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Dokument 52006IE1142

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Nachhaltige Entwicklung als Motor des industriellen Wandels

    ABl. C 318 vom 23.12.2006, str. 1—11 (ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)

    23.12.2006   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 318/1


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Nachhaltige Entwicklung als Motor des industriellen Wandels“

    (2006/C 318/01)

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 14. Juli 2005, gemäß Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung eine Stellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten: „Nachhaltige Entwicklung als Motor des industriellen Wandels“.

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Beratende Kommission für den industriellen Wandel nahm ihre Stellungnahme am 31. August 2006 an. Berichterstatter war Herr SIECKER, Ko-Berichterstatter Herr ČINČERA.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 429. Plenartagung am 13./14. September 2006 (Sitzung vom 14. September) mit 98 gegen 11 Stimmen bei 11 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    Teil 1: Zusammenfassung der Schlussfolgerungen und Empfehlungen des EWSA

    A.

    Im Januar 2003 verabschiedete der EWSA eine Initiativstellungnahme mit dem Titel „Der industrielle Wandel: Bilanz und Aussichten — Eine Gesamtbetrachtung“. Mit dieser Stellungnahme sollte nicht nur ein Überblick über die dringendsten Fragen und Tendenzen des industriellen Wandels gegeben werden, sondern es galt auch, die Rolle der CCMI und ihre künftigen Tätigkeiten herauszustellen. In diesem Zusammenhang wurden der CCMI u.a. folgende Zuständigkeitsbereiche zugewiesen:

    „Untersuchung des industriellen Wandels und seiner Ursachen aus wirtschaftlicher, sozialer, territorialer und ökologischer Sicht sowie Bewertung der Auswirkungen des industriellen Wandels auf Sektoren, Unternehmen, Erwerbsbevölkerung, Gebiete und Umwelt.

    Suche nach gemeinsamen Ansätzen für die Förderung der nachhaltigen Entwicklung […].“

    In der vorgenannten Stellungnahme wurde auch die Notwendigkeit betont, im Einklang mit der Lissabon-Strategie „neben der Wettbewerbsfähigkeit auch nachhaltige Entwicklung sowie sozialen und territorialen Zusammenhalt im Blick zu haben“. Darüber hinaus wurde für den „industriellen Wandel“ ein Arbeitskonzept vorgeschlagen, das sowohl die Unternehmen betreffende Entwicklungen als auch deren Interaktion mit ihrem Umfeld umfasste.

    Bisher konzentrierte sich die CCMI in erster Linie auf die Bewertung der Auswirkungen des industriellen Wandels auf Sektoren, Unternehmen, Arbeitnehmer, Gebiete und die Umwelt. Ziel dieser Initiativstellungnahme ist es zu prüfen, wie nachhaltige Entwicklung als Katalysator für den industriellen Wandel wirken kann.

    B.

    In derselben Stellungnahme wurde festgestellt, dass die Veränderungen im europäischen Industriesektor häufig unter dem Aspekt der Umstrukturierung betrachtet und behandelt wurden, es sich jedoch tatsächlich um ein sehr viel dynamischeres Konzept handelt. Die Unternehmen sind eng mit dem politischen und sozialen Umfeld in Europa verbunden und entwickeln sich in diesem, was sich wiederum auf den Prozess des industriellen Wandels auswirkt. Der industrielle Wandel vollzieht sich hauptsächlich auf zwei Arten: durch allmähliche Anpassung und durch radikale Veränderungen. Genau darin besteht das Ziel der jetzigen Initiativstellungnahme: zu überlegen, wie nachhaltige Entwicklung im Sinne Brundtlands (eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, die ihrigen zu befriedigen) als Katalysator für schrittweisen und proaktiven Wandel wirken kann.

    C.

    In der Stellungnahme werden vor allem Beispiele aus dem Energiesektor und den damit verbundenen Sektoren angeführt, aber die hier beschriebenen Prozesse lassen sich auch auf andere Sektoren anwenden. Für diese Wahl gibt es mehrere Gründe:

    die Brundtland-Definition des Begriffs „nachhaltige Entwicklung“ impliziert das Erfordernis, zu erneuerbaren natürlichen Ressourcen überzugehen;

    Energie ist ein sektorübergreifendes Thema;

    die aus der Einführung neuer Technologien in diesem Bereich zu ziehenden Lehren lassen sich auf andere Sektoren übertragen;

    die 25 Mitgliedstaaten importieren derzeit etwa 50 % des von ihnen benötigten Erdöls und Erdgases; dieser Anteil könnte bis 2030 auf 70 % steigen, wobei die Kommission davon ausgeht, dass die meisten Lieferanten zu diesem Zeitpunkt aus 'geopolitisch unsicheren Gebieten' stammen werden.

    D.

    Der Zeitpunkt, zu dem eine bestimmte Technologie zur Verfügung steht, wird durch Forschung und Entwicklung bestimmt. Den Zeitpunkt, zu dem diese Technologie tatsächlich zur Anwendung kommt, bestimmt jedoch der Markt. Die Zeitspanne zwischen diesen beiden Zeitpunkten kann auch von der Politik beeinflusst werden. Dank eines Bündels ausgewogener politischer Maßnahmen der öffentlichen Hand — Subventionen, Förderung, steuerliche Maßnahmen — hat die Industrie in Schweden und Japan sehr früh mit der technischen Entwicklung von Wärmepumpen bzw. Sonnenkollektoren begonnen. Unter anderem deswegen ist es diesen Ländern auch gelungen, eine führende Marktposition zu erobern.

    E.

    Der EWSA bekräftigt, dass die drei Pfeiler der Lissabon-Strategie gleichwertig sind. Dennoch wird häufig betont, dass für ökologische und soziale Belange nur dann Platz ist, wenn die Wirtschaft gesund ist und wächst. Das ist eine zu stark vereinfachende Erklärung der Strategie, da das Gegenteil genauso wahr ist. In einer verseuchten Umwelt bzw. in einer durch soziale Disharmonie gekennzeichneten Gesellschaft ist sicher kein Platz für eine gesunde, wachsende Wirtschaft. Der Ausschuss begrüßt die in diesem Bereich ergriffenen Maßnahmen, die in Anhang 2 der Kommissionsmitteilung „Überprüfung der Strategie für nachhaltige Entwicklung — Ein Aktionsprogramm“ (1) beschrieben sind.

    F.

    Nachhaltigkeit ist nicht nur eine Option unter anderen, sondern vielmehr der einzige Weg, eine gangbare Zukunft zu sichern. Die Nachhaltigkeit ist ein übergreifendes Konzept und deshalb nicht auf Ökologie beschränkt, sondern umfasst auch Fragen der wirtschaftlichen und sozialen Nachhaltigkeit. Die Kontinuität eines Unternehmens ist eine Form der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit, die am besten durch die Wahrung der Rentabilität gesichert werden kann. Europa kann hierzu beitragen, indem es die Wettbewerbsfähigkeit durch Innovation stärkt und durch eine aktive Politik und einen Mix gezielter Maßnahmen Forschung und Entwicklung fördert (siehe die Beispiele Schweden und Japan).

    G.

    Soziale Nachhaltigkeit bedeutet, dass die Menschen gesund leben und ein Einkommen erwirtschaften können, während denjenigen, denen das nicht möglich ist, ein angemessenes Maß an sozialer Sicherheit gewährleistet wird. Der EWSA ist nach wie vor der Meinung, dass Europa hierfür einen Beitrag leisten kann, indem es sich für eine Gesellschaft einsetzt, die den Menschen die Möglichkeit gibt, ihre beruflichen Qualifikationen auf dem neuesten Stand zu halten und ihnen eine annehmbare Arbeit in einer sicheren und gesunden Arbeitsumgebung und einem Arbeitsklima bietet, das Arbeitnehmerrechte und einen fruchtbaren sozialen Dialog zulässt.

    H.

    Die Ökoindustrie bietet zahlreiche Möglichkeiten für Wirtschaftswachstum, und Europa verfügt in mehreren Zweigen dieser Industrie über eine starke Position. Um diese halten und ausbauen sowie vergleichbare Positionen in anderen Zweigen erreichen zu können, muss Europa nach dem Dafürhalten des Ausschusses mehr Ehrgeiz an den Tag legen.

    I.

    Eine auf nachhaltige Entwicklung ausgerichtete Industriepolitik kann zur Wettbewerbsfähigkeit der gesamten europäischen Wirtschaft beitragen, einschließlich nicht nur der neuen, aufstrebenden Sektoren, sondern auch der traditionellen Industriezweige. Der EWSA möchte, dass die Europäische Kommission eine solche Politik unterstützt. Die in dieser Stellungnahme angeführten Beispiele zeigen, dass gut konzipierte und umgesetzte Fördersysteme (Kombination aus Besteuerung, Einspeisetarifen, Förderung und Regulierung) während der Einführung neuer Umwelttechnologien dazu beitragen können, einen Markt für diese Technologien zu schaffen, der dann ohne Unterstützung weiterentwickelt werden kann. Alle Förderungsmechanismen müssen eindeutig degressiv sein, da die Kosten für staatliche Beihilfen nicht die internationale Wettbewerbsfähigkeit anderer Industrien beeinträchtigen sollten.

    J.

    Der EWSA weist darauf hin, dass Zuschüsse und Anreize nicht immer wirksam sind und bei unsachgemäßem Einsatz zu hohen Kosten mit geringer Wirkung führen können. Zuschüsse und Regelungen sollten eine Start- und Entwicklungshilfe für den Markt darstellen, bis die Technologie soweit ausgereift ist, dass sie ohne jegliche Unterstützung bestehen kann. Für eine erfolgreiche Förderung sind folgende Schlüsselfaktoren ausschlaggebend:

    richtige Dauer;

    genaue Beschreibung;

    degressiver Verlauf;

    langfristige Ankündigung;

    Zusammenarbeit zwischen Staat und privatem Sektor.

    K.

    Nachhaltige Entwicklung sollte nicht auf einen europäischen Kontext beschränkt werden, da sie eine globale Dimension hat. Die europäische Nachhaltigkeitspolitik sollte mit Instrumenten ausgestattet sein, die die Verlagerung von Arbeitsplätzen in andere Regionen verhindern. Zur Schaffung gleicher Ausgangsbedingungen ist ein doppelter Ansatz erforderlich: EU-intern auf der einen und EU-extern auf der anderen Seite. Innergemeinschaftlich sollten geeignete Instrumente eingeführt werden, um durch nicht nachhaltige Produktionsmethoden innerhalb der Europäischen Union entstehende soziale und ökologische Kosten in den Produktpreis zu internalisieren und so den Leitgedanken des Berichts der Weltkommission für die soziale Dimension der Globalisierung für eine kohärente Politik von ILO, WTO, IWF und Weltbank zu propagieren (siehe CESE 252/2005). Außerhalb der Gemeinschaft sollte die EU in wichtigen internationalen Foren (besonders der WTO) alles daran setzen, dass nicht-handelsbezogene Fragen, wie grundlegende Sozial- und Umweltstandards, in internationale Handelsvereinbarungen aufgenommen werden, und so auf eine verstärkte Nachhaltigkeitspolitik der Konkurrenten Europas hinwirken. Länder wie die Vereinigten Staaten, Indien und China verfügen gegenüber der EU über einen unlauteren Wirtschaftsvorteil, solange sie nicht die im Kyoto-Protokoll festgelegten Ziele für die CO2-Reduzierung erreichen müssen. Solche Vereinbarungen sollten weltweit umgesetzt werden, da Handel nur dann wirklich frei sein kann, wenn er auch fair ist.

    Teil 2: Argumente für die Stellungnahme

    1.   Überblick

    1.1

    Das Fundament unserer Wirtschaft ist derzeit die Verfügbarkeit kostengünstiger Energie und kostengünstiger Rohstoffe. Die Vorräte sind aber begrenzt und werden u.a. deshalb teurer. Es ist ein machbarer struktureller und technologischer Wandel erforderlich, zu dem Europa beitragen muss, um die europäische Industrie bei der Bewältigung dieser Herausforderung zu unterstützen. Energie- und rohstoffintensive Sektoren müssen künftig nachhaltiger produzieren, damit die natürlichen Ressourcen weniger beansprucht werden. Denn diese Sektoren werden künftig weiter gebraucht werden, da die Herstellung von Ausgangsmaterialien und Halbfabrikaten die Grundlage industrieller Wertschöpfung ist.

    1.2

    Im internationalen Wettbewerb stehende, nachhaltig produzierende, energieintensive europäische Industrien dürfen nicht von weniger nachhaltig produzierenden Konkurrenten aus Drittstaaten vom Markt verdrängt werden. Um dies zu verhindern, müssen in diesen Sektoren durch Zusammenarbeit zwischen Zivilgesellschaft und Staat gleiche Ausgangsbedingungen geschaffen werden.

    1.3

    Die größte Herausforderung ist die Entwicklung einer nachhaltigen Gesellschaft, die das derzeitige Wohlstandsniveau halten kann und gleichzeitig in der Lage ist, die negativen Nebeneffekte der heutigen Verbrauchsmuster zu neutralisieren. Dies setzt jedoch u.a. unbedingt voraus, dass wir unseren Energiebedarf auf andere Weise decken und zu einer anderen Form von Industrieproduktion übergehen.

    1.4

    Das Erfordernis eines schrittweisen Übergangs zu einem nachhaltigeren Gesellschaftsmodell ist nicht zu bestreiten. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Die Fachwelt ist sich nicht einig darüber, wie lange fossile Brennstoffe zu einem erschwinglichen Preis verfügbar sein werden, wohl aber darüber, dass sie immer seltener und teurer werden. Zudem sind wir als Folge unseres Konsumverhaltens mit einer der größten Bedrohungen unserer Zeit konfrontiert: dem Klimawandel.

    1.5

    Der beste Weg, diesen zu stoppen, bestünde darin, die Verbrennung fossiler Brennstoffe in der jetzigen Form einzustellen. Doch in der Realität ist diese Lösung kurzfristig weder politisch noch wirtschaftlich machbar. Dies bedeutet, dass andere Lösungen gefunden werden müssen — denn es muss etwas geschehen. Wenn nicht so schnell wie nötig, dann zumindest so schnell wie möglich.

    1.6

    Durch die Anwendung der Trias Energetica (2), ein Konzept, mit dem in drei Schritten ein effizienterer Energieverbrauch gefördert wird, kann kurzfristig ein Anfang gemacht werden mit nachhaltigerem Verbrauch und nachhaltigerer Produktion. Diese Schritte bestehen in:

    der Senkung der Energienachfrage durch wirksameren Verbrauch;

    der tunlichsten Nutzung nachhaltiger, erneuerbarer Quellen zur Erzeugung von Energie;

    dem Einsatz effizienter Techniken, um die sauberere Nutzung der verbleibenden fossilen Brennstoffe zu ermöglichen.

    1.7

    Um sowohl diese drei Schritte zu vollziehen, als auch für die Umstellung auf eine nachhaltigere Industrieproduktion zu sorgen, ist ein Maßnahmenpaket erforderlich. Die Maßnahmen müssen allerdings auf wirtschaftlichen und strategischen Abwägungen beruhen, bei denen an bestimmten Punkten zwangsläufig zwischen gegensätzlichen Interessen entschieden werden muss. Diesen Konflikten darf nicht aus dem Weg gegangen werden. Es gibt natürlich Situationen, aus denen beide Seiten als Gewinner hervorgehen, und politische Maßnahmen sollten immer auf die Schaffung solcher Situationen abzielen, aber in der Praxis kann sich dies als sehr schwierig erweisen. Das heißt, dass in bestimmten Punkten unter Berücksichtigung des natürlichen Aufschwungs und Niedergangs der einzelnen Sektoren im Vergleich zu den anderen zwischen Möglichkeiten für nachhaltige Veränderungen und der Wahrung bestehender Interessen entschieden werden muss. Solche bestehenden und widersprüchlichen Interessen sollten transparent gemacht und thematisiert werden.

    1.8

    Laut dem Konzept der Nachhaltigkeit sind wirtschaftliche, ökologische und soziale Aspekte der Entwicklung der europäischen Gesellschaft gleichwertig. In dieser Stellungnahme:

    liegt der Schwerpunkt in erster Linie auf erneuerbaren Energiequellen sowie Energie- und Rohstoffeffizienz (Kapitel 2 und 3);

    wird nach Möglichkeiten für eine nachhaltige Entwicklung in ausgewählten Sektoren gesucht (Kapitel 4);

    werden verschiedene soziale Aspekte beleuchtet (Kapitel 5).

    2.   Erneuerbare Energiequellen

    2.1   Einleitung

    2.1.1

    Die Erde nimmt über die Sonne jährlich 3 Millionen Exajoule an Energie auf. Der Gesamtvorrat an fossilen Brennstoffen beläuft sich auf 300.000 Exajoule, das sind 10 % der jährlichen Sonneneinstrahlung. Der gesamte Energieverbrauch pro Jahr beträgt 400 Exajoule. Von den 3 Millionen Exajoule Strahlung sind 90 Exajoule als Wasserkraft, 630 Exajoule als Windenergie, 1.250 Exajoule als Biomasse und der Rest als Solarenergie verfügbar (3). Faktisch gibt es damit genug nachhaltige Energiequellen, um unseren Bedarf zu decken. Das Problem ist ihre Erschließung.

    2.1.2

    Da erneuerbare Energiequellen aus Kostengründen und mangels Verfügbarkeit der geeigneten Technologie den wachsenden Energiebedarf kurzfristig nicht decken können, sind auch andere Energiequellen erforderlich. Fossile Brennstoffe lassen sich potenziell auch in sauberer Form nutzen, z.B. indem das CO2 isoliert und dann gespeichert wird, damit es nicht in die Atmosphäre gelangt. Die Entwicklung der Technik für die Isolierung und Speicherung von CO2 ist in vollem Gange: in Europa, Nordamerika und China sind bereits etwa ein Dutzend Pilotanlagen entweder in der Anlaufphase oder im Bau. Die Überschreitung der Rentabilitätsschwelle bei dieser Technologie wird für den Zeithorizont 2015/2020 erwartet.

    2.1.3

    Die Dauer von Fördersystemen für erneuerbare Energie ist von entscheidender Bedeutung, da eine verfrühte Einstellung der Unterstützung die neue Industrie gefährden kann und eine zu lange Unterstützung wiederum nicht effizient ist. Normalerweise kann die Unterstützung allmählich auslaufen, da die Preise der Technologie durch Forschung und Entwicklung sowie Skalenerträge sinken. Auch die genaue Beschreibung der Fördersysteme ist von großer Bedeutung. Schließlich ist es wichtig, dass Fördersysteme im Voraus angekündigt werden, damit sich die Wirtschaft auf die neuen Marktbedingungen einstellen kann.

    2.1.4

    Die Diskussion um Kernenergie wird immer wichtiger, wie das Grünbuch „Eine europäische Strategie für nachhaltige, wettbewerbsfähige und sichere Energie“ (4) und die Schlussfolgerungen des Frühjahrsgipfels des Europäischen Rates im März 2006 zu diesem Thema zeigen. In einigen Ländern gibt es eine Mehrheit für Kernenergie, in anderen eine Mehrheit dagegen, hauptsächlich wegen des Abfallproblems (5). Trotzdem wird auf die Kernenergie wohl noch geraume Zeit nicht verzichtet werden können, um die stark wachsende Nachfrage nach Energie weiterhin befriedigen zu können, weil die Kernenergie emissionsfrei ist und gemessen an der erzeugten Energiemenge verhältnismäßig wenig Abfälle entstehen. Vielleicht kann die Kernfusion auf lange Sicht eine Lösung für die Nachteile darstellen, die der Kernspaltung anhaften.

    2.1.5

    Es ist darauf hinzuweisen, dass Wasserkraft nicht in einem gesonderten Abschnitt behandelt wird, da diese Technologie (abgesehen von der Gezeitenkraft) sowohl als ausgereift als auch als voll einsatzfähig gilt. Dadurch soll ihre Bedeutung im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeit jedoch in keiner Weise geschmälert werden.

    2.2   Biomasse

    2.2.1

    Biomasse ist das organische Material von Pflanzen und Bäumen, die speziell zu Energiezwecken gezüchtet werden. Hier kommen Holz und schnell wachsende Pflanzen zum Einsatz, die einen hohen Ertrag pro Hektar liefern. Auch Nebenprodukte der Landwirtschaft — deren Hauptprodukt ja Nahrung ist — werden als Biomasse-Reste verwertet. Beispiele hierfür sind Stroh und Rübenkraut. Es gibt auch Biomasse-Ströme aus Restprodukten, wie Abfällen, die bei der Instandhaltung von Bepflanzungen entstehen, sowie Abfällen aus Haushalten, Unternehmen und der Industrie. Dazu zählen Gemüse-, Obst- und Gartenabfälle, Abbruchholz, Mist, Schlamm, Sägemehl und Kakaoschalen.

    2.2.2

    Biomasse kann (teilweise) fossile Brennstoffe ersetzen. Der Energieverbrauch auf der Grundlage von fossilen Brennstoffen beträgt 400 Exajoule pro Jahr, während auf der Grundlage von Biomasse jährlich 1.250 Exajoule zur Verfügung stehen — was nicht bedeutet, dass eine direkte Umstellung möglich ist. Mit Hilfe der vorhandenen Technologie lassen sich aus heutiger Sicht 120 Exajoule aus Biomasse erzeugen. Derzeit beträgt der weltweite Verbrauch von Energie aus Biomasse 50 Exajoule (6). Eine begrenzte Steigerung der Verwendung von Biomasse für Brennstoffe ist also direkt möglich, es sind jedoch technologische Durchbrüche erforderlich, um das Potenzial auszuschöpfen.

    2.2.3

    Verschiedene Initiativen haben bereits zu vielversprechenden Ergebnissen geführt. In Österreich ist die Verwendung von Biomasse für Fernwärme in den letzten 10 Jahren um den Faktor 6, in Schweden um den Faktor 8 gestiegen. In den Vereinigten Staaten beruhen mehr als 8.000 MWe der installierten Erzeugungskapazitäten auf Biomasse. In Frankreich werden 5 % der zur Raumheizung genutzten Wärme aus Biomasse erzeugt. In Finnland macht Bioenergie schon 18 % der gesamten Energieproduktion aus, wobei dieser Anteil bis 2025 auf 28 % steigen soll. In Brasilien wird Ethanol in großem Maßstab als Kfz-Kraftstoff hergestellt, derzeit macht Ethanol in Brasilien etwa 40 Prozent der Kraftstoffe aus, die kein Diesel sind (7).

    2.2.4

    Die Entwicklung von Biomasse ist unter verschiedenen Gesichtspunkten wichtig:

    a)

    Umweltpolitik: Der Lebenszyklus von Biomasse als erneuerbarem Rohstoff hat eine neutrale CO2- und SO2-Bilanz. Zudem besteht bei der Nutzung von Biomasse in großem Maßstab die Möglichkeit, den Mineral- und Stickstoffkreislauf zu schließen.

    b)

    Agrarpolitik: In Europa wurden Anbauflächen stillgelegt. Schätzungsweise 200 Millionen Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche und 10 bis 20 Millionen Hektar Grenzertragsboden können zur Erzeugung von Biomasse als Quelle für Rohstoffe, Grundstoffe und Energie genutzt werden. Dabei muss die Notwendigkeit einer extensiveren Agrarproduktion vor dem Hintergrund des Erfordernisses gesehen werden, Europas vielfältige Landschaften zu erhalten sowie das von der EU verfolgte Ziel zu erreichen, den Verlust der biologischen Vielfalt zu stoppen und ausreichend große Naturschutzgebiete vorzusehen. In all diesen Bereichen ist der Ausgewogenheit angemessen Rechnung zu tragen.

    c)

    Sozialpolitik: Im Allgemeinen werden pro Megawatt installierte Produktionskapazität 11 neue Arbeitsplätze geschaffen. Wenn der Einsatz von Biomasse als Energieträger von 4 % des Energiebedarfs im Jahr 2003 auf gut 10 % im Jahr 2010 (8) gesteigert werden sollte, so kann dies 160.000 neue Arbeitsplätze abwerfen.

    d)

    Regionalpolitik: Biomasse kann als dezentrale Energiequelle, bei der die Umwandlung in der Nähe der Erzeugung stattfindet, in Kleinkraftwerken eingesetzt werden. Dies kann zu gesellschaftlicher Stabilität auf regionaler Ebene führen, insbesondere in Gebieten mit wirtschaftlichem Rückstand.

    e)

    Verpflichtung zur Erzeugung von Grünem Strom: Aufgrund einer europäischen Richtlinie müssen die europäischen Stromerzeuger nämlich einen bestimmten Prozentsatz ihrer Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energiequellen gewinnen. Dieser Prozentsatz variiert zwar von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat, sein Gesamtanteil an der Stromerzeugung nimmt allerdings stetig zu. Für den Fall der Nichteinhaltung der festgelegten Prozentsätze sind Sanktionen (bzw. Streichung von Subventionen) vorgesehen. Es steht außer Zweifel, dass die Stromerzeugung aus Biomasse allein oder im Wege der Verbrennung von Biomasse-Kohle-Gemischen maßgeblich zur Erreichung der Ziele bei Grünem Strom beitragen wird.

    2.3   Windenergie

    2.3.1

    Weltweit ist das theoretische Potenzial an Windenergie mehr als doppelt so hoch wie der für 2020 erwartete Strombedarf. Durch dieses Potenzial und die sich stets verbessernde Wettbewerbsposition infolge des technologischen Fortschritts wird die Windenergie zu einem wesentlichen Ersatz für fossile Brennstoffe. Durch das schwankende Angebot wird Windenergie aber niemals den gesamten Energiebedarf decken können.

    2.3.2

    In den letzten Jahrzehnten hat die installierte Windkraftleistung in spektakulärer Weise zugenommen. Die Leistung kommerzieller Turbinen ist von 10 Kilowatt (5 Meter Rotordurchmesser) auf über 4.500 Kilowatt (über 120 Meter Rotordurchmesser) gestiegen (9). In den letzten 8 Jahren verzeichnete die installierte Windkraftleistung einen jährlichen Zuwachs von mehr als 30 % (10). Laut den Prognosen der Europäischen Windenergieorganisation (EWEA) wird die weltweite Windkraftleistung 2020 ausreichen, um 12 % des Strombedarfs zu decken. Das bedeutet einen Anstieg der Windkraftleistung von 31 Gigawatt am Ende des Jahres 2002 auf 1.260 Gigawatt im Jahr 2020, sprich einen Zuwachs von 23 % pro Jahr. Marktführer und größte Exporteure sind das Vereinigte Königreich, Dänemark und Deutschland, die wichtigsten Ausfuhrmärkte sind China, Indien und Brasilien. In China wächst die Industrie für Windenergieanlagen jedoch schnell, wodurch sich die Lage derzeit ändert. Gegenüber 2004 hat die Zahl der Hersteller 2005 in China um 60 % zugenommen. Das kann dazu führen, dass es der europäischen Windanlagenindustrie genauso wie der Solarzellenindustrie ergeht und sie große Marktanteile an die chinesische Konkurrenz verliert.

    2.3.3

    Der Windenergiesektor ist wirtschaftlich noch teilweise auf diverse Fördermaßnahmen angewiesen. Die wichtigste Unterstützungsform ist das Entgelt, das die Erzeuger für die Einspeisung in das Netz bekommen können, in Kombination mit einem garantierten Preisniveau für die nächsten 10 bis 20 Jahre. Dank dieser Maßnahmen ist der Windenergiesektor in einigen Mitgliedstaaten ein schnell wachsender Wirtschaftszweig. Ein Nachteil ist allerdings, dass diese Maßnahmen zu großen, zentralen Windenergieparks mit hohen Gewinnen führen, anstatt zu einem feinmaschigen Netz kleiner, dezentraler Windkraftwerke. Die Öffentlichkeit lehnt diese großmaßstäbliche Entwicklung immer stärker ab. Natürlich muss der Windenergiesektor letztendlich auch allein, ohne Zuschüsse und Einspeisungstarife, überleben können.

    2.3.4

    Um die Wettbewerbsposition der Windenergie weiter zu verbessern, müssen die Anstrengungen in den Bereichen Forschung und Entwicklung intensiviert werden. Auch die rechtlichen Vorgaben und politischen Zielsetzungen sind stets zu beachten. Große Herausforderungen sind u.a. die Erschließung neuer Standorte für Windparks im Meer und der Abbau von Vorbehalten, die der Installation von Windenergieanlagen im Weg stehen.

    2.3.5

    Die Entwicklung der Windenergie ist unter verschiedenen Gesichtspunkten wichtig:

    a)

    Umweltpolitik: Windenergie ist eine saubere Energieform, bei der weder CO2 noch irgendwelche anderen Schadstoffe entstehen. Das Angebot an Windenergie ist zwar stark schwankend, aber gewaltig.

    b)

    Sozialpolitik: 2002 sorgte die Windenergie für 20 Arbeitsplätze pro Megawatt installierter Leistung. Durch Lerneffekte bei der Konzeption, Herstellung und Installation der Turbinen wächst die Beschäftigung nicht proportional, sondern wird bis 2020 voraussichtlich auf 9,8 Arbeitsplätze pro Megawatt installierte Leistung sinken. Damit wird die Zahl der Arbeitsplätze in der Windindustrie von ungefähr 114.000 im Jahr 2001 auf 1,47 Millionen im Jahr 2020 steigen (11).

    c)

    Regionalpolitik: Aufgrund der Fördersysteme läuft die Entwicklung bei der Windenergie auf große, zentrale Windenergieparks hinaus, die wegen ihrer Gewinne für Investoren sehr attraktiv sind. Die Öffentlichkeit ist gegen diese Entwicklung, da sie feinmaschige Netze kleiner, dezentraler Windenergiekraftwerke vorzieht.

    2.4   Solarenergie

    2.4.1

    Solarenergie kann auf zweierlei Art genutzt werden: als Solarwärme für Raumheizung und Warmwasserbereitung und als Solarstrom für die Gewinnung elektrischer Energie. Solarwärmesysteme sind verhältnismäßig einfach aufgebaut und preisgünstig und werden bereits in vielen Länder für Heizzwecke verwendet (12).

    2.4.2

    Der wichtigste Grund, die Nutzung von Solarenergie in großem Maßstab anzustreben, ist die Tatsache, dass es sich dabei um eine unerschöpfliche Quelle erneuerbarer Energie handelt. Solarenergie hat weltweit ein enormes Potenzial und ist, wenn die Anlagen gut konzipiert und gebaut sind, sehr umweltfreundlich.

    2.4.3

    Solarenergie ist praktisch überall auf der Erde und auf zahlreiche Arten nutzbar: von ganz kleinen Systemen an abgelegenen Orten über Anlagen auf Hausdächern bis hin zu großen Solarkraftwerken.

    2.4.4

    Solarwärmeanlagen sind weit verbreitet. Der größte Markt für solche Systeme ist China, weil dort in ländlichen Gebieten die Gas- und Stromversorgungsinfrastruktur fehlt. In solchen Fällen sind Solarwärmesysteme die effizienteste Lösung. Ein anderer großer Absatzmarkt ist die Türkei. Der Verkauf von Sonnenkollektoren nahm von 2001 bis 2004 jährlich um 10 bis 15 % zu. China nahm 78 % der weltweiten Gesamtproduktion ab, die Türkei 5,5 %.

    2.4.5

    In Europa sind Deutschland, Österreich, Spanien und Griechenland große Absatzmärkte für Solarwärmesysteme. In Deutschland und Österreich wird die Installation solcher Anlagen vom Staat finanziell unterstützt. In Spanien ist die Ausrüstung von neuen Gebäuden mit solchen Systemen in einigen Regionen Pflicht. Aufgrund der Fördermaßnahmen sind Deutschland und Österreich die mit Abstand größten Hersteller von Solarwärmeanlagen in Europa, auf sie entfallen 75 % der europäischen Produktion. Dies ist aber noch gar nichts im Vergleich zur Produktion solcher Anlagen in China. Europa produzierte bisher 0,8 Mio. m2, China 12 Mio. m2. Der wichtigste Grund hierfür ist, dass die chinesische Regierung die Bedeutung der Solarwärmetechnik bereits in einem frühen Stadium erkannt und die Herstellung solcher Systeme mit einer ganzen Reihe von Maßnahmen in ihren Fünfjahres-Wirtschaftsplänen gefördert hat.

    2.4.6

    Trotz der Unerschöpflichkeit der Solarenergie deckt Solarstrom bisher nur einen kleinen Teil unseres Energiebedarfs. Das liegt daran, dass die Kosten für die Erzeugung von Solarstrom noch wesentlich höher sind als die Kosten für Strom aus Gas- oder Kohlekraftwerken. Um diesen Teufelskreis aus niedrigem Umsatz und hohen Preisen zu durchbrechen, sollte gerade möglichst viel Solarenergie genutzt werden, weil dann bei der Herstellung und Installation wesentliche Skalenerträge entstehen. Erst dann kann auch die Technologie weiter erneuert und verbessert werden.

    2.4.7

    Darüber hinaus erfordert die Erzeugung von Energie mit Hilfe vieler relativ kleiner Einheiten, deren Ertrag (in Abhängigkeit von der Sonneneinstrahlung) schwankt, einen anderen Ansatz für die Energieproblematik als bisher. Die Umstellung auf Solarstrom ist zwar ein mittelfristiger Prozess, es ist aber äußerst wichtig, die Entwicklung in diesem Sektor stark zu fördern.

    2.4.8

    Obwohl der Photovoltaikmarkt (PV-Markt) schnell wächst, gibt es eigentlich nur drei große Märkte: Japan, Deutschland und Kalifornien. Auf diese drei Staaten entfallen 80 % der weltweiten Solarenergieanlagenproduktion. Sie fördern die Solarenergie durch hohe Zuschüsse und die attraktive Vergütung für privat erzeugten Solarstrom. 2004 wurden weltweit Solarzellen mit einer Leistung von insgesamt 1.150 MW produziert. Rechnet man die gut 3.000 MW der Ende 2003 bereits installierten Leistung hinzu, so stieg die Gesamtleistung 2005 auf an die 4.500 MW.

    2.4.9

    Der japanische Markt wurde 1994 durch ein Förderprogramm mit Zuschüssen in Höhe von 50 % geschaffen. Diese wurden jedes Jahr um 5 % gesenkt und betrugen 2004, im letzten Jahr des Programms, noch 5 %. Da das Programm für eine große Nachfrage sorgte, konnte die japanische Wirtschaft von Skalenerträgen profitieren: Die Preise sanken jährlich um 5 %, wodurch der Verbraucherpreis stabil blieb. Obwohl keine Zuschüsse mehr gezahlt werden, wächst der Markt nach wie vor jährlich um etwa 20 %. Aufgrund der stabilen Nachfrage konnten die japanischen Unternehmen in Forschung und Entwicklung sowie in neue Produktionstechniken investieren. Dadurch hält Japan derzeit etwa 53 % des Weltmarkts.

    2.4.10

    Die Entwicklung in Deutschland verlief seit 1999 in etwa gleich, hinkt jedoch ungefähr 5 Jahre hinterher. Eine Kombination aus zinsgünstigen Krediten, Zuschüssen und stabilen Preisen für die Einspeisung in das Stromnetz sorgten für ein rasches Wachstum des PV-Marktes. Bereits 2001 lag die in Deutschland installierte Leistung über der der Vereinigten Staaten. Es konnten sich lokale Erzeuger etablieren und inzwischen kommt die Hälfte der europäischen Produktion (13 % der weltweiten Produktion) aus Deutschland. Der Start eines weiteren Förderprogramms im Jahr 2004 mit stabilen Abnahmepreisen für die kommenden 20 Jahre sorgte für einen neuen Impuls: Der deutsche Markt wächst nun mit einem Anstieg um etwa 40 % in den Jahren 2004 und 2005 weltweit am schnellsten. Diese Binnennachfrage ermöglicht es den deutschen Unternehmen, ihre Produktion zu entwickeln und später, wenn der deutsche Markt gesättigt ist, zu exportieren.

    2.4.11

    Die Entwicklung der Solarenergie ist unter verschiedenen Gesichtspunkten wichtig:

    a)

    Umweltpolitik: Solarenergie ist eine saubere Energieform, bei der weder CO2 noch irgendwelche andere Schadstoffe entstehen. Da die Erde über die Sonne jährlich 3 Millionen Exajoule an Energie aufnimmt, ist ihr Potenzial gewaltig. Zum Vergleich: Die Gesamtvorräte an fossilen Brennstoffen werden auf 300 000 Exajoule geschätzt.

    b)

    Sozialpolitik: Durch die Entwicklung der Solarenergie werden im Rahmen der Planung, Verbesserung, Herstellung und Installation von Solarenergiesystemen Arbeitsplätze geschaffen werden. Andererseits wird es zu Arbeitsplatzverlusten kommen, da weniger große und zentrale Kraftwerke benötigt werden.

    c)

    Regionalpolitik: Solarthermische Energie kann in abgelegenen armen Gebieten genutzt werden, in denen es keine Infrastruktur für die Energieverteilung gibt. Diese Energieform ist eine kostengünstige Lösung für Heizung und Heißwasserversorgung.

    2.5   Geothermische Energie

    2.5.1

    Geothermische Energie kann mit Hilfe von Wärmepumpen zur Heizung und Kühlung von Gebäuden verwendet werden. Wärmepumpen verbrauchen nur einen Bruchteil des Gas- oder Strombedarfs konventioneller Klimatisierungssysteme. Die für Heizung (oder Kühlung) benötigte Energie wird der Umgebung (Luft, Wasser oder Boden) entzogen (13).

    2.5.2

    Die größten Märkte für Wärmepumpen sind die Vereinigten Staaten, Japan und Schweden, die zusammen 76 % der installierten Gesamtleistung abdecken. Dann folgen China, Frankreich, Deutschland, die Schweiz und Österreich. Der europäische Markt ist von 40.000 Einheiten im Jahr 1997 auf 123.000 Einheiten im Jahr 2004 gewachsen. Der Weltmarkt wuchs 2004 um 18 %. Die Produktion und Installation von Wärmepumpen findet vor allem in Ländern statt, in denen sie durch die öffentliche Hand sowohl finanziell als auch anderweitig stark gefördert wurde.

    2.5.3

    Schweden ist ein gutes Beispiel für ein solches Vorgehen. Der schwedische Staat hat die Verwendung von Wärmepumpen seit den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts mit Maßnahmen wie direkte Finanzzuschüsse, Steuervergünstigungen und Werbeaktionen gefördert. Aber auch neue Rechtsvorschriften im Bausektor, in denen die zulässige Höchsttemperatur in Heizsystemen genau festgelegt wurde, trugen zum Anstieg der Nutzung von Wärmepumpen bei.

    2.5.4

    So wurde ein Markt geschaffen, der die Entwicklung der Wärmepumpenproduktion in Schweden ermöglichte. Schweden verfügt jetzt über eine voll entwickelte Wärmepumpenindustrie mit drei großen Teilnehmern auf dem internationalen Markt, und auf den Sektor entfallen mehr als 50 % der europäischen Nachfrage. Der schwedische Wärmepumpenmarkt steht jetzt auf eigenen Füßen, und die Zahl der Wärmepumpen nimmt nun auch ohne unterstützende Maßnahmen der öffentlichen Hand stetig zu. Mehr als 90 % der neuen Gebäude in Schweden sind inzwischen standardmäßig mit einer Wärmepumpe ausgerüstet.

    2.5.5

    Eine ähnliche Entwicklung vollzog sich in Österreich, wo die regionalen Behörden bis zu 30 % der Kosten für die Anschaffung und Installation von Wärmepumpen übernahmen. In Österreich gibt es inzwischen 7 Wärmepumpenhersteller. In beiden Ländern sorgte die Kombination aus direkter finanzieller Unterstützung, spezifischen Bauvorschriften und Werbekampagnen dafür, dass sich die Wärmepumpenindustrie so entwickeln konnte, dass der Sektor jetzt in der Lage ist, ohne Unterstützung zu bestehen.

    2.5.6

    Die Entwicklung der geothermischen Energie ist unter verschiedenen Gesichtspunkten wichtig:

    a)

    Umweltpolitik: Geothermische Energie ist eine unerschöpfliche, saubere und wirtschaftliche Energiequelle. Ihr Potenzial ist gewaltig, da in den äußeren 6 Kilometern der Erdkruste 50.000 Mal mehr Energie gespeichert ist, als alle bekannten Erdöl- und Erdgaslagerstätten weltweit enthalten (14).

    b)

    Sozialpolitik: Durch die Entwicklung der geothermischen Energie werden im Rahmen der Planung, Verbesserung, Herstellung und Installation von geothermischen Energiesystemen Arbeitsplätze geschaffen werden. Andererseits wird es zu Arbeitsplatzverlusten kommen, da weniger große und zentrale Kraftwerke benötigt werden.

    c)

    Regionalpolitik: Geothermische Energie stellt für Menschen in abgelegenen Gebieten, in denen es keine Infrastruktur für die Energieverteilung gibt, eine kostengünstige Lösung zur Deckung ihres Eigenbedarfs an Heizung und Heißwasser dar. Zur Nutzung geothermischer Energie wird Strom benötigt, jedoch wesentlich weniger als für direkte Heizung und Heißwasserversorgung.

    3.   Rohstoffeffizienz

    3.1

    Nicht nur die Energiemenge, die aus fossilen Brennstoffen gewonnen werden kann, ist begrenzt, sondern auch die metallischen, mineralischen und biologischen Rohstoffvorräte für die industrielle Produktion sind nicht unendlich (15). Der Rohstoffverbrauch in den Industrieländern ist gewaltig. Mehr als 80 % aller Rohstoffe werden von 20 % der Weltbevölkerung verbraucht.

    3.2

    Dieses Verbrauchsmuster verträgt sich nicht mit einer nachhaltigen Verwendung der verfügbaren Ressourcen. Wenn man davon ausgeht, dass die Rohstoffvorräte unser gemeinsames Erbe sind und der derzeitige und künftige Zugang zu diesem Gut ein universelles und unverbrüchliches Recht aller Menschen ist, muss Europa seine Inanspruchnahme dieser Ressourcen bis zum Jahr 2050 auf ein Viertel und bis 2080 auf ein Zehntel seines heutigen Verbrauchs senken (16). Der EWSA ist mit den Initiativen in diesem Bereich, wie Dematerialisierung und dem Aktionsplan für Umwelttechnologie (ETAP), zufrieden.

    3.3

    Jedes Erzeugnis bedeutet bei näherer Betrachtung eine Belastung der Umwelt: sei es durch Herstellung, Verwendung oder Entsorgung am Ende seines Lebenszyklus. Dieser Zyklus umfasst zahlreiche Phasen: die Rohstoffgewinnung, die Produktplanung, die Herstellung, das Marketing, die Verteilung, den Verkauf, die Verwendung und die Entsorgung. Bei jeder Phase sind andere Akteure im Spiel: Konstrukteure, Hersteller, Händler, Verbraucher usw. Bei einem integrierten Produktionskonzept wird versucht, alle diese Phasen besser aufeinander abzustimmen (dergestalt, dass beispielsweise bei der Produktkonzeption bereits auf ein optimales Recycling geachtet wird), um die Umweltleistung des betreffenden Erzeugnisses während seines gesamten Lebenszyklus zu verbessern.

    3.4

    Bei der enormen Bandbreite an unterschiedlichen Produkten und der Vielzahl der beteiligten Akteure ist es nicht möglich, eine einheitliche Maßnahme zu treffen, die alle Probleme löst. Hierfür ist ein ganzes Arsenal an politischen Instrumenten — auf freiwilliger Basis sowie auch mit Verbindlichkeitscharakter — erforderlich. Diese Instrumente müssen in enger Zusammenarbeit mit dem öffentlichen und privaten Sektor und mit der Zivilgesellschaft eingesetzt werden.

    3.5

    Auch die Verbraucherorganisationen sollten eine stärker impulsgebende und unterstützende Rolle übernehmen, als bislang üblicherweise der Fall. Bisher gilt das Augenmerk vieler dieser Organisationen vor allem dem bestmöglichen Produkt zu einem möglichst niedrigen Preis. Faktisch bedeutet das, dass dieses Produkt nicht auf die nachhaltigste Art und Weise hergestellt wird.

    3.6   Wärme-Kraft-Kopplung

    3.6.1

    Die Nutzung der bei der Stromerzeugung freiwerdenden Wärmeenergie bedeutet eine erhebliche Steigerung der Effizienz der Energienutzung, trotz der technischen Grenzen infolge der großen Entfernung zwischen dem Ort der Wärmeerzeugung (Industriegebiet) und dem Ort des Verbrauchs (Wohngebiet), wodurch viel Energie verloren geht. Kleine Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen lassen sich in erster Linie zur Deckung des Wärmebedarfs nutzen, wobei als Nebenprodukt Strom anfällt. Alternative Produkte können so ausgelegt werden, dass vor allem Strom und als Nebenprodukt Wärme entsteht. Bisher wurden hauptsächlich wärmegesteuerte kleine Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen vertrieben, während Brennstoffzellen eher für die Deckung des Strombedarfs konzipiert sind.

    3.6.2

    Die Wärme-Kraft-Kopplungs-Technik kann diese technische Beschränkung umgehen und ist zugleich eine wirtschaftliche Herausforderung für die europäische Industrie. Die Wärme-Kraft-Kopplung wird vor allem für die Beheizung von Wohngebäuden und Geschäften verwendet und liefert als Nebenprodukt Elektrizität. Bis zum Jahr 2004 wurden ca. 24.000 Einheiten installiert. Die Wärme-Kraft-Kopplungs-Technologie eignet sich für verschiedene Energieträger. Die vielversprechendste Technik dürfte wohl die Wärme-Kraft-Kopplung auf wasserstofftechnologischer Basis (Brennstoffzellen) sein, aber diese Technologie muss erst noch weiterentwickelt werden.

    3.6.3

    Dank seiner Subventionen an die Endbenutzer von Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen ist Japan bei der Entwicklung dieser Technologie am weitesten, unter anderem weil die Brennstoffzellen-Technologie dort sehr stark von der Automobilindustrie gefördert wird. Die japanische Regierung will, dass sich die japanische Industrie genau wie beim Solarstrom auch bei der Entwicklung der Brennstoffzellentechnik eine Führungsposition verschafft. Deswegen fördert Japan die Forschung- und Entwicklungsarbeit und gewährt Endverbrauchern Kaufsubventionen in einem frühen Marktentwicklungsstadium.

    3.6.4

    Die Entwicklung der Wärme-Kraft-Kopplung ist unter verschiedenen Gesichtspunkten wichtig:

    a)

    Umweltpolitik: Die Wärme-Kraft-Kopplung ist eine kostengünstige, wirtschaftliche und noch dazu sehr saubere Energiequelle: Bei der Erzeugung von Heißwasser und Strom mit Hilfe der Wärme-Kraft-Kopplung kommt es zu 20 % weniger CO2-Emissionen.

    b)

    Sozialpolitik: Durch die Entwicklung der Wärme-Kraft-Kopplung werden im Rahmen der Planung, Verbesserung, Herstellung und Installation von Wärme-Kraft-Kopplungssystemen Arbeitsplätze geschaffen werden. Andererseits wird es zu Arbeitsplatzverlusten kommen, da weniger große und zentrale Kraftwerke benötigt werden.

    4.   Auswirkungen der Nachhaltigkeit auf verschiedene Sektoren

    Das Wachstum der Sektoren, die sich mit der Erforschung und Entwicklung von Technologien auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien beschäftigen, zeigt, dass nachhaltige Entwicklung durchaus wirtschaftliche Möglichkeiten eröffnet. Diese Chancen sind nicht nur in denjenigen Sektoren angesiedelt, in denen unmittelbare Nachhaltigkeitstechnologien entwickelt werden, sondern auch in denjenigen Sektoren gegeben, in denen diese neuen Technologien angewandt werden sollen.

    4.1   Verkehr

    4.1.1

    Der Verkehrssektor ist einer der größten Verbraucher fossiler Brennstoffe. In diesem Sektor gibt es vielversprechende Möglichkeiten für die nachhaltige Nutzung von Energie, wie die zahlreichen nützlichen Empfehlungen im CARS-21-Abschlussbericht veranschaulichen (17). Zudem eröffnen eine bessere Planung der Stadtentwicklung und der städtischen Infrastruktur sowie eine intensivere Nutzung der IKT-Technologie Perspektiven, die Transporteffizienz zu verbessern. Zusammen mit einer weiter verbesserten Technologie für Verbrennungsmotoren, wird dies zu erheblichen Energieeinsparungen führen. Kurzfristig gibt es auch gute Möglichkeiten, teilweise auf andere Brennstoffe, wie Erdgas oder Kraftstoff aus Biomasse (BTL), umzustellen. Längerfristig dürfte die Wasserstoffwirtschaft sehr gute Möglichkeiten zu bieten haben. Die Hybridtechnologie, so wie sie derzeit entwickelt wird, ist eine sehr gute Übergangsform.

    4.1.2

    Der maximale potenzielle Marktanteil von Kraftstoff aus Biomasse wird auf 15 % geschätzt, für 2010 strebt die EU einen Marktanteil von 6 % an. Derzeit läuft ein erstes Pilotprojekt zur Erzeugung von Kraftstoff aus Biomasse.

    4.1.3

    Erdgas hat geringere CO2-Emissionen als Benzin (-16 %) und Diesel (-13 %) und kann bei einem günstigen steuerlichen Umfeld einen größeren Marktanteil erlangen. Auf diese Weise kann sowohl für Erzeuger als auch für Verbraucher ein stabiler Markt entstehen, die entsprechende Technologie ist vorhanden. Vor allem für den öffentlichen Verkehr im städtischen Raum scheint es große Möglichkeiten zu geben, da die Tankstellen, an denen das Gas getankt werden kann, dann optimal genutzt werden. Potenziell lässt sich bis 2020 ein Marktanteil von 10 % erreichen (18).

    4.1.4

    Die Beispiele anderer Länder (vor allem Brasiliens) zeigen, dass ein solcher Marktanteil nicht schon dadurch erreicht werden kann, dass dafür Sorge getragen wird, dass Biokraftstoff verfügbar ist. Es sind flankierende Maßnahmen — etwa in Form von Steuervorteilen, gezielten Rechtsvorschriften und Regelungen sowie entsprechender Förderung — erforderlich, um den Verbraucher zum Umstieg zu bewegen.

    4.1.5

    Die Kehrseite der Medaille ist, dass die verstärkte Nutzung von Biobrennstoffen aus ökologisch sensiblen Gebieten (wie etwa Palmöl aus Südostasien) zur großflächigen Zerstörung von Regenwäldern führen kann, da diese Palmölplantagen weichen müssen. Weltweit gibt es 23 große Ökosysteme, von denen laut einer kürzlich von den Vereinten Nationen durchgeführten Studie 15 übernutzt bzw. stark verschmutzt sind.

    4.2   Bauwesen

    4.2.1

    Das Bauwesen — insbesondere der Wohnungsbau — bietet enorme Möglichkeiten für nachhaltigeres Bauen. Zu geringen Mehrkosten können bereits Nullenergiehäuser gebaut werden, zumal wenn man bedenkt, dass sich die Zusatzkosten schnell amortisieren, da keine Energiekosten anfallen. Bisher ist diese Bauweise durchschnittlich 8 % teurer als das traditionelle Bauen, wobei sich diese Mehrkosten durch Anwendung in größerem Maßstab innerhalb von 10 Jahren auf 4 % senken lassen. Norman Foster, einer der berühmtesten Architekten der Welt, erklärte einmal, dass die eigentlichen Baukosten von den Gesamtkosten eines Gebäudes über einen Zeitraum von 25 Jahren nur 5,5 % ausmachen. Die Kosten für die Nutzung des Gebäudes (Energie, große und kleine Instandhaltungsarbeiten, Darlehenszinsen bzw. Miete) beliefen sich für denselben Zeitraum auf bis zu 86 %. Somit mag nachhaltiges Bauen zwar kurzfristig etwas teurer sein, mittel- bis langfristig ist es aber wesentlich kostengünstiger.

    4.2.2

    In Deutschland und Österreich nimmt das energiesparende Bauen schneller zu als in der übrigen Europäischen Union. Das „Passivhaus Institut“ in Deutschland hat Wohnungen entwerfen lassen, die durch die Nutzung von Solarenergie in Kombination mit effizienter luftdichter Isolierung sehr wenig Energie verbrauchen. Inzwischen wurden in Deutschland mehr als 4.000 und in Österreich mehr als 1.000 solcher Häuser gebaut. Auch bei gewerblichen Bauten wird dieses Prinzip in zunehmendem Maße angewandt.

    4.2.3

    Die Gemeinde Freiburg hat neue Normen für energiesparendes Bauen aufgestellt. Diese Normen sind fester Bestandteil aller Pacht- und Kaufverträge, die die Gemeinde mit Bauunternehmern und Projektentwicklern abschließt. So nutzt die Gemeinde ihre Rechtsetzungsbefugnisse optimal, um sich in großem Maßstab für Energiemanagement einzusetzen. In den vorgenannten Verträgen ist festgelegt, dass auf von der Gemeinde gekauftem oder gepachtetem Baugrund nach Energiesparrichtlinien gebaut werden muss, die Gebäude für eine maximale Nutzung der Solarenergie auszulegen sind und die Dächer für das Anbringen von Sonnenkollektoren geeignet sein müssen. In auf diese Weise erbauten Stadtteilen werden beim Warmwasserverbrauch Kosteneinsparungen in Höhe von 40 % erzielt.

    4.3   Industrie

    4.3.1

    Der EWSA begrüßt das von der Kommission in ihrer Mitteilung „Umsetzung des Lissabon-Programms der Gemeinschaft: Ein politischer Rahmen zur Stärkung des Verarbeitenden Gewerbes in der EU — Auf dem Weg zu einem stärker integrierten Konzept für die Industriepolitik“ (19) vertretene Konzept für Industriepolitik, das Belange der Nachhaltigkeit berücksichtigt. Die Verwirklichung der Lissabon-Strategie erfordert eine wettbewerbsfähige europäische Industrie. Deshalb begrüßt der Ausschuss die Einsetzung einer Hochrangigen Gruppe für Wettbewerbsfähigkeit, Energie und Umwelt, eine der sieben wichtigen sektorübergreifenden politischen Maßnahmen, mit denen die Synergien zwischen verschiedenen Politikbereichen unter dem Gesichtspunkt der Wettbewerbsfähigkeit verstärkt werden sollen. Der Ausschuss begrüßt auch die in diesem Bereich von der europäischen Industrie selbst unternommenen Anstrengungen.

    4.3.2

    Die Industrie bleibt zunächst noch weitgehend auf fossile Brennstoffe angewiesen. Der Rückgriff auf die Elektroprozesstechnik ermöglicht jedoch in vielen Fällen die Nutzung jeglicher Art von primärer Energiequelle, während zumeist gleichzeitig Energieeinsparungen erzielt werden (20). Zudem gibt es auch Möglichkeiten für den Austausch von Restenergie zwischen Industriekomplexen und anderen Sektoren oder Wohnkomplexen. So wird die Restwärme des Industriekomplexes im Europoort zur Beheizung des größten Gewächshauskomplexes in Nordwesteuropa im 20 Kilometer entfernt gelegenen Westland genutzt.

    4.3.3

    Erdöl bildet die Grundlage der chemischen Industrie, steht in der Zukunft aber nicht mehr in gleichem Maße zur Verfügung. Die Alternative liegt in der Biosynthese, der Erzeugung von Grundchemikalien aus Biomasse mit Hilfe von Bakterien, ein sehr komplexer Bereich, der jedoch Perspektiven bietet. In den vergangenen Jahren wurden beim Wissen über die Genetik von Mikroorganismen, wie Bakterien, große Fortschritte erzielt. Neue Techniken ermöglichen es, diese Organismen genetisch so zu verändern, dass sie Ausgangsmaterial in bestimmte Stoffe umsetzen. Dadurch werden die Bakterien zu einer Art programmierbarer Minireaktoren.

    4.3.4

    Derzeit setzen vor allem die Nahrungs- und Genussmittelindustrie sowie die pharmazeutische Industrie die Mikroorganismen-Technik ein, beispielsweise bei der Herstellung von Käse, Bier oder Penizillin. Die Möglichkeiten für Biokonversion sind in diesen Sektoren durchaus beachtlich, inzwischen beginnt sich aber auch die chemische Industrie für diese Technologie zu interessieren. Es ist eine ganze Reihe von Reaktionsschritten erforderlich, um die Stoffe aus Erdöl zu gewinnen und in reiner Form zu isolieren. Die Technologie muss noch wesentlich weiterentwickelt werden, aber theoretisch ist es möglich, zur direkten Umwandlung von Biomasse in Grundchemikalien und andere Produkte überzugehen. Dadurch wird weniger Erdöl verwendet, während alle anderen wirtschaftlich und ökologisch wichtigen Aspekte — Emissionsreduktion, Schließung des Kreislaufs, Verwaltung der Produktionskette — gegeben sind.

    4.3.5

    In energieintensiven Wirtschaftssektoren kann es beim schrittweisen Übergang zu erneuerbaren Energiequellen zu besonderen Schwierigkeiten kommen. Der Nachhaltigkeitsgrad der Produktion hängt direkt vom Stand der angewandten Technologie ab, bei der in naher Zukunft keine entscheidenden Verbesserungen zu erwarten sind. Der Stahl- und der Aluminiumsektor in Europa können sich hier z.B. schon sehen lassen. Während die Stahlindustrie, insbesondere im Rahmen des ULCOS-Projekts (Ultra Low CO2 Steelmaking — das größte europäische Stahlprojekt der Geschichte), viel in neue Technologien für eine nachhaltige Produktion investiert und davon ausgeht, dass es ihr gelingt, den CO2-Ausstoß bis etwa im Jahr 2040 auf die Hälfte zu senken, ist die Produktion von Primäraluminium in Europa durch eine außergewöhnlich hohe Nutzung erneuerbarer Energiequellen (44,7 %) geprägt. Da die für die Produktion von Sekundäraluminium aus Aluminiumschrott benötigte Energie nur 10 % der für die Produktion von Primäraluminium erforderlichen Energie beträgt, gibt es in diesem Sektor ein großes Energieeinsparungspotenzial. Allerdings wird Aluminiumschrott auf dem europäischen Markt massiv von China gekauft, da die chinesische Regierung Anreize für Energieeinsparungen geschaffen hat.

    4.3.6

    Auch bei Ressourceneffizienz und Recycling steht die europäische Stahlindustrie gut da. Die Hälfte des weltweit erzeugten Stahls wird aus Schrott gewonnen. Auch die Abfälle werden optimal verwertet. Am niederländischen Standort von Corus in IJmuiden werden 99 % des Abfall- und Reststoffstroms intern oder extern wiederverwendet.

    4.3.7

    Obwohl die Nutzung fossiler Energiequellen als Rohstoff für die Industrieproduktion in absehbarer Zukunft größtenteils nicht zu vermeiden sein wird, wird die Nutzung neu entwickelter Materialien doch zu Energieeinsparungen im Anwendungsbereich beitragen, z.B. durch Gewichtsreduzierungen in der Kraftfahrzeugherstellung. Um eine solche Innovation zu fördern muss die europäische Industrie ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit wahren, angefangen mit der mineralgewinnenden Industrie, bei der die Wertschöpfungskette beginnt.

    5.   Soziale Aspekte

    5.1

    Der schrittweise Übergang zu nachhaltigerer Produktion ist unvermeidlich und als Notwendigkeit auch unumstritten. Deindustrialisierung, Produktionsverlagerung in andere Regionen und die wachsende Konkurrenz durch sich entwickelnde Volkswirtschaften haben Unsicherheit und Angst ausgelöst. In dieser Stimmungslage tendierte die Öffentlichkeit dazu zu glauben, dass Umschalten auf nachhaltigere Produktion die Wettbewerbsfähigkeit Europas schädigt, das industrielle Wachstum behindert, Arbeitsplätze vernichtet und schlecht ist für Wirtschaft und Beschäftigung.

    5.2

    In Europa kam es zu negativen Auswirkungen auf die Beschäftigung. Deutschen Studien zufolge sollen bis 2010 durch das Emissionshandelssystem 27.600 und bis 2020 34.300 Arbeitsplätze verloren gehen (21). Weitere 6.100 deutsche Arbeitsplätze sollen bis 2010 dem Erneuerbare-Energien-Gesetz zum Opfer fallen (22). Schließlich soll die Umsetzung der Vereinbarungen im Rahmen des Kyoto-Protokolls bis 2010 in Deutschland 318.000 Arbeitsplätze kosten (23). Die Zahlen, die in Vergleich gesetzt werden müssen zu den Arbeitsplätzen, die neu geschaffen werden, zeigen, dass sich mit einer an Klimaschutzzielen orientierten Politik in der Tat ein „industrieller Wandel“ ergibt: u.a. durch die 16,4 Mrd. EUR, die mit regenerativen Energien in Deutschland in 2005 umgesetzt wurden und die 170.000 Arbeitsplätze, die mittlerweile in diesem Bereich geschaffen wurden (24). Mit einem Produktionsumfang von 55 Mrd. EUR (2004) sichern Umwelt- und Klimaschutz in Deutschland derzeit rund 1,5 Millionen Arbeitsplätze und tragen mit ihrem Anteil am bundesdeutschen Export (31 Mrd. EUR im Jahr 2003) zur Sicherung vieler weiterer Arbeitsplätze (25) bei.

    5.3

    Die Auswirkungen sind jedoch nicht nur negativ. Eine Untersuchung über Arbeitsplatzverluste in Europa zeigt, dass weniger als 5 % der verlorengegangenen Arbeitsplätze auf die Produktionsverlagerung in andere Gebiete zurückzuführen sind (26). Trotz methodologischer Beschränkungen aufgrund der Datenerhebungstechniken ist diese Untersuchung eine nützliche Informationsquelle, vor allem wenn ihre Ergebnisse zusammen mit anderen wichtigen Indikatoren betrachtet werden. Weiter könnte argumentiert werden, dass nur ein kleiner Teil der Arbeitsplatzverluste auf das Umweltrecht zurückzuführen ist.

    5.4

    Es gab aber auch Beschäftigungszuwächse. Die Öko-Industrie, die sich mit der Erforschung und Entwicklung nachhaltiger Technologien beschäftigt, ist ein sehr dynamischer Sektor mit einem jährlichen Zuwachs an Arbeitplätzen von 5 %. Dieser Sektor ist derzeit mit mehr als 2 Millionen direkten Vollzeit-Arbeitsplätzen in Europa ein ebenso großer Arbeitgeber wie die Pharma- und die Raumfahrtindustrie (27).

    5.5

    Aus einer Untersuchung der OECD (28) geht hervor, dass nachhaltigere Produktion nicht zwangsläufig Kostensteigerung bedeutet. Auf lange Sicht kann sie sogar in gewissem Maße kostensenkend sein. Außerdem werden die Kosten durch den Ertrag der nachhaltigen Produktion aufgewogen. Klare Handelsvorteile, Rechtsvorschriften und unterstützende Regelungen im Umweltbereich führen zu Investitionen in nachhaltige Innovation und sorgen dadurch für eine effizientere Rohstoffnutzung, eine Aufwertung der Marke sowie die Verbesserung des Markenimages des Unternehmens und führen letztlich zu größerer Rentabilität und mehr Beschäftigung. Damit dieser Prozess erfolgreich verläuft, ist ein gemeinsamer Ansatz auf der Grundlage zwischen Wirtschaft, Arbeitnehmern und Staat geteilter Verantwortung erforderlich.

    5.6

    Es ist unbedingt zu vermeiden, dass die europäische Industrie aufgrund von Umwelt- und Sozialgesetzen und -bestimmungen bei einem Vergleich mit außerhalb der EU gelegenen Regionen erhebliche Wettbewerbsnachteile erleidet. Wenn die EU für ihre eigene Industrie Standards für nachhaltige Produktion festlegt, dann ist es inakzeptabel und unvernünftig, gleichzeitig Herstellern aus Drittstaaten die Vermarktung von Produkten zu erlauben, die diese Standards nicht erfüllen. Zur Förderung der nachhaltigen Produktion ist ein doppelter Ansatz erforderlich: EU-intern auf der einen und EU-extern auf der anderen Seite.

    5.6.1

    Innergemeinschaftlich sollten geeignete Instrumente eingeführt werden, um durch nicht nachhaltige Produktionsmethoden innerhalb der Europäischen Union entstehende soziale und ökologische Kosten in den Produktpreis zu internalisieren und so den Leitgedanken des Berichts der Weltkommission für die soziale Dimension der Globalisierung über die Kohärenz der Politik von ILO, WTO, IWF und Weltbank zu propagieren (siehe die EWSA-Stellungnahme zum Thema „Die soziale Dimension der Globalisierung“).

    5.6.2

    Außerhalb der Gemeinschaft sollte die EU in wichtigen internationalen Foren (besonders der WTO) alles daran setzen, dass nicht-handelsbezogene Fragen, wie grundlegende Sozial- und Umweltstandards, in internationale Handelsvereinbarungen aufgenommen werden, und so auf eine verstärkte Nachhaltigkeitspolitik der Konkurrenten Europas hinwirken. Länder wie die Vereinigten Staaten, Indien und China verfügen gegenüber der EU über einen unlauteren Wirtschaftsvorteil, solange sie nicht die im Kyoto-Protokoll festgelegten Ziele für die CO2-Reduzierung erreichen müssen. Solche Vereinbarungen sollten weltweit umgesetzt werden, da Handel nur dann wirklich frei sein kann, wenn er auch fair ist.

    5.7

    Die europäische Ökoindustrie hält etwa ein Drittel des Weltmarktes und erwirtschaftet einen Handelsüberschuss von über 600 Mio. EUR. Der Export nahm im Jahr 2004 um 8 % zu; außerdem ist dieser Bereich ein Wachstumsmarkt, denn in Zukunft werden alle Länder — auch China und Indien — immer stärker zu nachhaltigen Erzeugnissen und Produktionsverfahren übergehen müssen.

    5.8

    Die nachhaltige, innovative Gesellschaft, die wir anstreben müssen, braucht eine grundlegende Informationskampagne für Bürger und Verbraucher zur Sensibilisierung und zur Schaffung einer breiten gesellschaftlichen Basis. Zudem benötigt sie gut ausgebildete Arbeitnehmer. In der jüngsten Vergangenheit hat Europa diesem Aspekt zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Bei 10 Richtlinien, die Europa auf diesem Gebiet (Nachhaltigkeit, Innovation) in den letzten Jahren erlassen hat, wurde die englische Fassung auf die Verwendung der Begriffe „training“, „learning“, „skilling“ und „education“ durchgesehen und festgestellt, dass lediglich das Wort „education“ einmal, und zwar in einer Richtlinie vorkommt.

    5.9

    In einigen Mitteilungen der Kommission, die diesen Richtlinien vorausgingen, wird sehr wohl noch ausführlich auf den (Aus)Bildungsbedarf hingewiesen. In den Richtlinien ist das Augenmerk für diesen Aspekt völlig verschwunden. Mitteilungen sind Dinge, die man sagt, Richtlinien sind Dinge, die man tut. Politik bedeutet nicht reden, sondern handeln. Der EWSA begrüßt, dass der Bedeutung der Bildung in der neuen Industriepolitik der EU viel Beachtung geschenkt wird und bestärkt die Kommission darin, diesen Weg weiterzuverfolgen.

    5.10

    Die Lissabon-Strategie zielt darauf ab, die Europäische Union bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt mit einem großen sozialen Zusammenhalt und voll und ganz nachhaltigen Arbeitsplätzen zu machen. Um eine solche Gesellschaft erreichen und aufrechterhalten zu können, ist eine gut ausgebildete Erwerbsbevölkerung erforderlich. Wenn wir nicht genügend in das Ausbildungsniveau der Arbeitnehmer investieren, dann werden wir die Lissabon-Ziele nicht nur bis 2010 nicht verwirklichen können, sondern wir werden sie nie und nimmer erreichen.

    Brüssel, den 14. September 2006

    Die Präsidentin

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Anne-MarieSIGMUND


    (1)  KOM(2005) 658 endg., 13.12.2005.

    (2)  Ein von der Technischen Universität Delft entwickeltes Konzept für nachhaltigen Energieverbrauch.

    (3)  Quelle: Energie Centrum Nederland, www.ecn.nl.

    (4)  KOM(2006) 105 endg., 8.3.2006.

    (5)  Ausgaben von Eurobarometer 227 (über Kernenergie und nukleare Abfälle, Juni 2005) und 247 („Attitudes towards Europe“, Januar 2006).

    (6)  Quelle: Energie Centrum Nederland, www.ecn.nl.

    (7)  www.worldwatch.org.

    (8)  Aktionsplan für Biomasse, Mitteilung der Kommission {SEK(2005) 1573}.

    (9)  Quelle: Energie Centrum Nederland, www.ecn.nl.

    (10)  Quellen: www.ewea.org, www.wind-energie.de.

    (11)  Quelle: Energie Centrum Nederland, www.ecn.nl.

    (12)  Siehe Anhang I.

    (13)  Siehe Anhang II.

    (14)  Quelle: Informatiecentrum Duurzame Energie.

    (15)  Siehe die EWSA-Stellungnahme zum Thema „Risiken und Probleme der Rohstoffversorgung der europäischen Industrie“.

    (16)  Überarbeitung der EU-Strategie für nachhaltige Entwicklung.

    (17)  Hochrangige Gruppe CARS 21: Competitive Automotive Regulatory System for the 21st Century (Wettbewerbsfähiges Kraftfahrzeug-Regelungssystem für das 21. Jahrhundert).

    (18)  Quelle: KOM(2001) 547 endg., Richtlinie 2003/30/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Förderung der Verwendung von Biokraftstoffen oder anderen erneuerbaren Kraftstoffen im Verkehrssektor, Bericht über die „Marktentwicklung von alternativen Kraftstoffen“ der Kontaktgruppe Alternative Kraftstoffe vom Dezember 2003.

    (19)  KOM(2005) 474 endg., Ziffer 4.1.

    (20)  Siehe „Electricity for more efficiency — Electric technologies and their energy savings potential“ (Juli 2004):

    http://www.uie.org/library/REPORT_FINAL_July_2004.pdf.

    (21)  „Zertifikatehandel für CO2-Emissionen auf dem Prüfstand“, 2002, Arbeitsgemeinschaft für Energie- und Systemplanung (AGEP)/Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung (RWI).

    (22)  „Gesamtwirtschaftliche, sektorale und ökologische Auswirkungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG)“, 2004, Energiewirtschaftliches Institut an der Universität zu Köln (EWI, Köln), Institut für Energetik und Umwelt (IE, Leipzig), Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung (RWI, Essen).

    (23)  „Das Kyoto-Protokoll und die Folgen für Deutschland 2005“, Institut für politische Analysen und Strategie (IPAS) in Zusammenarbeit mit dem International Council for Capital Formation (ICCF).

    (24)  Presseinformation 179/06 des Bundesumweltministeriums vom 10.7.2006.

    (25)  Presseinformation 81/06 des Bundesumweltministeriums vom 20.4.2006.

    (26)  www.emcc.eurofound.eu.int/erm/.

    (27)  Hintergrundpapier „Umweltschutz und Beschäftigung“, Umweltbundesamt, April 2004.

    (28)  www.oecd.org/dataoecd/34/39/35042829.


    Góra