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Έγγραφο 52007AE1711

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Die Solidarität zwischen den Generationen fördern KOM(2007) 244 endg.

ABl. C 120 vom 16.5.2008, σ. 66 έως 72 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

16.5.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 120/66


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Die Solidarität zwischen den Generationen fördern

KOM(2007) 244 endg.

(2008/C 120/16)

Die Europäische Kommission beschloss am 20. Juni 2007, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen

„Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Euro-päischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Die Solidarität zwischen den Generationen fördern“

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 14. November 2007 an. Berichterstatter war Herr JAHIER.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 440. Plenartagung am 12./13. Dezember 2007 (Sitzung vom 13. Dezember) mit 106 gegen 21 Stimmen bei 28 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung

1.1

Das Prinzip der Solidarität zwischen den Generationen ist ein Strukturelement des europäischen Sozialmodells; die Auswirkungen der demografischen Ungleichgewichte machen ein neues Engagement und neue Lösungen erforderlich, die mithilfe neuer und notwendiger Finanzgleichgewichte die Stärkung dieses Solidaritätsprinzips ermöglichen. Sein Fortbestand setzt voraus, dass die staatlichen Behörden und an vorderster Front sämtliche soziale Akteure auf den verschiedenen Ebenen aktiv werden, damit hochwertige Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse für Familien, junge Menschen und hilfsbedürftige Personen und die Nachhaltigkeit der Renten- und sozialen Sicherheitssysteme gewährleistet werden können.

1.2

Zu diesem Themenkomplex und insbesondere zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, zur Förderung der Chancengleichheit und zur Förderung der Beschäftigung unter besonderer Berücksichtigung der Erwerbstätigkeit von Frauen hat sich der EWSA unlängst detailliert in einer Reihe von Stellungnahmen geäußert (1), deren Empfehlungen in dieser Stellungnahme uneingeschränkt aufgegriffen und sowohl im Analyse- als auch im Vorschlagsteil bekräftigt werden.

1.3

Obwohl die Mitteilung der Kommission die Überschrift „Die Solidarität zwischen den Generationen fördern“ trägt, geht es inhaltlich im Wesentlichen um das Thema Familie, auch in Bezug auf die neue Initiative „Europäische Allianz für Familien“, die unlängst vom Europäischen Rat in die Wege geleitet wurde. Mit dieser derzeit gemeinschaftsweit laufenden Initiative wird in der Tat nach einer langen Unterbrechung dem Thema Familie mit entsprechenden Maßnahmen wieder besonderes Augenmerk geschenkt und sie ist, wie es in der Mitteilung der Kommission heißt, „die erste Stufe einer europäischen Antwort auf die Herausforderungen des demografischen Wandels“. Daher befasst sich auch diese Stellungnahme hauptsächlich mit diesen Themen.

1.4

Mit der 1983 zur europäischen Familienpolitik verabschiedeten Entschließung des Europäischen Parlaments wurde diesem Thema erstmals europaweit eine Öffentlichkeitswirkung zuteil, und die Entschließung bereitete auch den Boden dafür, dass im folgenden Jahr eine Haushaltslinie für die Familienförderung geschaffen wurde.

1.5

1989 wurde die erste Ratssitzung der Familienminister abgehalten, in der einige wichtige Maßnahmen auf der Grundlage der Vorschläge der Europäischen Kommission verabschiedet wurden. So wurde z. B. die Kommission ersucht, eine europäische Beobachtungsstelle zur sozialen Situation, Demografie und Familie — heute Europäische Beobachtungsstelle zur Demografie und sozialen Situation — und eine hochrangige Gruppe leitender Regierungsbeamter für Familienfragen einzurichten. Schließlich setzte die Kommission eine dienststellenübergreifende Gruppe zur familienpolitischen Dimension der einzelnen Gemeinschaftspolitiken ein. Bei dieser Gelegenheit beschloss der Rat auch die Institutionalisierung der Kontakte zu den Familienorganisationen und der Interfraktionellen Gruppe „Familie und Kinderschutz“ des Europäischen Parlaments.

1.6

In den Jahren 1994, 1999 und 2004 verabschiedete das Parlament neue Entschließungen und 1988 wurde die Interfraktionelle Gruppe „Familie“ eingesetzt.

1.7

Die Krise der Haushaltslinien und ihrer Rechtsgrundlage hat 1998 leider auch dazu geführt, dass die Linie für die Familienförderung gestrichen wurde.

1.8

In der zu erörternden Mitteilung werden die Überlegungen weiter geführt, welche die Kommission zum Thema Demografie mit dem Grünbuch zum demografischen Wandel (2) im Jahr 2005 eingeleitet und mit der Mitteilung „Die demografische Zukunft EuropasVon der Herausforderung zur Chance (3) weiter entwickelt hat. Außerdem fügt sie sich in eine umfassendere institutionelle Aktionslinie, die vom deutschen Ratsvorsitz mit den Schlussfolgerungen aus der Frühjahrstagung des Europäischen Rates eingeleitet und mit den Schlussfolgerungen des Ministerrates zur Allianz für Familien vom 30. Mai 2007 abgeschlossen wurde, welche anschließend in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 21./22. Juni 2007 noch einmal aufgegriffen wurden.

1.9

In der Mitteilung wird betont, dass es in Europa im Wesentlichen drei Arten familienpolitischer Maßnahmen gibt: Erstattung der direkten und indirekten familienbezogenen Kosten; Hilfsleistungen für Eltern bei der Erziehung und Betreuung von Kleinkindern und bei der Pflege hilfsbedürftiger Personen; Anpassung der Arbeits- und Beschäftigungszeiten bzw. -bedingungen und der Gestaltung des Zugangs zu Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse auf lokaler Ebene. Diese Dimensionen haben sich entsprechend den politischen Weichenstellungen und Zielsetzungen in den einzelnen Mitgliedstaaten auf sehr unterschiedliche Weise entwickelt. Auch wenn die Kommission schwer sagen kann, welche Politik am effizientesten ist, betont sie gleichwohl, dass es einigen Staaten (den skandinavischen) gelungen sei, ein politisches Maßnahmenbündel zu schnüren, mit dem die Vereinbarkeit von Arbeits- und Familienleben und die Gleichberechtigung von Mann und Frau gefördert wird und gleichzeitig Anreize für höhere Geburtenraten und eine hohe Frauenerwerbsquote geboten werden.

1.10

Auch wenn die Familienpolitik im engeren Sinne ausschließlich in die Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten fällt, weist die Kommission darauf hin, dass die Europäische Union sich stets bemüht habe, die Familiendimension und die Lebensqualität der Familienmitglieder in ihrem politischen Handeln zu berücksichtigen. Davon abgesehen ist die Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben zu einem der Schwerpunkte der EU-Beschäftigungspolitik im Rahmen der Lissabon-Strategie geworden.

1.11

Die Kommission skizziert in ihrer Mitteilung die Wesenszüge der Europäischen Allianz für Familien und die Gemeinschaftsmaßnahmen zur Unterstützung dieser Initiative. Insbesondere ist geplant, eine hochrangige Gruppe von Regierungssachverständigen für Fragen der Demografie einzusetzen, Foren und europäische, aber auch nationale, regionale und lokale Netze zu schaffen, eine Beobachtungsstelle für bewährte Verfahren bei der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen einzurichten und ein Forschungsinstrumentarium vorzusehen, das insbesondere auf das 7. Rahmenprogramm ausgerichtet ist. Schließlich möchte die Kommission die europäischen Strukturfonds zur Förderung der Chancengleichheit und der Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben mobilisieren.

2.   Fakten und Herausforderungen

2.1.1

Das Thema Solidarität zwischen den Generationen ist sicherlich sehr weitläufig und komplex und ist im Zusammenhang mit den vielfältigen Herausforderungen zu sehen, die sich im Zuge der verschiedenen sozialen, wirtschaftlichen und internationalen Veränderungsprozesse stellen und nachhaltige Auswirkungen auf die Zukunft der Unionsbürger haben, insbesondere auf die Arbeitsbedingungen und die sozialen Bedingungen. Zu diesen Herausforderungen gehört eben u. a. auch die Alterung der Bevölkerung. Der Mitteilung der Kommission zufolge erscheint die Lissabon-Strategie als Ausgangspunkt für die Modernisierung der Familienpolitik durch die Förderung von Chancengleichheit und vor allem durch die Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, was die Beteiligung der Frauen am Arbeitsmarkt verbessert. Diese Vereinbarkeit wird auch in den integrierten Leitlinien für Wachstum und Beschäftigung betont, denen zufolge die Beschäftigungspolitik so auszurichten ist, dass sie an die Gegebenheiten des Familienlebens und dessen Wandel in den verschiedenen Phasen angepasst wird. Die Methode der offenen Koordinierung, die für die Verbesserung des sozialen Schutzes und der sozialen Integration angewandt wird, konzentriert sich auf die Verbesserung der Situation armer Kinder und ihrer Familien durch Förderung der langfristigen Pflege von Pflegebedürftigen und Maßnahmen zur Modernisierung der Pensionssysteme.

2.1.2

Die Begegnung zwischen den Generationen, die in der Familie stattfindet und sich dort entwickelt, ist auch für Europa mittlerweile eine Herausforderung von immenser Tragweite. Die Familie ist der Rahmen, in dem die Geschlechter- und Generationensolidarität auf natürliche Weise gelebt wird. Die gesellschaftlichen Veränderungen haben zu ganz unterschiedlichen Familienstrukturen geführt. Bei der Planung von Maßnahmen müssen somit alle verschiedenen Familiensituationen im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip und der einzelstaatlichen Rechtsprechung (4) berücksichtigt werden.

2.1.3

Die jüngsten Berichte über die soziale und demografische Lage belegen, dass die Zahl der Familien in den einzelnen Ländern steigt, während die Größe der Familien zurückgeht. Gleichzeitig ändert sich die Familienstruktur sehr viel schneller als früher, weil die Zahl der Eheschließungen rückläufig ist (von 8 pro 1 000 Einwohner in den 1960er Jahren auf 5,1 pro 1 000 Einwohner in 1999), das Heiratsalter steigt ebenso wie die Zahl der Trennungen und Scheidungen, die Zahl allein stehender Menschen und außerehelicher Kinder. Unionsweit ist die Zahl der Kinder, die mit nur einem Elternteil leben, seit 1983 um 50 % gestiegen — auf derzeit 13 % aller EU-Kinder (mit einem Spitzenwert von 25 % in Großbritannien) (5). Immer mehr Kinder leben in Patchwork-Familien, zu denen mehrere Großeltern und Geschwister aus den früheren Familien der Eltern gehören; die Adoption von nicht-europäischen Kindern nimmt zu, und durch die Zuwanderung sind neue Familienkulturen in Erscheinung getreten.

2.1.4

In Europa liegt die Geburtenrate derzeit bei rund 1,45 Kinder pro Frau und somit weit unter der für eine demografische Erneuerung erforderlichen Quote. Am niedrigsten sind die Geburtenquoten in den Mittelmeerländern und in Osteuropa. Der Geburtenrückgang ist ein in der Europäischen Union nahezu universelles Problem; seit den 1960er Jahren ist die Geburtenrate um über 45 % gesunken.

2.1.5

Aus diesem Grund gibt es in unserer Gesellschaft immer weniger Jugendliche und Kinder und immer mehr Rentner und alte Menschen im Allgemeinen. 1950 waren 40 % der Bevölkerung in der EU-25 unter 25 Jahre alt. Im Jahr 2000 waren es nur noch 30 % und 2025 werden es noch 25 % sein. Hingegen war 1950 nur eine von 10 Personen über 65 Jahre alt, während im Jahr 2000 es schon eine von 6 war und es 2025 wohl eine von 4 sein dürfte. Hinter diesen Zahlen verbergen sich tiefgreifende Veränderungen in der Struktur des Konsums, des Wohnungsbedarfs und der Pflegebedürftigkeit, in den gesellschaftlichen Verhaltensweisen und schließlich auch in den Prioritäten der staatlichen Politik.

2.1.6

Dank der in Europa bestehenden verschiedenen Modelle sozialer Sicherheit, der besseren Arbeitsbedingungen und der medizinischen Fortschritte kann heute natürlich die Mehrheit der älteren Menschen mit einer weitaus höheren Lebenserwartung und einem relativ soliden Einkommen rechnen. Gleichwohl gibt es Fälle schwerer Armut, von der mindestens 1/6 der Frauen im Alter von über 65 Jahren und insgesamt rund ein Viertel der allein lebenden alten Menschen betroffen sind (6). Armut und Marginalisierung älter Frauen sind allgemein die Folge einer schwachen oder nicht vorhandenen Erwerbsbiographie. Diese Situation verschärft sich selbstverständlich für die über 70- bzw. über 80-Jährigen, wodurch die Belastung für die Familien immer größer wird, sofern es dem öffentlichen Sozial- und Pflegedienstleistungssystem nicht gelingt, ausreichende Dienstleistungen bereit zu stellen.

2.2

Laut Eurobarometer (7) erachten 97 % der Unionsbürger die Familie als einen der wichtigsten Aspekte ihres Lebens, gleich nach der Gesundheit. Diese positive Einstellung der Europäer wird noch deutlicher, wenn sie sich zu ihrer Zukunft äußern sollen (8). Die Bedeutung der Familie wird offenbar, wenn man Hilfe braucht: 70 % der Befragten geben an, dass sie sich an den Partner wenden, während sich 25 % an ein anderes Familienmitglied wenden, insbesondere im Krankheitsfall (88 %) und wenn sie einen Rat (78 %) oder Geld (68 %) brauchen.

2.3

In Europa leben die Familien in zunehmendem Maße am Stadtrand. Hinter diesem Modell verbergen sich jedoch starke altersbezogene Unterschiede: sehr alte und junge Menschen wohnen lieber im Stadtzentrum, während Familien mit Kindern und Menschen im Ruhestandsalter eher dazu neigen, sich in kleinen Ortschaften niederzulassen. Die je nach Altersgruppe unterschiedliche Wahl des Wohnortes dürfte neue Probleme schaffen in Bezug auf die Verwaltung der Dienstleistungen und den sozialen Zusammenhalt in den Großstädten; dieses Phänomen wird auch durch die Migrationsströme verschärft, die in der Regel in den Städten stärker sind, in denen größerer Bedarf an Arbeitskräften besteht.

2.4

Was das Alter der Bevölkerung betrifft, so ist der Anteil der europäischen Bevölkerung im Alter von über 65 Jahren gestiegen und lag 2005 bei 17,2 % (EU-15). Frauen machen aufgrund ihrer höheren Lebenserwartung den größten Anteil der wachsenden Gruppe älterer Menschen aus; in allen EU-Staaten sind über 50 % der über 65-Jährigen Frauen.

2.5

Von der Armut sind rund 72 Millionen Menschen in der EU-25 (also 15 %) betroffen und 26 Millionen leben an der Schwelle zur Armutsgrenze (9). Davon sind rund 12 Millionen ältere Menschen; 9 % der EU-Bevölkerung hat in zwei der letzten drei eigenen Lebensjahre in einer Familie mit Niedrigeinkommen gelebt; das Armutsrisiko ist in kinderreichen Familien höher. Rund 20 % der 94 Millionen jungen Menschen im Alter von unter 18 Jahren sind in Europa durch Armut bedroht, und in den letzten drei Jahrzehnten ist die Armutsquote bei Kindern in allen Unionsstaaten gestiegen und liegt heute über der Armutsquote der Gesamtbevölkerung; besonders schwer betroffen sind Alleinerziehende, Familien, die unter Langzeitarbeitslosigkeit oder Unterbeschäftigung leiden, und Großfamilien. Kinder armer Familien müssen mit Entbehrungen und starken Benachteiligungen leben und haben größere Gesundheitsprobleme, was zu schlechten Ergebnissen in der Schule führt und hohe soziale, wirtschaftliche und politische Kosten in der Zukunft verursachen wird. Eine derartige Gleichgültigkeit gegenüber den Kinderrechten ist ein Nährboden für Kinderkriminalität, Ausbeutung von Kindern und Kinderhandel.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Allen oben genannten Tatsachen zum Trotz haben sich die EU-Institutionen bislang sehr schwer getan, die Familie als eine soziale Struktur zu betrachten, die eine wesentliche Rolle in der modernen Gesellschaft spielt und daher mehr Aufmerksamkeit von Seiten der Union verdient.

3.2

Obgleich das internationale und europäische Panorama reich an offiziellen Erklärungen der verschiedensten öffentlichen Institutionen ist, in denen der Familie eine grundlegende Rolle in der Gesellschaft zuerkannt wird, scheint Europa die Familie bislang noch nicht in seine konkreten Prioritäten aufgenommen zu haben, die im Wesentlichen auf zwei Pfeilern beruhen: einerseits die Kräfte des freien Marktes und des Wettbewerbs und andererseits die Chancengleichheit für alle Bürger. Der Bezug auf diese zwei Pfeiler wird z. B. in der Lissabon-Strategie und in der Sozialpolitischen Agenda 2005-2010 deutlich.

3.3

Im Allgemeinen behandelt die Europäische Kommission das Thema Familie aus Sicht der Sozial-, der Beschäftigungs- und der Chancengleichheitspolitik (10). In der Regel ist der Begriff Familie jedoch in vielen Dokumenten, die sich mit Jugendfragen, Rechten der Kinder, Ausbildungsfragen u. a. befassen, kaum zu finden und die Herangehensweise orientiert sich in erster Linie an den Rechten des Einzelnen, also an der Person als Wirtschaftssubjekt. Nur ganz selten wird diese in ihrem Beziehungsgefüge betrachtet, das sie zunächst als Teil einer Familie und als Mittelpunkt eines Systems sozialer Beziehungen anerkennt, während die Familie auch weiterhin vorwiegend die Aufgabe hat, den Entwicklungsprozess eines Menschen zu fördern und seine Aufnahme in die Gesellschaft und die Welt der Arbeit zu begleiten; sehr häufig ist die Familie auch dazu da, den Menschen im Krankheitsfall oder in vorübergehenden oder anhaltenden Phasen eingeschränkter Bewegungsfähigkeit und Pflegebedürftigkeit zu betreuen. Die seitens der öffentlichen Einrichtungen, des privaten oder sozialwirtschaftlichen Marktes angeboten Dienste bleiben von grundlegender Bedeutung, und zwar vor allem bei der Herstellung der Vereinbarkeit von Arbeits- und Familienleben, bei der Bekämpfung von Familienarmut und Arbeitslosigkeit sowie bei der Unterstützung von Familien, die mit Krankheiten, Suchtmittelmissbrauch, Erziehungsproblemen und häuslicher Gewalt kämpfen. Diese Dienste alleine reichen aber nicht aus, um die emotionalen und affektiven Bedürfnisse der pflegebedürftigen und pflegenden Person zu befriedigen (11).

3.4

Die seitens der Unionsbürger wachsende Forderung nach Aufmerksamkeit für die Familie scheint gleichwohl beim deutschen EU-Ratsvorsitz auf positives Echo gestoßen zu sein: dementsprechend hat er eine „große Allianz“ zwischen den Institutionen vorgeschlagen, um koordinierte Politiken zu fördern, mit denen der Geburtenrückgang und die Zunahme der Zahl älterer Menschen ausgeglichen werden können. In den letzten zwei Jahren ist offenbar ein Ruck durch alle EU-Institutionen gegangen, der sich an einer systematischeren, strategischen und weitsichtigen Herangehensweise ablesen lässt, die folglich mehr Wirkungskraft entfalten kann.

3.5

Dies wird sichtbar an den wichtigen Bestimmungen zur Familie in der Grundrechtecharta der Europäischen Union (12). Gleichwohl wäre es wünschenswert gewesen, wenn bei der Überarbeitung der EU-Verträge in Artikel 3 betreffend die Ziele der Europäischen Union ein ausdrücklicher Verweis auf die „Unterstützung des Familienlebens“ aufgenommen worden wäre.

3.6

Der EWSA begrüßt die Mitteilung der Kommission, in der ein konkreter Maßnahmenplan vorgeschlagen wird, um der Allianz für Familien Gestalt zu verleihen. Dieser stellt eine konstruktive Arbeitsgrundlage dar, die verschiedene Leitlinien umfasst, die vom EWSA und ganz allgemein in der Debatte der letzten Jahre bereits formuliert wurden in dem Bestreben, die Herausforderungen des demografischen Wandels zu bewältigen, die Zusammenarbeit und die Partnerschaft der verschiedenen Akteure zu unterstützen, zu einer besseren Antwort auf die Bedürfnisse der Familien bei der Betreuung von Kindern und anderen hilfsbedürftigen Familienangehörigen zu ermutigen, und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern, und zwar auch durch umfassende Investitionen in ein hochwertiges Dienstleistungssystem für Kinder und Familien; auf diese Weise wird auch ein Beitrag zu einer neuen und tragfähigeren Solidarität zwischen den Generationen geleistet.

3.7

Gleichwohl ist es weiterhin bedauernswert, dass aufgrund der fehlenden Unterstützung einiger Mitgliedstaaten in diesem Bereich nicht die Methode der offenen Koordinierung zur Anwendung kommen konnte, die der Allianz eine größere strategische und strukturelle Prägnanz verliehen hätte. Der EWSA räumt jedoch ein, dass diese Mitteilung Möglichkeiten für die Entwicklung einer spezifischen Plattform bietet, die etwaigen weiteren Entwicklungen auf der Grundlage einer expliziteren Koordinierung nicht im Wege stehen.

3.8

In jedem Fall wird man in Zukunft darauf achten müssen, dass nach dem entscheidenden Impuls des deutschen Ratsvorsitzes dieser neue Arbeitsbereich nicht ins Abseits gerät. Im Rahmen der neuerdings wachsenden Aufmerksamkeit, die die EU-Gremien den Sozialfragen und dem Wohlbefinden der Bürger widmen, rückt auch die Familie allmählich ins Rampenlicht und es werden entsprechende Überlegungen angestellt und Maßnahmen beschlossen. Diese erste und noch zaghafte Öffnung muss Zug um Zug verstärkt und erweitert werden mit Hilfe eines detaillierten Arbeitsplans, der mit dem für 2010 geplanten 3. europäischen Demografieforum zum Abschluss gebracht werden sollte.

3.9

Im Allgemeinen geht es darum, den praktischen und substantiellen Beitrag, den die Familien weiterhin zu unserer Gesellschaft und zur konkreten Betreuung von Menschen aller Altersgruppen leisten, in der Praxis anzuerkennen; unter diesem Blickwinkel sollte auch sowohl der soziale und wirtschaftliche Nutzen als auch der etwaige unhaltbare Anstieg der Kosten insbesondere für Gesundheitsdienste berücksichtigt werden, wenn die Familie bei der Wahrnehmung ihrer Rolle nicht angemessen unterstützt und gefördert wird.

3.10

In diesem Sinne spielen die Sozialpartner auf den verschiedenen Ebenen bereits eine entscheidende Rolle. Im Rahmen ihres ersten gemeinsamen Arbeitsprogramms 2003-2006 haben die europäischen Sozialpartner ein Raster für Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit vorgelegt mit besonderer Bezugnahme auf die Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben und auf alle damit zusammenhängenden Aspekte. Ihr zweites Programm 2006-2008 basiert auf einer umfassenden Analyse der wichtigsten Herausforderungen des Arbeitsmarktes (13). Der EWSA möchte die Sozialpartner ermutigen, hier weiter am Ball zu bleiben.

3.11

Auch und stärker berücksichtigt werden muss die strukturelle Dimension der Rolle, welche die Familie für die Herstellung und Reproduktion des sozialen und Beziehungskapitals spielt, das in zunehmendem Maße als für das Wohlergehen der einzelnen Bürger und der Gesellschaft insgesamt ausschlaggebend gilt. Die Zeit, die Kindern und der Familie gewidmet wird, ist sicherlich Zeit, die der beruflichen Karriere abgeht, aber sie ist auch eine Investition in die Betreuung oder die Ausbildung von Personen und somit anzuerkennen und stärker zu honorieren: so sollte über die Möglichkeit nachgedacht werden, die bereits bestehenden Maßnahmen (Geldleistungen, Steuervergünstigungen, Elternurlaub u. a.) zu flankieren mit irgendeiner Art der Anrechnung der für die Betreuung hilfsbedürftiger Familienmitglieder aufgewandten Zeit auf die Rente (14); auf diese Weise wird vermieden, dass die Solidarität zwischen den Generationen eine späte Schuld verursacht (in Form unangemessener Renten und folglich eines höheren Armutsrisikos), die vor allem auf den Frauen lastet.

3.12

So muss auch der Aspekt der unentgeltlichen Aufwendung von Zeit berücksichtigt werden, die schwer verrechenbar und somit häufig unsichtbar ist, die aber maßgeblichen Einfluss auf die Qualität des Lebens in der Gesellschaft hat, die von den meisten Menschen in zunehmendem Maße angestrebt und geschätzt wird.

3.13

Vor diesem Hintergrund erweist sich eine andere, d. h. ausdrückliche und positive, soziale Wertschätzung dieser strukturellen und grundlegenden Dimension der Menschen und ursprünglichen und generativen Form der sozialen Bindung als notwendig, welche die optimale Entwicklung und Anpassung all der anderen Rahmenbedingungen und Dienstleistungen begleiten sollte, sodass es den Menschen ermöglicht wird, ihre Lebenspläne für eine eigene Familiengründung zu verwirklichen, so viele Kinder zu haben, wie sie möchten und sich ihrer Angehörigen unbeschwert anzunehmen.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1

Die Kommission zeigt in ihrer Mitteilung bereits einige positive und in ihren Zielsetzungen und ersten Anwendungen gut strukturierte Handlungslinien auf (wie z. B. die Einsetzung der hochrangigen Gruppe von Regierungssachverständigen für Fragen der Demografie). Der EWSA unterstützt diese Handlungslinien, ermutigt zu ihrem Ausbau und plädiert dafür, dass für sie kontinuierlich und angemessen Werbung gemacht und über die Fortschritte flächendeckend informiert wird, um auf diese Weise eine möglichst große Beteiligung sicherzustellen.

4.2

Was die begrüßenswerte Beteiligung der lokalen und regionalen Akteure betrifft, die angesichts der immer wichtigeren und zentraleren Rolle dieser Institutionen bei der Bereitstellung von Sozialdienstleistungen und der Durchführung aussagekräftiger Pilotprojekte von besonderer Bedeutung ist, scheint es sinnvoll, nicht nur die Veranstaltung regionaler und lokaler Foren zu fördern, sondern auch die Kommission aufzufordern, eine proaktive Rolle zu übernehmen und in Absprache mit den betroffenen Akteuren eine detaillierte Aufstellung von Foren und Initiativen in sämtlichen EU-Staaten vorzulegen und zu fördern, um ein Höchstmaß an Beteiligung an diesem Prozess zu gewährleisten.

4.3

Der EWSA befürwortet die Einrichtung einer Beobachtungsstelle für bewährte Verfahren auf familienpolitischem Gebiet bei der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen und empfiehlt, dass dies im Rahmen einer engen Konsultation der zivilgesellschaftlichen Akteure, insbesondere der Familienverbände, in den einzelnen Phasen dieses Prozesses erfolgt, also sowohl bei der Ermittlung dieser bewährten Verfahren als auch in punktuelle Diskussionen und Reflexionsprozessen.

4.4

Außerdem wird man darauf achten müssen, dass sich diese Beobachtungsstelle nicht nur auf Familienfragen im Zusammenhang mit dem Berufsleben konzentriert, sondern vielmehr so ausgerichtet ist, dass sie punktuell die Bedürfnisse der Familie und der Generationen ermitteln kann ebenso wie das entsprechende Angebot und die Ausgaben für den Schutz und die Förderung der Entwicklung neuer Solidaritäten zwischen den Generationen. Auf diese Weise würde ein Beitrag geleistet werden zur Veranschaulichung der heute in den EU-Staaten bestehenden Infrastrukturen der sozialen Bürgerschaft (15).

4.5

Im Hinblick auf die Forschung empfiehlt der EWSA zusätzlich folgende spezifische Aktionsschwerpunkte:

Rolle und Auswirkungen der Fiskalpolitik (sowohl in Bezug auf die Transferleistungen als auch auf die Steuervergünstigungen), die in den einzelnen Mitgliedstaaten zur Förderung bzw. zum Nachteil der Familien, insbesondere in Bezug auf Kinder (Geburt, Betreuung, Erziehung) und pflegebedürftige Erwachsene, praktiziert wird; Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Frauenerwerbstätigkeit und eine gerechtere Verteilung der familiären Pflichten zwischen Mann und Frau;

die Politiken und Maßnahmen im Bereich des aktiven Seniorenalters in Anbetracht der Tatsache, dass die Phase zwischen Pensionsalter und krankheits- oder altersbedingter Pflegebedürftigkeit immer größer wird — auch mit Blick auf die Zunahme von Initiativen und Maßnahmen zur Förderung des gemeinnützigen sozialen und kulturellen Engagements älterer Menschen, welches die Qualität des sozialen Kapitals insgesamt steigert;

die Darstellung des Lebenszyklus um herauszufinden, ob es bei dem derzeitigen vertikalen Verlauf der durchschnittlichen Biografien (16) nicht denkbar wäre, eine flexiblere und abwechslungsreichere Struktur zu finden, bei der die Investitionen in die Familie, die Auszeiten für die Betreuung von Kindern oder anderer pflegebedürftiger Personen oder zur eigenen Weiterbildung nicht mehr als eine glückliche Ausnahme gelten oder nicht unweigerlich eine berufliche Benachteiligung, vor allem für die Frauen, nach sich ziehen, sondern Zug um Zug zu einer normalen und gewöhnlichen Lebensbedingung für die meisten Männer und Frauen werden, die das wünschen (17);

gleichzeitig muss der Tatsache Rechnung getragen werden, dass die oben erwähnte beträchtliche Zunahme von Einelternfamilien zu Einsamkeit im Alter führen kann, verbunden mit einer schweren Belastung durch die zwangsläufigen Ausgaben. Eine mobile Struktur des Lebenszyklus könnte sich nachteilig auf das Lebensniveau dieser Menschen auswirken. Auch sollte untersucht werden, welche Maßnahmen zu ergreifen sind, damit die Höhe der Renten jedem ein würdiges Lebensniveau sichern kann. Dabei sollte ferner die Individualisierung der Renten unter den Familienmitgliedern als Perspektive beleuchtet werden;

die gesellschaftlichen Auswirkungen und die Kosten der Kinderarmut (einschließlich Kinderhandel und Gewalt gegen Kinder); Unterstützung der Familien im Fall von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Suchtmittelmissbrauch, psychischen Problemen, häuslicher Gewalt und Erziehungsproblemen; die Hindernisse, die jungen Menschen beiderlei Geschlechts bei der selbstständigen Lebensführung und der Familiengründung im Wege stehen.

4.6

Ferner gibt es zwei noch wenig erforschte Bereiche, denen die Kommission nach Ansicht des EWSA im Rahmen dieser Strategie mehr Aufmerksamkeit widmen sollte:

Die Wohnungspolitik, die bislang im Wesentlichen im Rahmen eines Lebenszyklus konzipiert wurde, in dem die Phase der Berufstätigkeit absolut dominant war — das scheint heute überholt zu sein (18). Dies gilt insbesondere für den sozialen Wohnungsbau, weil es immer mehr Tagesmütter gibt und weil viele hilfsbedürftige Personen das Recht und die konkrete Möglichkeit haben müssen, zuhause zu leben;

die Situation behinderter bzw. in ihrer Selbständigkeit stark eingeschränkter Menschen, die häufig alleine oder bei ihren Angehörigen leben, was eine Herausforderung darstellt nicht nur für die Einführung derartiger Dienste und Produkte, die das selbstständige Leben dieser Menschen in der eigenen Wohnung unterstützen, sondern auch für die Einsamkeit der Einzelnen und der Familien, die erst zu Tage tritt, wenn es zu sozialen Tragödien kommt.

4.7

Besondere Aufmerksamkeit verdient ein Vorschlag, den ein breit gefächerter Zusammenschluss von Familienverbänden auf europäischer Ebene (19)den verschiedenen EU-Institutionen unterbreitet hat. Darin wird die Überarbeitung der MwSt-Sätze auf Babyartikel gefordert, angefangen bei Windeln. Die Kommission hat sich diesbezüglich bereits am 19. Juli 2006 politisch verpflichtet, einen Vorschlag zur Überarbeitung der 6. Richtlinie und insbesondere des Anhangs H der Richtlinie 2006/112/EG zu unterbreiten, in dem die Produkte und Dienstleistungen aufgelistet sind, für die die Mitgliedstaaten ggf. einen ermäßigten Mindestsatz von 5 % anwenden dürfen (20). Die Kosten für diese Artikel wirken sich in der Regel erheblich auf das Budget der in Europa lebenden Familien aus. Der EWSA unterstützt diesen Vorschlag, mit dem ganz konkret und im Rahmen der Zuständigkeit der Europäischen Union die Mitgliedstaaten ermutigt werden könnten, die Familien in jeder Hinsicht finanziell zu unterstützen.

4.8

Abschließend ist es sinnvoll, auf zwei weitere spezifische Aktionslinien zu verweisen:

Die Konzeption eines genaueren Family mainstreaming in den verschiedenen EU-Politiken, um erstens die Auswirkungen der einzelnen Maßnahmen auf die Familien und zweitens die Familiendimension innerhalb der verschiedenen sozialen und wirtschaftlichen Handlungsbereiche der Union systematisch zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang sollte die Kommission nach Ansicht des EWSA die 1989 eingesetzte, aber dann nicht weiter aktive dienstübergreifende Arbeitsgruppe zu neuem Leben erwecken, die ihr eine bessere Koordinierung ihrer einschlägigen Maßnahmen ermöglichen würde.

Eine systematische Konsultation der Unionsbürger und insbesondere der Familienvereinigungen und Sozialpartner, um die ergriffenen Maßnahmen in itinere besser bewerten und die Informationen korrekter und wirkungsvoller verbreiten zu können; dieser Prozess müsste sowohl finanziell als auch durch die Einführung entsprechender Verfahren und Gremien unterstützt werden. In diesem Zusammenhang bietet sich der EWSA als ideales Gremium zur Gewährleistung struktureller Stabilität an.

5.   Schlussfolgerungen

5.1

Das Thema der Solidarität zwischen den Generationen darf sich nicht nur vorrangig mit der demografischen Frage befassen und somit auf diesen Aspekt beschränken — auch wenn die damit einhergehende Herausforderung nicht zu unterschätzen ist -, sondern muss in zunehmendem Maße als vordringliches Problem der nächsten Jahre betrachtet werden für die horizontalen (Institutionen, Sozialpartner, zivilgesellschaftliche Organisationen u. a.) und vertikalen (junge und alte Menschen, etc.) Verantwortungsträger als maßgebliche Faktoren für die europäische (wirtschaftliche, soziale und kulturelle) Entwicklung und für die Erneuerung des Gesellschaftsvertrages, auf dem unsere Demokratien basieren.

Denn die Kulturen der Solidarität, die bislang die europäische Entwicklung geprägt haben, haben im Laufe der Zeit zu ebenso originellen wie nachhaltigen Lösungen geführt, die für ihre menschliche, soziale und wirtschaftliche Entwicklung maßgebend waren: von den einzelstaatlichen Sozialsystemen bis hin zum Verhältnis zwischen sozialen Rechten und Pflichten, von der Entwicklung der Bürgerrechte bis hin zur Kontinuität der generationsübergreifenden Verantwortung in der Familie.

5.2

Wie der französische Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry schon sagte: „Die Zukunft soll man nicht voraussehen wollen, sondern möglich machen“. Es gilt also darauf hinzuwirken, dass alle Bürger, insbesondere aber die Familien und vor allem die jungen Menschen, neues Vertrauen in die Zukunft entwickeln. So werden sie nicht mehr gezwungen sein, sich in einem sozialen Umfeld zurechtzufinden, das in punkto Finanzen, Dienstleistungen und Zeit so wenig zu bieten hat, dass sie die Verwirklichung der eigenen Familienpläne und Kinderwünsche immer weiter aufschieben. Stattdessen werden sie vielmehr die Tragfähigkeit eines neuen Solidaritätsvertrags zwischen den Generationen spüren und in der Lage sein, ihren eigenen Beitrag zu leisten und die Herausforderungen der Gegenwart zu bewältigen.

Brüssel, den 13. Dezember 2007

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA vom 16. Dezember 2004 zum Thema „Beziehungen zwischen den Generationen“ (Berichterstatter: Herr BLOCH-LAINÉ), ABl. C 157 vom 28.6.2005; die Stellungnahme des EWSA vom 14. März 2007 zum Thema „Die Familie und die demografische Entwicklung“ (Berichterstatter: Herr BUFFETAUT), ABl. C 161 vom 13.7.2007; die Stellungnahme des EWSA vom 14. März 2007 zum Thema „Überalterung der Bevölkerung: Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Haushalte“ (Berichterstatterin: Frau FLORIO), ABl. C 161 vom 13.7.2007 und die Stellungnahme zu „Rolle der Sozialpartner/Vereinbarung von Beruf, Familie und Privatleben“ (Berichterstatter: Herr CLEVER), Juli 2007; um nur die wichtigsten zu nennen.

(2)  KOM(2005) 94 endg.

(3)  KOM(2006) 571 endg., zu der sich der Ausschuss auf Ersuchen des deutschen Ratsvorsitzes im Rahmen einer Sondierungsstellungnahme vom 14. März 2007 zum Thema „Die Familie und die demografische Entwicklung“ (Berichterstatter: Herr BUFFETAUT), ABl. C 161 vom 13.7.2007, geäußert hat.

(4)  Vgl. Stellungnahme des EWSA zum Grünbuch über das anzuwendende Recht und die gerichtliche Zuständigkeit in Scheidungssachen, Berichterstatter: Daniel RETUREAU (ABl. C 24 vom 31.1.2006); darin heißt es, dass „in dem Grünbuch daher empfohlen (wird), nicht den Weg der Harmonisierung des materiellen Rechts einzuschlagen“.

(5)  Eurostat, Population in Europe, 2005. Auch wenn Einelternfamilien in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich verbreitet sind (in Italien sind sie weniger häufig als z. B. in Schweden), ist die geschlechtliche Zusammensetzung nahezu in allen Mitgliedstaaten identisch (mit starker weiblicher Dominanz); einzige Ausnahme ist Schweden, wo 26 % der Alleinerziehenden männlich sind.

(6)  Berechnungsgrundlage für die Armut stellt hier das Einkommensniveau des jeweiligen Mitgliedstaates dar, so dass sie in einigen neuen Mitgliedstaaten niedriger ist (z. B. nur 6 % in Polen), während sie in anderen wie Irland (44 %), Griechenland (33 %), Portugal (30 %), Belgien (26 %) und Großbritannien (24 %) bedeutend höher ist. Die soziale Wirklichkeit in Europa, vom Beratergremium für europäische Politik (BEPA) vorbereitetes Basisdokument für die Konsultation, März 2007.

(7)  Special Eurobarometer 273, Die soziale Wirklichkeit in Europa, Februar 2007.

(8)  Vgl. hierzu das Buch Valori a confronto (Werte im Vergleich), von R. Gubert und G. Pollini, Mailand 2006, das auf Forschungsdaten der European Values Study basiert und für das 40 000 Bürger aus 33 europäischen Staaten (neben den 27 EU-Mitgliedstaaten auch einige Mitgliedstaaten des Europarates) von verschiedenen europäischen Universitäten befragt wurden. Auch die Studie The demografic future of Europe, die vom Robert Bosch Institut in Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung durchgeführt wurde und für die 34 000 Bürger aus 14 europäischen Staaten befragt wurden, bestätigt den starken Wunsch der Europäer nach Gründung einer Familie.

(9)  Berechnung auf der Grundlage einer Armutsgrenze von 60 % des Durchschnittseinkommens. Soziale Lage in Europa 2004 und Eurostat 2003. Siehe hierzu auch den letzten, im Frühjahr 2007 veröffentlichten Bericht über die soziale Lage in Europa 2005-2006, bei dem es um das Gleichgewicht zwischen den Generationen in einem alternden Europa geht.

(10)  Für Familienfragen ist die Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Chancengleichheit zuständig. Spezifische Dokumente sind auf der Webseite der Europäischen Allianz für Familien abrufbar: http://ec.europa.eu/employment_social/families/index_en.html Bedauerlicherweise ist es nicht möglich, Zugang zu all den wichtigen Arbeiten und der zehnjährigen Tätigkeit zu bekommen, die bis zum Jahr 2000 von der bereits erwähnten, 1989 errichteten Beobachtungsstelle für die Familie durchgeführt wurden.

(11)  Susy Giullari und Jane Lewie, The adult Worker Model, Gender equality and care; Sozialpolitik und Entwicklung, Programmdokument 19, Forschungsinstitut für soziale Entwicklung der Vereinten Nationen, April 2005.

(12)  Es handelt sich um die Artikel 7; 9; 14; 24 Absatz 3; 33; 34.

(13)  Im Juli 2007 übermittelten die europäischen Sozialpartner Kommissionsmitglied Špidla ein Schreiben, in dem sie ihre Bereitschaft bekundeten, die Richtlinie über Elternurlaub und die Situation hinsichtlich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie in der EU zu konkretisieren. Zu diesem Zweck haben die Organisationen eine gemeinsame Arbeitsgruppe eingerichtet, die einen Bericht für das im März 2008 stattfindende Sozialgipfeltreffen der EU ausarbeiten soll.

(14)  Vgl. hierzu z. B. die jüngsten in Finnland geplanten Maßnahmen, wo die Sozialpartner 2003 eine umfassende Reform des Rentensystems ausgehandelt haben, die 2004 im Parlament verabschiedet wurde und 2005 in Kraft trat. Weitere Informationen sind abrufbar in englischer Sprache unter

www.tyoelake.fi.

(15)  Vgl. hierzu die Stellungnahme des EWSA vom 10. Dezember 2003 zum Thema sozialpolitische Agenda (Berichterstatter: Herr JAHIER), ABl. C 80 vom 30.3.2004.

(16)  Eine Biografie, die heute in der Regel eine absolut rigide zeitliche Abfolge der Phasen Entwicklung, Ausbildung, schwierige und sich länger hinziehende berufliche Integration mit unvermeidbaren Folgen für die Zeitpunkte der Familiengründung und der möglichen Geburten, und schließlich das fortgeschrittene Erwachsenenalter umfasst, in dem man die Doppelbelastung, Betreuung der Kinder und Pflege der hilfsbedürftigen älteren Familienmitglieder, zu bewältigen hat.

(17)  In diesem Zusammenhang sind die bereits vorgesehenen Forschungslinien der Dubliner Stiftung unbedingt zu fördern und auszubauen.

(18)  Siehe in diesem Zusammenhang die Stellungnahme Wohnungswesen und Regionalpolitik (Berichterstatter: Herr GRASSO, Mitberichterstatterin: Frau PRUD'HOMME), ABl. C 161 vom 13.7.2007.

(19)  Die ELFAC (Europäischer Dachverband der Großfamilien) hat anlässlich des Internationalen Tags der Familie am 15. Mai 2007 gemeinsam mit vielen anderen Organisationen, u. a. der COFACE, an die institutionellen Verantwortungsträger appelliert unter dem Motto Need for reduced VAT on essential items for child raising. Weitere Dokumente und Informationen sind abrufbar unter

www.elfac.org.

(20)  Einige Mitgliedstaaten haben bereits einen ermäßigten MwSt-Satz auf Windeln eingeführt. Gleichwohl sollte ein deutlicheres Signal gesetzt werden, das sich auf alle Baby- und Kleinkinderzeugnisse, von der Nahrung bis zur Bekleidung, erstreckt, für die bislang noch der Höchstsatz gilt.


ANHANG

zur Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Der folgende Änderungsantrag, auf den mehr als ein Viertel der abgegebenen Stimmen als Ja-Stimmen entfiel, wurde im Verlauf der Beratungen abgelehnt (Artikel 54 Absatz 3 der Geschäftsordnung):

Ziffer 4.3

Wie folgt ändern:

„Der EWSA befürwortet die Einrichtung einer Beobachtungsstelle für bewährte Verfahren auf familienpolitischem Gebiet bei der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen und empfiehlt, dass dies im Rahmen einer engen Konsultation der zivilgesellschaftlichen Akteure, insbesondere der Familienverbände, in den einzelnen Phasen dieses Prozesses erfolgt, also sowohl bei der Ermittlung dieser bewährten Verfahren als auch in punktuelle Diskussionen und Reflexionsprozessen. Der EWSA ersucht die Kommission, das Europäische Parlament und den Rat, die erforderlichen Schritte für die Errichtung einer Familienbeobachtungsstelle in der Dubliner Stiftung einzuleiten und die dafür erforderlichen finanziellen Mittel bereitzustellen.

Abstimmungsergebnis

Ja-Stimmen: 63 Nein-Stimmen: 67 Stimmenthaltungen: 22


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