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Document 52010AE1166

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Vereinfachung der Durchführung von Forschungsrahmenprogrammen“ — KOM(2010) 187 endg.

    ABl. C 48 vom 15.2.2011, p. 129–133 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    15.2.2011   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 48/129


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Vereinfachung der Durchführung von Forschungsrahmenprogrammen“

    KOM(2010) 187 endg.

    2011/C 48/22

    Berichterstatter: Gerd WOLF

    Die Europäische Kommission beschloss am 29. April 2010, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

    Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Vereinfachung der Durchführung von Forschungsrahmenprogrammen

    KOM(2010) 187 endg.

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 1. September 2010 an.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 465. Plenartagung am 15./16. September 2010 (Sitzung vom 15. September) mit 114 Ja-Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:

    1.   Zusammenfassung und Empfehlungen

    1.1   Die Effizienz und Attraktivität der EU-Forschungsrahmenprogramme muss verbessert werden. Dazu ist es erforderlich, ihre Durchführung zu vereinfachen.

    1.2   Dementsprechend begrüßt der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss die Mitteilung der Kommission und stimmt den dort unterbreiteten Vorschlägen grundsätzlich zu.

    1.3   Des Weiteren begrüßt der Ausschuss die Schlussfolgerungen des Rates für Wettbewerbsfähigkeit vom 26. Mai 2010 zur gleichen Thematik.

    1.4   Die zunehmende Diversifikation der verschiedenen Teilprogramme und deren Instrumente mit ihren zum Teil sehr unterschiedlichen Regeln und Verfahren haben sich zu einem zentralen Problem der EU-Forschungsförderung entwickelt. Dies führte für Antragsteller und Zuwendungsempfänger zu einer kaum überschaubaren Komplexität, die noch verstärkt wird durch die unterschiedlichen Regelwerke der verschiedenen Mitgliedstaaten und deren Zuwendungsgeber.

    1.5   Der Ausschuss empfiehlt daher eine schrittweise Harmonisierung der betreffenden Regeln und Verfahren, als ersten Schritt für die Forschungsförderung der EU, langfristig aber auch zwischen den Mitgliedstaaten untereinander und mit der Kommission. Dann erst wäre der Europäische Forschungsraum vollendet.

    1.6   Die Forschungsförderung der EU benötigt eine verbesserte Balance zwischen Freiraum und Kontrolle. Dies betrifft sowohl die Ausgestaltung der Regeln als auch deren Anwendung in der Praxis. Der Ausschuss empfiehlt, einen vertrauensbasierten Ansatz zu verfolgen und in den Mittelpunkt der europäischen Forschungsförderung zu stellen. In diesem Zusammenhang unterstützt der Ausschuss den Vorschlag der Kommission, das tolerierbare Fehlerrisiko für den Forschungsbereich zu erhöhen (1).

    1.7   Als weitere konkrete Schritte empfiehlt der Ausschuss weitgehend im Sinne der Mitteilung der Kommission:

    Anerkennung der nach den jeweils geltenden nationalen Regeln erfolgten Abrechnungsverfahren der Zuwendungsempfänger;

    angemessene und effiziente Anwendung der Regeln in der Praxis;

    Pauschalbeträge als Wahloption, aber nicht als Feigenblatt für reduzierte Förderung; tatsächliche Kosten als Grundlage der Berechnung;

    größtmögliche Kohärenz und Transparenz der Verfahren;

    größtmögliche Kontinuität und Beständigkeit der Rechtsvorschriften und der Verfahren;

    erfahrene, international anerkannte Fachexperten als koordinierende Beamte mit ausreichendem Entscheidungsspielraum;

    kohärente und durch klare Verfahren bestimmte Audit-Strategie;

    Weiterentwicklung der Software-Werkzeuge;

    Erstattungsfähigkeit der Mehrwertsteuer;

    Vereinfachungen speziell für KMU;

    verlässliche, klare und rechtzeitig verfügbare Leitfäden (Gebrauchsanweisungen) für Förderprogramme und Instrumente.

    1.8   Dem weiterführenden Vorschlag der Kommission, für das kommende Rahmenprogramm eine „ergebnisorientierte Förderung“ als alternative Fördermethode in Betracht zu ziehen, steht der Ausschuss grundsätzlich skeptisch gegenüber, solange er nicht anhand einer ausführlichen und klärenden Darlegung der Kommission objektiv beurteilen kann, was darunter im prozeduralen Ablauf etc. verstanden werden sollte oder könnte. Davon unbeschadet sollte es selbstverständlich die primäre Aufgabe und Geisteshaltung jeglicher Forschungsförderung sein, wichtige und neuartige Erkenntnisse zu gewinnen, dafür den besten und effizientesten Weg zu wählen sowie die Regelwerke und deren Anwendung diesem Ziel unterzuordnen.

    1.9   Neben einer Vereinfachung der rechtlich-administrativen und finanziellen Regeln und Prozeduren ist es aber genauso wichtig, auch die wissenschaftlichen und thematischen Antrags-, Begutachtungs- und Monitoringverfahren zu vereinfachen, um die überbordende Überregulierung und die Vielfalt europäischer, nationaler, regionaler und institutioneller Berichtspflichten, Antragsverfahren, Begutachtungs- bzw. Evaluations- und Genehmigungsprozeduren zu reduzieren und zu harmonisieren.

    2.   Die Mitteilung der Kommission

    2.1   Die Mitteilung der Kommission gilt dem Ziel, die Durchführung des Europäischen Forschungsrahmenprogramms weiter zu vereinfachen. Die Mitteilung befasst sich primär mit Finanzierungsfragen.

    2.2   Die in der Mitteilung dargelegten Möglichkeiten für weitere Vereinfachungen liegen auf drei Ebenen:

    —   Ebene 1: Straffung der Vorschlags- und Finanzhilfeverwaltung im Rahmen der bestehenden Regeln

    —   Ebene 2: Anpassung der Regeln innerhalb des bestehenden kostenorientierten Systems

    —   Ebene 3: Übergang von kostenorientierter zu ergebnisorientierter Förderung.

    2.3   Auf der ersten Ebene werden praktische Verbesserungen von Verfahren und Instrumenten vorgestellt, deren Verwirklichung die Kommission bereits eingeleitet hat.

    2.3.1   Auf der zweiten Ebene würden die bestehenden Regeln derart geändert, dass gängige Rechnungslegungsverfahren (z.B. durchschnittliche Personalkosten) in größerem Umfang akzeptiert, die Bestimmungen für unterschiedliche Arten von Tätigkeiten und Teilnehmern reduziert, eine Bestimmung für KMU mit geschäftsführenden Eigentümern vorgesehen und eine Änderung des Auswahlverfahrens für Finanzhilfen ermöglicht werden. Die meisten Vorschläge auf dieser Ebene sind an die Gestaltung zukünftiger Rahmenprogramme adressiert.

    2.3.2   Auf der dritten Ebene werden Optionen für einen Übergang von kostenorientierter zu ergebnisorientierter Förderung präsentiert. Hierdurch soll eine erhebliche Verschiebung des Berichtswesens und der Kontrollmaßnahmen vom finanziellen zum wissenschaftlich-technischen Bereich erreicht werden.

    3.   Allgemeine Bemerkungen

    3.1   Bedeutung, Effizienz und Attraktivität des FuE-Rahmenprogramms. Das FuE-Rahmenprogramm ist eines der wichtigsten gemeinschaftlichen Instrumente, um die Wettbewerbsfähigkeit und den Wohlstand Europas zu sichern und zu stärken, der neuen Strategie „Europa 2020“ zu genügen und den Europäischen Forschungsraum zu gestalten. Darum ist es notwendig, das Forschungsrahmenprogramm möglichst effizient umzusetzen. Es muss für die besten Wissenschaftler und Institute, aber auch für Industrie und KMU attraktiv sein, sich am Rahmenprogramm zu beteiligen: Daran mitzuwirken muss sich lohnen und als Auszeichnung gelten. Hierfür sind attraktive und effiziente administrative und finanzielle Rahmenbedingungen für die Zuwendungsempfänger unerlässlich.

    3.2   Benötigte Vereinfachung. Insgesamt bestand und besteht ein deutlicher Bedarf an wesentlichen Verbesserungen und Vereinfachungen der Verfahren und Regeln. Darum hatte der Ausschuss schon mehrfach angemahnt, die mit der Nutzung des Forschungsrahmenprogramms verbundenen Prozeduren zu vereinfachen, und er hat auch mit Befriedigung festgestellt, dass erste Maßnahmen dazu bereits im 7. FuE-Rahmenprogramm umgesetzt werden.

    3.3   Schlussfolgerungen des Rates. Dementsprechend begrüßt der Ausschuss auch die Schlussfolgerungen des Rates vom 28. Mai 2010 (2). Die weiteren Ausführungen und Empfehlungen des Ausschusses sollen auch dazu dienen, die dort angesprochenen Gesichtspunkte zu vertiefen und zu unterstützen.

    3.4   Grundsätzliche Zustimmung. Grundsätzlich begrüßt und unterstützt der Ausschuss demzufolge die Initiative der Kommission und die in der Mitteilung aufgezeigten Absichten und Optionen. Zahlreiche vorgeschlagene Maßnahmen sind geeignet, deutliche Verbesserungen herbeizuführen, und werden dementsprechend vom Ausschuss voll unterstützt. Dies gilt z.B. für die Straffung der Vorschlags- und Finanzhilfeverwaltung im Rahmen der bestehenden Regeln oder die breitere Akzeptanz der national anerkannten üblichen Buchführungs- und Rechnungslegungsverfahren der Zuwendungsempfänger. Damit werden jedoch zentrale Ursachen für die bestehende Komplexität noch nicht beseitigt, sondern lediglich abgemildert. Längerfristige Bemühungen sollten daher darauf abzielen, im Sinne des gemeinsamen Binnenmarktes und des Europäischen Forschungsraums auch die zentralen Ursachen der Problematik zu beseitigen.

    3.5   Wesentliche Ursache der bestehenden Komplexität. Ein zentrales Problem der EU-Forschungsförderung ist die zunehmende Diversifikation der EU-Programme und -Instrumente. Die gewachsenen Förderinstrumente und -programme haben zum Teil eigene, sehr unterschiedliche Förderregularien und -verfahren (wie JTI nach Art. 187, Initiativen nach Art. 185, EIT, ERA-Nets, PPP etc.). Dies führt zu einer steigenden Komplexität für die Zuwendungsempfänger. Hierdurch wird nicht nur die Effizienz der eingesetzten Mittel behindert, sondern auch die Attraktivität des Rahmenprogramms für die besten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Dies beeinträchtigt den Erfolg des Rahmenprogramms.

    3.5.1   Unterschiedliche Regelwerke der Mitgliedstaaten. Diese Komplexität wird noch verstärkt durch die zum Teil höchst unterschiedlichen Regelwerke der einzelnen Mitgliedstaaten und deren jeweilige nationale Zuwendungsgeber, die ja in den Förderprojekten eine wesentliche, häufig entscheidende Rolle spielen. Um die volle Bedeutung der Problematik zu erfassen, sei daran erinnert, dass bei nahezu allen von der Kommission geförderten Projekten (Ausnahme jene des Europäischen Forschungsrates ERC) eine Beteiligung von Forschern und Zuwendungsgebern aus mindestens drei Mitgliedstaaten (!) vorausgesetzt wird.

    3.6   Harmonisierung der Regelwerke. Der Ausschuss empfiehlt daher allen für den Aufbau des Europäischen Forschungsraums verantwortlichen Akteuren, diese Verschiedenheit und Vielfalt an rechtlich-administrativen und finanziellen Regeln im FuE-Rahmenprogramm zu reduzieren: Wir benötigen eine Harmonisierung/Vereinheitlichung und Reduzierung der die FuE-Rahmenprogramme betreffenden Regelwerke. Bewährte Förderinstrumente des Rahmenprogramms müssen identifiziert und kongruent fortgeführt werden. Für alle europäischen FuE-Fördermaßnahmen in Rahmenprogrammen muss ein einheitlicher Rechtsrahmen zur Anwendung kommen.

    3.7   Weiterführendes Ziel. Weiterführendes Ziel wäre allerdings, eine Vereinheitlichung der Förderinstrumente und Abrechnungsverfahren (siehe dazu auch Ziffer 4.1) nicht nur innerhalb des FuE-Rahmenprogramms selbst, sondern auch zwischen den Mitgliedstaaten untereinander und mit der Kommission anzustreben. Damit könnten auch einige der bekannten Hindernisse für mehr zwischenstaatliche Mobilität von Wissenschaftlern beseitigt werden. Insgesamt wäre dies ein wesentlicher Schritt, um den Europäischen Forschungsraum zu vollenden. Wenngleich gerade dieses wichtige Ziel heute noch als utopisch angesehen werden könnte, sollte es dennoch mit Geduld und Hartnäckigkeit, vielleicht auch nur schrittweise, angestrebt werden. Denn gerade dies zu erreichen wäre der wesentliche Schritt, um den Europäischen Forschungsraum zu vollenden.

    3.7.1   Pluralismus in der Forschung. Derartige Vereinheitlichungen dürfen allerdings keinesfalls dazu führen, den vom Ausschuss als notwendig erachteten Pluralismus von Methoden, Ansätzen und Themenwahl im Bereich der Forschung (3) einzuschränken. Pluralismus (in der Forschung) ist keine Verschwendung, sondern notwendiges Mittel zur Optimierung und Evolution bei der Suche nach neuem Wissen und Können sowie eine Conditio sine qua non für wissenschaftlichen Fortschritt.

    3.8   Balance zwischen Freiraum und Kontrolle. Grundsätzlich wird ein angemessenes Verhältnis zwischen Freiraum und Kontrolle benötigt. Dies betrifft sowohl die Ausgestaltung der Regeln selbst als auch deren Anwendung in der Praxis. Solange die Vereinfachung auf der Ebene der Regeln nicht erreicht ist, wird eine flexiblere und pragmatische Anwendung der Regeln in der Praxis umso dringlicher. Bei Anwendung und Auslegung der Regeln muss eine effiziente Projektabwicklung und Verwendung der Mittel gegenüber der Vermeidung jedes Fehlerrisikos Vorrang genießen. Die abstrakt formulierten Normen der Beteiligungsregeln und der Haushaltsordnung räumen dazu Ermessensspielräume ein. Diese sollten konsequent im Sinne einer optimalen Forschungsförderung und effizienten Mittelverwaltung genutzt werden. Der Ausschuss erinnert daher an seine früheren Empfehlungen, grundsätzlich mehr Entscheidungsspielraum der einzelnen Entscheidungsträger innerhalb der Kommission zuzulassen und damit verbunden auch eine höhere Toleranz gegenüber Fehlerrisiken zu gewähren. Die Furcht vor Fehlern oder Fehlverhalten Einzelner darf nicht zur Überregulierung und Lähmung Aller führen. Dies gilt gleichermaßen für die Arbeitsweise von Förderorganisationen und von Forschern.

    3.9   Vertrauensbasierter Ansatz. Festgestellte Fehler oder Irrtümer in der Abrechnung der Kosten sind meistens auf die Komplexität der Förderkriterien zurückzuführen und dienen in aller Regel keinem betrügerischen Zweck. Darum sollte deutlicher zwischen Fehlern, Irrtümern und Betrug unterschieden werden. Der Ausschuss empfiehlt daher dem Rat, dem Parlament und der Kommission, einen vertrauensbasierten Ansatz zu verfolgen und in den Mittelpunkt der europäischen Forschungsförderung zu stellen. In diesem Zusammenhang unterstützt der Ausschuss den Vorschlag der Kommission, das tolerierbare Fehlerrisiko für den Forschungsbereich zu erhöhen (4).

    3.10   Fachkundige und engagierte Beamte. Die Kommission benötigt für ihre Aufgaben bei der Durchführung des FuE-Rahmenprogramms fachkundige Beamte, deren jeweilige wissenschaftliche Fachkompetenz von der internationalen Wissenschafts-Gemeinschaft anerkannt wird (5). Deren Engagement für optimale Ergebnisse und eine effiziente Programmausführung darf darum nicht über Gebühr durch die angesichts der verwirrenden Komplexität durchaus nachvollziehbare Besorgnis vor möglichen Verfahrensfehlern und deren Folgen beeinträchtigt werden. Dies bedeutet aber auch, für entstandene Fehler nicht im Übermaß haften zu müssen. Auch aus diesem Grund sind Vereinfachung, Flexibilität und mehr Klarheit erforderlich.

    3.11   Transparenz als zusätzlicher Kontrollmechanismus. Der seitens des Ausschusses empfohlene und der Effizienz dienliche größere Entscheidungsspielraum der Entscheidungsträger innerhalb der Kommission birgt unvermeidlich auch das Potenzial für zusätzliche Irrtümer oder Begünstigungen. Da der Ausschuss jedoch immer darauf hingewiesen hat, dass auch in der Forschungsförderung vollständige Offenheit und Transparenz erforderlich sind, ergibt sich durch die informierte Nutzergemeinde und deren Reaktionen ein zusätzliches Korrektiv gegen potenzielle Fehlentwicklungen.

    3.12   Bedeutung von Kontinuität und Beständigkeit. Der Umgang mit derart komplexen Systemen erfordert einen schwierigen Lernprozess und den Erwerb von Routine; dies gilt sowohl für die Beamten der Kommission als auch für die potenziellen Zuwendungsempfänger, insbesondere auch für KMU, die es sich nicht leisten können, allein für diese Fragen eigene Rechtsabteilungen einzurichten. Verlässliche Kontinuität des Vorgehens erhöht daher nicht nur die Rechtssicherheit, sondern vereinfacht bereits inhärent den weiteren Umgang mit dem System. Also müssen alle beabsichtigten Änderungen, auch wenn sie der Vereinfachung dienen sollen, gegenüber dem Verlust an Kontinuität und Beständigkeit abgewogen werden: die beabsichtigte Vereinfachung muss einen deutlichen Mehrwert gegenüber dem Verlust an Kontinuität und Beständigkeit erbringen.

    3.13   Vereinfachung der wissenschaftlichen Antrags- und Begutachtungsprozeduren. Neben einer Vereinfachung der rechtlich-administrativen und finanziellen Regeln und Prozeduren (Ziffern 3.6 und 3.7) ist es aber genauso wichtig, auch die wissenschaftlichen und thematischen Antrags-, Begutachtungs- und Monitoringverfahren zu vereinfachen, um die überbordende Überregulierung und Vielfalt europäischer, nationaler, regionaler und institutioneller Berichtspflichten, Antragsverfahren, Begutachtungs- bzw. Evaluations- und Genehmigungsprozeduren etc. zu vereinfachen, ggf. zusammenzufassen und auf das unbedingt Notwendige zu reduzieren. Der Ausschuss bedauert, dass dieser Aspekt in der Mitteilung der Kommission überhaupt nicht erwähnt wird. Darum empfiehlt der Ausschuss erneut, die Kommission möge sich im Einvernehmen mit den Mitgliedstaaten und deren Repräsentanten darum bemühen, die vielfältigen, einander häufig auch noch überschneidenden Antrags-, Monitoring- und Evaluierungsprozeduren auf institutioneller, nationaler und europäischer Ebene zu harmonisieren und zusammenzufassen. Damit würde einem unnötigen Verschleiß an hochqualifizierten Forschern - generell an „Human Capital“ - entgegengewirkt. Während hierzu im Rahmen des 7. Rahmenprogramms bereits Fortschritte erzielt wurden, ist der größere Teil dieser Aufgabe noch ungelöst. In möglichen Lösungsansätzen ist darauf zu achten, dass eine angemessene Beteiligung der Mitgliedstaaten im Rahmen von Gremien und Ausschüssen am Förderentscheidungsprozess gewahrt bleibt.

    4.   Besondere Bemerkungen

    4.1   Abrechnungsverfahren der Mitgliedstaaten. Die von der Kommission vorgeschlagene „ breitere Akzeptanz gängiger Rechnungslegungsverfahren “ würde nach Meinung des Ausschusses tatsächlich zu einer deutlichen Vereinfachung führen. Dies gilt allerdings nur, falls damit tatsächlich gemeint sein sollte und vom Europäischen Rechnungshof auch anerkannt würde, dass in jedem Mitgliedstaat nach den dort für Forschungsförderung gültigen nationalen Förderregeln auch in den FuE-Rahmenprogrammen verfahren und abgerechnet werden kann. Der Ausschuss ist sich zwar bewusst, dass dies zu gewissen Ungleichbehandlungen führen kann, doch sollten diese zu Gunsten der gewonnenen Vereinfachung in Kauf genommen werden. Der Ausschuss empfiehlt daher mit Nachdruck, diesen Vorschlag der Kommission tatsächlich, effizient und uneingeschränkt für alle Kostenkategorien im Sinne der hier dargelegten Klarstellung umzusetzen.

    4.1.1   Erstattungsfähigkeit der Mehrwertsteuer. Bei bestimmten Forschungsvorhaben gehört auch die Mehrwertsteuer zu den anfallenden Kosten. Die Europäische Haushaltsordnung lässt zu, dass Mehrwertsteuer unter bestimmten Voraussetzungen als förderfähig anerkannt werden kann. In den meisten europäischen Förderprogrammen wird diese Regelung auch bereits umgesetzt. Der Ausschuss empfiehlt daher, zukünftig auch in den FuE-Rahmenprogrammen die Mehrwertsteuer als erstattungsfähige Kosten anzuerkennen.

    4.2   Begrenzung der Regelvielfalt. Eine Begrenzung der Regelvielfalt in den unterschiedlichen Programmen und Instrumenten erscheint dringend geboten (siehe auch Ziffer 3.6). Dennoch ist eine einzige Lösung für alle Zuwendungsempfänger nicht anzustreben, da ein solcher Ansatz den Belangen der verschiedensten Teilnehmenden an den FuE-Rahmenprogrammen auch unter Vereinfachungsaspekten nicht gerecht werden kann. Daher sollte zumindest die bestehende Unterscheidung der Organisationen erhalten bleiben. Der Ausschuss empfiehlt daher, den von der Kommission unter diesem Titel vorgeschlagenen einheitlichen Finanzierungssatz für alle Organisations- und Tätigkeitsarten nicht einzuführen.

    4.3   Versuchsballons zulassen. Die Begrenzung der Regelvielfalt und die Forderung nach Kontinuität und Beständigkeit der Regelwerke (siehe auch Ziffer 3.12) dürfen dennoch nicht zur Erstarrung des Systems führen. Neue Instrumente sollten aber zunächst als Versuchsballon zugelassen und erprobt werden, bevor darüber entschieden wird, sie ins reguläre Regelwerk zu überführen.

    4.4   Eindeutige Definitionen und Leitfäden - eine Gebrauchsanweisung. Gerade in komplexen Systemen ist eine klare und eindeutige Definition der Begriffe, Regelwerke, Verfahren und Prozesse entscheidend, um den Akteuren ein effizientes Vorgehen zu ermöglichen. Dies gilt auch für die rechtzeitige Verfügbarkeit verlässlicher von der Kommission erstellter Leitfäden und „Gebrauchsanweisungen“. Zum einen müssen die Leitfäden ausreichend Spielraum gewähren, um unterschiedliche Rahmenbedingungen der Zuwendungsempfänger angemessen zu berücksichtigen. Zum anderen müssen die Zuwendungsempfänger sich auf deren Aussagen verlassen können. Diese Forderung steht nicht in Widerspruch zur nötigen Flexibilität, sondern erlaubt es erst, sie voll zu nutzen. Gerade hier sieht der Ausschuss aber besondere Probleme mit dem letzten und geradezu revolutionären Teil der Vorschläge der Kommission (siehe Ziffer 4.8 weiter unten).

    4.5   Kohärente Audit-Strategie. Die zukünftige Audit-Strategie der Kommission ist ein wesentliches Element des Vereinfachungsprozesses (siehe auch Ziffer 3.9 und 4.1). Der Ausschuss empfiehlt daher, die Audit-Strategie mit dem Ziel einer Effizienzsteigerung des FuE-Rahmenprogramms und der Vereinfachung der administrativen Prozeduren neu zu definieren. An dieser Stelle müssten auch die Bedingungen klar dargelegt werden, nach denen die bestehenden Rechnungslegungsverfahren der Mitgliedstaaten inklusive der möglichen Abrechnung von Personalkosten-Durchschnittssätzen überprüft werden sollen.

    4.6   Mehr Pauschalbeträge im bestehenden kostenorientierten Konzept. Diesem Vorschlag der Kommission, der durchaus unterschiedliche Kostenarten betreffen kann, stimmt der Ausschuss grundsätzlich zu. Die Kommission sieht darin auch eine Möglichkeit, die Teilnahmebedingungen für KMU zu verbessern. Die Zustimmung des Ausschusses gilt allerdings mit der Einschränkung, dass Pauschalen die tatsächlichen Aufwendungen abdecken müssen, kein Feigenblatt für verminderten Förderumfang sein dürfen und immer nur optional angeboten werden.

    4.6.1   Tatsächliche Kosten als Grundlage der Berechnung der Pauschalbeträge. Grundsätzlich muss sich die Höhe der finanziellen Zuwendung - also auch der angebotenen Pauschalbeträge - an den tatsächlichen Kosten der Zuwendungsempfänger orientieren. Nur wenn die Förderung durch das FuE-Rahmenprogramm eine angemessene Höhe erreicht, ist es auch für die leistungsfähigsten Organisationen attraktiv, sich trotz des zu investierenden administrativen und sonstigen Aufwands an den europäischen Forschungsprogrammen zu beteiligen. Und nur dann können die in Wettbewerbsfähigkeit und Innovationsfähigkeit gesetzten Ziele voll erreicht werden.

    4.7   Robuste Software-Werkzeuge für das Projektmanagement. Der Einsatz von Web-basierten Systemen für den gesamten Ablauf eines Projekts von Antragsstellung bis Projektabschluss bietet ein großes Potenzial, um den administrativen Aufwand sowohl auf Seiten der Kommission als auch auf Seiten der Antragsteller spürbar zu verringern. Insoweit werden die Bemühungen der Kommission in diese Richtung nachdrücklich begrüßt. Allerdings müssen die von der Kommission erstellten und von den Antragstellern zu nutzenden Werkzeuge fehlerfrei zusammenarbeiten. Aber selbst wenn die im 7. Rahmenprogramm neu entwickelten Software-Werkzeuge die Abläufe innerhalb der Kommission erleichtern, darf dies nicht zu Lasten der Antragsteller gehen. Denn unausgereifte Software (z.B. NEF) und inkonsistente Dokumentenstrukturen (z.B. zwischen den Projektschritten) erzeugen bei allen Antragstellern zusätzlichen und überflüssigen Aufwand. Der Ausschuss empfiehlt, diesen Gesichtspunkt auf allen Projektschritten und Ebenen zu berücksichtigen und für die Zukunft noch mehr Ressourcen in die Weiterentwicklung der Software-Werkzeuge zu investieren.

    4.8   Übergang von kostenorientierter zu ergebnisorientierter Förderung. Die Kommission schlägt vor, als besonders neuartige Vereinfachung und alternatives Förderkonzept bereits im kommenden 8. Forschungsrahmenprogramm den Übergang von kostenorientierter zu ergebnisorientierter Förderung in Betracht zu ziehen. Da es primäre Aufgabe und Geisteshaltung jeglicher Forschungsförderung sein muss, neuartige Erkenntnisse zu gewinnen und Ergebnisse zu erzielen und dafür den besten und effizientesten Weg zu wählen, erscheint dieser Vorschlag auf den ersten Blick zunächst besonders attraktiv. Denn selbstverständlich sollten die Regelwerke und deren Anwendung genau dieser Aufgabe dienen und ihr untergeordnet werden.

    4.8.1   Vorerst Skepsis. Allerdings erscheint eine A-priori-Vereinbarung von konkreten Ergebnissen in einem Forschungsprojekt problematisch; sie weist Charakterzüge von Auftragsforschung auf. Damit sind nicht nur vergabe- und steuerrechtliche Probleme verbunden, sondern auch Fragen nach dem Verständnis von Forschung selbst. Was ist das Ergebnis von Grundlagenforschung? Darum steht der Ausschuss diesem Vorschlag solange skeptisch gegenüber, bis er anhand einer ausführlichen und klärenden Darlegung der Kommission objektiv beurteilen kann, was unter ergebnisorientierter Förderung konkret zu verstehen ist und welche Instrumente zur Anwendung kommen sollen. Der Ausschuss sieht sich in seiner Skepsis durch die vorsichtige Haltung der Kommission selbst bestätigt, die dazu ausführt: Ergebnisorientierte Konzepte erfordern eine sorgfältige Definition der Resultate auf Einzelprojektebene sowie eine eingehende Analyse zur Festlegung der Pauschalbeträge …. Der Ausschuss empfiehlt darum eine sehr sorgfältige und durchdachte Diskussion unter allen potenziellen Beteiligten, aus der zunächst auch eine klare weitere Mitteilung zur ergebnisorientierten Forschungsförderung hervorgehen sollte, bevor hierzu weitere konkrete Schritte eingeleitet werden.

    4.8.2   Machbarkeitsstudie und Definitionen. Aus den dargestellten Gründen würde der Ausschuss eine Machbarkeitsstudie (siehe auch Ziffer 4.3) zur ergebnisorientierten Förderung begrüßen, um deren konkrete Chancen, Risiken, Probleme und möglichen Vereinfachungspotenziale objektiv beurteilen zu können. Statt ergebnisorientierter Forschungsförderung wären vielleicht Begriffe wie „forschungsorientierte Projektförderung (6) (TRANS E science-based funding)“ oder „programmorientierte Forschungsförderung“ besser geeignet.

    4.8.3   Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse von KMU. Die Kopplung der Zuwendung an später zu erreichende, ungewisse Projektergebnisse könnte insbesondere für KMU problematisch sein. Sollte die Förderungszusage der Kommission mit einer erheblichen Unsicherheit belastet sein, könnte z.B. eine benötigte ergänzende Finanzierung schwer zu erlangen sein.

    Brüssel, den 15. September 2010

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Mario SEPI


    (1)  Siehe dazu auch KOM(2010) 261 endg.

    (2)  Rat der Europäischen Union 28. Mai 2010 - Schlussfolgerungen des Rates zu vereinfachten und effizienteren Programmen zur Unterstützung der europäischen Forschung und Innovation 10268/10.

    (3)  ABl. C 44 vom 16.2.2008, S. 1., Ziffern 1.10 und 3.14.1.

    (4)  Siehe dazu auch KOM(2010) 261 endg.

    (5)  Der Ausschuss verweist auf ABl. C 44 vom 16.2.2008, S. 1., wo unter Ziffer 1.12 bereits empfohlen wurde: „Der Ausschuss hält es für notwendig, dass in den Förderorganisationen, insbesondere auch in der Kommission, wissenschaftlich hervorragend ausgewiesene sachkundige Beamte mitwirken, die mit dem jeweils betreffenden Fachgebiet, dessen Besonderheiten und seiner speziellen ‚Community‘ bestens und längerfristig vertraut sind und bleiben (regelmäßige Job-Rotation ist dazu kontraproduktiv!)“.

    (6)  Vorschlag der informellen Arbeitsgruppe ‚Implementation FP7‘ unter dem Vorsitz von Herbert Reul (MEP).


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