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Document 52021AE3797

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe und zur Aufhebung der Richtlinie 2014/94/EU des Europäischen Parlaments und des Rates“ (COM(2021) 559 final — 2021/0223 (COD)) und zur „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Ein strategischer Fahrplan für ergänzende Maßnahmen zur Unterstützung des raschen Aufbaus der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe“ (COM(2021) 560 final)

EESC 2021/03797

ABl. C 152 vom 6.4.2022, p. 138–144 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

6.4.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 152/138


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe und zur Aufhebung der Richtlinie 2014/94/EU des Europäischen Parlaments und des Rates“

(COM(2021) 559 final — 2021/0223 (COD))

und zur

„Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Ein strategischer Fahrplan für ergänzende Maßnahmen zur Unterstützung des raschen Aufbaus der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe“

(COM(2021) 560 final)

(2022/C 152/23)

Berichterstatter:

John COMER

Befassung

Rat der Europäischen Union, 30.7.2021

Europäisches Parlament, 13.9.2021

Europäische Kommission, 13.9.2021

Rechtsgrundlage

Artikel 90 und 91, Artikel 170 und 171 sowie Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft

Annahme in der Fachgruppe

9.11.2021

Verabschiedung im Plenum

9.12.2021

Plenartagung Nr.

565

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

137/4/9

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt den Vorschlag für eine Verordnung über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe.

1.2.

Batteriebetriebene Elektrofahrzeuge scheinen sich bei den meisten Herstellern als bevorzugte Option für den motorisierten Verkehr durchzusetzen. Die — wahrscheinlich kurzfristige — Lithiumknappheit und der steigende Lithiumpreis erschweren die rasche Einführung batteriebetriebener Elektrofahrzeuge ebenso wie die erst sehr spät eingesetzte Forschung und Entwicklung effektiverer Speichersysteme. Dank weiterer Forschung und technologischer Entwicklungen ließen sich die derzeitigen Probleme allerdings möglicherweise entschärfen.

1.3.

Weltweit gibt es große Lithiumvorkommen. Die größten bekannten Lithiumreserven der Welt lagern in Chile, gefolgt von Australien und China. Es müssen Investitionen in neue Bergwerke getätigt werden, um der derzeitigen angespannten Versorgungslage entgegenzuwirken. Der Abbau führt zu Umweltproblemen, insbesondere der hohe Wasserbedarf und die mögliche Verschmutzung durch toxische Chemikalien, und ist häufig mit gravierenden sozialen Problemen verbunden. Der EWSA beobachtet diese Aspekte des internationalen Handels mit großer Sorge. Internationale Handelsabkommen und Wertschöpfungsketten müssen den Anforderungen der ökologischen und nachhaltigen Entwicklung gerecht werden und verbindliche Sorgfaltspflichten für Unternehmen vorschreiben (1). In der EU besteht in Portugal die Möglichkeit eines Lithiumabbaus, sofern die Umweltprobleme gelöst werden können.

1.4.

Der flächendeckende Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe in der gesamten EU ist von entscheidender Bedeutung, und den Investoren muss Vertrauen in den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe vermittelt werden. Die Behörden müssen sicherstellen, dass alternative Kraftstoffe und Ladestationen dort zur Verfügung stehen, wo sie gebraucht werden, vor allem in Gebieten, in denen die Bereitstellung solcher Einrichtungen noch nicht wirtschaftlich tragfähig ist.

1.5.

Der EWSA verweist auf die Bedeutung von Kraftstoffen aus erneuerbaren Energien, u. a. Biokraftstoffen, als unmittelbar verfügbare und kostengünstige Lösung insbesondere für schwere Nutzfahrzeuge und den Langstrecken-Straßengüterverkehr. Es gilt, den CO2-Fußabdruck der Herstellung aller alternativen und erneuerbaren Kraftstoffe zu berücksichtigen.

1.6.

Der Ausbau des Stromnetzes muss eine unmittelbare Priorität sein, um Schnellladestationen sowie die Herstellung von Wasserstoff und anderen alternativen Kraftstoffen zu ermöglichen. Außerdem ist die Installation von bidirektionalen intelligenten Stromzählern notwendig, bei denen der Strom in beide Richtungen fließen kann. Die Planungserfordernisse und regulatorischen Anforderungen müssen überprüft werden, um Verzögerungen beim Netzausbau zu vermeiden.

1.7.

Die Dekarbonisierung des Verkehrs ist eng mit dem raschen Ausbau der Produktion von Ökostrom verbunden; Elektromobilität ist nur mit Ökostrom eine klimapolitisch sinnvolle Option, weshalb mehr Investitionen in Ökostrom unerlässlich sind. Die Kommission muss viel intensiver Prosumentenmodelle mitentwickeln und in die Überlegungen einbeziehen.

1.8.

Es gilt, massive öffentliche Investitionen in Forschung und Entwicklung für wissenschaftliche und technologische Arbeiten zu unterstützen, um die Batterien — insbesondere in Bezug auf Größe, Kapazität und Lebensdauer — zu verbessern. Wenn es der Forschung gelingt, den Lithiumbedarf für Fahrzeugbatterien zu senken, würde dies die Abhängigkeit der EU von den knappen globalen Beständen aus Ländern außerhalb der EU verringern. Diese Möglichkeit würde die Kapazitäten der EU in Bezug auf die rasche Einführung erneuerbarer Energien im Verkehr verbessern und den Weg für eine nachhaltige Mobilität ebnen. Darüber hinaus sind dringend Forschung und Entwicklung sowie technologische Entwicklungen erforderlich, um alle denkbaren alternativen Kraftstoffe zu bewerten und zu fördern und alle Verkehrsträger zu berücksichtigen. Es wäre unklug, sich von nur einem System abhängig zu machen. Insbesondere sollte das Potenzial von grünem Wasserstoff erforscht werden.

1.9.

Die große Mehrheit der Verbraucherinnen und Verbraucher wird sich erst dann für den Kauf eines batteriebetriebenen Elektrofahrzeugs entscheiden, wenn eine angemessene Ladeinfrastruktur gewährleistet ist. Selbst diejenigen, die selten lange Strecken fahren, müssen sich darauf verlassen können, dass es ihnen bei Bedarf möglich wäre, eine lange Strecke mit einem batteriebetriebenen Elektrofahrzeug zurückzulegen. Deshalb sind diese Verordnung und ihre vollständige Umsetzung in der gesamten EU von derart großer Bedeutung.

1.10.

Der EWSA unterstreicht, wie wichtig es ist, dass die Infrastruktur in der gesamten EU in jeder Hinsicht vollständig interoperabel ist. Es ist nicht annehmbar, dass Fahrerinnen und Fahrer verschiedene Adapter in ihren Autos mit sich führen müssen, um die Infrastruktur für alternative Kraftstoffe in verschiedenen Mitgliedstaaten nutzen zu können.

1.11.

Quick-Response-Codes (QR-Codes) für Ad-hoc-Zahlungen sind entgegen der Feststellung der Kommission in Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung kein in der EU weit verbreitetes Zahlungsinstrument. Der EWSA geht davon aus, dass die Nutzung dieser Option für viele Nutzergruppen zu Problemen bei der Zugänglichkeit führen wird. Der EWSA teilt nicht die Auffassung, dass QR-Codes die einzige Lösung für Ad-hoc-Zahlungen darstellen. Für alle Ad-hoc-Zahlungen müssen Zahlungskartenleser zur Verfügung stehen.

1.12.

In der Erneuerbare-Energien-Richtlinie sind Berechnungen zur Ermittlung der Treibhausgasemissionen verschiedener alternativer Kraftstoffe angegeben. Diese haben jedoch für die Kaufentscheidung von Bürgern nur eine geringe Relevanz, da die Treibhausgasemissionswerte für Fahrzeuge kaum bekannt sind und die Angaben der Automobilhersteller bzw. -verkäufer nicht hinreichend überprüft werden. Hier ist Abhilfe zu schaffen.

1.13.

Der EWSA bedauert, dass eine strategische Auseinandersetzung zu der Frage, welchen Beitrag Bürger, Genossenschaften, aber auch Gewerkschaften und Arbeitgeber leisten können, quasi nicht geführt wird. Und dies, obwohl es Ziel der Europäischen Energieunion ist, den Bürger und damit dezentrale Lösungen in den Mittelpunkt zu stellen, und obwohl sich deutlich abzeichnet, dass ein Großteil der Ladevorgänge bei der Elektromobilität zu Hause bzw. am Arbeitsplatz vorgenommen wird. Der EWSA ist daher der Auffassung, dass eine neue Strategie, die dem Ziel der Bürgerorientierung der Europäischen Energieunion besser entspricht, erforderlich ist, um eine stärkere Beteiligung von Bürgern, Genossenschaften, Gewerkschaften und Arbeitgebern an der Zusammenarbeit zur Beschleunigung der Dekarbonisierung des Verkehrs zu fördern.

2.   Zusammenfassung des Kommissionsvorschlags

2.1.

Das wirtschaftliche und soziale Wohl der EU-Bürger hängt von einem effizienten und effektiven Mobilitätssystem in der gesamten EU ab.

2.2.

Der Verkehr verursacht etwa 25 % der Treibhausgasemissionen in der EU und hat außerdem gravierende Auswirkungen auf die Luftqualität der städtischen Gebiete.

2.3.

Im Dezember 2019 nahm die Kommission die Mitteilung zum Europäischen Grünen Deal an, in der sie dazu aufruft, die verkehrsbedingten Treibhausgasemissionen bis 2050 um 90 % zu reduzieren und auf das Null-Schadstoff-Ziel hinzuarbeiten. Im September 2020 nahm die Kommission ihren Vorschlag für ein europäisches Klimagesetz an, mit dem die Nettotreibhausgasemissionen im Rahmen des Pakets „Fit für 55“ bis 2030 um mindestens 55 % gesenkt werden sollen.

2.4.

Im Dezember 2020 nahm die Kommission ihre Mitteilung zur Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität an. Die Strategie legt den Grundstein für die Umgestaltung des EU-Verkehrs hin zu einer intelligenten und nachhaltigen Zukunft.

2.5.

Mit diesem Vorschlag wird eine neue Verordnung über den Aufbau einer Infrastruktur für alternative Kraftstoffe geschaffen und die Richtlinie 2014/94/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (2) aufgehoben.

2.6.

Die Richtlinie 2014/94/EU trat 2014 in Kraft. Sie bildet einen gemeinsamen Rahmen für Maßnahmen zum Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe zur Förderung der Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Verkehr. Sie legt Mindestanforderungen für den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe mit Ladestationen für Elektrofahrzeuge und Tankstellen für Erdgas (LNG und CNG) und Wasserstoff fest, die mittels nicht bindender nationaler Strategierahmen umgesetzt werden sollen. Diese Strategie soll den grenzüberschreitenden Verkehr aller Verkehrsträger in den TEN-V-Netzen ermöglichen.

2.7.

In einem kürzlich erschienenen Bericht über die Anwendung dieser Richtlinie stellte die Kommission einige Fortschritte bei der Umsetzung fest, kam aber zu dem Schluss, dass es kein umfassendes und vollständiges Netz der Infrastrukturen für alternative Kraftstoffe in der EU gibt.

2.8.

Die Kommission führte eine Ex-post-Bewertung der Richtlinie durch. Die Bewertung ergab, dass die Richtlinie nicht gut geeignet ist, um das erhöhte Klimaziel für 2030 zu erreichen.

2.9.

Die vorgeschlagene Verordnung ist Teil der miteinander verbundenen politischen Maßnahmen im Rahmen des Pakets „Fit für 55“; darin werden die Maßnahmen festlegt, die zur Erreichung des Klimaziels 2030 in allen Sektoren erforderlich sind.

2.10.

Mit der vorgeschlagenen Verordnung werden folgende spezifischen Ziele verfolgt:

2.10.1.

Gewährleistung einer Mindestinfrastruktur für alternative Kraftstoffe, um die Nutzung von mit alternativen Treibstoffen betriebenen Fahrzeugen für alle Verkehrsträger und in allen Mitgliedstaaten zu ermöglichen;

2.10.2.

Sicherstellung einer vollständigen Interoperabilität der Infrastruktur;

2.10.3.

die umfassende Information der Nutzer und Gewährleistung sämtlicher möglichen Zahlungsoptionen.

2.11.

Die Kommission ist der Ansicht, dass nur ein gemeinsamer europäischer Rechtsrahmen die Ziele der Dekarbonisierung des Verkehrssektors bei allen Verkehrsträgern und in allen Mitgliedstaaten auf kohärente und einheitliche Weise erreichen kann.

2.12.

Nach einem umfassenden Folgenabschätzungsbericht sprach sich die Kommission für Option 2 aus. Bei dieser Option werden verbindliche, auf der Größe der Fahrzeugflotte beruhende Ziele für Ladepunkte für leichte Nutzfahrzeuge und abstandsbezogene Zielvorgaben für alle Straßenfahrzeuginfrastrukturen für das TEN-V-Netz vorgeschlagen, einschließlich städtischer Knoten für die Infrastruktur für schwere Nutzfahrzeuge. Auch für Häfen und Flughäfen im TEN-V-Netz sind detaillierte Bestimmungen vorgesehen, es werden jedoch keine verbindlichen Ziele festgelegt. Bei dieser Option ist eine stärkere Harmonisierung der Zahlungsoptionen, der physischen Standards, der Kommunikationsstandards und der Verbraucherrechte vorgesehen. Außerdem würden Preistransparenz und Nutzerinformationen verbessert; darüber hinaus umfasst diese Option auch die Beschilderung der Lade- und Betankungsinfrastruktur.

2.13.

Die Kommission erachtet eine Verordnung als das beste Instrument, um die gewünschten Ziele in allen Mitgliedstaaten zu erreichen.

2.14.

Die Mitgliedstaaten müssen einen überarbeiteten nationalen Strategierahmen verabschieden, um einen Markt für alternative Kraftstoffe im Verkehrssektor zu entwickeln und die entsprechende Infrastruktur im Einklang mit den verschärften Bestimmungen und verbindlichen Zielen aufzubauen. Es werden auch Bestimmungen zur Formulierung einer Strategie für den Einsatz alternativer Kraftstoffe in anderen Verkehrsträgern, für die es keine verbindlichen Anforderungen gibt, vorgeschlagen.

2.15.

Die Mitgliedstaaten werden der Kommission regelmäßig Bericht erstatten. Die Kommission wird die Fortschritte in jedem Mitgliedstaat überwachen und darüber berichten.

2.16.

Gemäß der Verordnung müssen die Mitgliedstaaten für bestimmte Seeschiffe in Seehäfen und für Binnenschiffe eine landseitige Mindeststromversorgung sicherstellen, wobei einige Ausnahmen vorgesehen sind.

2.17.

Es sind Mindestvorschriften für die Stromversorgung aller stationären Luftfahrzeuge auf den Flughäfen des TEN-V-Kernnetzes und des Gesamtnetzes vorgesehen.

2.18.

Artikel 3 enthält Ziele für die Stromladeinfrastruktur für leichte Nutzfahrzeuge.

2.19.

Artikel 4 enthält Ziele für die Stromladeinfrastruktur für schwere Nutzfahrzeuge.

2.20.

Die Ziele für die Infrastruktur zur Wasserstoffbetankung sind in Artikel 6 aufgeführt.

2.21.

Es sind Ziele für eine Mindestversorgung mit öffentlich zugänglichen LNG-Zapfstellen für schwere und leichte Nutzfahrzeuge im TEN-V-Kernnetz bis Januar 2025 in Gebieten, in denen eine Nachfrage besteht, vorgesehen.

2.22.

Die Ziele für eine landseitige Stromversorgung in Seehäfen und Binnenhäfen sind in Artikel 9 und 10 festgelegt.

2.23.

Die Ziele für die LNG-Versorgung in Seehäfen sind in Artikel 11 festgelegt.

2.24.

Die Ziele für die Stromversorgung stationärer Luftfahrzeuge sind in Artikel 12 festgelegt.

2.25.

In Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe a des Vorschlags schlägt die Kommission vor, dass Ladestationen mit geringer Ladeleistung mit einem „in der Union weit verbreiteten“ Zahlungsinstrument ausgestattet werden, damit die Verbraucherinnen und Verbraucher ad hoc bezahlen können. Dieses Zahlungsinstrument kann entweder (1) ein Zahlungskartenleser, (2) ein Zahlungskartenleser mit einer Kontaktlosfunktion oder (3) ein Quick-Response-Code (QR-Code), der den Zahlungsvorgang ermöglicht, sein.

2.26.

In einer Mitteilung (COM(2021) 560 final) skizziert die Kommission einen strategischen Fahrplan für ergänzende Maßnahmen zur Unterstützung des raschen Aufbaus einer Infrastruktur für alternative Kraftstoffe.

2.27.

Die Fazilität „Connecting Europe“ für den Zeitraum 2021-2027 (CEF II) sieht Maßnahmen gegen den Klimawandel vor. Zu diesem Zweck wird im Rahmen der CEF II eine Fazilität für alternative Kraftstoffe geschaffen, um die Infrastruktur für alternative Kraftstoffe durch die Kombination von CEF-Finanzhilfen und Finanzierungen von Finanzinstitutionen zu finanzieren, damit die Investition eine größere Wirkung erzielt.

2.28.

Der Europäische Fonds für regionale Entwicklung und der Kohäsionsfonds stehen zur Verfügung, um Investitionen in Forschung, Innovation und den Aufbau einer Infrastruktur für alternative Kraftstoffe in den weniger entwickelten Mitgliedstaaten und Regionen zu fördern.

2.29.

Die Kommission führt aus, dass es jetzt einer wirksamen und effizienten grenz- und sektorenübergreifenden Zusammenarbeit zwischen allen öffentlichen und privaten Interessenträgern bei der Entwicklung einer offenen, transparenten und interoperablen Infrastruktur mit nahtlosen Infrastrukturdiensten bedarf.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1.

Der Verkehrssektor verursacht 22,3 % der gesamten Treibhausgasemissionen in der EU, an denen der Straßenverkehr einen Anteil von 21 % hat. 12,8 % der Treibhausgasemissionen in der EU entfallen auf Pkw, 2,5 % auf Lieferwagen und 5,6 % auf Lkw und Busse (Quelle: Europäische Umweltagentur (2017), internationale Emissionen und Emissionen aus dem Seeverkehr ausgenommen). Einem Bericht der Europäischen Kommission von 2018 zufolge sind die Emissionen des EU-Verkehrssektors von 14,8 % im Jahr 1990 auf 24,6 % im Jahr 2018 gestiegen. Eine rasche Dekarbonisierung des Verkehrssektors ist unabdingbar, um die im europäischen Grünen Deal festgelegten Ziele zu erreichen. Der EWSA begrüßt diese Verordnung als positiven Schritt zur Dekarbonisierung des Verkehrs. Während des gesamten Dekarbonisierungsprozesses muss unbedingt die Qualität aller Verkehrsdienste erhalten bleiben.

3.2.

Der EWSA bedauert, dass eine strategische Auseinandersetzung zu der Frage, welchen Beitrag Bürger, Genossenschaften, Gewerkschaften und Arbeitgeber zur Entwicklung einer Ladeinfrastruktur leisten können, quasi nicht geführt wird. Und dies, obwohl es Ziel der Europäischen Energieunion ist, den Bürger und damit dezentrale Lösungen in den Mittelpunkt zu stellen, zumal sich deutlich abzeichnet, dass ein beträchtlicher Teil der Ladevorgänge bei der Elektromobilität zu Hause bzw. am Arbeitsplatz vorgenommen wird. Daher fordert der EWSA die Kommission auf, eine solche strategische Auseinandersetzung einzuleiten.

3.3.

Die flächendeckende Einführung von Elektrofahrzeugen wird im Laufe der Zeit eine Steigerung der Stromerzeugung und die Modernisierung des Stromnetzes erfordern, um ein schnelles Aufladen — insbesondere für batteriebetriebene Elektro-Lkw — zu ermöglichen.

3.4.

In der Verordnung wird auf den Bedarf an bidirektionalen intelligenten Messsystemen verwiesen, damit der Strom in beide Richtungen fließen kann: vom Netz zum Fahrzeug und vom Fahrzeug zum Netz. Diese Systeme müssen stark ausgebaut werden, um Versorgungsengpässe in Zeiten mit Spitzenstrombedarf zu vermeiden.

3.5.

Es muss eine Reihe von intelligenten Stromsystemen eingerichtet werden, die Folgendes ermöglichen:

3.5.1.

Die Fahrzeuge werden an die Ladestation angeschlossen und beginnen erst dann mit dem Aufladen, wenn ein Signal vom Netz empfangen wird; das Aufladen sollte möglichst außerhalb der Zeiten mit Höchstverbrauch — unter Umständen zu einem günstigeren Tarif — erfolgen.

3.5.2.

Die Technologie zur Netzintegration von Elektrofahrzeugen (Vehicle-to-grid — V2G) würde es ermöglichen, Fahrzeuge zu Zeiten mit überschüssigem Strom aus erneuerbaren Quellen zu laden und in Zeiten mit Spitzenstrombedarf einen Teil dieser gespeicherten Energie an das Netz zurückzugeben. Wenn die Nachfrage nachlässt, wird das Elektrofahrzeug wieder aufgeladen. Dies würde sich besonders für Schulbusse und andere Fahrzeuge eignen, die lange Zeit hinweg nicht genutzt werden. Es muss sich für denjenigen, der den Strom bereitstellt, finanziell lohnen. Aus diesem Grund müssen auch dezentrale Lösungen mit Bürgerbeteiligung viel intensiver angedacht und ermöglicht werden.

3.6.

Der EWSA begrüßt die Ziele, die für den Ausbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe festgelegt wurden. Diese werden das Vertrauen der Investoren in alternative Kraftstoffe sowie der potenziellen Käufer von emissionsfreien und emissionsarmen Fahrzeugen fördern. Alternative Kraftstoffe und Kraftstoffe aus erneuerbaren Energien, u. a. nachhaltige Biokraftstoffe, sind für schwere Nutzfahrzeuge entscheidend, insbesondere für den Langstrecken-Straßengüterverkehr.

3.7.

Die Politik muss gewährleisten, dass lange Warteschlangen an den Ladestationen und langsame Ladestationen vermieden werden, damit die Verbraucherinnen und Verbraucher Vertrauen in das Ladesystem haben.

3.8.

Im Grünen Deal hat die Kommission festgestellt, dass bis 2025 eine Million öffentliche Ladestationen und Tankstellen in der EU benötigt werden, und die Kommission will bis 2030 mindestens 30 Mio. emissionsfreie Fahrzeuge auf die Straße bringen. Dies sind sehr ehrgeizige Ziele, die nur mit großer Entschlossenheit der Regierungen der Mitgliedstaaten und der Kommission sowie mit der Unterstützung der Öffentlichkeit erreicht werden können.

3.9.

Es müssen verschiedene Maßnahmen ergriffen werden, damit diese Ziele erreicht werden können:

3.9.1.

Abschaffung unverhältnismäßiger Planungserfordernisse angesichts der Größe und des Umfangs der erforderlichen Lade- und Tankstelleninfrastruktur;

3.9.2.

Planungsgesetze, die die Herstellung von Wasserstoff vor Ort ermöglichen;

3.9.3.

Verkürzung der Vorlaufzeiten für den Anschluss an das Stromnetz;

3.9.4.

Ausarbeitung von Plänen für eine beschleunigte Verbesserung des Stromnetzes.

3.10.

Die Dekarbonisierung des Luft- und Seeverkehrs erfordert mehr Ehrgeiz und entschiedenere Bemühungen um weitere Forschung und Entwicklung in diesen Sektoren sowie die Bereitstellung der am besten geeigneten alternativen Kraftstoffe.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1.

Lithium ist ein Seltenerdmetall und ein kritischer Rohstoff für moderne wiederaufladbare Batterien. In der Marktanalyse mit dem Titel Benchmark Mineral Intelligence (BMI) wird laut Reuters ab 2022 eine akute Lithiumknappheit prognostiziert. Dies könnte zu einer Verlangsamung bei der Herstellung von Elektrofahrzeugen führen. Lukasz Bednarski argumentiert in seinem neuen Buch mit dem Titel Lithium (erschienen bei Hurst), dass Lithium im 21. Jahrhunderts für die Industrieländer ebenso wichtig sein wird wie Öl im 20. Jahrhundert. Daher wird es erforderlich sein, andere emissionsarme und emissionsfreie Kraftstoffe zu erforschen und zu fördern, um den Verbrauchern Alternativen anbieten zu können und für eine schnellstmögliche Verringerung der verkehrsbedingten Treibhausgasemissionen zu sorgen.

4.2.

Es gilt, mit E-Fuels betriebene und wasserstoffbetriebene Fahrzeuge weiter zu fördern und deren Nutzung zu erforschen, um zu ermitteln, inwieweit sie zu Verringerung der verkehrsbedingten Treibhausgasemissionen beitragen können.

4.3.

Der Verbrennungsmotor wird noch einige Zeit im Einsatz sein. In diesem Zusammenhang muss das Potenzial von E-Fuels erforscht und gefördert werden. E-Fuels können in Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor sowie in Plug-in-Hybridfahrzeugen verwendet und über das bestehende Tankstellennetz bereitgestellt werden.

4.4.

Der EWSA verweist auf die Bedeutung von Kraftstoffen aus erneuerbaren Energien, u. a. Biokraftstoffen, als unmittelbar verfügbare und kostengünstige Lösung insbesondere für schwere Nutzfahrzeuge und den Langstrecken-Straßengüterverkehr. Zudem muss dem CO2-Fußabdruck der Biokraftstoffherstellung in gleicher Weise Rechnung getragen werden wie dem CO2-Fußabdruck beispielsweise der Stromerzeugung für Elektrofahrzeuge und der Wasserstofferzeugung.

4.5.

Bei der Nutzung von Biokraftstoffen in Fahrzeugen muss der CO2-Fußabdruck geringer als der von fossilen Kraftstoffen sein. Das Problem liegt im Herstellungsprozess von Biokraftstoffen, der erhebliche Treibhausgasemissionen verursachen und sich nachteilig auf die Landnutzung auswirken kann, insbesondere wenn Entwaldung damit einhergeht. Die Verwendung von Palmöl ist zum Beispiel nicht nachhaltig.

4.6.

Der EWSA empfiehlt, die Biokraftstoffe zu fördern, die die geringsten Treibhausgasemissionen bei ihrer Herstellung sowie beim Einsatz im Verkehr verursachen.

4.7.

Ländliche Gebiete sind aufgrund des Mangels an öffentlichen Verkehrsmitteln stärker auf den Autoverkehr angewiesen als städtische Gebiete. Ländliche Siedlungen sind in der Regel abgelegen, was in vielen dieser Gebiete ein umfassendes öffentliches Verkehrsnetz unmöglich macht. Mangels praktikabler alternativer Verkehrsmittel werden die Bewohner ländlicher Gebiete stark unter den hohen CO2-Abgaben auf Benzin und Diesel leiden. Der Europäische Verbraucherverband (BEUC) stellt in einem im April 2021 veröffentlichten Bericht fest, dass für in ländlichen Gebieten lebende Autofahrer, die viele Kilometer zurücklegen, eine Umstellung auf batteriebetriebene Elektrofahrzeuge greifbare Vorteile mit sich bringt, insbesondere wenn sie mit einer Eigenerzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien einhergeht. Diese Aussage des BEUC trifft unter der Voraussetzung zu, dass die hohen Anlaufkosten subventioniert werden und der Betrieb entsprechender gemeinschaftlich betriebener Erzeugungs- und Ladeanlagen überhaupt genehmigt wird.

4.8.

Die Förderung einer Infrastruktur für alternative Kraftstoffe in ländlichen Gebieten ist daher unerlässlich. Neben der Förderung der Einführung von Elektrofahrzeugen muss auch die Reduzierung der Treibhausgasemissionen im bestehenden Fuhrpark durch die Förderung von nachhaltigen Biokraftstoffen und E-Fuels sowie Hybrid- und Plug-in-Hybridfahrzeugen vorangetrieben werden. Auch das Potenzial für grünen Wasserstoff muss erhöht werden.

4.9.

Im Bereich des Lkw-Verkehrs muss der Ausbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe entschlossen vorangetrieben werden. Etwa 98 % der Lkw in der EU-27 werden mit Diesel betrieben. Bislang lag der Schwerpunkt eher auf leichten als auf schweren Nutzfahrzeugen als Transportmittel.

4.10.

Es müssen in großem Maßstab Elektro-, Hybrid- und Plug-in-Hybrid-Lkw eingeführt werden. Dies ist nur möglich, wenn in jedem Mitgliedstaat angemessene Stromtankmöglichkeiten gegeben sind. Außerdem ist eine ausreichende Finanzierung erforderlich, um eine nennenswerte Erneuerung des Fahrzeugbestands zu ermöglichen.

4.11.

Lkw benötigen leistungsstarke und schnelle Stromtankmöglichkeiten in den Depots und an Ladestationen am Straßenrand. Es wäre sehr von Vorteil, einen Platz an einer Ladestation im Voraus reservieren zu können. Es wurden bereits Ladegeräte mit einer Ladeleistung von bis zu 350 KW getestet, jedoch bedarf es noch der Entwicklung von Ladegeräten mit einer Ladeleistung von bis zu 1 MW, um die Ladezeiten zu verkürzen.

4.12.

Das Stromnetz muss im Voraus dafür gerüstet werden, einen derart hohen Energiebedarf für das schnelle Laden von Lkw zu decken.

4.13.

Wasserstoff gilt als vielversprechende Lösung für den Fernverkehr. Der EWSA begrüßt die Ziele, die für den Ausbau von Wasserstofftankstellen festgelegt wurden. Langfristig muss „grüner Wasserstoff“ und nicht „blauer Wasserstoff“ das Ziel sein. Bei Wasserstoff, der aus Methan hergestellt wird, sollte die hohen Methanemissionen entlang der gesamten Gewinnungs- und Transportkette berücksichtigt werden.

4.14.

Mit geringen Anpassungen kann Wasserstoff auch als Kraftstoff für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor verwendet werden. Es sind weitere Forschungsarbeiten zu diesem Vorschlag erforderlich.

4.15.

Der EWSA begrüßt den Vorschlag der Kommission, für Wasserstoff standardmäßig einen Druck von 700 Bar festzulegen. Wasserstoff hat eine niedrige volumetrische Energiedichte, sodass viel größere Tanklager erforderlich sind.

4.16.

Ideal wäre die Herstellung von Wasserstoff vor Ort, wo immer dies möglich ist. Planerische Hürden, die solchen Entwicklungen im Weg stehen, müssen unter Berücksichtigung der höheren Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen, die beim Umgang mit Wasserstoff erforderlich sind, geprüft werden.

4.17.

Wasserstoff kann per Lkw und über Pipelines transportiert werden. Aufgrund seiner geringen volumetrischen Energiedichte würde die Lieferung per Lkw deutlich mehr Fahrten erfordern als bei Benzin und Diesel.

4.18.

Dem EWSA ist bewusst, dass in der Erneuerbare-Energien-Richtlinie klare Berechnungen zur Ermittlung der Treibhausgasemissionen der verschiedenen alternativen Kraftstoffe angegeben sind. Diese haben jedoch für die Kaufentscheidung von Bürgern nur eine geringe Relevanz, da diese Werte kaum bekannt und von den Automobilherstellern bzw. -verkäufern nicht kommuniziert werden. Hier ist Abhilfe zu schaffen.

4.19.

Für einen schnellen Ausbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe sind beträchtliche Vorleistungen erforderlich, um zu gewährleisten, dass das System für die Investoren in Ladestationen und Tankstellen wirtschaftlich ist.

Brüssel, den 9. Dezember 2021

Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Christa SCHWENG


(1)  Siehe die Stellungnahmen ABl. C 220 vom 9.6.2021, S. 118 und ABl. C 123 vom 9.4.2021, S. 59.

(2)  Richtlinie 2014/94/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2014 über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (ABl. L 307 vom 28.10.2014, S. 1).


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