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Document 52006AE1172

Stellungnahme der Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Qualität des Arbeitslebens, Produktivität und Beschäftigung im Kontext von Globalisierung und demographischem Wandel

ABl. C 318 vom 23.12.2006, p. 157–162 (ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)

23.12.2006   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 318/157


Stellungnahme der Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Qualität des Arbeitslebens, Produktivität und Beschäftigung im Kontext von Globalisierung und demographischem Wandel“

(2006/C 318/27)

Die finnische Präsidentschaft beschloss am 17. November 2005, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen „Qualität des Arbeitslebens, Produktivität und Beschäftigung im Kontext von Globalisierung und demographischem Wandel“.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe nahm ihre Stellungnahme am 13. Juli 2006 an. Berichterstatterin war Frau ENGELEN-KEFER.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 429. Plenartagung am 13./14. September 2006 (Sitzung vom 13. September) mit 116 gegen 3 Stimmen bei 8 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Die Lissabon-Agenda ist die europäische Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung. Durch ein produktives Zusammenwirken von Wirtschafts-, Beschäftigungs-, Sozial- und Umweltpolitik soll die internationale Wettbewerbsposition Europas verbessert werden. Für die europäische Wirtschaft kommt es daher darauf an, die Chancen der Globalisierung zu nutzen, indem neue Beschäftigungsfelder in zukunftsträchtigen wirtschaftlichen Bereichen erschlossen werden und mehr Wachstum durch Innovationen erzeugt wird. Europa sollte sich daher auf seine Stärken besinnen, die in einer hohen Qualität seiner Produkte und Dienstleistungen, gut ausgebildeter Arbeitskräfte und seinem Sozialmodell bestehen und mit seinen globalen Konkurrenten in einen Qualitätswettbewerb statt in einen Wettlauf um die niedrigsten Löhne und Sozialstandards eintreten, in dem Europa nur der Verlierer sein kann. Ein solcher Qualitätswettbewerb erfordert einen umfassenden innovationspolitischen Ansatz, der auch die mikroökonomische Ebene, das heißt die Unternehmensstrukturen und die Qualität des Arbeitslebens einschließt.

1.2

Zwar ist es ein programmatisches Ziel der Lissabon-Agenda nicht nur mehr, sondern auch bessere Arbeitsplätze zu schaffen. Dieser Qualitätsaspekt wurde jedoch in der bisherigen Debatte über die Umsetzung der Lissabonziele vernachlässigt. Neben der Steigerung der FuE-Investitionen sowie der Investitionen überhaupt und der Investitionen in Bildung und Weiterbildung im Hinblick auf die Anforderungen der Wissens- und Informationsgesellschaft ist die Verbesserung der Qualität des Arbeitslebens ein Schlüssel zur Erhöhung des Produktivitätswachstums und der Innovationsfähigkeit der Unternehmen. Dies belegen wissenschaftliche Studien über den Zusammenhang von Arbeitsqualität und Produktivität und über die Bedeutung, die „gute Arbeit“ aus der Sicht der betroffenen Arbeitnehmer für die Arbeitsmotivation und Leistungsbereitschaft hat.

1.3

Die Qualität der Arbeit umfasst verschiedene Aspekte, wie die Vermeidung und Verringerung von Gesundheitsrisiken, die Arbeitsorganisation am Arbeitsplatz, die soziale Absicherung einschließlich eines angemessenen Einkommens, die Möglichkeit zur Weiterentwicklung von Kompetenzen und Qualifikationen sowie die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Verbesserungen in allen diesen Dimensionen haben positive Auswirkungen auf die Arbeitsproduktivität, so das Ergebnis von Studien der Dublin-Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, die dem EWSA vorgestellt wurden. Der Förderung der freiwilligen betrieblichen Gesundheitsförderung kommt dabei besondere Bedeutung zu. Sichere Arbeitsplätze und gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen sowie Formen der Arbeitsorganisation, die den Beschäftigten mehr Handlungsspielräume bei der Arbeit einräumen, sind ein wichtiger Faktor zur Steigerung von Produktivität und damit der Innovationsfähigkeit, die auch von den sozialen Bedingungen beeinflusst wird. Der EWSA ist daher der Auffassung, dass die Strukturen in den Unternehmen und die Unternehmenskultur dem Rechnung tragen sollte. Die Lissabon-Strategie bedarf daher auch der Umsetzung auf Unternehmensebene, in dem wirtschaftliche und soziale Ziele miteinander verknüpft werden. Dem sozialen Dialog kommt dabei eine wichtige Rolle zu.

1.4

Für die Verbesserung der Qualität der Arbeit ist ein umfassendes Konzept erforderlich, das dem Wandel in der Arbeitswelt Rechnung trägt und den besonderen Bedürfnissen Älterer angepasst ist. Im Sinne des von der Kommission in ihrer Gemeinschaftsstrategie für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz verfolgten Konzepts des „Wohlbefindens bei der Arbeit“ muss dabei vor allem die Prävention gesundheitlicher Risiken und die kontinuierliche Verringerung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten im Vordergrund stehen. Prekären Beschäftigungsverhältnissen mit geringem sozialen Schutz ist dabei besonderes Augenmerk zu widmen. Gleichermaßen geht es jedoch darum, durch neue Formen der Arbeitsorganisation die Arbeitszufriedenheit und Leistungsbereitschaft zu fördern. Kooperative Arbeitsformen mit flachen Hierarchien und größerer Arbeitsautonomie wie Gruppen- und Teamarbeit ermöglichen es, die Kenntnisse und Fähigkeiten der Menschen umfassend zu nutzen und tragen zugleich den gestiegenen Flexibilitätsanforderungen in der Wirtschaft Rechnung. Gute Arbeitsbedingungen und Formen der Arbeitsorganisation, die Handlungsspielräume und Beteiligungsmöglichkeiten eröffnen, sind zugleich eine wesentliche Voraussetzung zur Verbesserung der Arbeitsproduktivität und Stärkung der Innovationsfähigkeit der Unternehmen. Der EWSA unterstützt daher das Konzept der „Flexicurity“, d.h. eines ausgewogenen Verhältnisses von Flexibilität und sozialer Sicherheit, wie es vom Rat für Beschäftigung und Sozialpolitik am 1./2. Juni 2006 verabschiedet wurde.

1.5

Der EWSA regt an, weitere Studien zum Zusammenhang von Arbeitsqualität und Produktivität in Auftrag zu geben. Die Dublin-Stiftung wäre hierfür eine geeignete Institution. Darüber hinaus schlägt der EWSA vor, einen europäischen Index für die Arbeitsqualität zu entwickeln, der sich aus verschiedenen Kriterien für „gute Arbeit“ auf der Basis einschlägiger Studien zusammensetzt und regelmäßig erhoben und veröffentlicht wird. Ein solcher Index könnte dazu beitragen, Veränderungen und Fortschritte sichtbar zu machen, und gleichzeitig Grundlage für neue Initiativen zur Verbesserung der Qualität des Arbeitslebens sein. Bei der Bewertung sollten die Sozialpartner einbezogen werden und regelmäßig ihre Stellungnahme abgeben können.

2.   Argumente und Bemerkungen

2.1   Hintergrund der Stellungnahme

2.1.1

Im Vorgriff auf die finnische Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2006 hat die Regierung Finnlands den EWSA ersucht, eine Sondierungsstellungnahme zum Zusammenhang von Qualität des Arbeitslebens, Produktivität und Beschäftigung auszuarbeiten, da dieses Thema ein Schwerpunkt der politischen Debatte sein soll.

2.1.2

In dieser Sondierungsstellungnahme wird daher untersucht, inwieweit die Arbeitsqualität ein Faktor zur Steigerung von Produktivität und Wirtschaftswachstum ist, und welchen Beitrag die Verbesserung der Arbeitsqualität bei der Herausbildung der Informations- und Wissensgesellschaft und damit zur Erreichung der Lissabon-Ziele leisten kann. Die Globalisierung sowie der demographische Wandel werden dabei als Rahmenbedingungen einbezogen.

2.2   Einleitung

2.2.1

Die Globalisierung bringt Risiken mit sich, eröffnet jedoch auch neue Chancen. Die Risiken bestehen darin, dass die europäische Wirtschaft auf Grund des verschärften internationalen Wettbewerbs und der Neustrukturierung der internationalen Arbeitsteilung Arbeitsplätze durch Unternehmensumstrukturierungen und Standortverlagerungen verliert, wenn es nicht gelingt, neue Beschäftigungsfelder zu erschließen. Zugleich wächst der Druck auf die sozialen Standards in Europa und das europäische Sozialmodell insgesamt, denn in einem einheitlichen Währungsraum sind die Lohn- und Sozialkosten ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Eine Studie von Eurostat (März 2006) zeigt jedoch, dass die Arbeitskosten in der EU-25 in 2005 langsamer angestiegen sind als in den USA. Die Lissabon-Strategie ist die europäische Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung. Durch ein produktives Zusammenwirken von Wirtschafts-, Beschäftigungs-, Sozial- und Umweltpolitik soll die internationale Wettbewerbsposition Europas verbessert werden.

2.2.2

Dabei wird jedoch eine Anpassungsstrategie, die einseitig auf die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, den Abbau sozialer Standards und die Senkung von Sozialleistungen setzt, nicht geeignet sein, dieses Ziel zu erreichen. Vielmehr gilt es, die Chancen der Globalisierung für die europäische Wirtschaft zu nutzen, zumal Europa ein attraktiver Standort ist, der sich durch folgende Faktoren auszeichnet:

Attraktivität der Eurozone

stabile Demokratien und sozialer Frieden

Vertrauenswürdigkeit

effiziente öffentliche Dienste

entwickelte Infrastrukturen

Nach Auffassung des EWSA kommt es darauf an, dass Flexibilität und soziale Sicherheit im Sinne eines „Flexicurity“-Ansatzes in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. Dabei sind vier Voraussetzungen für ein solches ausgewogenes Verhältnis von Flexibilität und sozialer Sicherheit auf dem Arbeitsmarkt von Bedeutung: „geeignete vertragliche Regelungen, aktive Arbeitsmarktpolitik, überzeugende Konzepte für das lebenslange Lernen und moderne soziale Sicherungssysteme“ (1). In der vom Arbeits- und Sozialministerrat am 1./2. Juni 2006 angenommenen Entschließung wird das Flexicurity-Konzept näher beschrieben. Vertragliche Regelungen sollen danach „eine ausgewogene Kombination von Sicherheit und Aktivierungsmaßnahmen bewirken“. Die „Wahrung der Arbeitnehmerrechte in Verträgen jeder Art“ wird betont. Bei der Modernisierung der sozialen Sicherungssysteme soll darauf hingewirkt werden, „dass man neuen Beschäftigungsformen besser Rechnung trägt“ und „Frauen eigene Rentenanwartschaften aufbauen können“. Die Arbeitslosenversicherung soll allen Betroffenen „ein den Lebensunterhalt sicherndes Einkommen garantieren. Gleichzeitig müssen jedoch Arbeitsanreize und Unterstützung bei der Arbeitssuche geboten werden“. Und weiter heißt es: „Aktive Arbeitsmarktpolitik, lebenslanges Lernen und betriebliche Weiterbildung sind wichtig für die Bewältigung des Übergangs von der Arbeitsplatzsicherheit zur Beschäftigungssicherheit“ (2). Der EWSA begrüßt in diesem Zusammenhang, dass die Sozialpartner und andere Stakeholder in die weitere Politikentwicklung zu „Flexicurity“ einbezogen werden sollen.

2.2.3

Die Chancen der Globalisierung bestehen darin, sich auf zukunftsträchtige wirtschaftliche Felder und Innovationen zu konzentrieren, in einen Qualitätswettbewerb statt in einen sozialen Dumpingwettbewerb mit seinen globalen Konkurrenten einzutreten und neue, qualitativ hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen. Hohe soziale Standards sind zwar ein Kostenfaktor im internationalen Wettbewerb, bieten gleichzeitig aber einen Standortvorteil, da sie eine wesentliche Voraussetzung für den Zusammenhalt der Gesellschaften darstellen und die Innovationsfähigkeit und Produktivität der Beschäftigten fördern. Diese produktive Rolle der Sozialpolitik ist kennzeichnend für das europäische Sozialmodell, das auf gemeinsamen Werten beruht, „wie Solidarität und Zusammenhalt, Chancengleichheit und Bekämpfung von Diskriminierungen, angemessene Sicherheits- und Gesundheitsbedingungen am Arbeitsplatz, allgemeiner Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung, Lebensqualität und Qualität der Arbeitsplätze, nachhaltige Entwicklung und Einbeziehung der Zivilgesellschaft. Ebenso sind hier zu nennen: Die Rolle der öffentlichen Dienste für den sozialen Zusammenhalt und der soziale Dialog. Diese Werte stehen für Europas Entscheidung für eine soziale Marktwirtschaft“ (3). Um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können, muss Europa daher auf diese Stärken seines Sozialmodells setzen (4).

2.2.4

Die Ziele, die sich die Union im Rahmen der Lissabon-Strategie gesetzt hat, werden nicht erreichbar sein, ohne den sozialen Zusammenhalt durch aktive Sozialpolitiken zu stärken, das Produktivitätswachstum durch verstärkte Anwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IuK-Technologien) zu erhöhen und in Verbindung damit die Arbeitsqualität, die Motivation und Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten als eine wesentliche Voraussetzung für Innovationen zu verbessern. Innovation ist nicht allein ein technisches Phänomen, das sich in neuen Produkten und Produktionsverfahren niederschlägt. Innovation ist vielmehr ein sozialer Prozess, der von den Menschen, ihrem Wissen, ihren Qualifikationen und Fähigkeiten abhängt. Die Erreichung dieser Ziele erfordert daher neue Formen der Arbeitsorganisation, in denen die Menschen ihre Kenntnisse und Fähigkeiten einbringen und mitentscheiden können, z.B. durch Einführung von Gruppen- und Teamarbeit und ein besseres Zusammenwirken von Führungskräften und Arbeitnehmern. Eine besondere Herausforderung stellt dabei der demographische Wandel dar, der zur Veränderung der Altersstruktur der Belegschaften führen wird. Dabei geht es zum einen darum, durch gezielte Qualifizierungsangebote für Ältere die Voraussetzungen für eine Anpassung an neue Arbeitsanforderungen auf Grund des technisch-organisatorischen Wandels zu schaffen. Zum anderen ist es notwendig, durch alternsgerechte Formen der Arbeitsgestaltung dem veränderten Leistungsprofil älterer Arbeitnehmer Rechnung zu tragen. Beides setzt voraus, dass ein Umdenken in der Personalpolitik der Unternehmen stattfindet, das älteren Arbeitnehmern mehr Beschäftigungschancen bietet (5).

2.2.5

Die Förderung von Innovationen als ein wesentliches Element zur Erreichung der Lissabon-Ziele macht neben der Verstärkung von Investitionen in Forschung und Entwicklung weitere Maßnahmen sowohl auf staatlicher als auch auf Unternehmensebene erforderlich. Dazu gehört die Verbesserung der Fähigkeit, neue Technologien anzuwenden, aber auch die Veränderung der Arbeitsstrukturen in den Unternehmen durch neue Formen der Arbeitsorganisation, die dem Einzelnen mehr Handlungsspielraum einräumen und die Zusammenarbeit mit den Führungskräften verbessern. Die Erhöhung der Erwerbsquote von Frauen auch auf der Führungsebene sowie bessere Möglichkeiten zur Vereinbarung von Beruf und Familie tragen hierzu ebenfalls bei. Schließlich geht es um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen insgesamt zur Prävention von Stress und arbeitsbedingten Erkrankungen, um die Beschäftigungsfähigkeit insbesondere älterer Arbeitnehmer zu erhalten und alternsgerechte Arbeitsbedingungen zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang weist der Ausschuss auf die Bedeutung der betrieblichen Gesundheitsförderung hin, die die Unternehmen auf freiwilliger Basis ihren Arbeitnehmern anbieten. Eine weitere Unterstützung durch öffentliche Anreizsysteme könnte dazu beitragen, dieses Instrument insbesondere in KMU verstärkt zum Einsatz zu bringen. Ebenso ist die Integration Jugendlicher von großer Bedeutung, da in altersgemischten Teams die Kompetenzen der Jungen mit dem Erfahrungswissen der Älteren zusammengebracht werden und so die besten, innovativsten Ideen entstehen können.

2.2.6

Die Regelung der Arbeitsbedingungen durch Tarifverträge ist ein zentrales Aufgabenfeld der Sozialpartner. Bei der Verbesserung der Qualität des Arbeitslebens kommt daher dem sozialen Dialog auf allen Ebenen eine herausragende Bedeutung zu. Die Schaffung gesundheitsförderlicher Arbeitsbedingungen und eines innovationsfreundlichen Betriebsklimas durch Formen der Arbeitsorganisation, die dem Einzelnen mehr Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten einräumen, bedarf des partnerschaftlichen Zusammenwirkens mit den Arbeitnehmern und ihrer betrieblichen Interessenvertretung. Nur wenn die Betroffenen und ihre Interessenvertretung beteiligt sind, wird das Lissabon-Ziel der Schaffung besserer Arbeitsplätze erreichbar sein. Eine so verstandene Partnerschaft für den Wandel und besserer Arbeitsqualität muss auf der Unternehmensebene beginnen und im sozialen Dialog auf sektoraler und branchenübergreifender Ebene weitergeführt werden. Der EWSA begrüßt die Tatsache, dass es zu einem ersten Meinungsaustausch zwischen den Sozialpartnern am Vorabend der informellen Tagung des Rates für Beschäftigung und Sozialfragen am 6. Juli 2006 gekommen ist, an dem auch ein Vertreter der Zivilgesellschaft teilnehmen konnte. Der EWSA hofft, dass die Sozialpartner sich auf einen gemeinsamen Beitrag zur Debatte um die Qualität der Arbeit, Produktivität und Beschäftigung, die im Zusammenhang mit dem Flexicurity-Konzept steht, verständigen können.

2.3   Wachstum, Produktivität und Beschäftigung

2.3.1

Es ist kein Geheimnis, dass die unter vergleichsweise günstigen ökonomischen Bedingungen im März 2000 vom Europäischen Rat in Lissabon aufgestellten ehrgeizigen Wachstums- und Beschäftigungsziele bislang bei weitem verfehlt wurden. „In mancher Hinsicht“, so heißt es in den Grundzügen der Wirtschaftspolitik vom 12. Juli 2005, „ist die EU heute weiter als im März 2000 von ihrem Ziel entfernt, der wettbewerbsfähigste Wirtschaftsraum der Welt zu werden“ (6). Neben dem anhaltend hohen Niveau der Arbeitslosigkeit, deren Spiegelbild eine nur unwesentliche Verbesserung der Beschäftigungsquote auf 63 % in 2003 ist — weit unterhalb der Zielmarge von 70 % bis 2010 — wird eine Ursache im niedrigen Produktivitätswachstum gesehen. Auf dieses Phänomen hatte bereits der Bericht der Expertengruppe zur Lissabon-Strategie unter Vorsitz von Wim KOK im November 2004 aufmerksam gemacht. Der Rückgang des Produktivitätswachstums (pro geleisteter Arbeitsstunde) in der EU seit Mitte der 90er Jahre ist dabei „zu gleichen Teilen bedingt durch geringere Investitionen pro Beschäftigten und eine Verlangsamung des technologischen Fortschritts“ (7). Diese Verlangsamung hat, ebenfalls dem Bericht der Expertengruppe zufolge, „dieselben Gründe wie die Nichterfüllung der Zielvorgaben von Lissabon: Unzureichende Investitionen in FuE und Bildung, mangelndes Vermögen, Forschungsergebnisse in marktfähige Produkte und Verfahren umzusetzen und niedrigere Produktivität in den IKT-herstellenden Industrien … und bei den IKT-basierten Dienstleistungen … in Europa, bedingt durch eine langsamere IKT-Verbreitung“ (8). Es mangelt der europäischen Wirtschaft also offenbar an Investitionen in zukunftsorientierte Produkte und Technologien und an der Fähigkeit zu Innovationen, was auch Investitionen in das Qualifikationspotenzial der Menschen voraussetzt. Die geringen Ausgaben für Forschung und Entwicklung gemessen an der Zielmarge von 3 % des Bruttoinlandsproduktes (BIP) bis 2010 sind dafür nur ein Indikator. Zudem werden nur 55 % der Forschungsausgaben in der Union von der privaten Wirtschaft finanziert, was als eine wesentliche Ursache für die Innovationslücke zwischen den USA und der EU angesehen wird (9).

2.3.2

In ihrem Bericht zur Frühjahrstagung des Europäischen Rates im März 2006 kommt die Kommission zu dem Ergebnis, dass die EU, trotz aller Anstrengungen „wahrscheinlich ihr Ziel verfehlen wird, die Forschungsausgaben bis 2010 auf 3 % des BIP zu erhöhen“ (10). Sie betont in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit, die privaten Investitionen zu verstärken, für die die Binnenmarktpolitik zugleich bessere Rahmenbedingungen schaffen soll. Neben einer wachstums- und beschäftigungsorientierten makroökonomischen Politik wird nur eine solche auf die Förderung von Innovationen gerichtete Strategie zu mehr und qualitativ hochwertiger Beschäftigung führen. Dies wird auch in den Schlussfolgerungen des Frühjahrsgipfels des Europäischen Rates hervorgehoben, der einen „umfassenden innovationspolitischen Ansatz“ einfordert, der insbesondere auch Investitionen in die allgemeine und berufliche Bildung umfasst (11). Die Notwendigkeit von Investitionen in Wissen und Innovation und damit zusammenhängende nationale wie europäische Maßnahmen wird vom europäischen Rat auf seiner Tagung am 15./16. Juni 2006 erneut betont (12).

2.4   Investitionen in die Menschen als Voraussetzung für eine wissensbasierte innovative Wirtschaft

2.4.1

In einer wissensbasierten Wirtschaft und Gesellschaft werden Produktions- und Dienstleistungsstrukturen durch den Einsatz von IuK-Technologien und innovativer Produkte und Produktionsverfahren ständig erneuert. Damit geht eine Veränderung der Arbeitsorganisation in Produktion und Verwaltung einher. Dieser technisch-organisatorische Strukturwandel in Produktion und Verwaltung bringt Veränderungen der Arbeitsanforderungen mit sich, denen sowohl in der schulischen und beruflichen Erstausbildung als auch in der beruflichen Weiterbildung Rechnung getragen werden muss. Informationstechnisches Wissen und Kompetenz im Umgang mit IuK-Technologien (Medienkompetenz), aber auch soziale Kompetenzen wie Kommunikations- und Teamfähigkeit sowie Fremdsprachenkenntnisse werden zu Schlüsselfaktoren, um den neuen Arbeitsanforderungen gerecht werden zu können. Der Vermittlung solcher Schlüsselkompetenzen muss in allen Zweigen des Bildungssystems Rechnung getragen werden, um auch dadurch die Innovationsfähigkeit in den Unternehmen durch Verbesserung der Qualifikation der Beschäftigten zu stärken.

2.4.2

Bereits im Bericht der Taskforce Beschäftigung vom November 2003 wird darauf hingewiesen, dass die Anhebung des Bildungsniveaus und die ständige Anpassung von Qualifikationen an die Erfordernisse einer wissensbasierten Wirtschaft von zentraler Bedeutung für mehr Beschäftigung ist. Dabei kommt es sowohl auf die Anhebung des allgemeinen Bildungsniveaus wie auch auf die Erleichterung des Zugangs zur ständigen Weiterbildung für die verschiedenen Berufsprofile sowohl des öffentlichen als auch des privaten Sektors an. Vorrang sollten dabei die Bedürftigsten haben, nämlich Geringqualifizierte, ältere Arbeitnehmer und Beschäftigte in Klein- und Mittelbetrieben (KMU). Die Taskforce Beschäftigung betont dabei insbesondere die Verantwortung der Wirtschaft und fordert die Arbeitgeber auf, mehr „Verantwortung für die ständige Weiterbildung ihrer Beschäftigten“ zu übernehmen (13). Durch die Kombination von gesetzlichen Vorschriften und freiwilligen Regelungen sollte gewährleistet werden, dass es zu ausreichenden Investitionen der Arbeitgeber in die Weiterbildung sowie zu einer gerechten Aufteilung der Kosten kommt (etwa durch sektorale oder regionale Weiterbildungsfonds, Steuergutschriften oder eine Weiterbildungsumlage wie z.B. in Frankreich) (14). Der EWSA ist der Auffassung, dass jeder Arbeitnehmer die Chance zur Weiterbildung haben sollte.

2.4.3

Auch die Expertengruppe „Zukunft der EU-Sozialpolitik“ empfiehlt, dass die Union sich im Rahmen der europäischen Beschäftigungsstrategie darauf konzentrieren sollte, die Voraussetzungen für eine wissensbasierte Wirtschaft im Bildungssystem insgesamt zu schaffen und das Bildungssystem zu verbessern (15). Die Expertengruppe macht dazu eine Reihe von Vorschlägen, die alle Ebenen der schulischen und beruflichen Bildung betreffen. Besondere Bedeutung wird dabei der beruflichen Weiterbildung beigemessen. Die Expertengruppe schlägt vor, einen generellen Anspruch auf Weiterbildung tarifvertraglich oder arbeitsvertraglich zu vereinbaren. Die Unternehmen sollten darüber hinaus für jeden Einzelnen Personalentwicklungspläne erarbeiten und ein innerbetriebliches Weiterbildungs- und Kompetenzmanagement aufbauen. An guten Vorschlägen fehlt es also nicht, es mangelt allerdings an deren Umsetzung.

2.5   Verbesserung der Arbeitsqualität zur Stärkung der Innovationsfähigkeit und Verbesserung der Integration älterer Arbeitnehmer

2.5.1   Qualität des Arbeitslebens und Produktivität

2.5.1.1

Der Übergang zu einer wissensbasierten Wirtschaft, die zu Innovationen fähig ist, erfordert neue Initiativen zur Verbesserung der Qualität der Arbeit. Gesundheitsgerechte Arbeitsbedingungen und eine Arbeitsorganisation, die ein engeres Miteinander zwischen dem mittleren Management, der Unternehmensleitung und den anderen Ebenen sowie eine gleichberechtigte Zusammenarbeit und Mitentscheidung ermöglicht, fördern die Arbeitszufriedenheit und das Wohlbefinden bei der Arbeit und tragen damit zum wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens bei. Umgekehrt führen belastende und krankmachende Arbeitsbedingungen zur Beeinträchtigung der Lebensqualität und zu gesellschaftlichen Folgekosten und Produktivitätsverlusten, die sich negativ auf die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft auswirken. Dies belegen einschlägige wissenschaftliche Studien, von denen es allerdings zu wenige gibt.

2.5.1.2

In einer Studie der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (2004) wird der Zusammenhang zwischen Arbeitsqualität und Produktivität näher untersucht (16). Ein zentrales Untersuchungsergebnis besteht darin, dass der Erfolg eines Unternehmens unter den heutigen, verschärften Konkurrenzbedingungen nicht mehr allein mit betriebswirtschaftlichen Kennziffern zu messen ist. Vielmehr spielen solche Faktoren wie Kundenzufriedenheit, Optimierung interner Geschäftsbeziehungen, Innovationsfähigkeit und flexible Organisationsstrukturen eine zunehmende Rolle. Die Forschungsergebnisse auf der Basis einer Literaturauswertung bestätigen, dass ein enger Zusammenhang zwischen guten Arbeitsbedingungen und dem wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens besteht. Die Arbeitsqualität hat einen starken Einfluss auf die Produktivität und die Rentabilität. Im Einzelnen identifiziert die Studie folgende Faktoren für den Unternehmenserfolg:

die Verbindung von Unternehmenszielen mit Konzepten zur Personalentwicklung zur besseren Zielerreichung;

einen umfassenden Ansatz der Gesundheitsförderung, der nicht nur bei den unmittelbaren Arbeitsbedingungen ansetzt, sondern ebenso die Arbeitsmotivation und das Führungsverhalten einschließt;

Konzepte der Gesundheitsförderung, die auf die Vermeidung gesundheitlicher Risiken gerichtet sind;

die Verbesserung von Arbeitsabläufen und der Arbeitsorganisation in Verbindung mit technischen Innovationen.

2.5.1.3

Auf der Basis von Fallstudien in verschiedenen Mitgliedstaaten und unterschiedlichen Branchen wurden in derselben Studie folgende Faktoren für die Verbesserung der Produktivität gefunden:

eine hohe Arbeitsqualität, einschließlich guter Bedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf spielt eine große Rolle;

kooperatives Verhalten der Führungskräfte trägt zu höherer Produktivität bei;

Formen der Arbeitsorganisation, die den Beschäftigten mehr Autonomie und Verantwortung bei der Arbeit einräumen wirken sich positiv aus;

die Verbesserung der Arbeitsmethoden und der Arbeitsplatzausstattung bei körperlich belastenden Tätigkeiten trägt zur Verringerung der Beanspruchung bei und ermöglicht eine höhere Produktivität. Solche Investitionen lohnen sich daher;

für spezifische Belastungen sind kreative Lösungen notwendig, um Arbeitsunfälle zu vermeiden. Die Verringerung von krankheitsbedingten Fehlzeiten hat direkte positive Auswirkungen auf die Produktivität.

2.5.1.4

Das Belastungsspektrum in den Betrieben hat sich, nicht zuletzt auch durch den Einsatz von IuK-Technologien verschoben. Zwar gibt es nach wie vor Bereiche, vor allem in der industriellen Produktion, in der körperliche Belastungen vorherrschen. Insgesamt ist jedoch eine Zunahme psychosozialer Belastungen durch zunehmende Arbeitsintensität und Zeitdruck und das Arbeiten mit IuK-Technologien zu verzeichnen. Arbeitsbedingter Stress ist der vorherrschende Belastungsfaktor in allen Tätigkeits- und Wirtschaftsbereichen und die zentrale Herausforderung für Prävention. Die Studie der Europäischen Agentur kommt zu dem Ergebnis, dass Stressprävention nicht nur Kosten reduziert, sondern zur Verbesserung der Produktivität durch höhere Arbeitsmotivation und besseres Betriebsklima führt.

2.5.1.5

Der Anteil qualifizierter Tätigkeit mit gewachsener Autonomie und geringerer Hierarchie ist insbesondere in der „New Economy“ gestiegen. Gleichzeitig hat sich jedoch der Arbeitsdruck verschärft. Die Grenzen des Arbeitstages werden immer fließender, was mit neuen Formen des gesundheitlichen Verschleißes, wie z.B. dem „Burn Out Syndrom“ einhergeht und die Lebensqualität insgesamt beeinträchtigt. Gleichzeitig ist jedoch in manchen Bereichen auch eine gegenläufige Tendenz zu beobachten. Auf Grund des gestiegenen Kosten- und Konkurrenzdrucks werden humane Formen der Arbeitsgestaltung, wie z.B. Gruppenarbeit in der Automobilindustrie wieder zurückgenommen und streng arbeitsteilige Arbeitsstrukturen wiedereingeführt, die zu einseitigen Belastungen mit entsprechenden gesundheitlichen Risiken führen.

2.5.1.6

Der Anteil prekärer Beschäftigung in Form von unerwünschter Teilzeitarbeit, befristeter Arbeit und Leiharbeit nimmt zu, wobei diese Beschäftigtengruppen meist besonders belastenden Arbeitsbedingungen in Form einfacher, monotoner Tätigkeiten, schwerer körperlicher Belastung oder gesundheitsgefährdenden Umgebungseinflüssen ausgesetzt sind. Prekäre Arbeitsverhältnisse sind oftmals solche mit geringer Arbeitsqualität, was Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes und der Arbeitsgestaltung besonders notwendig macht.

2.5.1.7

Welche Anforderungen die Beschäftigten selbst an eine „gute Arbeit“ stellen, zeigt eine repräsentative Befragung des Internationalen Instituts für empirische Sozialökonomie unter Erwerbstätigen in Deutschland (INIFES) (17). Die Auswertung für die abhängig Beschäftigten ergab, dass an erster Stelle Aspekte der Einkommens- und Beschäftigungssicherheit stehen, gefolgt von Qualitätsaspekten wie sinnvolle und abwechslungsreiche Arbeit. An dritter Stelle stehen soziale Aspekte wie kooperatives Führungsverhalten und gegenseitige Unterstützung. Im Einzelnen sind aus Sicht der Betroffenen folgende Aspekte der Arbeit für ihre Arbeitszufriedenheit und Leistungsbereitschaft in der aufgeführten Reihenfolge wichtig:

1.

festes, verlässliches Einkommen,

2.

Sicherheit des Arbeitsplatzes,

3.

Arbeit soll Spaß machen,

4.

von Vorgesetzten als Mensch behandelt werden,

5.

unbefristetes Arbeitsverhältnis,

6.

Förderung der Kollegialität,

7.

Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz,

8.

Arbeit soll sinnvoll sein,

9.

vielseitige, abwechslungsreiche Arbeit,

10.

Einfluss auf die Arbeitsweise haben.

Alle diese Aspekte erhielten 70 bis über 90 Prozent Zustimmung. Weitere Kriterien mit ebenfalls hoher Zustimmung, (über 60 Prozent) für gute Arbeit betrafen die Möglichkeit, die eigenen Fähigkeiten weiterentwickeln zu können, sowie die Anforderung an die Vorgesetzten, die fachliche und berufliche Entwicklung zu fördern. Die Untersuchung zeigte ebenfalls, dass eine hohe Arbeitsqualität, die den subjektiven Kriterien für gute Arbeit weitgehend entspricht, zu höherer Arbeitszufriedenheit, Arbeitsfreude und hoher Leistungsbereitschaft führt. Die Schlussfolgerung liegt daher nahe, dass sich dies auch positiv auf die Arbeitsproduktivität auswirkt, auch wenn dieser Zusammenhang nicht ausdrücklich untersucht wurde.

2.5.2   Altersgerechte Arbeitsgestaltung

2.5.2.1

Die Beschäftigungsquote älterer Arbeitnehmer (55-65 Jahre) ist in der Union nach wie vor unzureichend und das Lissabonziel der Erhöhung der Erwerbsquote auf 50 % bis zum Jahr 2010 wird verfehlt. Eine wesentliche Ursache für das vorzeitige Ausscheiden älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus dem Erwerbsleben liegt im gesundheitlichen Verschleiß durch belastende Arbeitsbedingungen und durch eine hohe Arbeitsintensität sowie an der hohen Arbeitslosigkeit. In den vergangenen Jahren hat die betriebliche Personalpolitik darauf gesetzt, Ältere zum früheren Ausscheiden zu bewegen. Das hat zu einem Verdrängungsprozess geführt, der auch die sozialen Sicherungssysteme stark belastet.

2.5.2.2

Nach Ansicht des EWSA reicht es nicht aus, lediglich ehrgeizige Ziele zu formulieren ohne zugleich die Voraussetzungen zu schaffen, die zur Erreichung eines solchen Zieles erforderlich sind. Angesichts eines erheblichen Mangels an Arbeitsplätzen muss es vorrangig darum gehen, den Leistungsdruck in den Betrieben und Verwaltungen zu verringern und die Arbeitsbedingungen und Leistungsanforderungen so zu gestalten, dass sie über die Dauer eines (längeren) Erwerbslebens zumutbar sind. Dies erfordert in vielen Betrieben eine Aufstockung der Belegschaften, um den Leistungsdruck zu verringern und vorzeitigem gesundheitlichen Verschleiß vorzubeugen. Die Verbesserung der Arbeitsqualität durch geeignete Maßnahmen der Arbeitsgestaltung und der Arbeitsorganisation sowie eine ausreichende Personalbemessung sind entscheidende Instrumente, um dieses Ziel zu erreichen. Das Augenmerk sollte daher nicht darauf gerichtet werden, das gesetzliche Renteneintrittsalter zu erhöhen sondern darauf, das tatsächliche dem gesetzlichen anzunähern. Dazu sind vor allem Maßnahmen der Arbeitsgestaltung und eine geänderte betriebliche Personalpolitik für Ältere erforderlich.

2.5.2.3

Die Expertengruppe „Zukunft der EU-Sozialpolitik“ empfiehlt in diesem Zusammenhang Maßnahmen auf drei Ebenen. Neben der Reform der sozialen Sicherungssysteme mit dem Ziel, Anreize zum vorzeitigen Ausscheiden zu verringern, sieht sie den Schwerpunkt der erforderlichen Maßnahmen auf Unternehmensebene. Erforderlich ist eine stärkere Beteiligung Älterer an Weiterbildungsmaßnahmen, die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und die Modernisierung der Arbeitsorganisation. Neue Formen der Arbeitsorganisation sollten den Fähigkeiten und Kompetenzen älterer Arbeitnehmer besser gerecht werden, insbesondere durch die Gestaltung alternsgerechter Arbeitsplätze und die Erleichterung eines innerbetrieblichen Tätigkeitswechsels (18). Darüber hinaus ist ein gesellschaftlicher Mentalitätswandel erforderlich, der den Wert von Erfahrungswissen und im Erwerbsleben erworbener Kompetenzen neu zu schätzen weiß.

Brüssel, den 13. September 2006

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND


(1)  Schlussfolgerungen des Rates vom 1./2.6.2006, Seite 17 (dt. Fassung). Siehe http://www.consilium.europa.eu/ueDocs/cms_Data/docs/pressdata/de/lsa/90044.pdf.

(2)  Flexicurity: gemeinsamer Beitrag des Beschäftigungsausschusses und des Ausschusses für Sozialschutz, angenommen auf der Tagung des Rates der Beschäftigungs- und Sozialpolitik am 1./2.6.2006. http://register.consilium.europa.eu/pdf/de/06/st09/st09633.de06.pdf.

(3)  Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen „Europäische Werte in der globalisierten Welt — Beitrag der Kommission zur Tagung der Staats- und Regierungschefs im Oktober“ (KOM(2005) 525 endg./2 vom 3.11.2005), S. 5.

(4)  Siehe Stellungnahme des EWSA vom 6. Juli 2006 zum Thema „Sozialer Zusammenhalt: Ein europäisches Sozialmodell mit Inhalt füllen“, Berichterstatter: Herr EHNMARK. http://eescopinions.eesc.europa.eu/viewdoc.aspx?doc=//esppub1/esp_public/ces/soc/soc237/de/ces973-2006_ac_de.doc.

(5)  Siehe die nachstehenden Stellungnahmen des EWSA:

zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Anhebung der Beschäftigungsquote älterer Arbeitskräfte und des Erwerbsaustrittsalters“ (ABl. C 157 vom 28.6.2005, S. 120-129; Berichterstatter: Herr DANTIN).

http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/oj/2005/c_157/c_15720050628de01200129.pdf

zu der Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament „Produktivität: Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Volkswirtschaften und Unternehmen“, Berichterstatter: Herr MORGAN/Frau SIRKEINEN; Mitberichterstatter: Herr EHNMARK (ABl. C 85 vom 8.4.2003, S. 95-100;).

http://europa.eu/eur-lex/pri/de/oj/dat/2003/c_085/c_08520030408de00950100.pdf.

(6)  „Empfehlung des Rates vom 12. Juli 2005 zu den Grundzügen der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft (2005-2008)“ (ABl. L 205 vom 6.8.2005 — S. 28-37).

http://europa.eu.int/eur-lex/lex/LexUriServ/site/de/oj/2005/l_205/l_20520050806de00280037.pdf.

(7)  „Die Herausforderung annehmen — Die Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung“. Bericht der Hochrangigen Sachverständigengruppe unter dem Vorsitz von Wim KOK, November 2004 (Kok-Bericht), S. 18.

http://europa.eu.int/growthandjobs/pdf/kok_report_de.pdf.

(8)  Idem.

(9)  Siehe Stellungnahme des EWSA vom 15.9.2004 zum Thema „Hin zum 7. Rahmenprogramm für Forschung: Forschungsbedarf im Rahmen des demographischen Wandels — Lebensqualität im Alter und Technologiebedarf“, Berichterstatterin: Frau HEINISCH (ABl. C 74 vom 2.3.2005, S. 44-54).

http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/oj/2005/c_074/c_07420050323de00440054.pdf.

(10)  Mitteilung der Kommission für die Frühjahrstagung des Europäischen Rates „Jetzt aufs Tempo drücken — Die neue Partnerschaft für Wachstum und Arbeitsplätze“ (KOM(2006) 30 endg. — TEIL 1 vom 25.1.2006), S. 19.

(11)  Europäischer Rat (Brüssel) 23./24. März 2006 — Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Ziffer 18ff.

http://www.consilium.europa.eu/ueDocs/cms_Data/docs/pressData/de/ec/89030.pdf.

(12)  Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Ziffern 20 und 21.

http://www.consilium.europa.eu/ueDocs/cms_Data/docs/pressData/de/ec/90120.pdf.

(13)  Bericht „Jobs, Jobs, Jobs — Mehr Beschäftigung in Europa schaffen“ der Taskforce „Beschäftigung“ unter dem Vorsitz von Wim KOK von November 2003, S. 49.

http://europa.eu.int/comm/employment_social/employment_strategy/pdf/etf_de.pdf.

(14)  Idem, S. 51.

(15)  Bericht der Hochrangigen Gruppe über die Zukunft der Sozialpolitik in der erweiterten Europäischen Union von Mai 2004.

http://europa.eu.int/comm/employment_social/publications/2005/ke6104202_de.pdf.

(16)  European Agency for Safety and Health at Work: Quality of the Working Environment and Productivity — Working Paper (2004).

http://osha.eu.int/publications/reports/211/quality_productivity_en.pdf (nur in Englisch).

(17)  „Was ist gute Arbeit? Anforderungen aus Sicht von Erwerbstätigen“ — Kurzfassung. INIFES, November 2005 (nur in Deutsch).

http://www.inqa.de/Inqa/Redaktion/Projekte/Was-ist-gute-Arbeit/gute-arbeit-endfassung,property=pdf,bereich=inqa,sprache=de,rwb=true.pdf.

(18)  Bericht der Hochrangigen Gruppe über die Zukunft der Sozialpolitik in der erweiterten Europäischen Union von Mai 2004, S. 37.

http://europa.eu.int/comm/employment_social/publications/2005/ke6104202_de.pdf.


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