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Document 52006IE1144

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Thema Regionale und lokale Politik zur Bewältigung des industriellen Wandels: die Rolle der Sozialpartner und der Beitrag des Rahmenprogramms für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation

ABl. C 318 vom 23.12.2006, p. 12–19 (ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)

23.12.2006   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 318/12


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Thema „Regionale und lokale Politik zur Bewältigung des industriellen Wandels: die Rolle der Sozialpartner und der Beitrag des Rahmenprogramms für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation“

(2006/C 318/02)

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 19. Januar 2006, gemäß Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung eine Stellungnahme zu erarbeiten: „Regionale und lokale Politik zur Bewältigung des industriellen Wandels: die Rolle der Sozialpartner und der Beitrag des Rahmenprogramms für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation“

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Beratende Kommission für den industriellen Wandel nahm ihre Stellungnahme am 31. August 2006 an. Berichterstatter war Herr PEZZINI, Mitberichterstatter Herr GIBELLIERI.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 429. Plenartagung am 13./14. September 2006 (Sitzung vom 13. September) mit 181 gegen 2 Stimmen bei 8 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Rat beschloss auf seiner Tagung im März 2006, bei der Neubelebung der Lissabon-Strategie den Schwerpunkt zum einen auf Wachstum und Beschäftigung und zum andern angesichts der neuen Herausforderungen der Globalisierung auf einen neuen integrierten Ansatz der Politikgestaltung zu legen.

1.2

Die EU muss danach streben, durch die Schaffung und Förderung von neuen Unternehmen, neuen Berufsprofilen und mehr und besseren Arbeitsplätzen eine innovative, wettbewerbsfähige und nachhaltige Entwicklung für ihre Bürger sicherzustellen und zugleich unionsweit einen stärkeren wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt zu erzielen; dabei muss das europäische Gesellschaftsmodell gewahrt werden und eine Ausrichtung auf eine wissensbasierte Wirtschaft stattfinden.

1.2.1

Der Ausschuss ist fest davon überzeugt, dass ohne einen „neuen Politikgestaltungszyklus auf der Grundlage von Partnerschaft und Eigenverantwortung“ (1) alle Bemühungen, neue Impulse für Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung zu geben, wirkungslos verpuffen würden und daher neue Paradigmen der Politikgestaltung notwendig sind, die schnell und in allen Bereichen umgesetzt werden müssen.

1.2.2

Nach Auffassung des Ausschusses sind jedoch sowohl das 7. FTE-Rahmenprogramm als auch das neue Rahmenprogramm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation zu stark „von oben nach unten“ angelegt und ermöglichen es derzeit noch nicht, die Einbindung und die verantwortungsvolle Mitwirkung der öffentlichen und privaten Akteure der Entwicklung auf lokaler und regionaler Ebene, die empfehlenswert und notwendig wären, zu verwirklichen. Dabei müsste die wichtige Funktion der Sozialpartner bei der Schaffung der Voraussetzungen für ein nachhaltiges und dauerhaftes Wachstum optimal genutzt werden.

1.3

Die Europäische Union sollte — u.a. über die beiden vorgenannten Instrumente — die neue Form der Partnerschaft auf lokaler Ebene unter Beteiligung der Behörden, der wirtschaftlichen Akteure und insbesondere der Sozialpartner fördern und eine neue Generation von „lokalen und regionalen Bündnissen für die Entwicklung angesichts der Globalisierung“ unterstützen (2).

1.4

Nach Überzeugung des EWSA gibt es kein Patentrezept für die Politikgestaltung. Jede regionale/lokale Ebene muss für sich diejenigen Konzepte finden, die für die Erfordernisse vor Ort am besten geeignet und mit den nationalen, europäischen und internationalen Rahmenbedingungen vereinbar sind.

1.5

Für derartige Konzepte können nach Ansicht des Ausschusses jedoch einige gemeinsame Kriterien festgehalten werden:

Vorhandensein eines strukturierten zivilgesellschaftlichen und sozialen Dialogs;

regelmäßige öffentliche Bewertung der Qualität und Wirksamkeit der durchgeführten Maßnahmen;

Schulung von Akteuren und „Katalysatoren“ der Entwicklung;

strukturierte Beziehungen zwischen Hochschulen, Unternehmen und den staatlichen Stellen;

hochwertige Bildungs- und Berufsbildungseinrichtungen;

Vernetzung von wissenschaftlich-technischen Kompetenzzentren;

Schaffung/Stärkung komplexer Aggregate (Cluster, High-Tech-Parks, Produktions- und Finanzkonglomerate usw.);

ein gut erschlossener, nachhaltiger, attraktiver und informatisierter Standort;

effiziente etablierte Konsens- und Entscheidungsstrukturen, die auf der Beteiligung der Bürger basieren.

1.5.1

Im Rahmen einer solchen integrierten regionalen und lokalen Politik ist außerdem ein strukturierter sozialer Dialog unverzichtbar, u.a. über die Aufwertung der Rolle der vor Ort bestehenden Wirtschafts- und Sozialräte, die Einbeziehung der Sozialpartner und der Vertreter der organisierten Zivilgesellschaft sowie die Schaffung wirkungsvoller Formen der wirtschaftlichen und sozialen Partnerschaft (3).

1.5.2

Diesbezüglich muss der vom EWSA aufgezeigte Weg verfolgt werden, bei dem die Wirtschafts- und Sozialräte oder vergleichbaren Einrichtungen der EU-Mitgliedstaaten in einem strukturierten Dialog mit dem EWSA einbezogen werden.

1.6

Der Grad des Erfolgs der neuen Politikgestaltung wird in jedem Fall von der Fähigkeit abhängen, die für das Problem- und Lösungsmanagement geeignetste bürgernahe Ebene zu bestimmen — und zwar im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip, wobei jedoch die Kohärenz gewahrt und die gemeinsamen Konzepte mit den anderen Interventionsebenen eingehalten werden müssen (4).

1.7

Der Ausschuss ist davon überzeugt, dass durch die Untersuchung der mittel- und langfristigen Möglichkeiten für Verfahren, Aktionen und Interventionen in Form von partizipativer Zukunftsforschung (Foresight) ein wertvoller, von der Basis ausgehender Beitrag zur gesellschaftlichen Weiterentwicklung und zur Erweiterung der Optionen der politischen und administrativen Entscheidungsträger sowie vor allem auch zum Aufbau und zur Stärkung von Wechselbeziehungen zwischen den für die Verwirklichung einer nachhaltigen und wettbewerbsfähigen Entwicklung maßgeblichen technologischen, wirtschaftlichen, sozialen, politischen und kulturellen Bereichen geleistet werden kann.

1.8

Dies erfordert vor allen Dingen die Beteiligung der Sozialpartner und der Vertreter der organisierten Zivilgesellschaft, um ein klares Bild von den Stärken und Schwächen zu erhalten und neue Möglichkeiten auf dem einheimischen und internationalen Markt auszuloten.

1.9

Die Globalisierung übt zwar einerseits Wettbewerbsdruck in Richtung Modernisierung, Innovation und Verbesserung der Wertschöpfungskette aus und ermöglicht eine effizientere und wirtschaftlichere Produktion und Vermarktung von Gütern und Dienstleistungen, birgt andererseits aber, wenn nicht rechtzeitig eingegriffen wird, die Gefahr einer neuerlichen Segmentierung und Fragmentierung des wirtschaftlichen und sozialen Gefüges insbesondere auf regionaler und lokaler Ebene in sich.

1.9.1

Daraus ergibt sich nach Ansicht des Ausschusses die Notwendigkeit, möglichst rasch neue Kompetenzen zu entwickeln, um die Bürger auf die notwendigen Veränderungen vorbereiten zu können. Es müssen gemeinsame Fortbildungsmaßnahmen für die Clustermanager, die Unternehmensleiter und die Verantwortlichen der Finanz- und Krediteinrichtungen organisiert werden, die in Zusammenarbeit mit den politischen Entscheidungsträgern, den Zuständigen des öffentlichen Sektors und den Führungskräften der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften durchgeführt werden müssen.

1.10

Der Ausschuss vertritt den Standpunkt, dass nur mit einem integrierten und partizipativen Ansatz das mit Hilfe von Investitionen in Forschung und Entwicklung, Innovation und Bildung erworbene Wissen in Innovationspotenzial und Wettbewerbsvorteile für die europäische Wirtschaft umgesetzt werden kann und dadurch Arbeitskräfte und Kapital angezogen werden können.

1.10.1

Vor diesem Hintergrund muss unbedingt nach neuen Möglichkeiten gesucht werden, um die Standorte für Arbeitskräfte attraktiv zu machen, u.a. durch die Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie die Schaffung von Anreizen insbesondere für Wissenschaftler und Hochqualifizierte wie z.B. Führungskräfte, Forscher und industrielle Fachkräfte, die es den Interessierten ermöglichen, hinlänglich attraktive Arbeitsverhältnisse vorzufinden.

1.11

Das neue Rahmenprogramm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation 2007-2013 kann nach Auffassung des EWSA nicht losgelöst von den anderen Politiken und Programmen der Gemeinschaft für die Intervention auf regionaler und lokaler Ebene betrachtet werden. Er spricht sich daher dafür aus, die Probleme über drei Interventionsachsen anzugehen: das Programm für unternehmerische Initiative und Innovation, das Programm zur Unterstützung der IKT-Politik und das Programm „Intelligente Energie“.

1.12

Unter diesem Blickwinkel befürwortet der Ausschuss eine enge Koordinierung des Rahmenprogramms mit regional- und kohäsionspolitischen Maßnahmen und der grenzüberschreitenden, länderübergreifenden und interregionalen Zusammenarbeit sowie mit dem 7. FTE-Rahmenprogramm, im Rahmen dessen das Teilprogramm „Kapazitäten“ der Forschung zugunsten der KMU, den „wissensorientierten Regionen“, der Unterstützung für Innovation und innovative Unternehmensdienstleistungen sowie den notwendigen Beziehungen zwischen dem Bildungswesen und den Unternehmen gewidmet ist.

1.13

Nach Auffassung des Ausschusses erfordern derartige Initiativen nicht nur ein hohes Maß an Koordinierung, um Synergien herzustellen und Überschneidungen oder Widersprüche zu vermeiden, sondern sie müssen auch vor Ort nach den jeweiligen Prioritäten gegliedert und entsprechend an die gemeinsame Schwerpunktsetzung für die Entwicklungspartnerschaft angepasst werden.

1.14

Der Ausschuss bekräftigt außerdem seine in verschiedenen jüngeren Stellungnahmen zur modernen Industriepolitik vertretene Auffassung, dass es versäumt wurde, zwischen den Maßnahmen auf EU-Ebene und der notwendigen Einbeziehung der Regierungen, der Industrie und der Interessenträger auf nationaler und regionaler Ebene einen klar erkennbaren Bezug herzustellen.

2.   Begriffsbestimmungen

In der Stellungnahme wird eine Reihe von Begriffen in folgender Bedeutung verwendet:

2.1

Politikgestaltung (Governance) : In der einschlägigen Literatur wird zwischen drei Arten der governance  (5) unterschieden. Bei der Politikgestaltung „von der Basis her“ erfolgt eine Koordinierung aller Akteure auf lokaler Ebene mit einer ausgeprägten Ausrichtung auf technologiebezogene Tätigkeiten aller Art. Die Politikgestaltung „in Netzwerken“ baut auf einem hohen Maß an Abstimmung und Vernetzung aller Akteure und insbesondere der Unternehmen, Forschungsstätten und Finanzeinrichtungen auf. Die „dirigistische“ Politikgestaltung beruht auf einer starken Koordinierung und zentralen Verwaltung zahlreicher besonders wichtiger Aspekte wie der Finanzierung und der Zuständigkeiten im Forschungsbereich.

2.2   Sozialverantwortliche Entwicklung eines Gebiets  (6)

Von sozial verantwortlicher Entwicklung eines Gebiets kann man dann sprechen, wenn seine Entwicklung auf Fragen der Nachhaltigkeit ausgerichtet ist und somit wirtschaftliche, soziale und umweltspezifische Aspekte berücksichtigt werden. Die Bezeichnung „sozialverantwortlich“ ist gerechtfertigt, wenn es gelingt,

soziale und ökologische Überlegungen in wirtschaftliche Entscheidungen einzubeziehen;

der Entscheidungsfindung ein gemeinsames Wertemodell und ein partizipatives Verfahren zugrunde zu legen;

vorbildliche Verfahren und einen ständigen Dialog zwischen den Interessenträgern im Sinne von mehr Innovation und Wettbewerbsfähigkeit zu fördern.

Zur Konzipierung einer sozialverantwortlichen Entwicklungsstrategie ist es erforderlich,

zu bestimmen, welche Bevölkerung in dem betreffenden Gebiet lebt und

welche Leitwerte für sie wesentlich sind.

2.3   Das soziale Kapital eines Territoriums

Das soziale Kapital kann in verschiedenen Formen zum Ausdruck kommen: Kultur der Zusammenarbeit oder Wettbewerb, Verbandskonsens oder polarisierte Interessengruppen, Modalitäten des Lernens. Die kulturellen Traditionen und die Art der Organisation können erhebliche Auswirkungen auf die Hürden haben, die der sozialverantwortlichen Entwicklung eines Gebiets unter Umständen entgegenstehen. Bei einer eingehenderen Untersuchung der in einem Gebiet zur Verfügung stehenden sozialen Ressourcen (soziales Kapitel) muss zwischen institutionellem, kulturellem, symbolischem, psychosozialem und kognitivem Kapital unterschieden werden.

Institutionelles Kapital: Hierunter fällt die Fähigkeit der offiziellen Institutionen eines Gebiets zur gezielten Lösung der anstehenden Probleme, ihre Handlungsfähigkeit, die Schnelligkeit des Beschlussfassungsprozesses, der Informationsstand der Organisationen und deren Flexibilität sowie schließlich auch die Art der Beziehungen zwischen den verschiedenen Organisationen.

Kulturelles Kapital: Umfasst die Traditionen eines Gebiets, die vorherrschenden Werte und Überzeugungen, seinen sprachlichen Reichtum sowie die sozialen Beziehungen und Verhaltensmuster (7).

Symbolisches Kapital: Äußert sich in der Fähigkeit eines Gebiets, die notwendigen Energien für die eigene Entwicklung zu mobilisieren und als Referenz für die dort operierenden Unternehmen zu fungieren.

Psychosoziales Kapital: Diese Art von Kapital basiert vor allem auf dem Konzept des Vertrauens, auf der Überzeugung, dass es ein Gemeinwesen gibt und dieses ein Entwicklungspotenzial hat, sowie auf dem Bewusstsein, dass eine Zusammenarbeit mit den einzelnen Gruppen und Verbänden aufgebaut werden kann.

Kognitives Kapital: Hierbei handelt es sich um das kollektive Wissen, das nicht mit dem des Einzelnen verwechselt werden darf. Es schlägt sich in den Organisationen nieder, die die Wissensinfrastruktur bilden, d.h. den Hochschulen, Forschungszentren, den Kulturorganisationen und Interessenverbänden sowie den Unternehmen und den für die Entwicklung des sozialen Dialogs zuständigen Organisationen (8).

2.4    Foresight  (9) (Zukunftsforschung): Die Zukunft als gesellschaftliche Leistung

Die Zukunft muss gestaltet werden. Es sind die Menschen, die sie mit ihrem gezielten Handeln und den mitunter unerwarteten Folgen ihres Handelns gestalten. Die Zukunft ist folglich nicht nur schlicht und einfach vorherzusagen, sondern auch als gesellschaftliche Leistung zu schaffen. Durch ein systematisches Nachdenken über die wahrscheinlichen oder möglichen Ereignisse kann ein Beitrag zur Gestaltung der Zukunft geleistet werden. Als Forschungsfeld ist die systematische Beschäftigung mit der Zukunft ein Instrument für die Suche nach Wegen, ein Morgen zu gestalten, das unseren Erwartungen besser gerecht wird. Foresight besteht daher nicht in der Vorhersage der Zukunft, sondern in der Entwicklung von Vorstellungen von einer gegenüber der heutigen Situation veränderten Zukunft, die durch Faktoren wie den technologischen Wandel oder Veränderungen der Lebens- und Arbeitsbedingungen, der Gesetze, der geopolitischen Weltlage usw. ermöglicht wird.

2.4.1

Zur Unterstützung der vom Europäischen Rat von Lissabon beschlossenen Leitvorgaben hat die Kommission die Voraussetzungen für die Verwirklichung des Europäischen Forschungsraums (10) geschaffen; die erforderlichen Finanzmittel wurden in das Sechste Rahmenprogramm eingestellt, wobei der regionalen Zukunftsforschung (11) besondere Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Anschließend hat die Kommission 2001 das Referat „Wissenschaftliche und technologische Zukunftsforschung, Beziehungen zum IPTS (12)“ geschaffen, um Foresight als Innovationsmodell weiter zu verbreiten.

2.5   Bürgernahe Demokratie

2.5.1

In den letzten Jahren wurde nicht nur das Subsidiaritätsprinzip bekräftigt, auch die Frage der Bürgernähe gewann zusehends an Bedeutung. Letztere entwickelte sich zu einer kulturellen Haltung, über die der Bürger seinem Wunsch nach Mitgestaltung gesellschaftlich relevanter Entscheidungen Ausdruck verleiht. Dank der neuen Technologien verbreitet sich Wissen mit einer Geschwindigkeit und in einem Umfang, die zuvor unvorstellbar waren.

3.   Begründung

3.1

Zu Beginn des dritten Jahrtausends sieht sich die EU tiefgreifenden strukturellen Veränderungen gegenüber, die das globale Umfeld, in dem die europäischen Unternehmen operieren und konkurrieren müssen, im Verlauf weniger Jahre revolutioniert haben. Zu diesen Veränderungen zählen insbesondere folgende:

Durch die mehr als zwei Milliarden Menschen, die zu dem den Regeln der WTO unterliegenden Bereich der Marktwirtschaft hinzugekommen sind, hat sich die Zahl der auf dem freien Markt verfügbaren Arbeitskräfte verdoppelt.

Die durch die Globalisierung verursachte wirtschaftliche Revolution hat die tief verwurzelten wirtschaftlichen Modelle und das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage verändert.

Es sind neue wirtschaftliche Konkurrenten auf den Plan getreten, darunter Cluster, die zu den traditionellen Marktteilnehmern hinzugekommen sind.

Unternehmen sind immer stärker als Komponenten eines Systems konzipiert, das integrierte Netzwerke des Wissens gewährleistet.

Der Erfolg eines Unternehmens hängt immer stärker von der öffentlichen Politikgestaltung des betreffenden Gebiets ab, die in einer gemeinsamen strategischen Vision zum Ausdruck kommen muss.

Die neuen Formen der öffentlichen und privaten Politik in den einzelnen Regionen stehen in einem weltweiten Gesamtzusammenhang, der starke demografische und wirtschaftliche Verwerfungen aufweist.

Auf den neuen liberalisierten Weltmärkten haben sich in rücksichtsloser Weise neue aggressive Strategien der Wirtschafts- und Handelsdurchdringung etabliert, die im Wesentlichen darauf abzielen, die Schwächen ausländischer Märkte zu finden und aus ihnen Wettbewerbsvorteile zu ziehen.

3.2

Im Aho-Bericht (13) wird unterstrichen, dass ein Paradigmenwechsel in der Politikgestaltung notwendig ist, damit Europa wettbewerbsfähig und sich der durch den Strukturwandel bedingten Herausforderungen bewusst wird.

3.2.1

Dieser Paradigmenwechsel erfordert:

deutliche Veränderungen zur konkreten Vollendung des europäischen Binnenmarktes, zur Förderung der Innovation und zur Vermarktung neuer Produkte und Dienstleistungen, um einer Fragmentierung entgegenzuwirken, die das Haupthemmnis für die Entwicklung der Investitionen, der Unternehmen und der Beschäftigung ist;

ein Überdenken der Konzepte für die Mobilität der Arbeitskräfte in der EU: die Union muss Kanäle für den Austausch und die Mobilität zwischen den Wissenschaftseinrichtungen, Unternehmen und staatlichen Stellen der einzelnen Länder sowie neue Formen des Dialogs schaffen, um dem europäischen Modell der Wissensgesellschaft zu Geltung zu verhelfen und das Entstehen neuer Generationen von Wissensclustern, neuer Technologie- und Industrieparks sowie von Kompetenzzentren, Technologieplattformen und Clustern zu fördern;

ein neues gemeinsames Strategiekonzept mit Instrumenten der partizipativen Zukunftsforschung, um die internen sozialen und externen wirtschaftlichen Herausforderungen zu bewältigen und die Lücke zwischen den politischen Vorgaben und den konkreten Erfordernissen der Beteiligung aller Regionen, die den Schritt in die wissensbasierte Wirtschaft vollziehen wollen, zu schließen;

die Heranbildung hochprofessioneller „Katalysatoren der Entwicklung“ (14) in den einzelnen Gebieten;

Unterstützung für die Errichtung des Europäischen Technologieinstituts (15), um die Abwanderung von wissenschaftlichen Spitzenkräften zu verhindern bzw. diese aus anderen Teilen der Welt nach Europa zu holen, um der Forschungs- und Innovationsleistung der EU neue Impulse zu geben;

entschlossene Maßnahmen der EU zur Unterstützung der beruflichen Umschulung und zur Entwicklung geeigneter multidisziplinärer Berufsprofile.

3.3

Forschung und Entwicklung, Design, Fertigung, Logistik (16), Marketing und Kundendienst sind immer stärker integriert und bilden ein Ganzes, das die Kunden mit den Entwicklern neuer Produkte verbindet.

3.4

Die neue Unternehmensstruktur wird immer weniger durch die Verfügbarkeit von physischer Ausstattung und immer stärker durch das Eigentum an immateriellen Gütern bestimmt. Dies erfordert einen „gut erschlossenen Standort“, der über geeignete Strukturen der regionalen Politikgestaltung verfügt, um die Produktions- und Vertriebskapazitäten für Güter und Dienstleistungen zu fördern und bestmögliche Kundendienstleistungen sicherzustellen.

3.5

Die Entwicklung einer eindeutigen regionalen und lokalen Identität, die sich in Form von sozialem Kapital manifestiert, ist von entscheidender Bedeutung, nicht nur um die Gefahr von Betriebsverlagerungen zu vermeiden, sondern auch weil die Neuansiedlung von Betrieben speziell zugeschnittene und hochwertige Dienstleistungen vor Ort erfordert. Ein derartig hohes Niveau lässt sich nur mit entsprechend sensibilisierten und geschulten Arbeitskräften erzielen.

3.6

Das Bewusstsein einer regionalen/lokalen Identität bei Bürgern, politischen Entscheidungsträgern und Sozialpartnern ermöglicht einen integrierten Ansatz der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit, der die Attraktivität des Standorts für neue Investitionen noch weiter steigert.

3.7

Die Erschließung der regionalen und lokalen Identität basiert auf einem Amalgam aus Unterstützung, Anerkennung und Empathie für eine Gesamtheit gemeinsamer Werte im Rahmen einer gemeinsamen Vision von der Zukunft. Zur Förderung einer regionalen und lokalen Identität trägt Folgendes bei:

Modelle für eine partizipative und transparente Politikgestaltung, die realisiert wird durch die Aufteilung der Befugnisse auf die verschiedenen Akteure und öffentlichen und privaten Entscheidungszentren, durch den Aufbau von Kapazitäten zur Optimierung der Organisations-, Verwaltungs- und Durchführungsstrukturen sowie durch die nachhaltige Bewirtschaftung der verfügbaren Ressourcen z.B. in den Bereichen Verkehr, Gesundheitsdienste, materielle Ressourcen, Infrastrukturen, IKT usw.;

Aufbau eines „ansprechenden“ Images der Region;

SWOT-Analysen (17);

partizipative Zukunftsforschung, um ein Bewusstsein gemeinsamer Visionen und Strategien zu entwickeln;

Netzwerkarbeit und Austausch beispielhafter Praktiken zwischen den einzelnen Regionen;

Benchmarking, um durch den Vergleich gute regionale Leistungen aufzuzeigen.

4.   Der integrierte territoriale Ansatz und die Systeme der Zukunftsforschung im Bereich der territorialen Innovation und Forschung

4.1   Der integrierte territoriale Ansatz und die Humanressourcen auf lokaler Ebene

4.1.1

Damit die in einem Gebiet verfügbaren Humanressourcen effizient eingesetzt werden können, muss folgenden Aspekten Rechnung getragen werden:

gemeinsame und strategische Sicht (Zukunftsforschung) der mittel- und langfristigen Perspektiven der technologischen und innovativen Entwicklung einer Region;

strukturierter sozialer Dialog auf lokaler und regionaler Ebene. In diesem Zusammenhang ist es von wesentlicher Bedeutung, dass die bestehenden rechtlichen Instrumente in den Bereichen Information und Konsultation umfassend berücksichtigt werden (18);

qualitativ hochwertige Bildungsstrukturen, die auf eine permanente Qualifizierung der Humanressourcen für die im Hinblick auf die Perspektiven der regionalen Entwicklung erforderlichen Berufsprofile im Rahmen eines weltweiten Wettbewerbs ausgerichtet sind;

Nutzung der zahlreichen sozialen Instrumente für Humanressourcen, die entweder von plötzlichen, ihnen jegliche Entwicklungsmöglichkeiten verschließenden Veränderungen auf dem Markt oder vom Niedergang krisenanfälliger Gebiete betroffen sind;

eine auf die soziale Integration und die Achtung ethnischer Minderheiten ausgerichtete Politik;

eine intelligente und verantwortungsvolle Gestaltung der Flexibilität zugunsten umfassenderer Möglichkeiten der beruflichen Verwirklichung („Flexicurity“ (19));

die umfassende Beteiligung der Bürger und Bürgerinnen.

4.2   Der integrierte territoriale Ansatz und die Entwicklung eines neuen und stärkeren Unternehmertums

4.2.1

Ein integrierter territorialer Ansatz kann die Gründung und den Ausbau von Unternehmen, insbesondere KMU, anregen und fördern, und zwar durch die Schaffung folgender förderlicher Bedingungen:

Vereinfachung des Verwaltungsaufwands und Beseitigung bürokratischer Hindernisse für die Gründung und (Größen-) Entwicklung von Unternehmen;

Strukturen für Bildung, berufliche Aus- und Weiterbildung, Lehrlingsausbildung mit Praxis- und Theorieblöcken und kontinuierliche Weiterbildung im Laufe des gesamten Erwerbslebens, die von den Sozialpartnern mithilfe von bilateralen Gremien zukunftsorientiert verwaltet werden;

integrierte Netze zwischen Hochschulen, Unternehmen und Forschungszentren, mit Arbeitsplänen und Handlungsmethoden sowie homogenen Strukturen, die auf den Technologietransfer ausgerichtet sind;

Schaffung neuer und Neubelebung bestehender Industriezonen und technologischer Wissenszentren sowie integrierter Industrieplattformen, innerhalb derer die technologiegestützten Wirtschaftsgebilde ihre Tätigkeit auf neue Standorte für den Erwerb von Know-how und angewandte Forschung ausweiten und — unter Aufgabe des Konzepts der räumlichen Nähe — Produktions- und Vertriebssysteme aufbauen, die sich an gemeinsamen Werten und Strategien für lernende Gemeinschaften (learning communities) orientieren;

Schaffung (auch mithilfe regionaler Entwicklungsagenturen) von vernetzten Industrie- und Technologieparks, um in den Regionen eine angemessene Infrastruktur zur Schaffung neuer Unternehmen zu entwickeln;

Verbesserung des Zugangs zu Finanz- und Kreditquellen, auch durch die unionsweite Umsetzung von Mechanismen wie die Jeremie-Initiative (Joint European Ressources for Micro to Medium Enterprises) für kleine und mittlere Unternehmen;

Entwicklung und Verbreitung von Mechanismen zur Förderung der sozialen Verantwortung von Unternehmen;

Förderung und Stärkung der Zusammenarbeit zwischen den Sozialpartnern und den lokalen Wirtschafts- und Sozialakteuren, und zwar durch eine Stärkung ihrer Leistungsfähigkeit als Institution und einen Ausbau des sozialen Dialogs;

Modernisierung des lokalen digitalen Kommunikationssystems zwischen allen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Akteuren vor Ort und den zuständigen öffentlichen und privaten Behörden und Einrichtungen. Besondere Aufmerksamkeit muss dabei Instrumenten wie eGovernment, eBusiness, eCommerce, Telearbeit sowie hochleistungsfähigen Breitband-Kommunikationsnetzen wie z.B. dem Datenübertragungsnetz GEANT (20) und den Systemen GRID (21) geschenkt werden;

die Stärkung der im Rahmen des Programms JESSICA, das auf die Integration der großstädtischen Randgebiete ausgerichtet ist, geförderten Werte;

Infrastrukturen zur Förderung der physischen, wirtschaftlichen und sozialen Sicherheit der Bürger, der Unternehmen und der Arbeit;

Nachhaltigkeit des integrierten territorialen Ansatzes der lokalen und regionalen Industriepolitik; Verbesserung des Umweltschutzes im Rahmen des wirtschaftlichen und industriellen Wandels.

4.3   Der integrierte territoriale Ansatz, das Rahmenprogramm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation und die Kohärenz mit anderen Gemeinschaftspolitiken

Im Jahr 2005 verliehen die Staats- und Regierungschefs der neu belebten Lissabon-Strategie einen weiteren politischen Impuls, indem sie insbesondere herausstellten, inwiefern die europäischen Werte die Modernisierung der Wirtschaft und der Gesellschaft in einer globalisierten Welt anregen können.

4.3.1

Der Europäische Rat vom März 2006 hat die Prioritäten aufgezeigt, die im Rahmen der überarbeiteten Partnerschaft für Wachstum und Beschäftigung verfolgt werden müssen:

mehr in Wissen und Innovation investieren;

das unternehmerische Potenzial, insbesondere der KMU, mobilisieren;

mehr neue und dauerhafte Beschäftigungsmöglichkeiten für die vorrangigen Bevölkerungsgruppen schaffen, insbesondere Jugendliche (22), Frauen, ältere, behinderte sowie legal eingewanderte Arbeitnehmer und Minderheiten.

4.4

Insbesondere das Programm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation vereinigt in einem kohärenten Rahmen zahlreiche Aktivitäten, die auf die Bewältigung der wesentlichen Probleme für die Wettbewerbsfähigkeit und Innovation des Wirtschafts- und Sozialgefüges der Europäischen Union abzielen und die Entwicklung auf innovative und produktive umweltfreundliche Aktionen ausrichten, bei denen sozialverträgliche Ressourcen effizient eingesetzt werden.

4.5

Das erwähnte spezifische Programm „Kapazitäten“ des Siebten Rahmenprogramms zielt auf die Stärkung der Forschungs- und Innovationsfähigkeit ab, insbesondere durch

die Unterstützung der KMU bei der Auslagerung ihrer Forschungsaktivitäten,

die Unterstützung der transnationalen Netze der „wissensorientierten Regionen“ bei der Errichtung von Clustern, Branchennetzen und Technologie- und Industrieparks, an die Hochschulen, Forschungszentren, Unternehmen und regionale Behörden angegliedert werden;

die Mobilisierung des Forschungs- und Innovationspotenzials der Konvergenzregionen und Regionen in äußerster Randlage, und zwar in Übereinstimmung mit den Aktionen im Rahmen der Struktur- und Kohäsionsfonds.

4.5.1

Die Beteiligung der KMU an den Forschungs- und Innovationsaktivitäten muss allerdings auch im Rahmen der anderen Teilprogramme des Siebten Rahmenprogramms („Zusammenarbeit“, „Ideen“, „Menschen“) optimiert werden.

4.5.2

Ein anderes wesentliches Merkmal aller Programme ist die Verpflichtung zur Förderung der Valorisierung der Forschungsergebnisse, was in entscheidendem Maße der lokalen und regionalen Ebene obliegt. Vor diesem Hintergrund hält der EWSA ein hohes Maß an Abstimmung, Kohärenz und Synergie mit den gemeinschaftlichen Maßnahmen in den Bereichen Regionalpolitik und Zusammenhalt und anderen gemeinschaftlichen Instrumenten zur Unterstützung der territorialen Zusammenarbeit sowie der allgemeinen und beruflichen Bildung für unerlässlich.

4.5.3

Ferner ist es notwendig, die vorgenannten Aktionen auf die regionalen Politiken im Kontext der reformierten europäischen Strukturfonds abzustimmen.

4.6

Um vor Ort angemessen umgesetzt zu werden, erfordern solche Initiativen außer einem hohen Maß an Koordinierung zur Gewährleistung von Synergien und Vermeidung von Überschneidungen und Widersprüchlichkeiten insbesondere auch

flexible Bedingungen, die eine Bildung von Synergien ermöglichen, sowie entsprechende regionale und lokale Programme zur Vernetzung internationaler Forschungspartner. Ziel ist es, die Transnationalitätskriterien europäischer Projekte zu erfüllen und die Forschungsergebnisse in eine reale Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung umzusetzen, die mithilfe dauerhafter territorialer Netze zwischen Hochschule, Industrie und Forschungszentren direkt auf den laufenden industriellen Wandel ausgerichtet werden kann;

fortschrittliche Strukturen für die allgemeine und berufliche Bildung, die den Bedürfnissen der wissensbasierten wirtschaftlichen und industriellen Entwicklung funktionell gerecht werden. Solche Strukturen müssen auf Bildungsprogrammen, die auf die neuen Paradigmen in den Bereichen Technologie und Produktion sowie Einzelhandel und Verbrauch ausgerichtet sind, sowie auf Systemen zur permanenten Weiterbildung beruhen, in deren Rahmen die Reaktionen auf den industriellen Wandel und die Marktveränderungen antizipiert werden können;

Maßnahmen zum Aufbau von Kapazitäten in Bezug auf Institutionen, Verbände und den sozialen Dialog, um eine effiziente planerische Befähigung zu erzielen und die Forschung und den Technologietransfer zu optimieren. Die Durchführung muss entsprechend den gemeinsamen Vorstellungen aller vor Ort beteiligten wirtschaftlichen und sozialen Hauptakteure erfolgen und auf die Schaffung neuer Chancen für Unternehmen und Bildungsmöglichkeiten, höhere Qualifikationen und neuer Berufsprofile für die Humanressourcen abzielen;

eine integrierte regionale und lokale Politik, in deren Rahmen das Potenzial der lokalen Entwicklung mobilisiert und die Fähigkeit zur innovativen Anpassung und Vorausplanung gestärkt wird, um von den Vorteilen der neuen Waren- und Dienstleistungsströme und von den Humanressourcen und vom Kapital, das durch die Globalisierung entsteht, zu profitieren;

einen konsolidierten sozialen Dialog auf lokaler und regionaler Ebene, der für eine Maximierung der Vorteile aus einer Antizipation des industriellen Wandels und der Marktveränderungen sowie der allgemeinen und beruflichen Bildung der Humanressourcen von wesentlicher Bedeutung ist. Im Rahmen des Dialogs muss auch eine neue Sicherheit des beruflichen Werdegangs und eine neue Flexibilität der Produktion, des Einzelhandels und der Dienstleistungen gewährleistet werden.

4.6.1

Nach Auffassung des Ausschusses ist sowohl das Siebte FTED-Rahmenprogramm als auch das neue Rahmenprogramm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation, zu denen der Ausschuss bereits Stellung genommen hat, zu stark „von oben nach unten“ angelegt und ermöglicht es derzeit noch nicht, die ratsame Einbindung und die notwendige verantwortungsvolle Mitwirkung der öffentlichen und privaten Akteure der Entwicklung auf lokaler und regionaler Ebene zu verwirklichen. In einem solchen Ansatz wird der Rolle der lokalen Akteure als Mitverantwortlichen für die europäische Politikgestaltung im Grunde genommen nicht Rechnung getragen.

4.6.2

Die Europäische Union sollte — u.a. über die beiden vorgenannten Instrumente — die neue Form der Partnerschaft auf lokaler Ebene unter Beteiligung der Behörden, der wirtschaftlichen Akteure und insbesondere der Sozialpartner fördern und eine neue Generation von „lokalen und regionalen Bündnissen für Entwicklung in der Globalisierung“ unterstützen (23). Daran sollten alle Stakeholder der wirtschaftlichen und beschäftigungspolitischen Entwicklung mitwirken, um auf die Herausforderungen der Märkte und des Wettbewerbs angemessen reagieren zu können, wobei über die lokale Ebene hinausgegangen werden muss, da sie angesichts der anderen zusammenhängenden Weltwirtschaftsräume zunehmend eine gefährliche Grenze darstellt.

4.7   Der integrierte territoriale Ansatz, die partizipative Politikgestaltung, die Sozialpartner und die Zivilgesellschaft

4.7.1

Ein bedeutender Teil der Maßnahmen zugunsten einer nachhaltigen Wettbewerbsfähigkeit fällt unter die Zuständigkeit der lokalen und regionalen Ebene. Für diese Ebenen sind Systeme zur Politikgestaltung und Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen lokalen und regionalen Gebietskörperschaften, den verschiedenen Behörden und Institutionen, den Sozialpartnern, den Unternehmen und den wirtschaftlichen und sozialen Akteuren der Zivilgesellschaft, die vor Ort interagieren, überaus wichtig.

4.7.2

In Bezug auf die Politikgestaltung wird auf eine vom Ausschuss bereits verabschiedete Stellungnahme verwiesen: „Politikgestaltung bedeutet auch, dass private Akteure mit greifbaren Beiträgen und Maßnahmen aktiv Verantwortung übernehmen müssen. Der soziale und der zivile Dialog sind wichtige Instrumente […]“ (24).

4.7.3

Im Hinblick auf den Ausbau des sozialen Dialogs wird darauf hingewiesen, dass „der Ausschuss […] die Auffassung der Kommission [teilt], dass die Sozialpartner aufgrund ihrer Branchenkenntnisse eine besondere Warnfunktion ausüben können“.

4.7.4

Nach Auffassung des Ausschusses müssen auf der Beteiligung basierende, schlanke, proaktive und reaktive Sozial- und Entscheidungsfindungssysteme ins Leben gerufen werden, in deren Rahmen ein hohes qualitatives Maß an politischer, wirtschaftlicher und sozialer Demokratie gewährleistet und die Entwicklung von Maßnahmen und Initiativen weder belastet noch verlangsamt wird.

4.7.5

Von wesentlicher Bedeutung sind die Entwicklung eines gemeinsamen mittel- und langfristigen Konzepts, die Ermittlung und Aufteilung von Zuständigkeiten im Hinblick auf gemeinsame Zwischenziele sowie die Nutzung fortschrittlicher und auf regionaler Ebene erprobter Instrumente, wie beispielsweise der Zukunftsforschung (Foresight) .

4.8

Der integrierte territoriale Ansatz und eine Politikgestaltungsstrategie zugunsten einer sozialverantwortlichen Entwicklung der Regionen.

4.8.1

In unserem für den weltweiten Wettbewerb offenen Umfeld muss im Rahmen einer Politikgestaltungsstrategie zugunsten einer sozialverantwortlichen Entwicklung der Regionen eine dauerhafte wirtschaftliche Entwicklungsdynamik von hoher sozialer Qualität gewährleistet werden. Eine solche Strategie muss insbesondere folgende Aspekte umfassen:

kontinuierliche Verbesserung der kognitiven und innovativen Qualitäten und Fähigkeiten des territorialen Produktionssystems durch systematische Analysen und gemeinsame Vorhersagen der sozialen, wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung;

Entwicklung von globalen Referenznetzen für den öffentlichen und privaten Sektor zur Gewährleistung einer eindeutigen beständigen Wechselwirkung mit dem Weltmarkt;

ein hohes Maß an ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit der Entwicklung, sowohl in Bezug auf die Produktion als auch den Verbrauch;

effiziente und konsolidierte Methoden zur Schaffung, Verbreitung und Umlauf von Wissen, Information und ständiger Weiterbildung von Akteuren im technologischen Bereich sowie von Nutzern und Endverbrauchern;

Ausarbeitung von „lokalen und regionalen Sozialbilanzen“ zur Messung, Überwachung und Bewertung von Dynamiken, die für die Erreichung der qualitativen und quantitativen Zielsetzungen auf der Grundlage gemeinsamer Normen und Methoden auf europäischer Ebene förderlich sind.

Brüssel, den 13. September 2006

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND


(1)  Siehe Europäischer Rat, 23./24. März 2006, Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Punkt 4.

(2)  Siehe Pacte industrial de la regio metropolitana de Barcelona ( http://www.pacteind.org/eng/activities/), in dem festgehalten ist, dass die Wettbewerbsfähigkeit einer Region von der Qualität ihrer Unternehmen und ihrer Arbeitskräfte abhängt.

(3)  Siehe die Leitlinien der Kommission für die Kohäsionspolitik: Eine aktive horizontale Partnerschaft (Sozialpartner, organisierte Zivilgesellschaft, staatliche Ebenen) und eine wirkungsvolle vertikale Partnerschaft (Europäische Kommission, nationale Regierungen, regionale und lokale Verwaltungsebenen) Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 vom 21.6.1999 und KOM(2002) 598 vom 7.11.2002.

(4)  Siehe „Bürgernahe Demokratie“.

(5)  P. Cooke et al., 1998, Regional Innovation System — The role of governance in a globalised world.

(6)  Dieses Konzept bildet die Grundlage des neuen von der GD REGIO aufgelegten und von der EIB finanzierten Programms JESSICA, das insbesondere auf die Sanierung der problematischsten großstädtischen Gebiete ausgerichtet ist.

(7)  Im anthropologischen Sinne besteht Kultur aus Verhaltensweisen, die über Symbole, Zeichen, Handlungen und Werke des Geistes erworben und weitergegeben werden (Alberoni: Consumi e società).

(8)  F. Alburquerque et al., Learning to innovate, OECD-Seminar, 30.9/1.10.1999, Malaga/Spanien.

(9)  Definition des Begriffs Foresight: Ein systematischer partizipativer Prozess zur Verfügbarmachung von Informationen und Entwicklung von Visionen für die mittel- und langfristige Zukunft mit dem Ziel, Entscheidungshilfen zu liefern und Ressourcen für gemeinsame Aktionen zu mobilisieren.

(10)  KOM(2002) 565 endg. vom 16.10.2002.

(11)  http://www.cordis.lu/rtd2002/foresight/main.htm.

http://www.cordis.lu/rtd2002/foresight/seminar.htm.

http://www.regional-foresight.de/.

http://prospectiva2002.jrc.es/.

(12)  Das Institut für technologische Zukunftsforschung ist eines der sieben Institute, die der GFS (Gemeinsamen Forschungsstelle) angegliedert sind.

(13)  „Creating an Innovative Europe“, Bericht der unabhängigen Sachverständigengruppe unter dem Vorsitz von Esko Aho über Forschung und Innovation, Januar 2006.

(14)  Personen mit einem entsprechenden professionellen und technologischen Hintergrund, die mit Hilfe der Technologiezentren die kleinen und mittleren Unternehmen bei Innovationsprozessen unterstützen können.

(15)  Siehe Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 15./16. Juni 2006.

(16)  Siehe „Europäische Logistikpolitik“.

(17)  Das englische Kürzel SWOT steht für Strengths, Weaknesses, Opportunities and Threats bzw. Stärken, Schwächen, Chancen und Gefahren.

(18)  Siehe Papier des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB) „Umstrukturierung — Umstrukturierungen antizipieren und begleiten und die Beschäftigung fördern: die Rolle der Europäischen Union“ (Exekutivausschuss des EGB, Brüssel, 14./15. Juni 2005).

(19)  Flexicurity nach dänischem Muster, ECO/167, Berichterstatterin: Frau VIUM.

(20)  Das GEANT-Projekt entstand im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen 26 nationalen Forschungs- und Bildungsnetzen in 30 europäischen Ländern, der Europäischen Kommission und DANTE (Delivery of Advanced Network Technology to Europe). Das Hauptziel des Projekts war die Entwicklung des GEANT-Netzes, eines speziell für Forschungs- und Bildungszwecke errichteten europaweiten Multigigabite-Datennetzes.

(21)  GRID ist ein System zur Integration und Koordinierung von Ressourcen und Nutzern verschiedener Domänen, beispielsweise Standort des Nutzers und Hauptserver, unterschiedliche Verwaltungsabteilungen in einem bzw. in verschiedenen Unternehmen. Ferner werden im Rahmen des Systems auch andere Fragen in diesem Zusammenhang behandelt: Sicherheitspolitik, Zahlungen, Zugehörigkeit etc.

(22)  Siehe z.B. „Pakt für die Jugend“ der französischen Regierung.

(23)  Siehe Pacte industrial de la regio metropolitana de Barcelona ( http://www.pacteind.org/eng/activities/), in dem festgehalten ist, dass die Wettbewerbsfähigkeit einer Region von der Qualität ihrer Unternehmen und ihrer Arbeitskräfte abhängt.

(24)  Siehe Stellungnahme „Auf dem Weg zur europäischen Wissensgesellschaft — Der Beitrag der organisierten Zivilgesellschaft zur Lissabon-Strategie (Sondierungsstellungnahme)“, Berichterstatter: Herr OLSSON, Frau BELABED, Herr van IERSEL.


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