystems von zentraler Bedeutung sind.

Sämtliche Optionen werden im Anhang näher erläutert und analysiert. 

Aufgrund dieser Bewertung ist die Kommission der Auffassung, dass es angesichts der unterschiedlichen Gegebenheiten in den einzelnen Mitgliedstaaten keine einfache Antwort auf die hohen Strompreise gibt. Einige Optionen sind nur für bestimmte nationale Kontexte geeignet. Zudem würden einige Maßnahmen eine EU-Gesetzgebung und/oder einen gemeinsamen Ansatz auf EU-Ebene erforderlich machen, damit sie wirksam sein und weder den Binnenmarkt noch die Versorgungssicherheit beeinträchtigen können. Alle diese Maßnahmen wären mit Kosten und mit Nachteilen (unter anderem für das Funktionieren des Binnenmarkts) verbunden.

SICHERUNG DER GASVERSORGUNG FÜR DEN NÄCHSTEN WINTER UND DARÜBER HINAUS ZU VERTRETBAREN KOSTEN

Mit vielen der in der öffentlichen Debatte vorgeschlagenen Optionen werden die Symptome angegangen, die wahre Ursache für die derzeit hohen Strompreise ist jedoch der Gasmarkt. Der Strompreis wird durch den hohen Gaspreis nach oben getrieben, da aus Gas erzeugter Strom von den Anbietern häufig als letzter auf den Strommarkt gebracht wird, um die tatsächliche Nachfrage zu decken. Die Volatilität auf dem Erdgas-Spotmarkt ist hoch und hängt nicht ausschließlich mit den Fundamentalfaktoren zusammen.

Die Deckelung oder Modulation des Gaspreises mit regulatorischen Mitteln ist eine Option, die in Betracht gezogen werden könnte, da sie sich unmittelbar auf das Preisniveau auswirken würde. Dies kann ein wichtiges Signal dafür sein, dass die EU nicht jeden Preis für Gas zahlen wird, doch sollte ein solcher Eingriff nur als letztes Mittel ins Auge gefasst werden, da er einige Nachteile im Hinblick auf die Sicherheit der Gasversorgung mit sich bringt.

Da zu dieser Jahreszeit die Wiederauffüllung der Gasspeicher beginnt, ist es dringend erforderlich, sich auf eine gemeinsame Strategie zu einigen. Angesichts der derzeit hohen Preise und der angespannten Gasmärkte ist die Auffüllung der Speicher für den nächsten Winter schwieriger als in normalen Jahren. Die Nutzung der kollektiven Einflussmöglichkeiten der Union zur Sicherung von Gaseinfuhren unter bestmöglichen Bedingungen ist unerlässlich, um zu vermeiden, dass Mitgliedstaaten um dieselben Lieferungen konkurrieren.

Die EU ist stärker, wenn sie gemeinschaftlich handelt. Die EU sollte gemeinschaftlich handeln und ihre Marktmacht bei der Aushandlung von Partnerschaften mit Lieferanten nutzen.

Die Kommission ist bereit, eine Taskforce für gemeinsame Gaskäufe auf EU-Ebene einzurichten. Durch Bündelung der Nachfrage würde die Taskforce die internationalen Kontakte der EU zu den Lieferanten von Flüssigerdgas (LNG) und Erdgas erleichtern und stärken, um vor dem nächsten Winter die Einfuhr von LNG und Gas zu günstigen Preisen zu sichern. Die EU kann kurzfristig besser für LNG, Gas und Wasserstoff aus Drittländern zu erschwinglichen Preisen sorgen, wenn sie mit diesen Ländern langfristig zusammenarbeitet und langfristige verlängerbare Gaspartnerschaften aufbaut, die auch die Grundlage für künftige Wasserstoffeinfuhren bilden würden.

Auf diese Weise wird die Taskforce den Boden für Energiepartnerschaften mit den wichtigsten Lieferanten von LNG, Gas und Wasserstoff im Mittelmeerraum, mit unseren Partnern in Afrika, aber auch im Nahen Osten und den USA vorbereiten.

Die Taskforce würde von Vertretern der Mitgliedstaaten in einem Lenkungsausschuss unterstützt. Ein von der Kommission geleitetes gemeinsames Verhandlungsteam würde Gespräche mit den Gaslieferanten führen. Es würde sich an den Erfahrungen aus der COVID-19-Pandemie orientieren, in der EU-weites Handeln von entscheidender Bedeutung war, um eine ausreichende Versorgung mit Impfstoffen für alle zu gewährleisten.

Die Taskforce würde auch die effiziente Nutzung der Gasinfrastruktur der EU fördern, insbesondere der LNG-Terminals, aber auch der Speicheranlagen und Pipelines.

Eine ausreichende Füllung der Gasspeicher wird den europäischen Kunden eine gewisse Stabilität und damit einen gewissen Schutz vor der Gefahr von Versorgungsengpässen und möglichen Unterbrechungen bieten. Deshalb schlägt die Kommission eine gemeinsame und strategische europäische Gasspeicherpolitik vor, die durch koordiniertes gemeinsames Handeln und eine Lastenteilung zwischen den 27 EU-Mitgliedstaaten umgesetzt wird. In den nächsten Monaten wird die Taskforce in enger Zusammenarbeit mit der Koordinierungsgruppe „Erdgas“ dabei helfen, die Auffüllung der Speicher vor dem Winter zu fördern.

Gemeinsame Anstrengungen sind notwendig, um die Nutzung der bestehenden Speicherinfrastruktur zu optimieren. Mit Lagerhaltungsmaßnahmen, die nicht jeder für sich, sondern alle gemeinsam treffen, werden Überinvestitionen vermieden, da Gas eine Energiequelle für den Übergang ist und jede neue Infrastruktur längerfristig für sauberere Energiequellen, insbesondere für Wasserstoff, nutzbar sein sollte.

Um einen ausreichend hohen Füllstand zu gewährleisten, hat die Kommission einen Legislativvorschlag zur Energiespeicherung vorgelegt, mit dem sichergestellt werden soll, dass die vorhandene Speicherinfrastruktur bis zum 1. November jedes Jahres zu mindestens 90 % ihrer Kapazität gefüllt wird; dieses Ziel kann im Laufe der Zeit angepasst werden, wenn sich die wirtschaftlichen und geopolitischen Gegebenheiten sowie die Energieversorgungssicherheit ändern. Angesichts der besonderen Situation im laufenden Jahr sind ein niedrigeres Ziel von 80 % und ein flexibler Weg zur Gewährleistung einer reibungslosen schrittweisen Einführung vorgesehen. Die Mitgliedstaaten sollten bereits vor Annahme des Legislativvorschlags tätig werden, um eine angemessene Auffüllung der Speicher für den nächsten Winter sicherzustellen.

Solidarität ist von grundlegender Bedeutung. Die gemeinsame Speicherung von Gas ist eine Absicherung, die jedem nutzt und zu der jeder einen angemessenen Beitrag leisten sollte. Deshalb sollten Mitgliedstaaten, die über keine eigenen Speicher verfügen, zur Auffüllung der Speicher in anderen Mitgliedstaaten beitragen und im Gegenzug von einer höheren Versorgungssicherheit profitieren. Der in dem Vorschlag verankerte Lastenteilungsmechanismus gewährleistet eine gerechte Aufteilung der Kosten für die Versorgungssicherheit auf alle Mitgliedstaaten, da sie dank des EU-Energiemarkts alle von der Verringerung der Gefahr einer Versorgungsunterbrechung profitieren, und zwar unabhängig davon, wo in der EU sich die Speicher befinden. Dieser Mechanismus baut auf den Solidaritätsvereinbarungen auf, die unverzüglich geschlossen werden sollten, damit – wie im Dezember 2021 vorgeschlagen 9 – das Gas im Notfall wirksam geteilt werden kann. Ebenso wichtig sind Transparenz und die Überwachung der Fortschritte bei der Erreichung des angestrebten Füllstands. Die Koordinierungsgruppe „Erdgas“ wird die Fortschritte im Hinblick auf das Auffüllziel überwachen und erforderlichenfalls geeignete Maßnahmen prüfen, mit denen die Auffüllung der Speicher verstetigt werden kann.

Da die Gasspeicherinfrastruktur für die Sicherheit der EU von entscheidender Bedeutung ist, wird die Zertifizierung der Speicherbetreiber unter dem Gesichtspunkt der Versorgungssicherheit den notwendigen Schutz vor Risiken bieten, die damit verbunden sind, dass bestimmte Gasspeicher im Eigentum von Betreibern aus Drittländern stehen.

SCHLUSSFOLGERUNGEN

Die in diesem Papier vorgestellten Optionen für den Umgang mit den Folgen der gestiegenen Energiepreise für unsere Bürgerinnen und Bürger und unsere Unternehmen umfassen befristete Sofortmaßnahmen zur Begrenzung des Anstiegs der Energiepreise, die weder die langfristigen Ziele des Grünen Deals noch das Funktionieren des Binnenmarkts gefährden dürfen. Keine dieser Optionen bietet eine Patentlösung, jede hat ihre Vor- und Nachteile.

Es ist dringend erforderlich, den Anstieg der Energiepreise einzudämmen und eine angemessene Gasversorgung für den nächsten Winter und darüber hinaus sicherzustellen. Die beste Option besteht darin, als EU-27 nach einem koordinierten Konzept zusammenzuarbeiten, um Kosten zu sparen und die sich aus unserer gemeinsamen Stärke ergebenden Einflussmöglichkeiten zu nutzen.

Mittelfristig sind mehr strukturelle Lösungen erforderlich, darunter Verbindungsleitungen zur vollständigen Integration des Energiemarkts, sehr viel mehr erneuerbare Energien, Energieeffizienzmaßnahmen und die Diversifizierung der Energieversorgung, um Abhängigkeiten zu vermeiden. Der REPowerEU-Plan wird die Einführung von Maßnahmen in all diesen Bereichen beschleunigen. Die Kommission wird ihren detaillierten REPowerEU-Plan im Mai vorlegen. In diesem Zusammenhang ist die Kommission auch bereit, einen unionsweiten Plan für Energieeinsparungen vorzuschlagen.

Im Zusammenhang mit der Einführung von REPowerEU muss der EU-Regulierungsrahmen im Einklang mit den ehrgeizigen Dekarbonisierungszielen der EU an einen wesentlich höheren Anteil erneuerbarer Energien am Energiemix angepasst werden. Die Kommission wird bis Mai Optionen zur Optimierung der Gestaltung des Strommarkts prüfen. Dabei werden die abschließende Bewertung der Vor- und Nachteile der Gestaltung des EU-Strommarkts durch die Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) und weitere Beiträge zum Funktionieren des Strommarkts 10 Berücksichtigung finden.

Im Laufe der Zeit werden die Beschleunigung der Nutzung erneuerbarer Energiequellen und die Förderung eines effizienteren Energieverbrauchs zusammen mit einer europäischen Speicherpolitik und einer Diversifizierung der Versorgung durch eine besser koordinierte Zusammenarbeit mit zuverlässigen Lieferanten strukturelle Lösungen bieten, die den Zugang zu erschwinglicher Energie gewährleisten.

Mit den in diesem Papier umrissenen Optionen und Vorschlägen werden alle Mitgliedstaaten aufgefordert, sich auf die größten Stärken Europas zu stützen: Einigkeit und Solidarität.

Die Entscheidungsträger werden ersucht, auf der Tagung des Europäischen Rates im März 2022 Orientierungshilfe für die weitere Arbeit auf Kommissions- und Gesetzgebungsebene zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit und erschwinglicher Energiepreise jetzt, für den nächsten Winter und darüber hinaus zu geben.

(1)

Mitteilung „Steigende Energiepreise – eine ‚Toolbox‘ mit Gegenmaßnahmen und Hilfeleistungen“ (COM(2021) 660 final vom 13.10.2021).

(2)

Mitteilung „REPowerEU: gemeinsames europäisches Vorgehen für erschwinglichere, sichere und nachhaltige Energie“ (COM(2022) 108 final vom 8.3.2022).

(3)

Erklärung von Versailles  

(4)

     COM(2021) 660 final vom 13.10.2021.

(5)

Mitteilung „Befristeter Krisenrahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft infolge der Aggression Russlands gegen die Ukraine“ (C(2022)1890 final vom 23.3.2022).

(6)

Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (ABl. L 283 vom 31.10.2003, S. 51).

(7)

Gemäß Artikel 19 Absatz 1 der Richtlinie.

(8)

Einige (inframarginale) Stromerzeuger erzielen derzeit übermäßige Gewinne aus den sehr hohen Strompreisen. Gemäß den Leitlinien, die die Kommission am 8. März vorgestellt hat, können diese übermäßigen Einnahmen vorübergehend besteuert oder zurückgefordert werden (siehe COM(2022) 108 final vom 8.3.2022).

(9)

   Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Binnenmärkte für erneuerbare Gase und Erdgas sowie für Wasserstoff (Neufassung) (COM(2021) 804 final vom 15.12.2021).

(10)

   Einige Elemente der ins Auge gefassten Optionen für kurzfristige Maßnahmen, etwa die Beschaffung neuer Kapazitäten im Wege wechselseitiger Differenzverträge oder die Verwendung des Aggregatormodells, könnten dazu beitragen, den Weg für künftige Änderungen an der langfristigen Gestaltung des europäischen Marktes zu ebnen, die Verbraucherinnen und Verbraucher in Zukunft vor großen Preisschwankungen zu schützen und die Widerstandsfähigkeit des europäischen Energiemarkts zu erhöhen.

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Brüssel, den 23.3.2022

COM(2022) 138 final

ANHANG

der

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN EUROPÄISCHEN RAT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

Versorgungssicherheit und erschwingliche Energiepreise:
Optionen für Sofortmaßnahmen und zur Vorbereitung auf den nächsten Winter





ANHANG

Überblick über die Optionen

Von den Mitgliedstaaten, den Interessengruppen und den akademischen Kreisen sind mehrere Optionen für Sofortmaßnahmen zur Begrenzung der Auswirkungen der hohen Strompreise vorgeschlagen worden. Ziel dieser Maßnahmen ist es, die Endverbraucher zu entlasten, ohne Abstriche in Bezug auf den längerfristig ausgelegten, übergreifenden europäischen Grünen Deal (beispielsweise bei der Dekarbonisierung und der Energieeffizienz) zu machen. Um erfolgreich zu sein, müssen diese zeitlich befristeten, gezielten Sondermaßnahmen für die öffentlichen Haushalte finanzierbar sein, und sie dürfen weder die Versorgungssicherheit noch die Ausgewogenheit der Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt beeinträchtigen. In welchem Ausmaß sich aufgeführten Vor- und Nachteile tatsächlich materialisieren, hängt von der Ausgestaltung dieser Optionen ab. I – Eingriffe in den Strommarkt mit finanziellen Entschädigungen für Verbraucher

A.Eingriff auf der Endverbraucherebene: direkte Unterstützung der Verbraucher durch Gutscheine, Steuervergünstigungen oder ein „Aggregatormodell“

In der REPowerEU-Mitteilung wird ein neuer befristeter Rahmen für staatliche Beihilfen angekündigt. Dieser Rahmen soll begrenzte direkte Zuschüsse und Liquiditätshilfen für alle Unternehmen ermöglichen, die direkt oder indirekt vom russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine oder von Sanktionen oder Gegenmaßnahmen betroffen sind, sowie Beihilfen für Unternehmen, insbesondere solche mit hohem Energieverbrauch, zum Ausgleich eines Teils ihrer Energiekosten. In der Mitteilung wird auch klargestellt, dass es den Mitgliedstaaten unter den derzeitigen Umständen erlaubt ist, die Endkundenpreise für alle Haushalte und Kleinstunternehmen zu regulieren.

Eine weitere Möglichkeit zum Schutz von – insbesondere armen und schutzbedürftigen – Haushaltskunden (aber auch von Unternehmen), bestünde darin, dass die Mitgliedstaaten ein „Aggregatormodell“ verwenden, bei dem eine staatlich kontrollierte juristische Person Strom auf dem Markt kauft und diesen – direkt oder über die Versorger – bestimmten Verbrauchergruppen zu Preisen zur Verfügung stellt, die unter den aktuellen Marktpreisen liegen, beispielsweise auf der Grundlage eines Basispreises. Jede Ausweitung dieses Vorgehens, die über das hinausgeht, was in Artikel 5 der Elektrizitätsrichtlinie und den Beihilfevorschriften vorgesehen ist, sollte sorgfältig geprüft werden, um Verzerrungen im Binnenmarkt zu vermeiden.

Die meisten dieser Maßnahmen könnten auf nationaler Ebene ergriffen werden.

Vorteile

Da diese Optionen direkt auf die Verbraucher ausgerichtet sind, sind sie besonders wirksam, um die Endverbraucher bei den Strompreisen zu entlasten. Sie lassen den Mitgliedstaaten Flexibilität in Bezug auf die zu unterstützenden Kategorien von Haushalten und Unternehmenskunden unter Berücksichtigung der nationalen Gegebenheiten und der Wettbewerbsregeln. Mitgliedstaaten, die ein Aggregatormodell einrichten möchten, müssten über die Gestaltungsmerkmale entscheiden, einschließlich der verkauften Mengen und der Frage, welche Verbraucherkategorien/Versorger diese in Anspruch nehmen dürfen. Die Kommission könnte Leitlinien für die Umsetzung eines solchen Modells bereitstellen, um gleiche Wettbewerbsbedingungen und einen fairen Wettbewerb im Binnenmarkt zu gewährleisten.

Nachteile

Diese Option könnte zu weniger Wettbewerb auf den Endkundenmärkten führen, was durch Maßnahmen für eine faire und diskriminierungsfreie Behandlung aller Anbieter auszugleichen wäre. . Die der REPowerEU-Mitteilung beigefügten Leitlinien zu regulierten Preisen zeigen, wie dies für das Aggregatormodell verwirklicht werden könnte.

Würde ein großer Teil der Verbraucher für den Preisanstieg in vollem Umfang kompensiert, entstünden kaum Anreize zur Senkung des Stromverbrauchs. Wie bei allen Optionen zur Senkung der Verbraucherkosten könnte dies die Nutzung fossiler Brennstoffe, die Abhängigkeit der EU von Importen und die Sorge um die Versorgungssicherheit erhöhen. Ob die Mitgliedstaaten auf diese Option zurückgreifen können, hängt von ihren Haushaltsmitteln ab.

Kosten

Die Kosten und die Art und Weise, wie sie gedeckt werden, würden von der Entscheidung der Mitgliedstaaten abhängen, welche Verbraucherkategorien in welchem Maße entlastet werden. Die entsprechenden Entscheidungen hängen zudem vom haushaltspolitischen Spielraum der betreffenden Mitgliedstaaten ab.

II – Eingriffe auf dem Strommarkt auf Großhandelsebene: Festsetzung der Preise in Verbindung mit einem finanziellen Ausgleich für die Erzeuger

B. Eingriffe auf Großhandelsebene in Bezug auf den Kraftstoffpreis für fossile Kraftwerke

Bei dieser Option würde fossilen Stromerzeugern für ihren Brennstoff (Kohle, Gas, Öl, Diesel) ein Ausgleich gezahlt. Da dadurch die fossilen Erzeuger vor den Auswirkungen der derzeitigen Höchstpreise auf den internationalen Rohstoffmärkten geschützt würden, könnten sie ihren Strom billiger anbieten, als dies derzeit der Fall ist. Diese Option würde dadurch umgesetzt, dass den Stromerzeugern die Differenz zwischen ihren tatsächlichen Beschaffungskosten für Brennstoffe (Gas, Kohle) und einem im Voraus festgelegten Referenzpreis für diese Rohstoffe gezahlt würde.

Vorteile

Diese Option dürfte das Bieterverhalten fossiler Kraftwerke in der EU beeinflussen und zu einer Verbilligung des von diesen Kraftwerken verkauften Stroms und damit des Grenzpreises auf dem Großhandelsmarkt führen. Dies dürfte sich wiederum in niedrigeren Endkundenpreisen niederschlagen.

Bei entsprechender Ausgestaltung dieser Maßnahme würde sie die Rangfolge der Kraftwerke beim Stromverkauf nicht beeinträchtigen und damit nicht in die Marktabläufe eingreifen.

Nachteile

Würde eine solche Maßnahme auf nationaler Ebene eingeführt, könnte sie den Stromfluss in Nachbarländer (innerhalb und außerhalb der EU) verzerren und Stromflüsse aus Ländern mit dem Referenzpreis in Länder, die diesen nicht anwenden, auslösen, wobei Aspekte wie Knappheitserwägungen, Versorgungssicherheit oder relative Kosten keine Rolle mehr spielen würden.

Wie bei allen Optionen, die sich auf die relative Preiswettbewerbsfähigkeit fossiler Brennstoffe auswirken, könnte auch diese Option den Bemühungen um eine Senkung der Nutzung fossiler Brennstoffe zuwiderlaufen.

Kosten

Die Kosten und die Art und Weise, wie sie gedeckt werden, hängen von dem beschlossenen Vorgehen ab. Denkbar wäre eine Finanzierung über die Verbraucher. Diese Kosten könnten zwar grundsätzlich durch die durch die Maßnahme bewirkte Senkung der Großhandelspreise für Strom ausgeglichen werden, doch werden die Nettoauswirkungen auf die Verbraucher von Schwankungen der Preise für fossile Brennstoffe, den eingeführten Mengen und den in die Nachbarländer exportierten Strommengen abhängen. Die Einführung solcher Maßnahmen würde die Einnahmen aus der Besteuerung übermäßiger Gewinne senken.



C.Einführung einer Preisobergrenze auf dem Stromgroßhandelsmarkt

Bei dieser Option würden die Strompreise auf einem im Voraus festgelegten Niveau gedeckelt.

Damit Erzeuger, die Brennstoffe verwenden, deren Kosten eine rentable Erzeugung bei Stromverkaufspreisen unterhalb der festgesetzten Obergrenze verhindern (z. B. Gas, Kohle), weiter am Netz bleiben, müsste ihnen die Differenz zwischen dem Marktpreis und der im Voraus festgelegten Obergrenze ausgeglichen werden. Eine strenge Regulierung kann erforderlich sein, um sicherzustellen, dass Stromerzeugungsangebote zu einem Preis oberhalb der Obergrenze (die den Anspruch auf finanzielle Entschädigung festlegt) „angemessen“ sind. Ebenso kann sich eine Regulierung als erforderlich erweisen, um zu verhindern, dass Erzeuger, deren Kosten unterhalb der Obergrenze liegen, ein Angebot abgeben, das über der Obergrenze liegt (um einen höheren Preis zu erzielen). Dies kann letztlich eine strenge Regulierung der Angebote erfordern, was zu einer komplexen Lage führen könnte.

Vorteile 

Die Großhandelspreise würden gedeckelt, was sich wiederum in niedrigeren Endkundenpreisen niederschlagen dürfte. Dies würde zu niedrigeren inframarginalen Erträgen für Erzeuger führen, die nicht direkt von der Obergrenze betroffen sind.

Nachteile 

Bei dieser Option müssten die Behörden über detaillierte Kenntnisse der Kostenstrukturen und Betriebsarten der einzelnen Kraftwerke verfügen.

Würde Option B nicht auf EU-Ebene eingeführt, könnte sie den Stromfluss im Binnenmarkt verzerren und Stromflüsse aus Ländern mit dem gedeckelten Preis in andere Länder auslösen, bei denen Aspekte wie Knappheitserwägungen keine Rolle spielen würden.

Option B würde den Nachbarländern der EU, die von den Mitgliedstaaten subventionierte Elektrizität erhalten würden, einen ungerechtfertigten Vorteil verschaffen.

Schließlich könnte diese Option den Stromfluss im Binnenmarkt aufgrund fehlender Preissignale verzerren und zu Risiken für die Versorgungssicherheit führen.

Wie bei allen Optionen zur Senkung der Verbraucherkosten könnte dies die Nutzung fossiler Brennstoffe, die Abhängigkeit der EU von Importen und die Sorge um die Versorgungssicherheit erhöhen.

Kosten

Die Differenz zwischen dem Marktpreis und der Preisobergrenze müsste durch die öffentliche Hand finanziell ausgeglichen werden. Mitgliedstaaten mit begrenzterem Haushaltsspielraum könnten das schwieriger über einen längeren Zeitraum durchhalten.

Im Laufe der Zeit könnten fehlende differenzierte Preissignale auf dem EU-Markt und regulatorische Unsicherheiten die Versorgungssicherheit gefährden. Ebenso würden nicht subventionierte Projekte im Bereich erneuerbare Energien erschwert, da die Markteinnahmen geringer wären (auch weil die Verbraucher weniger Anreize gehabt hätten, langfristige Verträge zum Bezug von Strom aus erneuerbaren Energien zu unterzeichnen, weil die Preisobergrenze die Notwendigkeit, sich gegen hohe Preise abzusichern, verblassen lässt).



D.Regulatorische Eingriffe in den Strommarkt: Begrenzung der Erträge bestimmter Marktakteure

Auf den Stromgroßhandelsmärkten wird der Preis von der letzten Quelle festgelegt, die erforderlich ist, um die Gesamtnachfrage zu decken. Bei der Stromerzeugung aus fossilen Energieträgern fallen derzeit extrem hohe Kosten für die Brennstoffe und erhöhte Preise für CO2-Emissionen an. Dies bedeutet, dass die Grenzstrompreise hoch sind. Grundlasterzeuger, die nicht von fossilen Brennstoffen abhängig sind, haben in dieser Situation keine ähnliche Kostenstruktur und erzielen bei ihrer Investitionsentscheidung zusätzliche Erträge, die weit über ihre Erwartungen hinausgehen.

Nach Anhang 2 der REPowerEU-Mitteilung können die Mitgliedstaaten ausnahmsweise steuerliche Maßnahmen einführen, die einige dieser hohen Erträge erfassen.

Das Ziel solcher steuerlicher Maßnahmen kann auch durch regulatorische Eingriffe erreicht werden. Beispielsweise kann den Mitgliedstaaten vorübergehend gestattet werden, einen Basispreis oder einen Rückforderungsmechanismus einzuführen, der übermäßige Erträge der Erzeuger begrenzt. Der jeweilige Basispreis muss möglicherweise variieren, um den Merkmalen der verschiedenen Marktteilnehmer Rechnung zu tragen, und müsste von den nationalen Regulierungsbehörden festgelegt werden. Diese Option fungiert als einseitiger Differenzvertrag, bei dem Zahlungen erst fällig werden, wenn der Referenzpreis (Marktpreis) höher ist als der Basispreis. Ähnlich wie bei der in der REPowerEU-Mitteilung vorgesehenen Besteuerung übermäßiger Erträge wäre ein separater Mechanismus erforderlich, um die Einnahmen aus einer solchen regulatorischen Intervention auf die Verbraucher umzulegen.

Die Mitgliedstaaten könnten ihre Förderregelungen für neue Erzeugungsanlagen in Systeme mit wechselseitigen Differenzverträgen umwandeln. Durch die Aufforderung an die Stromerzeuger, ihre Investitionsförderung zurückzuzahlen, wenn die Preise hoch sind, würde dieser Mechanismus verhindern, dass neue, derzeit im Bau befindliche Erzeugungsanlagen künftig auch in Situationen, in denen die Marktpreise sehr hoch und volatil sind, subventioniert werden.

Wenn Akteure auf den Erdgasmärkten aufgrund der derzeitigen Krisensituation übermäßige Erträge erzielen, z. B. weil sie in der Lage sind, über langfristige Verträge gesicherte Mengen zu deutlich höheren Preisen auf dem Spotmarkt zu verkaufen, könnten die Erträge durch ähnliche steuerliche Maßnahmen gedeckt werden.

Vorteile

Wenn diese Option gut konzipiert ist, wirkt sie sich nicht auf die Preisbildung auf den Stromgroßhandelsmärkten aus, da Signale für den Handel innerhalb und außerhalb der EU und die Versorgungssicherheit erhalten bleiben. Sie wirkt sich nicht auf den EU-weiten Stromhandel aus.

Eine Reform der Gestaltung von Förderregelungen für neue Investitionen könnte den Weg für mögliche längerfristige Änderungen der Marktgestaltung ebnen.

Nachteile

Diese Option allein wird die Preise für die Verbraucher nicht senken, aber die erzielten Einnahmen können dazu verwendet werden, jene Energieverbraucher, die am stärksten unter den hohen Preisen leiden, direkt zu entlasten, z. B. durch Gutscheine für Haushalte und die finanzielle Unterstützung von Unternehmen im Einklang mit den Beihilfe- und Wettbewerbsvorschriften.

Um das Vorliegen übermäßiger inframarginaler Gewinne genau feststellen zu können, benötigen die nationalen Behörden detaillierte Informationen über die Kosten der Erzeuger, zu denen sie möglicherweise keinen Zugang haben. Eine zügige Umsetzung kann rechtliche Herausforderungen mit sich bringen, da die Marktteilnehmer in unterschiedlichem Maße betroffen sein werden.

Wettbewerbsrechtliche Kriterien müssten sorgfältig geprüft und eingehalten werden. Hierfür wären die Leitlinien der Kommission zu regulierten Endkundenpreisen und fiskalischen Maßnahmen für inframarginale Erträge sowie die Vorschriften über staatliche Beihilfen maßgeblich.

Die Besteuerung von Zufallsgewinnen dürfte sich auf die Investitionssicherheit auswirken, was bedeuten kann, dass möglicherweise für die gesamte künftige Stromerzeugung Unterstützung erforderlich ist. Dieses Regelungsrisiko wird sich in höheren Kapitalkosten und einem geringeren Einsatz erneuerbarer Energien in der Zukunft niederschlagen.



III - Eingriffe auf den Gasmärkten

E.Preisobergrenzen für den Gashandel in der EU

Diese Option beruht auf der Festlegung eines EU-weiten Höchstpreises, zu dem Gas zwischen Wirtschaftsteilnehmern in allen EU-Mitgliedstaaten gehandelt werden kann, oder auf der Festlegung von Preisgrenzen, innerhalb deren sich der Gaspreis entwickeln kann. Solche Preisobergrenzen bzw. Preisspannen würden die Angebote an europäischen Börsen einschränken. Der gedeckelte Gaspreis würde zum neuen vertraglichen Referenzpreis für langfristige Verträge und Derivatekontrakte werden.

Diese Option wirkt nur, wenn sie in allen Mitgliedstaaten umgesetzt wird.

Vorteile

Eine Preisobergrenze für den Gashandel in ganz Europa würde die übermäßige Volatilität verringern und unmittelbar zu niedrigeren Gaspreisen führen. Dies wiederum würde die Kosten für Strom aus Gaskraftwerken sowie die Verbraucherpreise für Gas und Strom senken.

Nachteile

Es müsste die richtige Höhe der Obergrenze festgelegt werden. Würde die Gaspreisobergrenze zu niedrig angesetzt, wäre es schwierig, mehr Gas für Europa zu gewinnen. Es könnte sogar europäische Unternehmen dazu veranlassen, Gas in Länder zu exportieren, in denen die Preise höher sind. Ein niedrigerer Preis würde den Gasverbrauch und damit die Nachfrage in Europa erhöhen. Um dieses Risiko zu mindern, müsste diese Option mit einer starken Nachfragesteuerung einhergehen. Zusammengenommen könnten diese Faktoren zu zusätzlichen Engpässen auf dem Gasmarkt führen und die Sicherheit der Gasversorgung gefährden.

Gälte in der gesamten EU eine einheitliche Preisobergrenze, wäre es schwierig, das Gas dorthin zu lenken, wo es benötigt wird, und den sicheren Betrieb des Netzes unter Wahrung eines ausgewogenen Verhältnisses von Angebot und Nachfrage zu gewährleisten.

Verbraucher, die im Rahmen langfristiger Verträge Gas zu einem Preis oberhalb der Obergrenze gekauft haben, würden erst nach Ablauf ihrer Verträge von einer Preisobergrenze profitieren.

Je nach Höhe der Obergrenze und dem Zeitraum, in dem sie angewendet wird, kann sie Lieferungen von unseren Handelspartnern anziehen. Deren Reaktion auf einen administrativ festgelegten Preis ist jedoch ungewiss und unvorhersehbar. Sie könnten diese Option gerichtlich anfechten und/oder Lieferungen einschränken oder aussetzen. 

Kosten

Die Kosten hängen mit möglichen Versorgungsstörungen zusammen, je nachdem, wie die Versorger auf die Obergrenze reagieren.

F.Mit internationalen Lieferanten ausgehandelte Mengen und Preise

Eine Option wäre, spezifischere Ziele für Gasmengen und Gaspreise für verschiedene Versorgungswege/Lieferanten festzulegen und diese Mengen- und Preisziele auf der Grundlage einer gemeinsamen, auf EU-Ebene abgestimmten Verhandlungsstrategie gegenüber den Handelspartnern anzuwenden. Die betreffenden Zielpreise würden die Lieferverträge mit Drittländern betreffen, sich jedoch nicht auf Transaktionen innerhalb der EU auswirken (z. B. zum Ausgleich im Binnenmarkt).

Um preisgünstige LNG- und Erdgasimporte zu sichern, sollte die EU bei den Gaspartnerschaften mit ihren Lieferanten einen langfristigeren Ansatz verfolgen und den Gegenstand der Verhandlungen auf die Sicherung langfristiger Wasserstoffeinfuhren ausdehnen.

Bestandteile solcher Partnerschaften könnten sein:

·langfristige Verträge über eine verstärkte Versorgung mit LNG und Pipelinegas;

·EU-Investitionen in zusätzliche LNG-Einfuhrkapazitäten, die wasserstoffkompatibel sind;

·eine H2-Partnerschaft mit einem Zeithorizont von 5 bis 10 Jahren, um Infrastruktur und einen soliden Rahmen für Investitionen und eine Partnerschaft im Bereich Investitionen zu schaffen (einen gemeinsamen Rahmen, der die Berechenbarkeit und Stabilität der Investitionen und der Nachfrage in der EU sowie stabile Investitionsbedingungen in den Partnerländern gewährleisten würde).

Die Erfolgsaussichten einer solchen Verhandlungsstrategie würden von einem gemeinsamen Vorgehen auf europäischer Ebene abhängen.

Vorteile

Im Falle eines Erfolgs würde ein ausgehandelter niedrigerer Preis in ganz Europa zu deutlich niedrigeren Gaspreisen in Kombination mit vereinbarten Gaseinfuhrmengen führen. Dies wiederum würde die Kosten für Strom aus Gaskraftwerken sowie die Verbraucherpreise für Gas und Strom senken.

Da die Option auf Verhandlungen beruhen und den Gashandel innerhalb der EU nicht einschränken würde (z. B. zum Ausgleich), ließen sich Unterbrechungen von Gasflüssen innerhalb der EU vermeiden.

Nachteile

Der Erfolg dieser Option hängt letztlich vom Ergebnis der entsprechenden Verhandlungen mit Lieferanten aus Drittländern ab.

Kosten

Im Falle eines Erfolgs würde diese Option zu einer dauerhaften Senkung der Beschaffungskosten für Erdgas führen.

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