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Document 32004D0285

2004/285/EG: Entscheidung der Kommission vom 19. Juni 2002 gemäß Artikel 14 der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates zur Festsetzung von Geldbußen gegen ein Unternehmen, das unrichtige und entstellte Angaben in einer Anmeldung zu einem Fusionskontrollverfahren gemacht hat (Fall COMP/M.2624 — BP/Erdölchemie) (Text von Bedeutung für den EWR) (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2002) 2208)

ABl. L 91 vom 30.3.2004, p. 40–48 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

Legal status of the document No longer in force, Date of end of validity: 31/12/2006; Aufgehoben durch 32006R1792

ELI: http://data.europa.eu/eli/dec/2004/285/oj

32004D0285

2004/285/EG: Entscheidung der Kommission vom 19. Juni 2002 gemäß Artikel 14 der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates zur Festsetzung von Geldbußen gegen ein Unternehmen, das unrichtige und entstellte Angaben in einer Anmeldung zu einem Fusionskontrollverfahren gemacht hat (Fall COMP/M.2624 — BP/Erdölchemie) (Text von Bedeutung für den EWR) (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2002) 2208)

Amtsblatt Nr. L 091 vom 30/03/2004 S. 0040 - 0048


Entscheidung der Kommission

vom 19. Juni 2002

gemäß Artikel 14 der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates zur Festsetzung von Geldbußen gegen ein Unternehmen, das unrichtige und entstellte Angaben in einer Anmeldung zu einem Fusionskontrollverfahren gemacht hat

(Fall COMP/M.2624 - BP/Erdölchemie)

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2002) 2208)

(Nur der englische Text ist verbindlich)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2004/285/EG)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft,

gestützt auf das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum,

gestützt auf die Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen(1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1310/97(2), insbesondere auf Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe b),

nachdem den betreffenden Unternehmen Gelegenheit gegeben wurde, sich zu den Beschwerdepunkten der Kommission zu äußern,

nach Anhörung des Beratenden Ausschusses für Unternehmenszusammenschlüsse(3),

gestützt auf den Abschlussbericht des Anhörungsbeauftragten in dieser Sache(4),

in Erwägung nachstehender Gründe:

I. DIE PARTEIEN UND IHR VORHABEN

(1) Am 23. Februar 2001 erhielt die Kommission von der Deutschen BP AG (Deutsche BP) eine Anmeldung nach Artikel 4 der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 Fusionskontrollverordnung eines vorgesehenen Zusammenschlusses in der Chemieindustrie (Sache COMP/M.2345 - BP/Erdölchemie), mit dem die Deutsche BP AG die alleinige Kontrolle über das Unternehmen Erdölchemie GmbH (EC) im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 b) der Fusionskontrollverordnung erwirbt(5).

(2) Die Deutsche BP ist die deutsche Tochtergesellschaft der BP plc (BP), der Holdinggesellschaft einer multinationalen Unternehmensgruppe, die in den Bereichen Erkundung von Lagerstätten, Erdöl und Petrochemie tätig ist. EC fertigt und verkauft petrochemische Erzeugnisse; es unterhält Herstellungsanlagen in Köln, die ursprünglich als ein gemeinsam von Bayer AG und BP über Deutsche BP kontrolliertes Gemeinschaftsunternehmen gegründet wurden. Das Vorhaben bestand somit aus dem Übergang von der gemeinsamen zur alleinigen Kontrolle.

II. VERFAHREN

(3) Acrylnitril (ACN) ist eines der Erzeugnisse, bei dem es laut Anmeldung zwischen den Parteien zu horizontalen Überschneidungen in einem betroffenen Markt kommen würde. Wegen fehlender Angaben zu der Lizenzvergabe für die ACN-Technik, den ACN-Katalysatoren, der Angebots-/Nachfragelage bei ACN sowie den weltweiten Handelsströmen wurde die Anmeldung am 21. März 2001 für unvollständig erklärt. Nachdem die Parteien gemäß den Abschnitten 4, 7 und 8 des Formblattes CO zusätzliche Angaben über die ACN-Technik nebst Katalysatoren sowie die angeforderten Angaben zum ACN-Markt erteilt hatten, wurde die Anmeldung am 22. März 2001 für vollständig erklärt. Am 26. April 2001 erklärte die Kommission gemäß Artikel 6 Absatz 1 b) der Fusionskontrollverordnung(6) den Zusammenschluss für mit dem Gemeinsamen Markt und der Funktionsweise des EWR-Abkommens vereinbar.

(4) Es wurde jedoch deutlich, dass die Anmeldung der Deutschen BP entstellte und unrichtige Angaben zu drei Gesichtspunkten des Produkts ACN enthielt, nämlich: i) die Vereinbarungen zwischen BP und ACN-Wettbewerbern [...]*(7), ii) die Tätigkeiten von BP bei der Vergabe von Lizenzen für die ACN-Technik und iii) die Tätigkeiten von BP bei ACN-Katalysatoren. In ihren Beschwerdepunkten vom 23. November 2001 legte die Kommission ihre vorläufige Auffassung dar, dass Deutsche BP fahrlässig unrichtige und entstellte Angaben in einer Anmeldung gemäß Artikel 4 der Fusionskontrollverordnung gemacht hatte, und dass eine Geldbuße gemäß Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe b) und Artikel 14 Absatz 3 dieser Verordnung gegen sie festgesetzt werden sollte. Deutsche BP legte ihre Bemerkungen zu den Beschwerdepunkten am 7. März 2002 vor.

III. SACHVERHALT

1. Angaben zu den Kooperationsvereinbarungen zwischen BP und [...]* Wettbewerbern

a) Die Angaben in der Anmeldung

(5) Unter der Überschrift "Kooperationsvereinbarungen" im Formblatt CO, worin die in einem Fusionsverfahren gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 447/98 der Kommission vom 1. März 1998 über die Anmeldungen, über die Fristen sowie über die Anhörung nach der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen(8) zu erteilenden Angaben aufgeführt sind, steht in Abschnitt 8.11 die folgende Frage: "In welchem Umfang gibt es in den betroffenen Märkten (horizontale oder vertikale) Kooperationsvereinbarungen?". Die Parteien haben auf Seite 51 ihrer Anmeldung folgende Antwort in Bezug auf ACN erteilt:

"Den Parteien sind keine erheblichen Kooperationsvereinbarungen betreffend Acrylnitril im EWR bekannt. Auf horizontaler Ebene tauschen verschiedene Hersteller zuweilen jedoch Acrylnitril aus räumlichen Erwägungen aus, um die Vertriebskosten zu verringern (z. B. tauscht Erdölchemie gegenwärtig rd. [...]* kt (Kilotonnen) Acrylnitril jährlich mit BP innerhalb des EWR aus). Die einzigen erheblichen vertikalen Vorkehrungen sind die Eigenbedarfsmengen für Propylen und die in Abschnitt 7.8 dargelegte vorgelagerte Integration."

(6) In Abschnitt 8.12 des Formblatts CO wird folgende Frage gestellt: "Machen Sie Angaben zu den wichtigsten Kooperationsvereinbarungen, die von den Beteiligten in den betroffenen Märkten geschlossen wurden, z. B. Vereinbarungen über Forschung und Entwicklung, Lizenzen, die gemeinsame Herstellung, Spezialisierung, den Vertrieb, die langfristige Lieferung und den Informationsaustausch." Die Parteien gaben in ihrer Anmeldung hierauf folgende Antwort in Bezug auf ACN (S. 52):

"Nicht zutreffend."

(7) Auch in den anderen Abschnitten des Formblattes CO haben die Parteien keine Angaben über Kooperationsvereinbarungen mit Wettbewerbern bei ACN gemacht. Unter Abschnitt 6 zur Definition des räumlich relevanten Marktes (S. 19) haben sie Folgendes angegeben: "Die Parteien sind der Auffassung, dass die angemessene Definition des räumlichen Marktes für Acrylnitril der Weltmarkt ist, ...".

b) Ergebnis der Untersuchung

(8) In Erwiderung auf die allgemeine Frage in dem Schreiben nach Artikel 11 der Fusionskontrollverordnung, worin nach den "Auswirkungen des Vorhabens auf den Markt" gefragt wurde, teilte ein Wettbewerber der Kommission mit, dass BP und Sterling Chemicals Inc. ("Sterling"), ein anderer großer amerikanischer Hersteller (die ACN-Werke von BP befinden sich in den Vereinigten Staaten), ein Gemeinschaftsunternehmen zur Ausfuhr von ACN betreiben, das den Namen Anexco führt. Daraufhin versandten die Dienststellen der Kommission am 8. März um 17.49 Uhr eine E-Mail an die Anwälte von BP und Deutsche BP ("die Anwälte von BP") folgenden Inhalts: "Wir haben Kenntnis von einer gemeinsamen Ausfuhrgesellschaft für Acrylnitril (Anexco) zwischen BP und seinem Partner Sterling, einem anderen wichtigen amerikanischen ACN-Hersteller. Dieses Unternehmen wurde nach unserer Kenntnis in dem Formblatt CO nicht aufgeführt. Bitte liefern Sie vollständige Angaben zu diesem Unternehmen, der Bedeutung von Sterling im Markt und alle sonstigen Informationen, die sich auf die Bewertung der Auswirkungen des Zusammenschlusses durch die Kommission auswirken können".

(9) Das Bestehen dieses Gemeinschaftsunternehmens mit Sterling wurde von den Anwälten von BP mit Fax vom 12. März 2001 bestätigt. Demnach verkauft dieses Gemeinschaftsunternehmen ACN von BP und Sterling in Regionen außerhalb Nordamerikas und Europas und ist deshalb nicht in Europa tätig. Es wurde hinzugefügt, dass BP außerdem eine nicht ausschließliche Vertriebsvereinbarung mit Sterling getroffen hat, in deren Rahmen es bis zu [...]* kt ACN jährlich nach Europa und in die Türkei liefert. In ihren Ausführungen wiesen die Anwälte von BP darauf hin, dass dieser Sachverhalt der Kommission bereits mitgeteilt worden sei. Die Vereinbarungen mit Sterling waren der Kommission im Rahmen der Kartellvorschriften gemäß dem Formblatt A/B im April 1998 gemeldet worden (Sache IV/E-2/37.035 - BP-Sterling). Die Kommission hatte mit Schreiben vom 1. Juni 1999 ein Negativattest hierzu erteilt.

(10) In einer Telefonkonferenz am 15. März erbat die Kommission von den Anwälten von BP Angaben zu Verbindungen mit anderen [...]* Anbietern. In ihrer schriftlichen Antwort auf diese Frage vom 16. März erklärten die Anwälte von BP auf Seite 6, dass BP

"keine Gemeinschaftsunternehmen und/oder Vertriebsvereinbarungen mit [anderen Herstellern]* unterhält mit Ausnahme der Verbindungen mit Sterling, die in dem Telefax von BP vom 12. März erwähnt sind. [...] BP [hat jedoch eine Vereinbarung mit einem anderen Hersteller, die die Ausfuhren nach Europa berührt]*."

(11) Am 19. März forderte die Kommission (um 16.56 Uhr) telefonisch und über E-Mail weitere Angaben über die betreffenden Mengen und die Dauer der Vereinbarung mit [...]* an. In ihrer Erwiderung auf diese Fragen vom 19. März erklärten die Anwälte von BP, dass [Bestimmungen der Vorkehrung die Hersteller in ihrer Fähigkeit einschränken, ACN unabhängig nach Europa auszuführen]*.

(12) Gemäß dieser [Vereinbarung, ...]*.

(13) Die Möglichkeit, dass [...]* Hersteller ACN nach Europa liefern, war ein wichtiger Bestandteil der Bewertung der Wettbewerbsstellung von BP auf dem ACN-Markt. Die Vereinigten Staaten sind die wichtigste Ausfuhrregion für ACN, da dort erhebliche Überschusskapazitäten bezogen auf die inländische Nachfrage bestehen. Der ACN-Absatz von BP in Europa besteht ausschließlich aus Einfuhren von seinen Produktionsstätten in den Vereinigten Staaten. [Sterling zählt zu den größten Anbietern auf dem amerikanischen Handelsmarkt, die mit einem Marktanteil von rund 20 % an zweiter Stelle nach dem Marktführer BP mit 35 % stehen. Es ist deshalb ein wichtiger potenzieller Wettbewerber von BP bei den ACN-Verkäufen in Europa. Die Vereinbarung schränkt sein Potenzial spürbar ein, mit BP in Europa einen aktiven Wettbewerb aufzunehmen. Die gesamten Ausfuhren des von Sterling hergestellten ACN liefen über die Vereinbarung, d. h. wurden von BP auf den Markt gebracht mit Ausnahme von Kleinmengen von weniger als 5 kt, die Sterling selbst in Europa verkaufte]*. Die [Vereinbarung mit ...]* verschafft BP eine umfassende Kontrolle über die Ausfuhren von [...]* nach Europa. [...]*

(14) Es gibt somit zwei wichtige [Kooperationsvereinbarungen]* für ACN zwischen BP und [ACN-Herstellern]*. In dem Formblatt CO wurde auf diese [Vereinbarungen]* nicht Bezug genommen.

2. Angaben zu den Tätigkeiten von BP bei der Vergabe von Lizenzen für die ACN-Technik

a) Angaben in der Anmeldung

(15) Gemäß Abschnitt 6.1 des Formblatts CO müssen die Parteien jeden betroffenen Markt angeben, und gemäß den Abschnitten 7 und 8 eingehende Angaben zu diesen Märkten machen. Gemäß Abschnitt 6 III (b) sind vertikal betroffene Märkte relevante Produktmärkte, wenn "ein oder mehrere an dem Zusammenschluss Beteiligte in einem Produktmarkt tätig sind, der einem anderen Produktmarkt vor- oder nachgelagert ist, in dem andere Beteiligte tätig sind und ihr Marktanteil einzeln oder gemeinsam 25 % oder mehr beträgt [...]".

(16) Gemäß Abschnitt 8.9 des Formblatts CO müssen die Parteien die verschiedenen den Markteintritt beeinflussenden Faktoren beschreiben. Gemäß Punkt (d) dieses Abschnitts ist anzugeben, "in welchem Ausmaß die an dem Zusammenschluss Beteiligten Lizenznehmer oder -geber von Patenten, Know-how und sonstigen Schutzrechten in den relevanten Märkten sind".

(17) Die Stellung von BP als Lizenzgeber der ACN-Herstellungstechnik, die als den ACN-Produktionstätigkeiten vorgelagert anzusehen ist, wird weder in der Anmeldung als betroffener Markt, noch in Abschnitt 8.9, noch an anderer Stelle erläutert. In den Ausführungen der Deutschen BP zu Abschnitt 8.9 wird die Technik als ein relevanter Zutrittsfaktor genannt und erklärt, dass

"die erforderliche Technik leicht über Lizenzen bei verschiedenen ACN-Herstellern (z. B. Asahi, BP, Solutia, DuPont, verschiedene chinesische Lizenzgeber und andere) beschafft werden kann. Diese Lizenzgeber führen aktive Lizenzprogramme, weshalb ein Eintritt in den ACN-Markt keinen Beschränkungen bei der Verfügbarkeit von Technik und geistigen Eigentumsrechten unterliegt."

b) Ergebnis der Untersuchung

(18) In Erwiderung auf ein Schreiben nach Artikel 11 teilte ein Wettbewerber der Kommission mit, dass BP der wichtigste Anbieter der Produktionstechnik für ACN sei. Nachdem dieser Punkt auf einer Telefonkonferenz mit den Anwälten von BP am 13. März 2001 angesprochen wurde, legten sie hierzu einen Vermerk mit Datum vom 14. März 2001 vor, wonach

"von der gesamten gegenwärtig installierten ACN-Kapazität 85-90 % der zugrunde liegenden Technik auf BP-Lizenzen zurückgeht."

(19) Aus weiteren Ausführungen der Anwälte von BP auch zu den Abschnitten 4, 7 und 8 des Formblattes CO hinsichtlich der Vergabe von ACN-Technik, und aus den Untersuchungen der Kommission geht hervor, dass BP bis zum Jahr 1994 ein Monopol bei der Erteilung der ACN-Technik hielt. Nach diesem Datum wurden drei für den Weltmarkt bestimmte ACN-Produktionsanlagen von Solutia, Tae Kwang und Formosa Plastic errichtet. Auch Formosa baute sein Werk mit einer BP-Lizenz. Solutia entwickelte seine eigene Produktionstechnik und errichtete sein Werk mit dieser Technik, ohne auf eine Lizenz zurückgreifen zu müssen. [BP bot seine Technik Tae Kwang nicht an]*. Außerdem [...]* eine zuvor von BP an Formosa am 10.6.1987 erteilte Lizenz [...]*. Mit seiner Lizenz für den südafrikanischen Hersteller Sasol erhielt BP die Erstoption zum Bezug der Ausfuhren von Sasol, und brachte Ausfuhrmengen von Sasol eines Umfangs von [...]* auf den Markt, bis die Produktion in dem Sasol-Werk eingestellt wurde.

(20) Zu den Lizenztätigkeiten der anderen von der Deutschen BP als Lizenzgeber der ACN-Technik genannten Unternehmen ergab die Untersuchung Folgendes: Zum Zeitpunkt der Untersuchung vergab DuPont keine Lizenzen an Dritte und hielt jegliche Angaben zu diesem Punkt in seiner Erwiderung auf das Schreiben der Kommission nach Artikel 11 für ein Geschäftsgeheimnis. Asahi hatte bisher Lizenzen für seine Technik lediglich seinen Gemeinschafts- oder Tochtergesellschaftsunternehmen sowie an Sinopec (China) für drei kleine Werke erteilt, von denen nur noch eines derzeit in Betrieb ist. Außerdem waren die Lizenzen von Asahi in China Bestandteil einer Kooperationsvereinbarung zwischen BP und Asahi zur gemeinsamen Lizenzvergabe für die Acrylnitriltechnik in China. Die in dem Formblatt genannten "chinesischen Lizenzgeber" beziehen sich auf Sinopec, das seine ACN-Technik auf seiner Website zwar anbietet, aber noch keine einzige Lizenz erteilt hatte. Sinopec ist außerdem ein GU-Partner von BP bei einer möglichen Lizenz für ein neues Werk in China, und hält Lizenzen von Asahi für die drei kleinen Werke.

(21) Somit fehlten in der Anmeldung wichtige Angaben, außerdem wurde die Stellung von BP bei der Lizenzvergabe für die ACN-Technik nicht genau beschrieben.

3. Angaben zu den Tätigkeiten von BP bei dem ACN-Katalysator

(22) Der Katalysator ist ein wesentlicher Einsatzstoff für die Herstellung von ACN, der gewährleistet, dass aus den Ausgangsstoffen Propylen und Ammoniak ACN entsteht. Katalysatoren werden im Markt gehandelt und bilden einen getrennten Produktmarkt.

a) Angaben in der Anmeldung

(23) Der ACN-Katalysator wurde in dem Formblatt CO nicht als ein vertikal betroffener Markt im Sinne von Abschnitt 6 III (b) angegeben. Die Tätigkeiten von BP im Bereich der ACN-Katalysatoren wurden darin überhaupt nicht erwähnt. Die einzige Bezugnahme in der Anmeldung auf ACN-Katalysatoren findet sich in Abschnitt 8.10 (Bedeutung von Forschung und Entwicklung), wonach

"Forschung und Entwicklung weder für den Eintritt noch den Fortbestand in den Acrylnitrilmärkten unabdingbar sind. Außerdem gibt es zahlreiche Anbieter von Katalysatorentechnik wie z. B. Nitto, Asahi, DuPont, Solutia usw. ..."

b) Ergebnis der Untersuchung

(24) Wiederum in Erwiderung einer allgemeinen Frage in einem Schreiben nach Artikel 11 teilte ein Wettbewerber der Kommission mit, dass BP ein führender Anbieter von Katalysatoren ist. Nachdem diese Frage mit den Anwälten von BP in einer Telefonkonferenz am 13. März 2001 angesprochen wurde, legten die Anwälte von BP am 14. März 2001 ein Schreiben vor, wonach

"... die Katalysatoren für neue ACN-Werke in der Regel anfänglich von dem Erteiler der Techniklizenz bezogen werden ... BP schätzt, dass gegenwärtig lediglich [55-65]* % aller ACN-Produktionsstätten in der Welt ... noch BP-Katalysatoren verwenden."

(25) In ihren zusätzlichen Ausführungen zu den Abschnitten 4, 7 und 8 des Formblatts CO betreffend ACN-Katalysatoren, die vorgelegt wurden, nachdem die Anmeldung von der Kommission als unvollständig erklärt worden war, erläutern die Parteien, dass im Jahr 1997 auf BP [65-75]* % des weltweiten Handelsmarktes für ACN-Katalysator entfiel und dass der Anteil von BP im Jahr 2001 schätzungsweise [70-80]* % betrug. Diese Zahlen wurden durch die Marktuntersuchung der Kommission weitgehend bestätigt. Zu den Wettbewerbern von BP ergab die Untersuchung Folgendes: DuPont bietet seinen eigenen Katalysatortyp nicht an und ist lediglich bei der Rückgewinnung gebrauchter Katalysatoren tätig. Nach Auffassung der Kunden erlauben rückgewonnene Katalysatoren nicht die gleichen Werksleistungen wie das neue Produkt. Nach den Aussagen von Marktteilnehmern arbeitet Solutia nur mit seiner eigenen Technik und einem radioaktiven Katalysator. Asahi trat erst Anfang 2001 in den Handelsmarkt ein. Bis 31. Dezember 2000 hatte BP das ausschließliche Recht, den Katalysator von Asahi weltweit zu verkaufen (mit Ausnahme der Lizenznehmer für Asahi-Technik und der Märkte Japan, Taiwan, Korea und China, für die eine Zustimmung von Asahi erforderlich war). Für die Laufzeit der Vereinbarung hatte BP auch das Recht, sämtliche von Asahi über Katalysatoren weitergegebenen Informationen auch betreffend die Entwicklungen bei den neuen Katalysatoren zu erhalten, die nunmehr von Asahi allein auf den Markt gebracht werden. Außerdem besteht gegenwärtig eine Kooperationsvereinbarung zwischen BP und Asahi über den Katalysatorabsatz in China. Sinopec hat seinen Katalysator bisher nur in China verkauft. Der wichtigste Wettbewerber von BP ist Mitsubishi (vormals unter dem Namen Nitto bekannt). [...]*. Nur die Katalysatoren von Mitsubishi und Asahi sind mit der BP-Technik vollständig kompatibel, d. h. sie können als [Auswechsel-/Ersatz-]katalysator verwendet werden, selbst wenn ein Werk ursprünglich auf der Grundlage eines BP-Katalysators errichtet und betrieben wurde.

(26) Somit wurde in der Anmeldung weder auf die Stellung von BP im Katalysatorenmarkt Bezug genommen, noch die Marktlage angemessen beschrieben.

IV. BEWERTUNG GEMÄß ARTIKEL 14 DER FUSIONSKONTROLLVERORDNUNG

(27) Gemäß Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe b) der Fusionskontrollverordnung kann die Kommission mit Entscheidung Geldbußen von 1000 bis 50000 EUR festsetzen, wenn ein Unternehmen vorsätzlich oder fahrlässig ungenaue oder entstellte Angaben in einer Anmeldung nach Artikel 4 macht.

1. Ungenaue Angaben zu Kooperationsvereinbarungen

(28) Die Möglichkeit, dass Wettbewerber ACN ausführen, ist ein wichtiger Bestandteil bei der Ermittlung des räumlichen Erfassungsbereichs der relevanten Märkte durch die Kommission und der Bewertung der wettbewerblichen Auswirkungen eines Vorhabens im Gemeinsamen Markt. Deutsche BP hat in dem Formblatt CO angegeben, dass keine Kooperationsvereinbarungen betreffend ACN bestuenden. Dies stellte sich als unrichtig heraus, da BP die in den Ziffern (8) bis (13) beschriebenen Vereinbarungen mit [...]* eingegangen war, die deren Fähigkeit beeinträchtigten, ACN nach Europa und anderen Bestimmungsorten auszuführen und dort den Wettbewerb mit BP aufzunehmen. Da Deutsche BP geltend gemacht hatte, dass der räumlich relevante Markt für ACN der Weltmarkt sei, hätten in der Anmeldung alle Vereinbarungen für sämtliche Teile der Welt [...]* angegeben werden müssen. Hieraus ist zu schließen, dass die Angaben zu Kooperationsvereinbarungen betreffend ACN in dem Formblatt CO unrichtig waren.

2. Unrichtige oder zumindest entstellte Angaben zur ACN-Lizenzvergabe

(29) Die Möglichkeit zur Kontrolle der vorgelagerten Märkte wie z. B. des Markts für ACN-Prozesstechnik, ist ein wichtiger Gesichtspunkt bei der Bewertung der Stellung einer Partei in einem relevanten Markt. Die starke Stellung von BP bei der ACN-Lizenzvergabe wurde in dem Formblatt CO überhaupt nicht erwähnt. Die Parteien haben es versäumt, die Vergabe von ACN-Techniklizenzen als einen vertikal betroffenen Markt auszuweisen und die entsprechenden Angaben in dem Formblatt CO zu machen. Die wenigen Angaben über die ACN-Lizenzerteilung ergaben ein entstelltes Bild des wirklichen Sachverhalts, da sie den Eindruck vermittelten, dass BP mit einem Marktanteil von weniger als 25 % unter anderen gut eingeführten und höchst aktiven Wettbewerbern (in Abschnitt 8.9 bezieht sich BP auf "aktive Lizenzvergabeprogramme") im Markt der Erteilung von ACN-Lizenzen tätig sei. Dies ergab ein unrichtiges oder zumindest entstelltes Bild. BP war und ist weiterhin der Weltmarktführer bei der Erteilung von ACN-Lizenzen. DuPont war in der Vergabe dieser Lizenzen nicht tätig. Deutsche BP hat ausgeführt, dass es davon ausgehen musste, dass DuPont ein aktiver Lizenzgeber sei, weil gemäß einem Artikel in der Fachzeitschrift "Chemicals Week" vom Juni 1998 ein Vertreter von DuPont ankündigte, dass DuPont seine 25 Spezialchemikaliengeschäfte für die Lizenzvergabe u. a. den ACN-Prozess öffnen würde. Aus diesem Artikel können keine Schlussfolgerungen hinsichtlich des tatsächlichen Standes des ACN-Lizenzgeschäftes von DuPont zum Zeitpunkt der Anmeldung gezogen werden. Ein zweieinhalb Jahre vor der Anmeldung veröffentlichter Artikel, in dem lediglich die Absichten und Geschäftspläne eines Unternehmens veröffentlicht werden, kann nicht die Feststellung in einer Anmeldung untermauern, dass die ACN-Technik von DuPont im Markt ohne weiteres verfügbar sei. Außerdem gab es nicht wie in der Anmeldung ausgeführt "verschiedene chinesische Lizenzgeber", sondern lediglich einen theoretischen, nämlich Sinopec, der zu jenem Zeitpunkt noch keine Lizenz erteilt hatte. Das Nichterwähnen der Beschränkung der Tätigkeiten von Asahi auf seine eigenen Werke in China und der Tatsache, dass es eine Kooperationsvereinbarung mit BP für China eingegangen ist, ist zumindest als entstellend anzusehen, da es den Eindruck vermittelt, dass Asahi ohne räumliche Beschränkungen und vollständig unabhängig von BP tätig sei. Hieraus ist zu schließen, dass die Angaben im Formblatt CO betreffend die ACN-Technik unrichtig oder wenigstens entstellt waren.

3. Unrichtige oder zumindest entstellte Angaben betreffend den ACN-Katalysator

(30) Der Katalysatormarkt ist als ein den ACN-Produktionstätigkeiten von BP vorgelagerter Markt anzusehen, der für die Bewertung der Stellung von BP auf diesem Markt wichtig ist. In der Anmeldung wurde nicht erwähnt, dass BP auf dem ACN-Katalysatormarkt tätig ist. Damit haben es die Parteien wiederum versäumt, einen vertikal betroffenen Markt auszuweisen. Die beschränkten Angaben zum ACN-Katalysator vermittelten den Eindruck, dass BP in diesem Bereich nicht tätig ist und dass mehrere andere, gut eingeführte und unabhängige Wettbewerber auf dem Katalysatormarkt vorhanden seien. Dies ergab ein unrichtiges oder wenigstens entstelltes Bild. BP war und ist der Weltmarktführer beim Absatz von ACN-Katalysator mit einem Marktanteil von über 70 %. DuPont war auf dem Neukatalysatormarkt nicht tätig. Durch das Nichterwähnen der vormaligen und fortdauernden Verbindungen zwischen BP und Asahi sparte Deutsche BP wichtige Informationen zur Ermittlung des Potenzials von Asahi als Wettbewerber von BP aus. Das Gleiche gilt für die Beziehung von BP zu Mitsubishi. Die Angaben in der Anmeldung zu ACN-Katalysator müssen somit als unrichtig oder wenigstens entstellt angesehen werden.

4. Fahrlässigkeit

(31) In seiner Erwiderung auf die Beschwerdepunkte der Kommission vertritt Deutsche BP die Auffassung, dass sein Versagen, die erforderlichen Angaben zu machen, keine oder, wenn überhaupt, eine nur geringe Fahrlässigkeit gewesen sei. Deutsche BP erklärt die Lücken in der Anmeldung wie folgt: Die Lücken seien im Wesentlichen das Ergebnis interner Kommunikations- und Abstimmungsschwierigkeiten, die auf die Mitwirkung verschiedener Personen aus unterschiedlichen Betriebseinheiten von BP und von außerhalb bei der Ausarbeitung und Erstellung der Anmeldung zurückzuführen seien. Die mit der Ausarbeitung des Entwurfs der Anmeldung betraute Zentraleinheit forderte die Informationen gemäß dem Formblatt CO von der in den Vereinigten Staaten gelegenen zuständigen Geschäftseinheit an. Dies erfolgte offenbar, ohne im erforderlichen Ausmaß die unterschiedlichen Begriffe und Fachausdrücke im Formblatt CO und die Bedeutung bestimmter Geschäftsbeziehungen für eine wettbewerbliche Würdigung gemäß der Fusionskontrollverordnung zu erläutern.

(32) Laut Deutsche BP wurde die Vereinbarung mit dem amerikanischen Hersteller Sterling und [...]* nicht erwähnt, weil die Parteien ursprünglich die Absicht gehabt hätten, eine europaweite Marktdefinition für ACN vorzuschlagen, weshalb die Beziehungen zu den [...]* Herstellern [in anderen Regionen]* nicht als relevant angesehen wurden. Nachdem beschlossen wurde, zu einer Definition des Weltmarktes überzugehen, wurde der die Vereinbarungen betreffende Abschnitt im Formblatt CO nicht entsprechend geändert.

(33) Weiter macht Deutsche BP geltend, dass die das Formblatt CO erstellenden Produktexperten nicht der Auffassung waren, dass die ACN-Technik und der Katalysator "vorgelagerte oder nachgeordnete Produkte" von ACN im Sinne des Formblatts CO sind. Von den Geschäftsleuten wird dieser Begriff eher einem Einsatzrohstoff (wie z. B. Propylen und Ammoniak im Fall von ACN) als einer Technik zugeordnet. Laut Deutsche BP wurden diese anfänglichen Missverständnisse im Verlauf der späteren Abfassung des Formblatts nicht geklärt.

(34) Deutsche BP führt schließlich aus, dass die von ihm eingerichtete Struktur (d. h. Sammeln von Informationen durch die rechtzeitige Versendung des genauen Wortlauts der entsprechenden Abschnitte im Formblatt CO an die zuständigen Geschäftseinheiten, Hinzuziehung außenstehender Berater und Bemühungen, die Leitlinien von Kommission und ECLF über vorbildliche Verfahren(9) zu befolgen) angemessen gewesen sei und grundsätzlich hätte ausreichen müssen, um Fehler bei der Ausarbeitung der Anmeldung zu vermeiden. Nach Auffassung der Deutschen BP sei die Unvollständigkeit nicht auf organisatorische Nachlässigkeit, sondern ein außergewöhnliches Zusammentreffen unglücklicher Umstände in einem Einzelfall zurückzuführen.

(35) Es gibt keine Anzeichen dafür, dass Deutsche BP mit Vorsatz gehandelt hat. Die Kommission ist jedoch der Auffassung, dass die Erteilung unrichtiger und entstellter Angaben fahrlässig gewesen ist. In Bezug auf Kooperationsvereinbarungen sind die Fragen in dem Formblatt CO klar und deutlich. Es muss der Deutschen BP bewusst gewesen sein, dass diese Vereinbarungen ein wichtiger Bestandteil für die Bewertung der Stellung der Parteien und der Unabhängigkeit ihrer Wettbewerber sind. Das Vorhandensein von Einfuhren und die Fähigkeit außenstehender Wettbewerber, ACN in Europa auf den Markt zu bringen, ist ein wichtiges Bewertungselement, das der Deutschen BP bekannt gewesen sein musste. Die Relevanz der fehlenden Angaben besteht unabhängig von der schließlich angewandten Definition des räumlich relevanten Marktes. Die entsprechenden Fragen in Abschnitt 8 des Formblatts CO enthalten keine räumliche Beschränkung, und die Antworten in diesem Abschnitt sollten sich auf alle Teile der Welt erstrecken, insbesondere, wenn die Parteien selbst von einer weltweiten Marktdefinition ausgehen. Die Verbindungen zwischen Wettbewerbern sind ein erheblicher Bestandteil der wettbewerblichen Untersuchung sowohl europaweit wie auch auf dem Weltmarkt. Deshalb vermag das Argument der Deutschen BP, wonach die Auslassung darauf zurückzuführen sei, dass im Verlauf der Erstellung der Anmeldung die Marktdefinition für ACN von europaweit auf Weltmarkt geändert, Abschnitt 8 des Formblatts CO jedoch nicht entsprechend angepasst wurde, nichts an der Fahrlässigkeit dieser Auslassung zu ändern.

(36) Die Tatsache, dass die Vereinbarung mit Sterling zuvor der Kommission gemäß Artikel 81 EGV mit dem Formblatt A/B gemeldet wurde, stützt die Schlussfolgerung der Kommission, dass Deutsche BP nicht die Absicht hatte, Informationen vor der Kommission zu verbergen. Sie ist jedoch kein Indiz für das Fehlen von Fahrlässigkeit. Die Parteien müssen in dem Formblatt CO vollständige und umfassende Angaben einschließlich sämtlicher Gesichtspunkte machen, die für die Bewertung eines Zusammenschlussvorhabens von Bedeutung sind. Die Tatsache, dass einige Angaben in einem anderen Verfahren oder Rahmen der Kommission zur Kenntnis gebracht worden sind, ändert nichts an der Verpflichtung der Parteien, das Formblatt CO in sämtlichen Kapiteln vollständig auszufuellen. Außerdem ist zu bemerken, dass die Parteien in ihrer Anmeldung keinen Hinweis auf das vorangehende Verfahren machten.

(37) In Bezug auf die ACN-Technik und den Katalysator ist die Definition eines vertikal betroffenen Marktes in Abschnitt 6 III (b) des Formblatts CO eindeutig. Die Ausführung der Parteien, dass die beteiligten Geschäftseinheiten die Vergabe von Techniklizenzen und den Katalysator nicht als einen "Produktmarkt" im Sinne von Abschnitt 6 des Formblatts CO, sondern lediglich die ACN vorgelagerten oder nachgeordneten Chemikalien in Betracht zogen, ist nur von begrenzter Bedeutung und kein Indiz für das Fehlen von Fahrlässigkeit. Aus der Fallpraxis der Kommission geht eindeutig hervor, dass die Erteilung von Techniklizenzen einen getrennten Produktmarkt bilden kann. Insbesondere in dem Fall Dow Chemical/Union Carbide(10) widmete sich die Kommission ausführlich dem Markt für die Vergabe von Lizenzen für die Polyethylentechnik. BP nahm an den Untersuchungen der Kommission in diesem Fall aktiv teil. Selbst wenn dieser Fall ein anderes Produkt, nämlich Polyethylen betraf, ist daraus nicht zu schließen, dass die Vorgehensweise bei der Erteilung von Techniklizenzen auf dieses besondere Produkt zu beschränken sei und nicht auf andere Chemikalien angewandt werden kann.

(38) Das Argument ist in Bezug auf ACN-Katalysator um so weniger hinnehmbar, als es sich hierbei um ein eigenes chemisches Erzeugnis, einen erforderlichen Zusatzstoff zur Herstellung von ACN handelt. Die Tatsache, dass der Deutschen BP die Bedeutung der Vergabe von Techniklizenzen und des Katalysators für die wettbewerbliche Würdigung bewusst war, geht auch daraus hervor, dass sie in dem Formblatt CO unter den Überschriften Zutrittsschranken und Bedeutung von F& E erwähnt werden, jedoch in einer unrichtigen oder zumindest entstellten Art und Weise. Außerdem muss der Deutschen BP ihre sehr starke Stellung auf diesen beiden Märkten bewusst gewesen sein. Schließlich ist zu erwähnen, dass Deutsche BP Bestandteil eines multinationalen Unternehmens ist, das der Kommission auch im Chemiesektor mehrere Anmeldungen bereits vorgelegt hat und deshalb umfangreiche Erfahrungen in Fusionskontrollverfahren und der Auslegung des Formblatts CO haben muss.

(39) Schließlich kann sich die Kommission das Argument der Deutschen BP nicht zu Eigen machen, wonach keine Fahrlässigkeit bestanden habe, weil BP bei der Ausarbeitung seiner Anmeldungen von Fusionsfällen organisiert und gründlich vorgegangen sei, und der vorliegende Fall eine unglückliche Ausnahme darstelle. Die Kommission erkennt an, dass die Fusionsanmeldungen der Mitglieder von BP bisher zufriedenstellend waren. Der vorliegende Fall hat jedoch gezeigt, dass die von BP und der Deutschen BP hierbei angewandten Verfahren, die nach ihren eigenen Aussagen von den bei Fusionsanmeldungen üblichen Methoden abwichen, keine vollständige und zufriedenstellende Anmeldung gewährleisten konnten. Ein vollständig ausgefuelltes Formblatt CO mit einem umfassenden Informationsbestand ist von ausschlaggebender Bedeutung für die Fusionskontrollverfahren der Kommission u. a. wegen der knappen Legalfristen, die in diesen Verfahren eingehalten werden müssen. Die anmeldenden Parteien müssen sich dieser Bedeutung bewusst sein. Die Wichtigkeit einer vollständigen Anmeldung muss sich in den internen Vorkehrungen der anmeldenden Parteien bei der Ausarbeitung des Formblattes CO niederschlagen. Deshalb müssen die Anmelder ihre Vorkehrungen mit äußerster Sorgfalt treffen, um zu gewährleisten, dass die Rechtsvorschriften und Auflagen gemäß der Fusionskontrollverordnung allen zuständigen Unternehmenseinheiten mitgeteilt werden, und dass alle zu machenden Angaben ausgewiesen und mit dem Formblatt CO geliefert werden. Die Tatsache, dass in diesem Fall Angaben zu drei verschiedenen Bereichen fehlten, lässt auf unzureichende Vorkehrungen von BP und Deutscher BP schließen, die zur Vorlage eines unvollständigen Formblatts CO führten.

(40) Dieses Versäumnis ist mehr als nur ein Versehen, das bei dem komplexen Aufbau großer multinationaler Unternehmen unvermeidbar sein mag. Die von der Deutschen BP vorgebrachte Erklärung lässt auch nicht auf außergewöhnliche Umstände schließen, die trotz angemessener Bemühungen die Erteilung der fehlenden Angaben unmöglich machten. Es gab drei Bestandteile, die in dem Formblatt CO nicht angemessen behandelt wurden und die von offenkundiger Relevanz und Bedeutung für die wettbewerbliche Würdigung waren. Dies kann man auch daraus ersehen, dass die fehlenden Bestandteile der Kommission von dritter Seite in einem sehr frühen Stadium der Untersuchung unverzüglich zur Kenntnis gebracht wurden.

(41) Hinsichtlich des Maßes an Fahrlässigkeit ist jedoch zu berücksichtigen, dass ACN in diesem Fall nicht der alleinige Schwerpunkt war. Die Kommission erkennt an, dass dieses Vorhaben eine große Anzahl verschiedener Chemikalien betraf, die in der Anmeldung zu beschreiben waren und von denen ACN lediglich ein Produkt darstellte.

(42) Vor diesem Hintergrund ist die Schlussfolgerung zu ziehen, dass Deutsche BP fahrlässig gehandelt hat, indem sie unrichtige und entstellte Angaben machte und dass diese Fahrlässigkeit ein erhebliches Ausmaß hatte.

5. Art und Schwere der Zuwiderhandlung

(43) Gemäß Artikel 14 Absatz 3 der Fusionskontrollverordnung muss die Kommission bei der Festsetzung der Geldbuße die Art und Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigen.

a) Art

(44) Die von der Deutschen BP begangene Zuwiderhandlung bestand aus dem fahrlässigen Versäumnis, wichtige [Vereinbarungen mit Sterling und ...]* anzugeben und die ACN-Technik sowie die Katalysatoren als betroffene Märkte auszuweisen, und ferner aus entstellenden Angaben zur Wettbewerbslage bei den Technik- und den Katalysatorenmärkten sowie zur Stellung von BP in diesen Märkten.

b) Schwere

1. Argumente der Deutschen BP

(45) Deutsche BP bringt vor, dass folgende Gesichtspunkte als mildernde Umstände angesehen werden sollten: Erstens habe nicht die Absicht einer Irreführung bestanden und habe Deutsche BP zu keiner Zeit vorsätzlich der Kommission Informationen vorenthalten. Deutsche BP macht weiter geltend, dass sein Nichterteilen von Auskünften das Ergebnis sehr unglücklicher Umstände und nicht die Folge eines fahrlässigen Verhaltens gewesen sei.

(46) Zweitens unterstreicht Deutsche BP die beschränkten wettbewerblichen Auswirkungen des Nichterteilens von Angaben. Deutsche BP macht geltend, dass in beiden Fällen die von der Kommission entdeckten, nicht erteilten Angaben nicht erheblich genug gewesen seien, um eine Abhilfe zu rechtfertigen. Deutsche BP bezieht sich hierbei auf vorangehende Fälle, in denen die Kommission eine Geldbuße wegen fehlender Angaben in einer Anmeldung festgesetzt hatte. Es vertritt die Auffassung, dass in diesen Fällen die Angaben entweder vorsätzlich zurückgehalten wurden, oder eine offenkundige Verbindung zwischen der nichterteilten Information und der Entscheidung zur Sache in den betreffenden Fällen dahingehend bestanden habe, dass eine Abhilfe erforderlich wurde oder die Kommission ihre Wettbewerbsbedenken auf diese Informationen stützte.

(47) Drittens hält Deutsche BP die Tatsache, dass es die Unvollständigkeit der Angaben im Formblatt CO nicht bestreitet, für einen mildernden Umstand. Dazu macht es geltend, vollständig und unverzüglich zur Zusammenarbeit bereit gewesen zu sein, als die Kommission das Fehlen von Angaben mitteilte. Hinsichtlich der Informationen zu [der anderen Vereinbarung]* und der Art und Weise, wie die vollständigen Angaben bekannt wurden, bezieht sich Deutsche BP wiederum auf [deren]* begrenzte Auswirkungen auf die wettbewerbliche Würdigung.

2. Bewertung

(48) Für die Kommission ist die Zuwiderhandlung von erheblicher Schwere. Die Anmeldung ist Grundlage und Ausgangspunkt für ihre Untersuchung eines Fusionsfalles. Sie bestimmt weitgehend die jeweilige Vorgehensweise der Kommission und die Bereiche und Schwerpunkte der Untersuchung. Unrichtige und entstellte Angaben bergen die Gefahr, dass wichtige für die wettbewerbliche Bewertung relevante Gesichtspunkte des Vorhabens von der Kommission weder untersucht noch analysiert werden, und dass die endgültige Entscheidung somit auf unrichtigen Informationen beruht. Für die Bewertung von Zusammenschlussvorhaben sind der Kommission äußerst knappe Fristen gesetzt. In diesem Rahmen ist es unerlässlich für ihre Arbeit, dass sie gestützt auf umfassende und richtige Angaben in der Anmeldung ihre Untersuchungen mit Beginn des Verfahrens auf die maßgeblichen Gesichtspunkte konzentrieren kann.

(49) Die Anmeldung war im vorliegenden Fall in drei getrennten Bereichen unrichtig und entstellt. Dabei wurden zwei Gesichtspunkte der Kommission in keiner Weise zur Kenntnis gebracht, weil keine Bezugnahme auf die Kooperationsabkommen gemacht und auch nicht erwähnt wurde, dass BP im Bereich der ACN-Katalysatoren tätig ist. Die Zuwiderhandlungen betreffen drei wichtige Bestandteile der Bewertung des Falles, die für sich genommen erhebliche Wettbewerbsprobleme hätten aufwerfen können. Die unrichtigen und entstellten Angaben im Formblatt CO in Bezug auf den ACN-Markt führten zu einer fehlgeleiteten und unvollständigen Erstuntersuchung durch die Kommission, die diese wichtigen Fragen nicht hatte einbeziehen können. Die betreffenden Informationen wurden erst im Rahmen von Angaben mitgeteilt, die freiwillig von dritter Seite im Laufe der Untersuchungen gemacht wurden und von denen die Kommission ansonsten keine Kenntnis erlangt hätte. Nachdem die Anmeldung für unvollständig erklärt wurde, musste die Kommission umfangreiche Untersuchungen neu beginnen, um neue Tatsachen, die von BP, der Deutschen BP und anderen Marktteilnehmern im Nachhinein mitgeteilt wurden, zu überprüfen und zu bewerten.

(50) Zu den Argumenten der Deutschen BP hat die Kommission Folgendes zu bemerken: Der fehlende Vorsatz und das Ausmaß der Fahrlässigkeit wurden bereits in dem betreffenden Abschnitt vorstehend behandelt, beides ist bei der Anpassung des Betrages der Geldbuße zu berücksichtigen. Die Kommission stimmt überein, dass Deutsche BP ohne Vorsatz gehandelt hat, ist jedoch der Auffassung, dass es in erheblichem Maße fahrlässig gehandelt hat.

(51) Die Tatsache, dass die Nichterteilung von Angaben zu keinen Wettbewerbsbedenken Anlass gab, die Abhilfen erforderlich gemacht hätten, kann nicht als mildernder Umstand gewertet werden. Die Informationspflicht gemäß dem Formblatt CO, die durch Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe b) geschützt und gestärkt wird, unterscheidet nicht nach dem zu erwartenden Ergebnis der Wettbewerbsanalyse. Im vorliegenden Fall ist nur von Belang, dass die nicht erteilten Informationen für eine angemessene Untersuchung und Bewertung der Wettbewerbsstellung von BP im ACN-Markt wichtig waren. Dabei ist zu bedenken, dass u. a. zwei eindeutig betroffene Märkte nicht ausgewiesen wurden. Die Tatsache, dass die Bewertung der Kommission auch nach Berücksichtigung der Angaben, die ursprünglich nicht erteilt wurden, keine Wettbewerbsbedenken gegenüber diesem Vorhaben ergeben hat, verringert nicht die Schwere des Versäumnisses. Diese Schwere ist an der Relevanz der Angaben für die Untersuchung und Bewertung, jedoch nicht am Endergebnis dieser Bewertung zu messen.

(52) Somit kann das Geltendmachen mangelnder Wettbewerbsbedenken in der endgültigen Entscheidung der Kommission nicht für die Art und Weise der Erteilung der Informationen über [die andere Vereinbarung]* berücksichtigt werden.

(53) Wie in den Ziffern 8 - 11 dargelegt, hat Deutsche BP, selbst nachdem die Kommission die Vereinbarung mit Sterling gegenüber der Deutschen BP zum ersten Mal zur Sprache brachte, [die andere Vereinbarung]* ihr nicht unverzüglich zur Kenntnis gebracht. Außerdem hat Deutsche BP nicht unverzüglich die vollständigen Angaben zu [der anderen Vereinbarung]* vorgelegt, nachdem die Kommission zusätzliche Auskünfte [...]* erbeten hatte. Ein weiteres Auskunftsersuchen war erforderlich, um [den vollen Umfang des wettbewerbswidrigen Inhalts dieser Vereinbarung]* herauszufinden. Angesichts der Tatsache, dass die vollständigen Angaben erst nach wiederholtem Ersuchen und mit einer Gesamtverzögerung von elf Tagen (8. bis 19. März) vorlagen, gibt es keine Grundlage, die Mitarbeit der Deutschen BP als mildernden Umstand zuzulassen.

(54) Als mildernder Umstand ist jedoch zu berücksichtigen, dass Deutsche BP die von der Kommission entdeckten Tatsachen nicht bestritt und darin übereinstimmte, dass die entsprechenden Angaben in dem Formblatt CO hätten gemacht werden müssen.

6. Betrag der Geldbuße

(55) Unter Berücksichtigung der Umstände dieses Falls hält es die Kommission für angemessen, eine Geldbuße von 35000 EUR gemäß Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe b) der Fusionskontrollverordnung gegen Deutsche BP festzusetzen. Im Fall eines Zahlungsverzugs werden Zinsen zu dem Satz fällig, der von der Europäischen Zentralbank in ihren wichtigsten Refinanzierungsgeschäften am ersten Werktag des Monats angewandt werden, in dem diese Entscheidung erlassen wird - für den Monat Juni beträgt dieser Satz 3,5 % (siehe ABl. C 132 vom 4.6.2002) zuzüglich 3,5 % -

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Eine Geldbuße von 35000 EUR wird hiermit gegen die Deutsche BP AG gemäß Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe b) der Verordnung (EG) Nr. 4064/89 wegen der unrichtigen und entstellten Angaben in der der Kommission gemäß dieser Verordnung am 23. Februar 2001 vorgelegten Anmeldung festgesetzt.

Artikel 2

Die Geldbuße gemäß Artikel 1 ist binnen drei Monaten vom Datum der Zustellung dieser Entscheidung an auf folgendes Bankkonto der Europäischen Kommission zu überweisen:Konto-Nr. 642-0029000-95

Europäische Kommission Banco Bilbao Vizcaya Argentaria (BBVA)

Code Swift: BBVABEBB - Code IBAN: BE 76 6420 0290 0095

Avenue des Arts 43 B - 1040 Brüssel.

Nach Ablauf dieser Frist werden automatisch Zinsen zu dem Satz fällig, der von der Europäischen Zentralbank in ihren wichtigsten Refinanzierungsgeschäften am ersten Tag des Monats angewandt wird, in dem diese Entscheidung erlassen wird, zzgl. 3,5 % entsprechend 6,75 %.

Artikel 3

Diese Entscheidung ist gerichtet an: Deutsche BP AG Max-Born-Straße 2 D - 22761 Hamburg.

Brüssel, den 19. Juni 2002

Für die Kommission

Mario Monti

Mitglied der Kommission

(1) ABl. L 395 vom 30.12.1989, S. 1; Berichtigung: ABl. L 257 vom 21.9.1990, S. 13.

(2) ABl. L 180 vom 9.7.1997, S. 1.

(3) ABl. C 79 vom 30.3.2004.

(4) ABl. C 79 vom 30.3.2004.

(5) ABl. C 71 vom 3.3.2001, S. 22.

(6) ABl. C 174 vom 19.6.2001, S. 5.

(7) Vertrauliche Informationen wurden gestrichen; die betreffenden Textstellen sind in eckige Klammern gesetzt und mit einem Sternchen gekennzeichnet.

(8) ABl. L 61 vom 2.3.1998, S. 1.

(9) http://europa.eu.int/comm/ competition/mergers/others/ best_practice_gl.html.

(10) Entscheidung 2001/684/EG der Kommission in der Sache COMP/M.1671 (ABl. L 245 vom 14.9.2001, S. 1), Ziffern 74-95.

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