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Document 52013AE5716

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Raumfahrtindustriepolitik der EU — Entfaltung des Wachstumspotenzials im Raumfahrtsektor COM(2013) 108 final

ABl. C 341 vom 21.11.2013, p. 29–34 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

21.11.2013   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 341/29


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Raumfahrtindustriepolitik der EU — Entfaltung des Wachstumspotenzials im Raumfahrtsektor

COM(2013) 108 final

2013/C 341/07

Berichterstatter: Joost VAN IERSEL

Die Kommission beschloss am 28. Februar 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Raumfahrtindustriepolitik der EU - Entfaltung des Wachstumspotenzials im Raumfahrtsektor

COM(2013) 108 final.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 17. Juli 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 492. Plenartagung am 18./19. September 2013 (Sitzung vom 18. September) mit 151 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 4 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der EWSA begrüßt mit Nachdruck eine EU-Industriepolitik im Raumfahrtsektor (1). Er billigt auch die Haushaltsmittel in Höhe von 11 Mrd. EUR für Galileo, Copernicus und FuE im Rahmen von Horizont 2020 für den Zeitraum 2014–2020, die zusätzlich zu dem vorhandenen Jahresbudget von 4 Mrd. EUR der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) bereitgestellt werden. Diese Entscheidungen stimmen mit den Standpunkten überein, die der EWSA stets vertreten hat (2).

1.2

Eine von einem europaweiten politischen Engagement getragene EU-Raumfahrtpolitik sollte über die gesamte Wertschöpfungskette von der Konzipierung bis hin zur Entwicklung, Lancierung und Durchführung einen unabhängigen Zugang Europas zum Weltraum gewährleisten. Langfristige hoch riskante Tätigkeiten erfordern Vorhersagbarkeit, Sicherheit und dauerhafte Verpflichtungen.

1.3

Die EU muss eine kritische Masse erreichen. Ein Binnenmarkt für die Raumfahrt setzt eine genaue Definition der "gleichen Ausgangsbedingungen" für Europa voraus, sowohl aus internen als auch externen Gründen.

1.4

Da überall auf der Welt große institutionelle Märkte zunehmend an strategischer und technologischer Bedeutung gewinnen, ist eine proaktive Industriepolitik notwendig. Die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie muss verbessert werden. Es müssen immer noch erhebliche interne Hindernisse schrittweise überwunden werden.

1.5

Die EU-Industriepolitik sollte die verschiedenen Strategien der Mitgliedstaaten unter einen Hut bringen und die unterschiedlichen nationalen Präferenzen in einem gemeinsamen Rahmen zusammenführen.

1.6

Alle Beteiligten müssen an einem Strang ziehen. Die ESA hat eine besondere Position. Sie ist sehr erfolgreich und ihre Leistungen sind unbestritten. Im Zuge der Neuordnung wird die ESA zusätzlich zu ihrer herkömmlichen Rolle Raumfahrtprojekte im Einklang mit den EU-Vorschriften auf den Weg bringen. Neue Verfahren sollen eingerichtet, neue Beziehungen aufgebaut werden. Dafür ist eine gut entwickelte Koordinierung und Feinabstimmung zwischen allen Akteuren erforderlich, d.h. zwischen den Kommissionsdienststellen, der ESA und den Mitgliedstaaten.

1.7

Formale Regelungen für die Konsultation der Industrie sind erforderlich, insbesondere was die KMU angeht. Ein ausreichender Anteil der für Copernicus und Galileo bestimmten Haushaltsmittel muss für die Entwicklung neuer Dienstleistungen und Anwendungen vorgesehen werden.

1.8

Im Raumfahrtsektor werden hoch qualifizierte Arbeitskräfte auf der Basis angemessener Arbeitsverträge gebraucht. Es muss kontinuierlich darauf geachtet werden, dass durch eine dem neuesten Stand entsprechende allgemeine und berufliche Bildung die geeigneten Fähigkeiten vermittelt werden und die Mobilität gefördert wird.

1.9

Sicherheits- und verteidigungsstrategische Überlegungen sind in allen Ländern die Triebfedern für die Raumfahrtpolitik. Die neue Raumfahrtpolitik und die diesbezüglichen Maßnahmen der EU stützen sich auf Artikel 73 und insbesondere Artikel 189 AEUV. Sie bedingen eine engere Abstimmung zwischen den Mitgliedstaaten in Sicherheits- und Verteidigungsfragen und somit die Einbettung in eine weitergefasste Perspektive der EU-Außenpolitik. Andererseits können Erfahrungen in der Raumfahrtpolitik in bestimmten genau umrissenen Bereichen beispielhaft für die europäische Verteidigungspolitik sein. Diese sollten in der bevorstehenden Debatte über die europäische Verteidigungspolitik berücksichtigt werden.

1.10

Von der EU-Raumfahrtindustriepolitik können Impulse für eine wettbewerbsfähige, solide, effiziente und ausgewogene industrielle Basis in Europa ausgehen, die für staatliche Dienstleistungen sowie für die Wirtschaft und die Bürger förderlich ist. Der Sektor ist noch anfällig. Durch die Krise kommen neue Unwägbarkeiten hinzu. Es ist Zeit zu handeln!

1.11

Vor diesem Hintergrund befürwortet der EWSA uneingeschränkt die fünf von der Kommission definierten Ziele: ein kohärenter und stabiler Regelungsrahmen, eine starke industrielle Basis einschließlich KMU, Wettbewerbsfähigkeit und Kostenwirksamkeit, Märkte für Raumfahrtanwendungen und weltraumgestützte Dienstleistungen sowie technologische Eigenständigkeit und unabhängiger Zugang zum Weltraum (3).

1.12

Europas Stellung in der Welt muss gefestigt und gestärkt werden; dazu ist es notwendig, die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu steigern, in puncto Ambitionen mit anderen Raumfahrtnationen und mit der Weltklassetechnologie Schritt zu halten, die Wirtschaftlichkeit über die gesamte Wertschöpfungskette zu fördern und Märkte für Raumfahrtanwendungen und weltraumgestützte Dienstleistungen zu entwickeln.

2.   Historischer Kontext, Engagement des EWSA

2.1

Aufgrund von sicherheits- und verteidigungspolitischen Erwägungen hat sich die Raumfahrtpolitik außerhalb des Rahmens des EU-Vertrags entwickelt. Die Mitgliedstaaten hatten ihre eigenen Raumfahrtstrategien. Gemeinsame europäische Interessen wurden bis zu einem gewissen Grad über FuE-Projekte und industrielle Vorhaben der ESA kanalisiert.

2.2

2003 wurde mit dem Rahmenabkommen zwischen der ESA und der EU eine neue Phase eingeläutet. Mit der Beteiligung des RP7 an Forschungsvorhaben rückte eine sektorspezifische Industriepolitik der EU in greifbare Nähe. Die Investitionen im vor- und nachgeschalteten Bereich stiegen an, der Wettbewerb nahm zu, privatwirtschaftliche Fachunternehmen entwickelten neue Anwendungen und Dienstleistungen.

2.3

Der EWSA befürwortete nachdrücklich die EU-Strategie, das ESA-Konzept mit einer engeren Beteiligung der EU-Institutionen zu verbinden, wie auch in diese Richtung gehende konkrete Vorschläge und Entscheidungen (4).

2.4

In anschließenden Stellungnahmen unterstrich der EWSA die Bedeutung der europäischen Raumfahrtpolitik für die öffentlichen Dienstleistungen, die Unternehmen und insbesondere auch die Bürger. Er unterstützte die Vorstöße in mehreren spezifischen Bereichen – Europäisches Erdbeobachtungsprogramm (GMES), GMES–Weltraumkomponente sowie "Auf dem Weg zu einer Weltraumstrategie der Europäischen Union im Dienst der Bürgerinnen und Bürger" (5).

2.5

2012 sprach sich der EWSA dafür aus, das GMES innerhalb des mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) 2014-2020 zu finanzieren (6). Am 8. Februar 2013 beschloss der Rat dementsprechend die Zuweisung von 3,78 Mio. EUR für das GMES – das nunmehr unter dem Namen Copernicus läuft –, 6,3 Mrd. EUR für Galileo und 1,7 Mrd. EUR für FuE im Rahmen von Horizont 2020. Diesem Beschluss muss das EP noch zustimmen.

2.6

Die jüngste Mitteilung der Kommission zur Industriepolitik im Raumfahrtsektor ist ein weiterer Schritt und insofern notwendig, als Europa derzeit in der Raumfahrt gegenüber den meisten, wenn nicht gar allen Raumfahrtnationen an Boden verliert (7).

3.   Aktuelle Entwicklungen

3.1

Die Gegebenheiten haben sich drastisch verändert. Die Investitionen der neuen Raumfahrtnationen nehmen weltweit rasant zu. Die USA sind nach wie vor der wichtigste Akteur. In den USA sind die Umsätze der Branche ungefähr zehnmal so hoch wie in Europa. China und Indien werden zu harten Konkurrenten. Russland hat vor kurzem eine erhebliche Aufstockung seines Raumfahrtbudgets angekündigt.

3.2

Strategische Überlegungen in Bezug auf Autonomie und Eigenständigkeit spielen eine entscheidende Rolle. In China, Indien und Japan ist der Markt zu 100 % institutionell, in Russland fast der gesamte Markt. In den USA sind es über 70 %. Dies ist eindeutig eine völlig andere Situation als in Europa, wo der Markt zu 50 % vom Privatsektor abhängt. Der 20 %ige Marktanteil des Privatsektors in den USA entspricht vom Volumen her mehr als 50 % des privaten Marktanteils in Europa.

3.3

Der Weltmarkt wächst, während sich der Wettbewerb wegen der neu hinzukommenden Raumfahrtnationen verschärft. Dies bedroht die hart erkämpfte Marktposition der europäischen Industrie, da Handelshemmnisse entstehen, während die neuen Marktteilnehmer eine aggressive Exportpolitik betreiben. Aufgrund von Kürzungen beim Verteidigungshaushalt beginnt auch die amerikanische Raumfahrtindustrie in alle Welt zu exportieren.

3.4

Vor diesem Hintergrund unterstützt der EWSA uneingeschränkt das Ziel der Erhaltung eines unabhängigen Zugangs Europas zum Weltraum, das in einer Reihe von Schlussfolgerungen des Rates und Mitteilungen der Kommission vertreten wird. Mehr als zuvor unterstreichen Rat und Kommission zu Recht, dass die EU in strategischen Bereichen des Raumfahrtsektors ihre Eigenständigkeit wahren muss, indem der unabhängige Zugang Europas zum Weltraum gefördert und gesichert wird.

3.5

Europa ist derzeit noch stark von amerikanischer Technologie abhängig. Um diese Abhängigkeit unter Gewährleistung der unterbrechungsfreien Bereitstellung von Know-how und Hightech-Material zu verringern, sind größere Anstrengungen seitens der Mitgliedstaaten, der ESA und der EU erforderlich.

3.6

Angesichts langfristiger und hoch riskanter Tätigkeiten sind Vorhersagbarkeit, Sicherheit und dauerhafte Verpflichtungen unverzichtbar. Auf dem Weg zu seiner vollen Reife ist der Sektor noch anfällig, insbesondere was die KMU betrifft, die für die Entwicklung von Anwendungen von entscheidender Bedeutung sind. Durch die derzeitige Krise wird diese Anfälligkeit verschärft.

4.   Industriepolitik für die Raumfahrtindustrie

4.1

Vor dem Hintergrund dieser Herausforderungen hat die Kommission, gestützt auf Artikel 173 und 189 AEUV, ihren Vorschlag für eine aktive EU-Industriepolitik vorgelegt.

4.2

Nach Konsultationen mit einer ganzen Reihe öffentlicher und privater Akteure hat die Kommission erstmals eine eingehende Analyse der Herausforderungen vorgenommen. Diese weithin akzeptierte Analyse ist eine wichtige Argumentationsgrundlage für die Aufstockung des ESA-Budgets von derzeit rund 4 Mrd. EUR um zusätzliche 11 Mrd. EUR für die Raumfahrt im Zeitraum 2014–2020. Angesichts der aggressiven Politik anderer Raumfahrtnationen ist dies ein entscheidender Schritt.

4.3

Diese zusätzliche Finanzspritze ist auch ein guter Ausgangspunkt in einem Sektor, der in den nächsten zehn Jahren voraussichtlich erheblich zulegen wird, was zwei Gründe hat:

es handelt sich um einen strategisch wichtigen Sektor;

mit seinen unterstützenden Technologien schafft er die Grundvoraussetzungen für viele andere Wirtschaftstätigkeiten, indem er positive Synergien zu Branchen erzeugt, die von Weltraumtechnologien und Weltraumdiensten unmittelbar profitieren.

4.4

In immer mehr Bereichen kommen Weltraumdienste zum Einsatz: Sicherheit, Landwirtschaft, Verkehr, Regionalentwicklung, Meeresüberwachung, Meteorologie, Telekommunikation, Rundfunk, Überwindung der digitalen Kluft.

4.5

Außerdem wird Weltraumtechnologie bei einer Reihe globaler Themen wie beispielsweise Klimawandel, Ernährungssicherheit, Fischerei, Entwaldung, Überwachung natürlicher Ressourcen oder Katastrophenmonitoring eine unterstützende Rolle spielen. Europa sollte mit einem eigenen globalen System ausgestattet werden, um seine Rolle im Einklang mit seiner wirtschaftlichen Position in der Welt in vollem Umfang wahrzunehmen. In der Öffentlichkeit muss das Bewusstsein für diese Thematik geweckt werden.

4.6

Der EWSA unterstützt vorbehaltlos die Entscheidung, dass die EU die Möglichkeiten einer proaktiven Industriepolitik durch die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen nutzen soll. Er betrachtet dies als eine konkrete Weiterentwicklung des weiter gefassten Konzepts einer EU-Industriepolitik gemäß den Mitteilungen der Kommission zur Industriepolitik aus den Jahren 2010 und 2012.

4.7

Indem Weltraumsysteme konzipiert und entwickelt sowie entsprechende Programme aufgelegt und durchgeführt werden, sollten ein unabhängiger Zugang Europas zum Weltraum sowie damit verbundene Technologien gewährleistet werden. Eigenständigkeit und die unabhängige Überprüfung von Daten sind unverzichtbar – mit Sicherheit gegenüber China, aber selbst gegenüber befreundeten Nationen wie den USA, zu denen Europa unvermeidlich in Konkurrenz steht.

4.8

Das Gros der Industriepolitiken, die durch nationale Strategien bestimmt werden, liegt weiterhin in den Händen der Mitgliedstaaten. Diese Strategien fallen in den übergeordneten Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik, was die enge Verflechtung zwischen Regierungen, nationaler Forschung und Industrie erklärt. Dies führt zu internen Handelshemmnissen und damit zu Zersplitterung und Uneinheitlichkeit sowie einem Rückstand Europas.

4.9

Gleiche Ausgangsbedingungen sind somit eine Voraussetzung für eine wie auch immer geartete EU-Industriepolitik. Die Kommission sollte klare Kriterien für die genaue Definition des Begriffs "gleiche Ausgangsbedingungen" ausarbeiten. Solch eine genaue Begriffsbestimmung ist auch unverzichtbar für jedwede Maßnahme auf "Gegenseitigkeit" mit Drittländern bei der Öffnung internationaler Märkte.

4.10

Der EWSA unterstreicht, dass gleiche Ausgangsbedingungen und ein transparenter interner Wettbewerb innerhalb der EU das letztendliche Ziel sein müssen. Dies wird erheblich dazu beitragen, mit dem Rest der Welt Schritt zu halten.

4.11

Was die FuE-Politik der Kommission angeht, muss nach Ansicht des EWSA zwei wichtigen Anliegen Rechnung getragen werden:

die Wettbewerbsfähigkeit der EU muss durch geeignete Horizont-2020-Programme in enger Zusammenarbeit mit der ESA und mit den gesonderten FuE-Programmen der Mitgliedstaaten unterstützt werden;

es muss ein reibungsloser Übergang von der FuE-Phase zu den Betriebsphasen der EU-Programme sichergestellt werden.

4.12

Diese Anliegen sind im Zusammenhang mit den schrumpfenden FuE-Ausgaben in den Mitgliedstaaten zu sehen. Aufgrund der ausgleichenden finanziellen Beteiligung der Kommission bleiben die Gesamtausgaben mehr oder weniger unverändert. Die einzige Ausnahme ist Deutschland, wo die FuE-Mittel für den Raumfahrtsektor vor kurzem um 10 % aufgestockt wurden.

4.13

Wie der EWSA verschiedentlich dargelegt hat, muss eine erfolgreiche Industriepolitik als Querschnittspolitik angelegt sein: Um alle von der GD Unternehmen ausgearbeiteten Ziele zu verwirklichen, muss die Koordinierung zwischen den verschiedenen Generaldirektionen der Kommission gewährleistet werden; dies gilt beispielsweise für die Abstimmung mit der GD Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologien im Bereich Satellitenkommunikation und mit der GD Handel im Hinblick auf die Öffnung von Märkten und die Versorgungssicherheit bei kritischen Bauteilen.

5.   ESA und EU

5.1

Wissenschaft und Technologie sind von grundlegender Bedeutung. Der EWSA unterstreicht nochmals, wie wichtig die ESA für die europäische Weltraumpolitik ist. Angesichts der Hürden, die in jedem zwischenstaatlichen Rahmen zu überwinden sind, steht die frühere und aktuelle Leistung der ESA außer Frage. Von Anfang an hat sie erheblich zu den europäischen Raumfahrttätigkeiten in ihrer heutigen Form beigetragen. Nicht zuletzt aufgrund des positiven Preis-Leistungs-Verhältnisses der Produkte hat die ESA eine unverzichtbare Rolle in der Forschung und Entwicklung im Raumfahrtsektor und bis zu einem gewissen Grad auch in der industriellen Tätigkeit gespielt.

5.2

Die ESA ist ein gut gerüsteter Partner für die Regierungen und Industrien der Mitgliedstaaten. Dementsprechend ist sie mit ihren Leistungen ein hochqualifiziertes Glied der Kette bei der Schaffung und Stärkung der Basis der europäischen Industrie. Darüber hinaus wurden die einzelstaatlichen Regierungen durch das gegenwärtige System des "angemessenen Mittelrückflusses" dazu ermuntert, ein Auge auf die Gesamtleistung im FuE-Bereich und bei den nachgeschalteten Wirtschaftstätigkeiten in den jeweiligen Ländern zu haben.

5.3

Nach und nach wurde jedoch offenkundig, dass neue Wege beschritten werden mussten, wenn die EU tatsächlich zu einem wettbewerbsfähigen globalen Akteur werden wollte. Mit der Rahmenvereinbarung von 2003 zwischen der ESA und der EU wurde damit begonnen, zusätzlich politische Maßnahmen und finanzielle Ressourcen der EU miteinzubeziehen und den Wettbewerb wie auch die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Zwischen ESA und EU entwickelte sich eine erfolgreiche Partnerschaft. Ein dauerhaftes Engagement der ESA wird eine solide Grundlage für jedwede EU-Raumfahrtindustriepolitik sein.

5.4

Die sich rasch wandelnden Bedingungen erfordern daher eine genaue Bewertung der Verfahren und Vorgehensweisen und eine optimale Nutzung der Finanzmittel zur Förderung der dauerhaften Wettbewerbsfähigkeit und Widerstandfähigkeit der europäischen Unternehmen.

5.5

Zwar wird die Rolle der ESA bei der Schaffung einer soliden Grundlage für den Einsatz eigener europäischer Weltraumsysteme durch gezielte und integrierte Anwendungen anerkannt, aber bei der Unterstützung, die sie zur EU-Politik leisten kann, sind die Möglichkeiten noch nicht voll ausgeschöpft. Von einer engeren Zusammenarbeit zwischen EU und ESA sollten in dieser Hinsicht starke Impulse ausgehen.

5.6

Für eine überlegte Strategie zur erfolgreichen Errichtung und nachhaltigen Nutzung operationeller Weltraumsysteme sind neue Ansätze und Verfahren erforderlich. Desgleichen müssen durch eine wirksame Vergemeinschaftung der Ressourcen drei Ziele verfolgt werden:

Erhaltung einer soliden Wissensgrundlage;

neue Anreize für die Anwendungstechnik und für den Markt;

Anreize für die Entwicklung neuer Reihen von Anwendungen und Dienstleistungen (zur Unterstützung anderer Sektoren).

5.7

Die jüngsten Entscheidungen stehen im Einklang mit der Modernisierung, für die sich der EWSA in seiner Stellungnahme aus dem Jahr 2008 ausgesprochen hat (8). Der EWSA unterstrich seinerzeit, dass umso mehr Flexibilität nötig ist, je ausgereifter der Raumfahrtmarkt wird; mit starren Beziehungsmustern, die sich aufgrund des von der ESA praktizierten Grundsatzes des "angemessenen Mittelrückflusses" ergeben, ist dies in Zeiten immer rascher aufeinanderfolgender Technologiezyklen und zunehmender Synergien und Anwendungen in der Regel nicht zu gewährleisten (9).

5.8

Abrupte Veränderungen müssen vermieden werden. Der EWSA trat daher für eine Analyse und einen Dialog über die Frage ein, welches Maß an Leistungsfähigkeit Europa in zehn Jahren erreicht haben will: "In diesem Dialog muss es unter anderem um die Art der Finanzierung der ESA, den dynamischen Beitrag mittelständischer Unternehmen und die Aufrechterhaltung eines möglichst hohen Wettbewerbsniveaus gehen" (10) .

5.9

Der EWSA betrachtet die auf der ESA-Ratstagung vom November 2012 angenommene Entschließung über die Beziehungen zwischen der EU und der ESA (11) in Verbindung mit dem neuen Finanzrahmen vom 8. Februar als praktische Umsetzung seiner Empfehlung von 2008. Die EU tritt in eine neue Phase ein.

5.10

Mit der Umsetzung der Beschlüsse wird der ESA – zwecks Nutzung ihrer langjährigen Erfahrungen – die Verantwortung für die Leitung übertragen, allerdings auf der Grundlage von EU-Rechtsvorschriften. Im Falle einer ordnungsgemäßen Umsetzung wird ein optimales Gleichgewicht zwischen den Kompetenzen der ESA und den üblichen Marktmechanismen der EU hergestellt.

5.11

Es ist noch nicht abzusehen, wie die vereinbarten Arbeitsmethoden funktionieren werden, zumindest nicht in der Anfangsphase. Trotz geringfügiger Veränderungen in den letzten Jahren, in denen marktorientierte Ansätze vorangetrieben wurden, muss sich in Europa eine neue Beziehung zu Wissenschaft und Forschung in der Raumfahrt herausbilden. Der Ausschuss begrüßt daher, dass praktikable Abgrenzungen zwischen dem in der ESA gebräuchlichen Grundsatz eines angemessenen Mittelrückflusses (der dem Ziel dient, in Europa eine breitgefächerte Raumfahrtindustrie aufzubauen und zu nutzen) und den für die Kommission verbindlichen Regeln des EU Binnenmarkts entwickelt werden, damit die fruchtbare Kooperation zwischen der Kommission und der ESA ausgebaut und die europäische Raumfahrtindustrie weiter gestärkt wird.

5.12

Dieser Aspekt wurde auch in der zusätzlichen Stellungnahme der CCMI zu diesem Thema angesprochen. Einige dort enthaltene kritische Fragen konnten zwischenzeitlich zur Zufriedenheit geklärt werden.

6.   Spezifische Fragen

6.1

Bei der Konzipierung der Raumfahrtpolitik gemäß Artikel 189 sollten soweit wie möglich parallele Befugnisse der Kommission und der Mitgliedstaaten zur Anwendung kommen. Die Mitgliedstaaten sollten bei spezifischen Themen die Initiative zur Zusammenarbeit untereinander ergreifen. Derartige Kooperationsmaßnahmen könnten von der Kommission überwacht werden.

6.2

In einem sich wandelnden dynamischen Wettbewerbsumfeld müssen die geeigneten Bedingungen zur Förderung einer soliden Wettbewerbsgrundlage für die Industrie der EU definiert werden. Der EWSA dringt daher darauf, der Industrie künftig formal einen Platz in den Beratungsgremien einzuräumen, insbesondere wo es um Bereiche geht, in denen sich kleinere Unternehmen engagieren. Die Anforderungen müssen offen und transparent festgelegt werden.

6.3

Zu den Themen, die diskutiert werden müssen, gehören eine freie und offene Datenpolitik, Qualität, Standards und Zertifizierung. Da Dienstleistungen sowohl von öffentlichen Stellen als auch von privaten Akteuren erbracht werden, ist eine wirksame Überwachung erforderlich.

6.4

Durch genau festgelegte Konsultationsregelungen kann das enorme Potenzial von KMU genutzt werden. Ein ausreichender Anteil der für Copernicus und Galileo bestimmten Haushaltsmittel muss für die Entwicklung neuer Dienstleistungen und Anwendungen verwendet werden.

6.5

Da es sich um einen technologientensiven Sektor handelt, sind die Arbeitskräfte im Schnitt hoch qualifiziert. Weltweit zählt die Raumfahrt 800 000 Beschäftigte, davon 25 % in den USA und 4 % (!) in Europa. Um das Potenzial Europas auszubauen und vorteilhafte Synergien zu erzeugen, werden immer mehr Hochschulabsolventen gebraucht. Angemessene Arbeitsverträge sollten die Regel sein, um den Sektor attraktiver zu machen.

6.6

Der Weltraum regt die Vorstellungskraft junger Menschen an. Der EWSA dringt auf eine aktive Arbeitsmarktpolitik, die sich auf eine dem neuesten Stand entsprechende allgemeine und berufliche Bildung stützt und in der technischen Hochschulbildung vorangetrieben wird, wobei auch eine enge Verbindung zu Forschung und Innovation hergestellt werden muss. Dadurch kann auch die wünschenswerte gebührende Mobilität gefördert werden.

6.7

Angesichts der überwältigenden Bedeutung des institutionellen Marktes ist die Raumfahrtindustriepolitik eng mit der Beschaffungspolitik verknüpft. Diese beiden Politikbereiche sollten hohen Anforderungen an Qualität und Transparenz genügen. Der EWSA betont, dass die Ausarbeitung einer spezifischen Beschaffungspolitik für den Raumfahrtsektor, an der die EU unmittelbar beteiligt ist und deren Geltungsbereich zuvor von der Kommission gemeinsam mit den Mitgliedstaaten festgelegt werden muss, von der Industrie sehr begrüßt würde.

6.8

Eine solche Politik wird den Weg ebnen, damit die EU ihre Funktion als Eigentümerin europäischer Raumfahrtinfrastrukturen und als Kundin für weltraumgestützte Dienstleistungen zur Erfüllung einer breiten Palette öffentlicher Aufgaben wahrnehmen kann.

6.9

Der EWSA unterstreicht die wichtige Rolle der Regionen und des regionalen Engagements bei der Förderung der sich abzeichnenden Aktivitäten der Raumfahrtindustrie. Die Rolle der Regionen wird unterschätzt. Sie müssen informiert und in die Lage versetzt werden, von eventuellen positiven Auswirkungen der effizienten Nutzung weltraumgestützter Dienstleistungen zu profitieren.

6.10

Es gibt keine zufriedenstellenden quantitativen Markterhebungen, was zur Folge hat, dass verlässliche Daten über die Endwirkung der Raumfahrtforschung in nachgeschalteten Anwendungen fehlen. Das analytische Wissen über die vor- und nachgelagerten Bereiche muss vertieft werden.

6.11

Eine Euroconsult-Untersuchung, in der u.a. argumentiert wird, dass in den USA die vorgelagerten Investitionen doppelt so viele profitable nachgelagerte Wirtschaftstätigkeiten erzeugen als in Europa, wird zwar angezweifelt, wurde aber nie analytisch widerlegt (12). Ein weiteres für die EU interessantes Modell und in seiner Art einzigartig ist eine aktualisierte Analyse der wirtschaftlichen Auswirkungen der verschiedenen Segmente der Raumfahrtindustrie des Vereinigten Königreichs (13).

6.12

Der EWSA fordert die Kommission, die ESA und die Mitgliedstaaten auf, gemeinsame Untersuchungen zu den verschiedenen Segmenten der Branche durchzuführen und in einen weltweiten Kontext zu stellen. Durch konsolidierte Zahlen über (neue) Arbeitsplätze, Wachstumsraten und Anwendungen kann die Relevanz des Sektors gesteigert und eine dauerhafte öffentliche Förderung sichergestellt werden.

7.   Sicherheit und Verteidigung

7.1

Ähnlich wie die Raumfahrtpolitik von Europas Konkurrenten würde nach Auffassung des EWSA eine EU-Raumfahrtpolitik bessere Ergebnisse erzielen, wenn sie sich auf eine zunehmende Abstimmung der Mitgliedstaaten in sicherheits- und verteidigungsstrategischen Fragen stützen würde und somit in eine weiter gefasste Perspektive der EU-Außenpolitik eingebettet wäre. Dieser Zusammenhang sollte ggf. auch bei der bevorstehenden Debatte über die europäische Verteidigungspolitik berücksichtigt werden.

7.2

Die europäische Zusammenarbeit ist in der Raumfahrt sehr viel weiter entwickelt als in jedem anderen Bereich der Verteidigung. Verteidigungsbezogene Maßnahmen in der Raumfahrt können als Pilotvorhaben oder Musterbeispiele für gemeinsame Verteidigungsprojekte in die Ausarbeitung der EU-Verteidigungspolitik einbezogen werden. Der EWSA merkt an, dass ein solcher Vorschlag bereits 1987 gemacht wurde! Er wurde jedoch nie weiterverfolgt.

Brüssel, den 18. September 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  Raumfahrtindustriepolitik der EU - Entfaltung des Wachstumspotenzials im Raumfahrtsektor, COM(2013) 108 final, Februar 2013.

(2)  Siehe insbesondere ABl. C 162 vom 25.6.2008, S. 24, Stellungnahme zu der Mitteilung der Kommission "Europäische Raumfahrtpolitik", COM(2007) 212 final.

(3)  Siehe Kommissionsmitteilung S. 4.

(4)  Siehe Fußnote 2.

(5)  Siehe ABl. C 339, 14.12.2010, S. 14; ABl. C 44, 11.2.2011, S. 153; ABl. C 43, 15.2.2012, S. 20.

(6)  Siehe ABl. C 299, 4.10.2012, S. 72 über das GMES und seine operativen Tätigkeiten ab 2014.

(7)  Siehe ASD-Eurospace position paper on industrial policy, Februar 2013, S. 2.

(8)  Siehe ABl. C 162 vom 25.6.2008, S. 24.

(9)  Ebd., Ziffer 1.11.

(10)  Ebd., Ziffer 1.13.

(11)  Entschließung zur Rolle der ESA bei der Förderung von Europas Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum, 20. November 2012.

(12)  Euroconsult gelangte 2011 in einer Analyse zu dem Ergebnis, dass in den USA das Verhältnis zwischen vorgelagerter Investition und nachgelagerter Anwendung EUR 1: EUR 16 beträgt, in Europa jedoch "nur" EUR 1: EUR 8.

(13)  UK Space Industry: "Update of the Size and Health of the UK Space Industry", Oxford Economics, 2010.


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