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Document 52018AE2737

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu folgenden Vorlagen: „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Europäische Herausgabeanordnungen und Sicherungsanordnungen für elektronische Beweismittel in Strafsachen“ (COM(2018) 225 final — 2018/0108 (COD)) und „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung einheitlicher Regeln für die Bestellung von Vertretern zu Zwecken der Beweiserhebung in Strafverfahren“ (COM(2018) 226 final — 2018/0107 (COD))

    EESC 2018/02737

    ABl. C 367 vom 10.10.2018, p. 88–92 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    10.10.2018   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 367/88


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu folgenden Vorlagen: „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Europäische Herausgabeanordnungen und Sicherungsanordnungen für elektronische Beweismittel in Strafsachen“

    (COM(2018) 225 final — 2018/0108 (COD))

    und „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung einheitlicher Regeln für die Bestellung von Vertretern zu Zwecken der Beweiserhebung in Strafverfahren“

    (COM(2018) 226 final — 2018/0107 (COD))

    (2018/C 367/17)

    Hauptberichterstatter:

    Christian BÄUMLER

    Befassung

    Europäisches Parlament, 31.5.2018

    Rechtsgrundlage

    Artikel 82 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

    Zuständige Fachgruppe

    Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft

    Beschluss des Präsidiums

    22.5.2018

    Verabschiedung im Plenum

    12.7.2018

    Plenartagung Nr.

    536

    Ergebnis der Abstimmung

    (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

    157/2/0

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1.

    Der EWSA sieht die zunehmende Nutzung von Informationsdiensten als Herausforderung für die Strafverfolgung. Es fehlt bisher an einer verlässlichen Zusammenarbeit mit den Diensteanbietern sowie an Transparenz, und es herrscht Rechtsunsicherheit bezüglich der Zuständigkeit für Ermittlungsmaßnahmen.

    1.2.

    Der EWSA begrüßt, dass die vorgeschlagene Verordnung über Europäische Herausgabeanordnungen und Sicherungsanordnungen für elektronische Beweismittel bindende europäische Instrumente für die Sicherstellung und den Zugriff auf Daten einführt.

    1.3.

    Der EWSA begrüßt, dass die Europäische Herausgabeanordnung und die Europäische Sicherungsanordnung Ermittlungsmaßnahmen sind, die nur im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungen oder Strafverfahren für konkrete Straftaten erlassen werden können.

    1.4.

    Der EWSA begrüßt, dass die Europäische Herausgabeanordnung nur für schwerwiegendere Straftaten gelten soll. Der EWSA gibt zu bedenken, dass dieses Ziel eher durch eine Orientierung an einem Mindestmaß der Strafe von 3 Monaten als an einem Höchstmaß von 3 Jahren erreicht würde.

    1.5.

    Der EWSA betont, dass die Verordnung im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen stehen muss, die insbesondere mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und in den Verfassungen der Mitgliedstaaten anerkannt wurden.

    1.6.

    Der EWSA weist darauf hin, dass die Fragen, unter welcher Voraussetzung ein Datenzugriff in einem Strafverfahren erfolgt und wer dies zu entscheiden hat, auf nationaler Ebene häufig unterschiedlich beantwortet werden. Der EWSA spricht sich für die Entwicklung europaweit einheitlicher Standards hinsichtlich der Voraussetzungen für einen Datenzugriff aus.

    1.7.

    Der EWSA begrüßt, dass beide Anordnungen von einer Justizbehörde eines Mitgliedstaats erlassen oder bestätigt werden müssen. Der EWSA hält es aber für problematisch, dass bei Teilnehmer- oder Zugangsdaten eine Herausgabeanordnung auch von einem Staatsanwalt veranlasst werden kann, und befürwortet eine Ausweitung des Richtervorbehalts auf die Erhebung aller personenbezogen Daten.

    1.8.

    Der EWSA sieht ebenso wie die Kommission ein Problem darin, dass Drittstaaten Verpflichtungen für EU-Diensteanbieter einführen könnten, die nicht mit den EU-Grundrechten in Einklang stehen. Der EWSA begrüßt, dass der Vorschlag starke Garantien und ausdrückliche Verweise auf die dem EU-Besitzstand bereits zugrunde liegenden Voraussetzungen und Garantien enthält.

    1.9.

    Der EWSA befürwortet die im Vorschlag der Kommission vorgesehene Möglichkeit, dass die Rechtmäßigkeit, Notwendigkeit oder Verhältnismäßigkeit einer Herausgabeanordnung vom Adressaten angefochten werden kann und dass die Immunitäten und Vorrechte, die die im Mitgliedstaat des Diensteanbieters angeforderten Daten schützen, vom Anwendungsstaat respektiert werden müssen.

    1.10.

    Der EWSA begrüßt, dass der Vorschlag der Kommission zwingend vorschreibt, dass Diensteanbieter einen Vertreter in der Union bestellen müssen, der Beweisbeschlüsse entgegennimmt, befolgt und durchsetzt.

    1.11.

    Der EWSA ist der Auffassung, dass die Diensteanbieter in allen Fällen das Recht auf eine Kostenerstattung haben sollten, wenn dies im Recht des Anordnungsstaates vorgesehen ist.

    2.   Kontext des Vorschlags

    2.1.

    Mehr als die Hälfte aller strafrechtlichen Ermittlungen beinhalten heute eine grenzüberschreitende Anfrage auf Zugang zu elektronischen Beweismitteln wie Texten, E-Mails oder Messaging-Apps. Deshalb schlägt die Kommission neue Regeln vor, die es den Polizei- und Justizbehörden ermöglichen sollen, einfacher und schneller Zugang zu den elektronischen Beweismitteln zu erhalten, die sie für Ermittlungen zur Festnahme und Verurteilung von Kriminellen und Terroristen für nötig halten.

    2.2.

    Der Rat (1) forderte im Jahr 2016 konkrete Maßnahmen auf Grundlage eines gemeinsamen EU-Konzepts, um die Rechtshilfe effizienter zu gestalten, um die Zusammenarbeit zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten und Diensteanbietern in Drittstaaten zu verbessern und um Lösungen in Zusammenhang mit der Bestimmung der Zuständigkeit für Ermittlungsmaßnahmen im Cyberspace und mit der entsprechenden Verfolgungszuständigkeit vorzuschlagen.

    2.3.

    Auch das Europäische Parlament (2) wies darauf hin, dass die derzeit fragmentierten rechtlichen Rahmenbedingungen ein Problem für Diensteanbieter sein können, die den Ersuchen von Strafverfolgungsbehörden Folge leisten wollen. Das Parlament forderte einen europäischen Rechtsrahmen, der Garantien hinsichtlich der Rechte und Freiheiten aller Betroffenen umfasst.

    2.4.

    In Fällen, in denen sich entweder die Beweismittel in einem anderen Land befinden oder der Diensteanbieter in einem anderen Land ansässig ist, wurden bereits vor einigen Jahrzehnten Verfahren für die Zusammenarbeit zwischen den Ländern entwickelt. Trotz regelmäßiger Reformen geraten diese Kooperationsverfahren immer stärker unter Druck, denn es gibt immer mehr Bedarf an raschem grenzüberschreitendem Zugang zu elektronischen Beweismitteln. Als Reaktion darauf bauen eine Reihe von Mitgliedstaaten und Drittstaaten ihre nationalen Instrumente aus. Die daraus resultierende Zersplitterung führt nach Einschätzung des EWSA zu Rechtsunsicherheit und einander widersprechenden Verpflichtungen. Sie wirft Fragen in Bezug auf den Schutz der Grundrechte und nach Verfahrensgarantien für Menschen auf, die von solchen Ersuchen betroffen sind.

    2.5.

    Der EWSA sieht die zunehmende Nutzung von Informationsdiensten als Herausforderung für die Strafverfolgung, da die zuständigen Behörden oft nur schlecht für den Umgang mit Online-Beweismitteln gerüstet sind. Auch das langwierige Verfahren zum Einholen von Beweismitteln ist eine der zentralen Hürden. Es fehlt bisher an einer verlässlichen Zusammenarbeit mit den Diensteanbietern sowie an Transparenz, und es herrscht Rechtsunsicherheit bezüglich der Zuständigkeit für Ermittlungsmaßnahmen. Der EWSA befürwortet eine direkte grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Strafverfolgungsbehörden und Anbietern digitaler Dienste bei strafrechtlichen Ermittlungen.

    2.6.

    Der derzeitige EU-Rechtsrahmen besteht aus Instrumenten der Union für die Zusammenarbeit in Strafsachen wie der Richtlinie 2014/41/EU über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen (3) (EEA-Richtlinie), dem Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (4), dem Beschluss 2002/187/JI des Rates über die Errichtung von Eurojust (5), der Verordnung (EU) 2016/794 über Europol (6), dem Rahmenbeschluss 2002/465/JI des Rates über gemeinsame Ermittlungsgruppen (7) sowie aus bilateralen Abkommen zwischen der Union und Drittstaaten.

    3.   Sicherungs- und Herausgabeanordnungen

    3.1.

    Der EWSA begrüßt, dass die vorgeschlagene Verordnung über Europäische Herausgabeanordnungen und Sicherungsanordnungen für elektronische Beweismittel in Strafsachen (COM(2018) 225) bindende europäische Instrumente für die Sicherstellung und den Zugriff auf Daten einführt. Adressaten sind Anbieter elektronischer Kommunikationsdienste, sozialer Netzwerke, Online-Marktplätze, Anbieter von Hosting-Diensten und Anbieter von Internetinfrastruktur wie Registern von IP-Adressen und Domänennamen.

    3.2.

    Die EEA-Richtlinie deckt jede grenzüberschreitende Ermittlungsmaßnahme in der EU ab. Dies schließt den Zugang zu elektronischen Beweismitteln mit ein, jedoch enthält die EEA-Richtlinie keine spezifischen Bestimmungen über die grenzüberschreitende Erhebung elektronischer Beweismittel. Der EWSA begrüßt deshalb, dass die Kommission neue Regeln vorschlägt, die es den Polizei- und Justizbehörden ermöglichen, einfacher und schneller Zugang zu den elektronischen Beweismitteln zu erhalten.

    3.3.

    Der EWSA begrüßt, dass die Europäische Herausgabeanordnung und die Europäische Sicherungsanordnung Ermittlungsmaßnahmen sind, die nur im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungen oder Strafverfahren für konkrete Straftaten erlassen werden können. Die Verbindung zu einer konkreten Ermittlung unterscheidet sie von vorbeugenden Maßnahmen oder gesetzlich festgelegten Verpflichtungen zur Vorratsdatenspeicherung und gewährleistet die Anwendung der für Strafverfahren geltenden Verfahrensrechte.

    3.4.

    Der EWSA nimmt zur Kenntnis, dass die Anordnungen zur Herausgabe von Teilnehmer- und Zugangsdaten für jede Art von Straftaten erlassen werden sollen, während die Anordnung zur Herausgabe von Transaktions- und Inhaltsdaten nur für Straftaten, die im Anordnungsstaat mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens drei Jahren geahndet werden, oder für bestimmte im Vorschlag angeführte Straftaten erlassen werden sollen, bei denen eine bestimmte Verbindung zu elektronischen Tools und Straftaten besteht, die unter die Richtlinie (EU) 2017/541 zur Terrorismusbekämpfung fallen. Diese Orientierung am Höchstmaß von 3 Jahren soll gewährleisten, dass die Europäische Herausgabeanordnung nur für schwerwiegendere Straftaten in Bezug auf solche Daten verwendet wird. Der EWSA gibt zu bedenken, dass dieses Ziel, welches der EWSA teilt, durch eine Orientierung an einem Mindestmaß der Strafe von 3 Monaten eher erreicht würde.

    3.5.

    Die Rechtsgrundlage für die Unterstützung von Maßnahmen in der Justiz ist Artikel 82 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Nach Artikel 82 Absatz 1 können Maßnahmen gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren erlassen werden, um Regeln und Verfahren festzulegen, mit denen die Anerkennung aller Arten von Urteilen und gerichtlichen Entscheidungen in der gesamten Union sichergestellt wird.

    3.6.

    Die neuen Instrumente bauen auf diesen Grundsätzen der gegenseitigen Anerkennung auf, um das grenzüberschreitende Erheben elektronischer Beweismittel zu erleichtern. Eine Behörde in dem Land, in dem der Adressat der Anordnung ansässig ist, muss nicht direkt bei der Zustellung und Ausführung der Anordnung beteiligt werden. Der EWSA weist darauf hin, dass dies zur Folge haben kann, dass ein EU-Bürger einem Datenzugriff einer Behörde eines anderen EU Mitgliedstaats nach deren Regeln ausgesetzt wird.

    3.7.

    Der EWSA betont, dass die Verordnung im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen stehen muss, die insbesondere mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und in den Verfassungen der Mitgliedstaaten anerkannt wurden. Dazu gehören das Recht auf Freiheit und Sicherheit, die Achtung des Privat- und Familienlebens, der Schutz personenbezogener Daten, die unternehmerische Freiheit, das Recht auf Eigentum, das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein faires Verfahren, die Unschuldsvermutung und das Recht auf Verteidigung, die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit und der Verhältnismäßigkeit sowie das Recht, wegen derselben Straftat nicht zweimal strafrechtlich verfolgt oder bestraft zu werden. Der EWSA weist darauf hin, dass der Schutz dieser Rechte auch davon abhängt, unter welchen Voraussetzungen in diese Rechte eingegriffen werden kann und wer dies zu entscheiden hat.

    3.8.

    Der EWSA weist darauf hin, dass die Fragen, unter welcher Voraussetzung ein Datenzugriff in einem Strafverfahren erfolgt und wer dies zu entscheiden hat, auf nationaler Ebene häufig unterschiedlich beantwortet werden. Zuständig für einen Datenzugriff können die Polizei, die Staatsanwaltschaft oder ein Gericht sein. Unterschiede ergeben sich auch bei der Frage, in welchem Stadium eines Ermittlungsverfahrens und bei welchem Grad eines Verdachts ein Datenzugriff rechtlich zulässig ist. Der EWSA spricht sich dafür aus, dass für die Frage, wann ein Datenzugriff erfolgen darf, europaweit einheitliche Standards entwickelt werden müssen.

    3.9.

    Der EWSA begrüßt, dass beide Anordnungen von einer Justizbehörde eines Mitgliedstaats erlassen oder bestätigt werden müssen. Wenn eine Europäische Herausgabeanordnung oder Sicherungsanordnung erlassen wird, muss stets eine Justizbehörde entweder als anordnende oder als validierende Behörde beteiligt sein. Für Anordnungen zur Herausgabe von Transaktions- oder Inhaltsdaten ist ein Richter oder ein Gericht erforderlich. Der Vorschlag der Kommission würde insgesamt das Niveau des Rechtsschutzes in Europa erhöhen.

    3.10.

    Der EWSA hält es aber für problematisch, dass bei Teilnehmer- oder Zugangsdaten eine Herausgabeanordnung auch von einem Staatsanwalt veranlasst werden kann, da es sich auch bei Teilnehmer- und Zugangsdaten um personenbezogene Daten handelt und der nachträgliche Rechtsschutz bei einem Datenzugriff aus einem anderen Mitgliedstaat schwierig ist. Der EWSA befürwortet eine Ausweitung des Richtervorbehalts auf die Erhebung aller personenbezogenen Daten.

    3.11.

    Der EWSA befürwortet die im Vorschlag der Kommission vorgesehene Möglichkeit, dass die Rechtmäßigkeit, Notwendigkeit oder Verhältnismäßigkeit einer Herausgabeanordnung vom Adressaten angefochten werden kann. Die nach dem Recht des Vollstreckungsstaats bestehenden Rechte werden nach dem Vorschlag der Kommission vollständig durch die Gewährleistung gewahrt, sodass die Immunitäten und Vorrechte, die die im Mitgliedstaat des Diensteanbieters angeforderten Daten schützen, im Anwendungsstaat respektiert werden müssen. Das gilt nach dem Vorschlag insbesondere dann, wenn sie einen stärkeren Schutz gewähren als das Recht des Anordnungsstaats.

    3.12.

    Der EWSA weist darauf hin, dass sich die Anordnung auch auf die Rechte der Diensteanbieter, insbesondere das Recht auf die unternehmerische Freiheit, auswirkt. Der EWSA begrüßt, dass der Vorschlag ein Anrecht des Diensteanbieters umfasst, bestimmte Ansprüche im Anordnungsmitgliedstaat geltend zu machen, beispielsweise wenn die Anordnung nicht von einer Justizbehörde erlassen oder bestätigt wurde. Wenn die Anordnung zwecks Vollstreckung an den Vollstreckungsstaat übermittelt wird, kann die Vollstreckungsbehörde beschließen, die Anordnung nach Konsultation der Anordnungsbehörde bei Vorliegen zulässiger Ablehnungsgründe nicht anzuerkennen oder nicht zu vollstrecken.

    3.13.

    Der Vorschlag der Kommission sieht vor, dass Diensteanbieter gemäß den Rechtsvorschriften des Anordnungsstaats eine Erstattung ihrer Kosten durch diesen Staat geltend machen können, sofern die nationalen Rechtsvorschriften des Anordnungsstaats dies für innerstaatliche Anordnungen in ähnlichen innerstaatlichen Fällen vorsehen. Der EWSA ist der Auffassung, dass die Diensteanbieter in allen Fällen das Recht auf eine Kostenerstattung haben sollten, wenn dies im Recht des Anordnungsstaates vorgesehen ist.

    4.   Pflichtenkollisionen

    4.1.

    Der EWSA sieht ebenso wie die Kommission ein Problem darin, dass Drittstaaten Verpflichtungen für EU-Diensteanbieter einführen könnten, die nicht mit den EU-Grundrechten in Einklang stehen und damit auch nicht mit dem hohen Maß an Datenschutz, das durch den EU-Besitzstand gewährleistet wird.

    4.2.

    Der Vorschlag behandelt diese Problematik dadurch, dass eine Maßnahme vorgesehen ist, die starke Garantien und ausdrückliche Verweise auf die dem EU-Besitzstand bereits zugrunde liegenden Voraussetzungen und Garantien enthält. Der EWSA teilt die Auffassung der Kommission, dass dies Modellcharakter für die Gesetzgebung von Drittstaaten haben könnte.

    4.3.

    Der EWSA befürwortet außerdem die im Vorschlag vorgesehene Aufnahme einer spezifischen Klausel zu einander widersprechenden Verpflichtungen. Diese ermöglicht es Diensteanbietern, einander widersprechende Verpflichtungen zu identifizieren und zu thematisieren, mit denen sie sich konfrontiert sehen, was wiederum eine gerichtliche Überprüfung in Gang setzt. Diese Klausel soll die Einhaltung zweier Arten von Gesetzen sicherstellen: einerseits von generell blockierenden Gesetzen (blocking statutes) wie etwa dem US-amerikanischen Electronic Communications Privacy Act (ECPA) — der Offenlegung in Zusammenhang mit Inhaltsdaten innerhalb seines geografischen Geltungsbereich außer unter bestimmten Voraussetzungen verbietet —, andererseits von Gesetzen, durch die Offenlegung nicht generell, sondern gegebenenfalls in Einzelfällen verboten wird.

    4.4.

    Der EWSA ist wie die Kommission der Auffassung, dass internationale Übereinkommen mit anderen Schlüsselpartnern das Risiko von Gesetzeskollisionen weiter senken könnten. Dies wäre der beste Weg, Konflikte zu vermeiden.

    5.   Richtlinie über die Bestellung von Vertretern

    5.1.

    Der Vorschlag der Kommission über Europäische Herausgabeanordnungen und Sicherungsanordnungen soll durch eine Richtlinie zur Festlegung einheitlicher Regelungen für die Bestellung von Vertretern in Strafverfahren (COM(2018) 226) vervollständigt werden. Derzeit gibt es in den Mitgliedstaaten unterschiedliche Vorgehensweisen in Bezug auf die Verpflichtungen, die Diensteanbietern auferlegt werden. Diese Fragmentierung zeigt sich insbesondere bei elektronischen Beweismitteln. Sie hat Rechtsunsicherheit bei den Beteiligten zur Folge und kann dazu führen, dass für Diensteanbieter in diesem Zusammenhang unterschiedliche, mitunter kollidierende Verpflichtungen und Sanktionsregelungen gelten, je nachdem, ob sie ihre Dienstleistungen im Inland, grenzüberschreitend innerhalb der Union oder von außerhalb der Union erbringen.

    5.2.

    Die von der Kommission vorgeschlagene Richtlinie schreibt zwingend vor, dass Diensteanbieter einen Vertreter in der Union bestellen müssen, der Beweisbeschlüsse der zuständigen nationalen Behörden in Strafverfahren entgegennimmt, befolgt und durchsetzt.

    5.3.

    Nach Auffassung des EWSA würde diese Regelung ein besseres Funktionieren des Binnenmarkts in einer Weise gewährleisten, die mit der Schaffung eines gemeinsamen Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts im Einklang steht. Die Verpflichtung für alle in der Union tätigen Diensteanbieter, einen Vertreter zu bestellen, würde sicherstellen, dass stets ein eindeutig bestimmter Adressat für Ermittlungsmaßnahmen vorhanden ist. Dies wiederum würde es den Diensteanbietern erleichtern, diesen Anordnungen nachzukommen, da der Vertreter im Namen des Diensteanbieters für die Entgegennahme, Befolgung und Durchsetzung dieser Anordnungen verantwortlich wäre.

    Brüssel, den 12. Juli 2018

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Luca JAHIER


    (1)  Schlussfolgerungen des Rates der Europäischen Union vom 9. Juni 2016 zur Verbesserung der Strafjustiz im Cyberspace, ST9579/16.

    (2)  P8_TA(2017)0366.

    (3)  Richtlinie 2014/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen (ABl. L 130 vom 1.5.2014, S. 1).

    (4)  Rechtsakt des Rates vom 29. Mai 2000 über die Erstellung des Übereinkommens — gemäß Artikel 34 des Vertrags über die Europäische Union — über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union.

    (5)  Beschluss 2002/187/JI des Rates vom 28. Februar 2002 über die Errichtung von Eurojust zur Verstärkung der Bekämpfung der schweren Kriminalität.

    (6)  Verordnung (EU) 2016/794 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über die Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung (Europol).

    (7)  Rahmenbeschluss 2002/465/JI des Rates vom 13. Juni 2002.


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