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Document 52005IE0140

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Bessere Integration von Regionen mit anhaltenden naturbedingten Strukturschwächen“

ABl. C 221 vom 8.9.2005, p. 141–152 (ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)

8.9.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 221/141


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Bessere Integration von Regionen mit anhaltenden naturbedingten Strukturschwächen“

(2005/C 221/23)

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 27. Januar 2004 gemäß Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung, eine Stellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten: „Bessere Integration von Regionen mit anhaltenden naturbedingten Strukturschwächen“.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 19. Januar 2005 an. Berichterstatter war Herr BARROS VALE.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 414. Plenartagung am 9./10. Februar 2005 (Sitzung vom 10. Februar) mit 80 Ja-Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung und allgemeine Bemerkungen

1.1   Definition des Begriffs „Regionen mit anhaltenden naturbedingten Strukturschwächen“

1.1.1

Ein strategisches Ziel der EU ist die Erreichung einer harmonischen und homogenen Entwicklung im gesamten EU-Gebiet und dabei insbesondere die Überwindung sozioökonomischer, historischer, geophysikalischer und naturbedingter Hindernisse, welche der Konkurrenzfähigkeit bestimmter Gebiete im Wege stehen und ihre Entwicklung beeinträchtigen.

1.1.2

Eines der wichtigsten Probleme, welche die Lebensbedingungen in bestimmten Gebieten, z.B. Inseln oder Bergregionen, beträchtlich erschweren, ist die Erreichbarkeit. Die geringe Bevölkerungsdichte stellt für mehrere Regionen einen weiteren Entwicklungsnachteil dar. Es gibt Regionen, die gleich mehrere Strukturschwächen aufweisen, so z.B. bergige Inseln, und die daher noch größere Schwierigkeiten haben.

1.1.3

Im Rahmen der Arbeiten zum wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt hat die Europäische Kommission anerkannt, dass in bestimmten EU-Regionen — Berggebieten, Inseln und dünn besiedelten Gebieten — anhaltende Strukturschwächen (bestimmte geografische oder naturbedingte und demografische Nachteile) bestehen, welche die Wirtschaftsentwicklung lähmen und für die betreffenden Regionen einen wirklichen Entwicklungsnachteil darstellen.

1.1.4

Nach Ansicht des EWSA hat die europäische Regionalpolitik insgesamt gesehen jedoch keine wirklich angemessene Antwort auf diese Probleme gegeben, das heißt, sie hat die schweren Strukturschwächen, unter denen diese Gebiete leiden, nicht gebührend berücksichtigt.

1.1.5

Es wurden zwar durchaus eine Reihe von Maßnahmen durchgeführt oder sind vorgesehen, die auf einige dieser Gebiete abzielen bzw. diese einbeziehen, es gibt jedoch keine systematische Gemeinschaftspolitik für sämtliche Gebiete mit derartigen Nachteilen, die spezifische Maßnahmen allein für sie und unter Berücksichtigung ihrer Besonderheiten vorsieht.

1.1.6

Der EWSA ist der Auffassung, dass diese Situation zum großen Teil darauf zurückzuführen ist, dass es formal-rechtlich kein wirkliches Gemeinschaftskonzept für „Regionen mit anhaltenden naturbedingten Strukturschwächen“ gibt.

1.1.7

Im derzeitigen europäischen Kontext der auf 25 Mitgliedstaaten erweiterten Union misst der EWSA einer formal-rechtlichen Anerkennung dieses Konzepts größte Bedeutung bei, vor allem im Hinblick auf die Festlegung eines spezifischen Handlungsrahmens.

1.1.8

Nach Ansicht des EWSA bedürfen diese Regionen besonderer Aufmerksamkeit, insbesondere durch die Schaffung eines spezifischen, nachhaltige Maßnahmen umfassenden Rahmens, da nur durch solche Maßnahmen die besonders häufigen Strukturprobleme auf ein Mindestmaß reduziert werden können. Nur so kann die Gefahr einer zunehmenden Isolierung/Marginalisierung dieser Regionen vermieden und zu ihrer Integration in die Gemeinschaft beigetragen werden, zu der sie ja gleichberechtigt gehören.

1.1.9

Der EWSA hatte bereits in seiner Stellungnahme zur „Zukunft der Berggebiete in der Europäischen Union“ (1) festgestellt, dass in erster Linie eine gemeinsame Sicht gewährleistet werden müsse, indem die Besonderheit dieser Gebiete in den Verträgen anerkannt wird, wie das bereits in Artikel 158 und 299 des Vertrags von Amsterdam der Fall ist. Diese Anerkennung ist durch die Nachteile und die Herausforderungen, die diese Gebiete zu bewältigen haben, gerechtfertigt. Konkret könnte ihnen ein Recht auf Solidarität sowie ein Recht auf unterschiedliche Behandlung und auf Festlegung der Durchführungsbestimmungen (Experimentierklausel) zugestanden werden.

1.1.10

Der EWSA hat stets die Ansicht vertreten, dass diese Gebiete so anerkannt werden müssen, dass sie ausgehend von gefestigten Grundlagen ihre Authentizität wahren und zugleich ihre Wirtschaft diversifizieren können.

1.1.11

Der EWSA begrüßt daher die Tatsache, dass der Verfassungsvertrag der Europäischen Union, der am 16. Juni 2004 von den zur Regierungskonferenz zusammengetretenen Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union verabschiedet wurde und noch zu ratifizieren ist, einen Artikel enthält, der als Neuformulierung von Artikel 158 des Vertrags von Amsterdam angesehen werden kann und der einen ausdrücklichen Verweis auf Regionen mit anhaltenden Strukturnachteilen wie zum Beispiel Inselgebiete, Berggebiete und dünn besiedelte Gebiete enthält.

1.1.12

Im Abschnitt über den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt ist Artikel III-220 enthalten, der die beiden Absätze von Artikel 158 des Vertrags von Amsterdam um folgenden Absatz erweitert: „Unter den betroffenen Gebieten wird den ländlichen Gebieten, den vom industriellen Wandel betroffenen Gebieten und den Gebieten mit schweren und dauerhaften natürlichen oder demografischen Nachteilen, wie den nördlichsten Regionen mit sehr geringer Bevölkerungsdichte sowie den Insel-, Grenz- und Bergregionen, besondere Aufmerksamkeit geschenkt.“

1.1.13

Die Tatsache, dass Regionen mit solchen Nachteilen im Verfassungsvertrag stehen, stellt nach Ansicht des EWSA zweifellos einen wichtigen politischen Hebel dar, um künftig auf einzelstaatlicher und Gemeinschaftsebene Aktionen durchzuführen, die den Gegebenheiten dieser Regionen besser angemessen sind und auf eine substanzielle Verminderung der anhaltenden Strukturprobleme oder zumindest ihrer Auswirkungen abzielen.

1.1.14

Der EWSA begrüßt die Tatsache, dass die Europäische Union weiter engagiert den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt fördert, und ist der Ansicht, dass die Anerkennung der Besonderheit dieser Gebiete im Vertrag eine wichtige Zukunftschance für diese Regionen darstellt. Dessen ungeachtet hält der Ausschuss im Hinblick auf die Festlegung einer wirklichen Rechtsgrundlage für die Anerkennung der genannten Gebiete eine weitere begriffliche Klärung für erforderlich, insbesondere in Bezug auf die Frage, was unter dauerhaften naturbedingten Nachteilen, demografischen Nachteilen, dünn besiedelten Gebieten und Berggebieten zu verstehen ist.

1.1.15

Es gilt nun, in der gemeinschaftlichen Rechtsetzung objektiv festzulegen, für welche Gebiete diese Begriffe gelten, damit die künftige Anwendung spezifischer, nachhaltiger Maßnahmen zugunsten dieser Regionen gewährleistet werden kann.

1.1.16

Eine vertragliche Verankerung dieser Definition würde gemeinschaftlichen Maßnahmen, die auf die Besonderheiten dieser Gebiete abgestimmt sind und auf den Ausgleich ihrer strukturellen Nachteile abzielen, mehr Nachdruck verleihen.

1.2   Die Problematik der Inseln der Europäischen Union

1.2.1

Die Insellage ist geografisch und kulturell ein ständiger Nachteil und eine zusätzliche Schwierigkeit für die Wettbewerbsfähigkeit von Inselgebieten.

1.2.2

Auf institutioneller Ebene gibt es eindeutige Verweise auf Inselgebiete (Artikel 154 im Vertrag von Maastricht, Artikel 158 im Vertrag von Amsterdam und Erklärung Nr. 30 im Anhang zum Vertrag von Amsterdam). Darin wird anerkannt, dass die Strukturschwächen im Zusammenhang mit der Insellage die lokale Wirtschafts- und Sozialentwicklung schwer behindern, weshalb empfohlen wird, im Rahmen der EU-Rechtsetzung — wo immer dies gerechtfertigt scheint — Maßnahmen zugunsten dieser Regionen zu treffen, um sie besser und gleichberechtigt in den Binnenmarkt zu integrieren.

1.2.3

Im Bericht über die Inselgebiete vom März 2003 (2) heißt es, dass trotz der wichtigen Verweise in den Vertragstexten bislang kaum spezifische Maßnahmen durchgeführt wurden.

1.2.4

Aus einer Untersuchung der 286 Inselgebiete (3) geht hervor:

diese Inselgebiete haben zusammen etwa 10 Mio. Einwohner und eine Fläche von 100 000 km2 (was 3 % der EU-Bevölkerung und 3,2 % der EU-Fläche entspricht);

das Gesamt-BIP dieser Inselgebiete beträgt etwa 18 Mrd. € (2,2 % des BIP der EU), das Pro-Kopf-BIP (in KKP) 16 300 € (72 % des EU-Durchschnitts), wobei erhebliche Differenzen zwischen den Inselgebieten bestehen;

von einigen Ausnahmen abgesehen ist die wirtschaftliche und soziale Lage dieser Gebiete im Vergleich zu dem Land, zu dem sie gehören, ungünstiger. Das Pro-Kopf-BIP der Inselgebiete liegt im Allgemeinen niedriger als der Landesdurchschnitt, aber nicht unbedingt am niedrigsten in dem betreffenden Land (und auf jeden Fall weit höher als in den zehn ärmsten EU-Regionen);

die Wirtschaft der Inselgebiete ist sehr krisenanfällig, da sie sich stark auf einige wenige Bereiche wie Landwirtschaft, Fischerei und Tourismus konzentriert. Der Rohstoffmangel behindert die industrielle Entwicklung (Inselgebiete haben im sekundären Sektor eine unter dem EU-Durchschnitt liegende Beschäftigungsquote). Einige Strategien zur Auffächerung der Wirtschaftstätigkeit und Reduzierung der Saisonabhängigkeit sind bereits umgesetzt worden;

Inseln haben verhältnismäßig viele Kleinunternehmen. Besonders nachteilig für die Unternehmen dieser Gebiete ist die geringe Größe ihres Marktes, die niedrige Qualifikation der Beschäftigten und die fehlende Tradition im Bereich der Unternehmensgründungen;

die Inselbevölkerung ist zwischen drei Gebieten sehr ungleich verteilt: 95 % der Einwohner entfallen auf Mittelmeerinseln, nur 5 % auf Atlantik-, Nord- und Ostseeinseln. Noch stärker ist dieses Ungleichgewicht bei der Bevölkerungszahl pro Insel (85 % der gesamten Inselbevölkerung entfallen auf nur 5 Inseln);

die geringe Wohnbevölkerung ist die größte Strukturschwäche. Nach diesem Kriterium liegt eine Schwelle bei 4 000 bis 5 000 Einwohnern; darüber ist das Bevölkerungswachstum im Allgemeinen positiv, die Versorgung und Infrastruktur gut und die Bevölkerung jünger. Unter dieser Schwelle leiden Inseln jedoch besonders stark unter Abwanderung, Bevölkerungsüberalterung und erheblichen Infrastrukturmängeln;

einen dreifachen Nachteil haben — nicht nur wegen der geringen Wohnbevölkerung, sondern auch wegen der Gelände- und Naturbeschaffenheit — Inseln, die bergig sind und zu einem Archipel gehören. Denn solche Inseln haben — abgesehen von dem fast überall vorhandenen Gebirgsrelief — mit Zwängen zu kämpfen, die von der Struktur der Inselgruppe abhängig sind;

Inselgebiete haben aber auch verschiedene Vorteile, die stärker und besser erforscht werden müssen, vor allem im Freizeitbereich (Tourismus, Sport, Zweitwohnsitz usw.), und spielen eine wichtige Rolle bei Seeverbindungen.

1.2.5

Gemäß der Eurostat-Definition von „Inselgebieten“ darf auf der Insel keine EU-Hauptstadt liegen. Vor der Erweiterung fielen daher Großbritannien und Irland aus dieser Definition heraus, doch jetzt sind mit Zypern und Malta auch zwei relativ kleine Inseln davon betroffen. Der EWSA schlägt vor, die Definition erneut zu prüfen, um eventuell zu ermöglichen, dass diese beiden neuen Mitgliedstaaten unter diese Definition fallen. Dies wurde bereits von der Europäischen Kommission in ihrem Vorschlag für die neuen Struktur- und Kohäsionsfonds (4) und im Zusammenhang mit der neuen Europäischen Verfassung (5), die eine Erklärung zu dieser Frage enthält, berücksichtigt.

1.3   Die Problematik der Berggebiete

1.3.1

Die Berggebiete machen etwa 40 % des EU-Gebiets aus und haben 66,8 Mio. Einwohner (17,8 % der EU-Gesamtbevölkerung).

1.3.2

Aufgrund der geophysikalischen, kulturellen und wirtschaftlichen Gegebenheiten (oft verlaufen in Berggebieten Staatsgrenzen) besteht in Berggebieten für die Entfaltung vieler Wirtschaftstätigkeiten kein geeignetes Umfeld, was sich auf die Lebensweise der Bewohner auswirkt.

1.3.3

In einer vor kurzem veröffentlichen Studie über Berggebiete (6) werden die verschiedenen naturbedingten, wirtschaftlichen und sozialen Hindernisse und das starke Ungleichgewicht zwischen den verschiedenen Gebieten aufgezeigt.

1.3.4

Die Untersuchung gelangt zu der Schlussfolgerung, dass die Mitgliedstaaten eine unterschiedliche Politik zugunsten der Berggebiete verfolgen: einige Länder gehen im Wesentlichen branchenbezogen vor, um die Landwirtschaft/die ländliche Entwicklung zu fördern; andere Länder verfolgen einen multisektoralen Ansatz, besonders in Sektoren wie öffentliche Infrastrukturen, Umwelt und Tourismus.

1.3.5

Weiter heißt es in der Untersuchung über Berggebiete, die Umwelt, die Landschaft und die kulturellen Werte, also das Natur- und Kulturerbe, seien heute durch einzelstaatliche und gemeinschaftliche Rechtsakte besser geschützt, jedoch sei eine bessere Koordinierung mit den Entwicklungsstrategien nötig.

1.3.6

Hinsichtlich der Globalisierung verweist die Untersuchung auf drei Gefahren: die Tendenz, die Berggebiete zu einem „Freiluftmuseum“ zu machen (Natur-/Kulturreservate, Freizeitgebiete); die Tendenz, das Wirtschaftswachstum zu fördern, ohne das Nachhaltigkeitsprinzip zu beachten; und die Tendenz, die Berggebiete veröden zu lassen.

1.4   Probleme von Gebieten mit geringer Bevölkerungsdichte

1.4.1

In Gebieten mit geringer Bevölkerungsdichte ist das Hauptproblem meist die Verkehrsanbindung, sowohl die Fahrtdauer als auch die Fahrtkosten. Häufig besteht das Problem in einem wirklichen Mangel an Verkehrsverbindungen. Skalenerträge sind in solchen Gebieten kaum zu erzielen, was nicht nur ein Problem für privatwirtschaftliche Produktionsstätten, sondern auch für soziale und andere öffentliche Dienste darstellt. Die landesweite gesellschaftliche Solidarität wird auf die Probe gestellt, wenn die öffentlichen Dienste für solche Landesteile höhere Ausgaben verursachen, als es der Bevölkerungszahl entspricht.

1.4.2

Ein weiteres problematisches Merkmal dieser Gebiete ist das Klima. Gegenden mit kaltem Klima sind oft dünn besiedelt. Zu den Mehrkosten für lange Verkehrswege kommen u.a. noch Mehrkosten für Heizung.

1.5   Fragen im Zusammenhang mit dem Verkehr und seinen Kosten, pro Kopf und insgesamt

1.5.1

Das Europäische Parlament erinnert in seiner Entschließung vom 12. Februar 2003 zum Weißbuch Verkehrspolitik daran, dass die Verkehrspolitik zum wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt beitragen und den besonderen Gegebenheiten der Gebiete in Randlage, der Inseln und Berggebiete sowie der dünn besiedelten Gebiete gerecht werden muss, und verweist darauf, wie wichtig es ist, die besonderen Erfordernisse dieser Gebiete zu berücksichtigen. Aufgrund der geografischen Lage dieser Gebiete ist der Verkehr für sie von strategischer Bedeutung,

1.5.2

Einige dieser Gebiete sind von Verkehrsdiensten in besonderem Maße abhängig: So sind Inselgruppen zur Aufrechterhaltung der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen zum Festland auf Luft- und Seeverkehrsdienste angewiesen.

1.5.3

Die zusätzlichen Verkehrskosten, die sich aus der Abgelegenheit dieser Gebiete und der erforderlichen Gewährleistung regelmäßiger Verkehrsverbindungen ergeben, stellen für ihre Wirtschaftsentwicklung eine weitere Schwierigkeit dar. Die wirtschaftlichen Nachteile zeigen sich in den erhöhten Kosten des Personen- und Gütertransports nach und aus diesen Gebieten (Inseln, die Zugang zu einem externen Markt finden wollen, haben erhöhte Gütertransportkosten, da sie vom See- und Luftverkehr abhängig sind, der bei gleicher Entfernung teurer ist als der Straßen- und Schienenverkehr); in den erhöhten Vertriebskosten (da hohe Lagerbestände gehalten werden müssen, um Mangel vorzubeugen, der durch klimatische und sonstige Bedingungen entstehen kann, und um die saisonale Nachfrage zu befriedigen); sowie in den erhöhten Produktionskosten (verstärkt durch den kleinen lokalen Markt sowie in einigen Fällen durch die teuren Grundstücke und die geringe lokale Investitionskapazität).

1.5.4

Obwohl diese Gebiete im Vergleich zur gesamten EU wirtschaftlich und demografisch relativ schwach sind, können einige von ihnen, vor allem die stärker peripher gelegenen Gebiete und solche in äußerster Randlage, für Europa eine Plattform zur Entwicklung des Außenhandels mit den jeweiligen Nachbarländern bilden.

1.5.5

So wird argumentiert, dass die gemeinsame Verkehrspolitik — insbesondere durch eine bessere Anbindung der Häfen und Flughäfen dieser Gebiete an die transeuropäischen Netze — eine Notwendigkeit darstellt, um den spezifischen Erfordernissen dieser Gebiete zu genügen und ihre wirtschaftliche und soziale Entwicklung zu gewährleisten.

1.5.6

Im Bericht des Ausschusses für Regionalpolitik, Verkehr und Fremdenverkehr über die strukturschwachen Regionen wird die Rolle hervorgehoben, welche die großen transeuropäischen Netze bei der Behebung der Zugänglichkeitsnachteile und der Förderung der Wettbewerbsfähigkeit im Verkehrs- und Energiesektor spielen können, wenn es darum geht, eine bessere Anbindung dieser Regionen an die übrige EU und eine Verringerung der inneren Zerstückelung der regionalen Märkte zu erreichen.

1.6   Telekommunikationsfragen

1.6.1

Die großen Entfernungen sowohl zu den wichtigsten europäischen Märkten als auch innerhalb der Regionen beeinträchtigen die Wettbewerbsfähigkeit und Entwicklungsmöglichkeiten dieser Regionen in erheblichem Maße.

1.6.2

Die Entwicklung der Informationsgesellschaft, der Telekommunikationsnetze, der Multimediadienste und der technologischen Innovation stellt für diese Regionen eine wirkliche Chance dar.

1.6.3

Dadurch, dass die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien die zeitlichen und räumlichen Hindernisse schrumpfen lassen, schwächen sie die Folgen der Insellage ab, verschaffen den Inseln verschiedene Dienstleistungen (insbesondere im Bildungs- und Gesundheitsbereich; in letzterem Bereich durch die Entwicklung der Fernmedizin) und sind eine wichtige Voraussetzung für die Wirtschaftsentwicklung dieser Gebiete.

1.6.4

In dem Bewusstsein, dass diese Aspekte für die Wirtschaftsentwicklung vor Ort unverzichtbar sind, unterstützt die EU die Bemühungen der Regionen und der öffentlichen wie privaten Wirtschaftssubjekte, die Telekommunikationsinfrastrukturen zu modernisieren, die für die Schaffung der Informationsgesellschaft erforderlichen Dienstleistungen zu entwickeln und sie so gut wie möglich an das regionale Umfeld anzupassen.

1.6.5

Aus den Untersuchungen geht indes hervor, dass trotz der erheblichen quantitativen (Zahl der Anschlüsse für regionale, nationale und internationale Verbindungen) und qualitativen Verbesserung der Telekommunikationsinfrastrukturen in diesen Regionen und trotz der Entwicklung der Telematikdienste (wodurch die Nutzer der öffentlichen und privaten Dienste besser informiert werden) weiterhin ein erhebliches Entwicklungsgefälle gegenüber den kontinentaleuropäischen Regionen besteht.

1.6.6

Somit sind trotz der erheblichen Fortschritte noch nicht alle Probleme völlig gelöst, und es bleibt zu hoffen, dass die technologischen Fortschritte in den nächsten Jahren positive Veränderungen ermöglichen, um das Gefühl der Isolation bei den Bewohnern dieser Regionen abzuschwächen.

1.7   Infrastrukturen, Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz (insbesondere Häfen, Flughäfen, Eisenbahnen, Straßen) und Zugänglichkeit öffentlicher Einrichtungen (Gesundheitsdienste, allgemeine und berufliche Bildung, Politik der Wissensförderung)

1.7.1

Den Regionen mit anhaltenden naturbedingten Strukturschwächen gelingt es im Allgemeinen nur schwer, die Abwanderung einzudämmen.

1.7.2

Das Fehlen einer kritischen Masse in diesen Gebieten führt im Allgemeinen zu qualitativen und quantitativen Mängeln in den öffentlichen Dienstleistungen. Die höheren Kosten grundlegender Dienstleistungen wie Verkehr bremsen die Wirtschaftsentwicklung dieser Gebiete. Der EWSA ist jedoch der Ansicht, dass öffentliche Dienstleistungen aufgrund ihrer sozialen Auswirkungen auch für die territoriale Dynamik dieser Gebiete entscheidend sind.

1.7.2.1

Da für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen die Mitgliedstaaten zuständig sind, sind politische Maßnahmen in diesem Bereich hauptsächlich eine einzelstaatliche Aufgabe. Der EWSA fordert die Mitgliedstaaten daher auf, solche Systeme für soziale Dienstleistungen zu schaffen, die sich durch landesweite gesellschaftliche Solidarität auszeichnen.

1.7.3

Zwar bieten Informations- und Kommunikationstechnologien einige Lösungen, aber in den meisten dieser Regionen wurden in diesem Bereich nur sehr langsame Fortschritte erzielt.

1.7.4

Der EWSA teilt die Auffassung des Europäischen Parlaments, „dass es die Revision der Wettbewerbspolitik der Gemeinschaft ermöglichen muss, die Wirkung der Beihilfen für regionale Zwecke in den Gebieten mit dauerhaften geografischen Nachteilen zu verstärken und dort die Aufrechterhaltung qualitativ hochwertiger öffentlicher Versorgungsleistungen sicherzustellen“.

1.8   Zwänge und Potenziale im Zusammenhang mit der Umwelt; die Vielfalt der Ökosysteme

1.8.1

Der Zustand der Umwelt ist in einigen dieser Regionen stark angegriffen, und die Entwicklung des Tourismus, vor allem auf einigen Mittelmeerinseln, verschärft die Umweltsituation noch weiter. Diese Regionen verfügen jedoch über ein immenses Potenzial (z.B. vielfältige Ökosysteme), das aufrechterhalten und nachhaltig genutzt werden kann und muss.

1.8.2

Im Energiebereich sind Inselgebiete, insbesondere in äußerster Randlage, sehr von Erdöllieferungen abhängig (da sie von den großen Energienetzen weit entfernt liegen und die Stromerzeugung teurer ist, weil ihre Stromnetze klein, oft sehr klein, sind). Deshalb müssen die Möglichkeiten der erneuerbaren Energieträger, an denen diese Regionen besonders reich sind, untersucht werden.

1.9   Die Problematik der Wirtschaftstätigkeit; Konzentration auf einzelne Branchen und fehlende Alternativen; die Beschäftigungslage

1.9.1

Eines der großen Probleme dieser Regionen, das aufgezeigt wird, ist die Tatsache, dass sie nur geringe Möglichkeiten zur Gründung und Konsolidierung von Unternehmen bieten. Dies ist auf Kapitalmangel und zum Großteil auf ein wirtschaftliches und soziales Umfeld zurückzuführen, das sich für die Entwicklung der Wirtschaftstätigkeit schlecht eignet.

1.9.2

In einigen Untersuchungen wird empfohlen, die Wirtschaft dieser Regionen — vor allem jener, die ausschließlich vom Tourismus abhängen — zu diversifizieren und neue integrierte Quellen der endogenen Entwicklung zu erschließen.

1.9.3

In einigen Untersuchungen wird die Auffassung vertreten, ein Ausbildungsprogramm zur Förderung von Innovationen und Unternehmensgründungen sei unerlässlich, um die Entwicklung neuer Sektoren zu fördern oder einen Aufschwung des Fremdenverkehrs zu ermöglichen und dadurch Arbeitsplätze zu schaffen.

1.9.4

In der Beschäftigungsstruktur hat die Landwirtschaft im Allgemeinen erhebliches Gewicht. Die Beschäftigung im Dienstleistungsbereich ist ebenfalls hoch, jedoch vor allem durch den öffentlichen Sektor.

1.10   Chancen für den Tourismus und die Freizeitbranche

1.10.1

Der Tourismus hat unbestreitbar große Bedeutung als Triebkraft der Wirtschaftstätigkeit und damit auch bei der Bekämpfung des Entwicklungsrückstands der Regionen mit dauerhaften Strukturschwächen. In einigen Fällen ist der Tourismus sogar der wichtigste Erwerbssektor dieser Gebiete.

1.10.2

Diese wollen sich den entwickelteren Regionen der EU annähern, wofür nach Ansicht des EWSA die Rolle des Tourismus (auf der Grundlage einer wirklichen Professionalisierung) aufgewertet und sein wirtschaftliches Entwicklungspotenzial genutzt werden muss.

1.10.3

Der EWSA vertritt nach wie vor die Ansicht, dass die Wirtschaft dieser Gebiete nicht allein auf dem Tourismus basieren, sondern vielmehr breit gefächert und vielfältig sein sollte.

1.10.4

Bereits in seiner Stellungnahme zur „Zukunft der Berggebiete in der Europäischen Union“ (7) hatte der EWSA die Auffassung vertreten, dass das touristische Angebot der Berggebiete — in den durch die Nachhaltigkeit der Entwicklung gesetzten Grenzen — diversifiziert werden sollte, um eine bessere zeitliche Ausgewogenheit (gleichmäßigere Touristenströme über alle Jahreszeiten) und räumliche Streuung (territoriale Verteilung der Touristenströme) zu erreichen.

1.10.5

Der EWSA bekräftigt seine Auffassung, dass die Eignung von Gebieten zur Aufnahme von Gästen zur Freizeitgestaltung, sei es von Touristen oder nur Erholung Suchenden, von den natürlichen Merkmalen dieser Gebiete abhängt, dass aber diese Funktion auch gefördert und unterstützt werden muss, damit das Angebot der Nachfrage folgen kann.

1.10.6

In den Untersuchungen wird aufgezeigt, dass Tourismus und Freizeitaktivitäten für diese Regionen von großer Bedeutung sind, jedoch auch vor einer allzu großen Spezialisierung auf diese Wirtschaftszweige gewarnt.

1.11   Fähigkeit dieser Regionen, Investitionen anzuziehen, die Abwanderung einzudämmen und ihr eigenes Potenzial zu entfalten

1.11.1

Es handelt sich um Gebiete mit objektiven und dauerhaften Nachteilen, die kontinuierlich Mehrkosten verursachen, weshalb der EWSA größten Wert auf die Umsetzung aktiver Maßnahmen zum Beispiel steuerlicher Art legt, welche die Entwicklung der lokalen Wirtschaft im Hinblick auf das Verbleiben der Bevölkerung in diesen Gebieten fördern.

1.11.2

Unter Berücksichtigung der besonderen Merkmale und Bedingungen dieser Gebiete und der Tatsache, dass in jedem Einzelfall nach der Strategie vorgegangen werden sollte, die im Hinblick auf die Entwicklungsziele dieser Gebiete angemessen ist, vertritt der EWSA die Ansicht, dass die Unterstützung von gewerblichen Aktivitäten auf dem Gebiet des nachhaltigen und qualitätsbestimmten Tourismus wie auch der lokalen Fertigungsindustrie beispielsweise durch bevorzugte Entwicklung von kundennahen Dienstleistungen für die Unternehmen und die Förderung der Gründung und Entwicklung von Klein- und Kleinstunternehmen besonders wichtige Aspekte im Hinblick auf die Entwicklung der lokalen Wirtschaft mit dem Ziel der Schaffung und/oder Erhaltung von Arbeitsplätzen darstellen.

1.11.3

Der EWSA vertritt ferner die Auffassung, dass durch eine stärkere Zusammenarbeit und Einbeziehung der lokalen Gebietskörperschaften und Sozialpartner dieser Regionen — zum Beispiel im Rahmen gemeinsamer Aktionen — die Bedingungen und die kritische Masse geschaffen werden können, die notwendig sind, um das Entwicklungspotenzial dieser Gebiete besser zu erschließen und das Ziel der Annäherung an die entwickelteren Regionen der Union zu erreichen. Als Fremdenverkehrsgebiete tragen diese Regionen zur Vermittlung der Werte der Europäischen Union bei.

1.11.4

Der EWSA ist der Auffassung, dass der Zugang zu hochwertiger allgemeiner und beruflicher Bildung für die Entwicklung dieser Regionen von entscheidender Bedeutung ist.

1.12   Entfernung zu den wichtigen Märkten und Entscheidungszentren und fehlende kritische Masse für die wirtschaftliche Nachhaltigkeit verschiedener Sektoren

1.12.1

Die große Entfernung dieser Gebiete und auch ihre innere Zersplitterung sind ein offenkundiges Hindernis für ihre Entwicklung, um so mehr, als ihre geringe Größe die Rentabilität großer Investitionen und die Erzielung von Skalenerträgen sowie die wirtschaftliche Nachhaltigkeit verschiedener Sektoren erschwert.

1.13   Situation der repräsentativen wirtschaftlichen und sozialen Verbände dieser Regionen

1.13.1

Die Mitarbeit repräsentativer wirtschaftlicher und sozialer Einrichtungen ist nach Auffassung des EWSA eine Voraussetzung dafür, dass die politischen Maßnahmen an die besonderen Erfordernisse jeder einzelnen Region angepasst werden. Die Tatsache, dass in vielen dieser Gebiete die kritische Masse (Menschen, Infrastruktur, Dienstleistungen usw.) nicht erreicht wird und die Wirtschafts- und Sozialpartner nicht effizient organisiert sind, schränkt die Entwicklung und die Wettbewerbsfähigkeit ein.

1.14   Europäische und nationale Maßnahmen zur Minderung der dauerhaften Strukturprobleme

1.14.1

Unter die Strukturfondsverordnungen fällt ein erheblicher Teil der Bevölkerung dieser Gebiete (im Falle der Inselgebiete über 95 %), da sie nach Ziel 1 und Ziel 2 förderwürdig sind.

1.14.2

Mit Unterstützung gemeinschaftlicher und einzelstaatlicher Maßnahmen sind verschiedene Programme entwickelt worden, um eine nachhaltige Entwicklung dieser Gebiete auf der Grundlage ihrer spezifischen Vorzüge zu erreichen. Dabei ist die Unterstützung der Entwicklung des lokalen Handwerks, touristischer Projekte, neuer Verkehrs-, Bildungs- und Umweltinfrastrukturen zu nennen.

1.14.3

Ein erheblicher Teil der EU-Fördermittel wurde für die Modernisierung und Stärkung der Produktionssektoren eingesetzt, um zur Schaffung bzw. Erhaltung von Arbeitsplätzen beizutragen. Unter den verschiedenen Maßnahmen sind abgesehen von den herkömmlichen Investitions-Direktbeihilfen einige Finanzierungstechniken zu nennen (Bürgschaftssysteme, Stärkung des Eigenkapitals, Zinsvergünstigungen usw.), die eine Hebelwirkung zur Mobilisierung von Mitteln auf den Kapitalmärkten hatten. Auch die Nebenaspekte der unternehmerischen Tätigkeit wurden durch öffentliche Beihilfen gefördert, nämlich die Erschließung von Gewerbegebieten, die Bereitstellung gemeinsamer Dienste, die Entwicklung von Projekten für die angewandte Forschung, der Technologietransfer und die Nutzung neuer Kommunikationstechnologien.

1.14.4

In der Landwirtschaft wurden spezifische Maßnahmen durchgeführt, um den traditionellen Anbau vor Ort zu stärken und Anreize zur Diversifizierung sowie zur angewandten und experimentellen Forschung zu schaffen.

1.14.5

In der Fischerei und Aquakultur wurden einigen Regionen Finanzmittel für Projekte zum Bau und zur Modernisierung von Schiffen, für Aquakultur, das Management von Fischereihäfen, die Verarbeitung und Vermarktung zur Verfügung gestellt.

1.14.6

Um die Aufnahmekapazitäten zu erhöhen und den spezifischen Erfordernissen bestimmter Sektoren zu genügen, wurde auch eine Reihe von Investitionen im Berufsbildungsbereich getätigt (Aufbau von Einrichtungen, Ausbildungsgänge).

1.14.7

Auch wurden Umweltschutzmaßnahmen ergriffen, um die Umweltverschmutzung zu reduzieren, insbesondere in der Abfallwirtschaft und bei Industrie- und Haushaltsabwässern.

1.14.8

Die spezifischen Gemeinschaftsbeihilfen für die ländliche Entwicklung, die zur Unterstützung der Berggebiete bestimmt sind, sollten die weitere Nutzung von landwirtschaftlichen Flächen in weniger produktiven Zonen gewährleisten und Investitionen in diese Zonen stärker fördern. Im agrar-ökologischen Bereich wurden landwirtschaftliche Produktionsmethoden gefördert, die den Erfordernissen des Umweltschutzes und der Erhaltung der Natur dienen.

1.15   Bestandsaufnahme der Entwicklung dieser Regionen im Lauf der Jahre, auch vor dem Hintergrund der durchgeführten staatlichen Politik

1.15.1

Die Gemeinschaftsmaßnahmen haben, insbesondere wenn sie mithilfe der Strukturfonds durchgeführt wurden, eine herausragende Rolle bei der Gesamtentwicklung dieser Regionen gespielt, vor allem hinsichtlich der Annäherung an die übrige EU. Diese Maßnahmen hatten sehr wichtige, in einigen Bereichen gar entscheidende Wirkungen, so bei den Verkehrsinfrastrukturen und in der Landwirtschaft und Fischerei, zwei wesentlichen Produktionssektoren.

1.15.2

Die Schaffung bzw. der Ausbau von Infrastrukturen zur Überwindung der Isolation ist einer der sichtbarsten Aspekte der von der EU kofinanzierten Maßnahmen in jedem dieser Gebiete. Die Zugänglichkeit jedes dieser Gebiete wurde deutlich verbessert, was nicht nur der Bevölkerung vor Ort zugute kommt, sondern auch dem Fremdenverkehrsgewerbe. In diesen Gebieten sind wichtige Straßenbauarbeiten durchgeführt worden, und in einigen Fällen wurde der öffentliche Personenverkehr verbessert. In verschiedenen Bereichen wurden die für die Wirtschaftsentwicklung erforderlichen Infrastrukturen verstärkt, um mit der Entwicklung der Erfordernisse Schritt zu halten.

1.15.3

Parallel zur Verbesserung der Luft- und Seeverkehrsverbindungen haben auch die Maßnahmen im Bereich der fortgeschrittenen Kommunikationstechnologien (Telekonferenz, Telediagnose, Telematik, Vernetzung) dazu beigetragen, die Nachteile der Insellage und/oder der weiten Entfernung abzuschwächen.

1.15.4

Auf Branchenebene haben die unternommenen Anstrengungen dazu beigetragen, die Produktivität der Unternehmen zu verbessern und das Angebot auf die Nachfrage vor Ort und den Export auszurichten.

1.16   Streben nach Solidarität in der Strukturpolitik

1.16.1

Im Rahmen der Reform der Strukturfonds 2006-2013 sollten zusätzlich zu den sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten die besondere Lage und die dauerhaften Strukturschwächen der Regionen mit ständigen Nachteilen berücksichtigt werden.

1.16.2

Der EWSA vertritt die Ansicht, dass bei der Mittelzuweisung für die Priorität II „regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung“ und auch für die Priorität III „europäische territoriale Zusammenarbeit“, die in der neuen EU-Kohäsionspolitik für den Programmzeitraum 2007-2013 vorgesehen ist, dauerhafte Strukturnachteile wie eine Randlage, Abgelegenheit oder schwere Zugänglichkeit oder eine äußerst geringe Bevölkerungsdichte gebührend berücksichtigt werden, weil sie bekanntlich die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der betroffenen Regionen erheblich behindern.

1.16.3

Der EWSA begrüßt, dass die Kommission in ihrem Dritten Bericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt vom 18. Februar 2004 die besonderen Probleme dieser Gebiete und die Notwendigkeit spezifischer Maßnahmen, die ihrer besonderen Situation angepasst sind, anerkennt.

1.16.4

Der EWSA befürwortet ferner die Absicht der Kommission, in dem für die Strukturfonds im Rahmen des nächsten Finanzplanungszeitraums vorgeschlagenen Konzept die territoriale Perspektive als Ergänzung zur wirtschaftlichen und sozialen Sicht angemessen zu berücksichtigen. Konkret schlägt die Kommission vor, dass bei der Gemeinschaftshilfe für die Priorität II territoriale Kriterien berücksichtigt werden, welche die Nachteile der Regionen, die aufgrund ihrer geografischen Lage unter Strukturschwächen leiden (Inseln, Berggebiete und dünn besiedelte Gebiete), widerspiegeln.

1.16.5

Der EWSA schließt sich dem Vorschlag der Kommission an, wonach die Mitgliedstaaten berücksichtigen sollen, dass bei der Mittelzuwendung im Rahmen der Regionalprogramme der Besonderheit dieser Regionen Rechnung getragen wird und dass für die Gebiete mit dauerhaften geografischen Nachteilen die Höchstdauer der EU-Beteiligung verlängert wird.

1.16.6

Der EWSA ist der Auffassung, dass die Fälle, in denen mehrere dieser Nachteile gleichzeitig auftreten (zum Beispiel Inseln mit Berggebieten und geringer Bevölkerungsdichte), besondere Aufmerksamkeit verdienen.

1.16.7

Er hält es jedoch für wünschenswert, dass die spezifischen Erfordernisse dieser Gebiete nicht nur im Rahmen der Kohäsionspolitik, sondern auf allen Gebieten der Gemeinschaftspolitik berücksichtigt werden.

1.16.8

Um die Probleme der Wettbewerbsfähigkeit von Gebieten mit dauerhaften und entwicklungshemmenden Strukturnachteilen nachhaltig anzugehen, müssen nach Ansicht des Ausschusses parallel zur notwendigen Kohäsionspolitik auch die unmittelbaren oder mittelbaren, positiven oder negativen Auswirkungen anderer Bereiche der Gemeinschaftspolitik (wie z.B. der Wettbewerbspolitik) auf diese Regionen berücksichtigt werden, wenn eine dauerhafte Integration dieser Gebiete in die Gemeinschaft gelingen soll.

1.17   Ziel-1-Gebiete: nachhaltige und angepasste Maßnahmen

1.17.1

Die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der strukturschwächsten Gebiete der Europäischen Union ist nicht nur eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, sondern auch für die politische Stabilität und harmonische Entwicklung der Gemeinschaft von großer Bedeutung. Zu Recht sollten die Gebiete mit dem geringsten Entwicklungsniveau der Gemeinschaft und den brennendsten sozialen Problemen dabei Vorrang haben.

1.17.2

Innerhalb der nach 2006 für das Ziel 1 vorgesehenen Strukturmittel sollten Strukturschwächen aufgrund dauerhafter Nachteile je nach deren Schweregrad als entscheidende Kriterien bei der Verteilung gelten. Bei den Mittelzuweisungen sollten auch erschwerende Faktoren wie Inseleffekte, Wüstenbildung oder Zugangsprobleme aufgrund des Bodenreliefs berücksichtigt werden.

1.17.3

Es kommt dabei nicht darauf an, ob ein solches Instrument nun rechtlich als spezifisches Programm oder als Reihe von Einzelvorschriften einer neuen Rahmenverordnung für „Ziel 2“ ausgestaltet wird, sofern eine Reihe von Kriterien oder Zielstellungen gegeben sind:

1.17.3.1

Behebbare oder anhaltende geografische bzw. demografische Zwänge sollten ein explizites Kriterium für die Förderfähigkeit sein.

1.17.3.2

Die Anwendung sollte auf Bereiche abzielen, die zweifelsfrei auf dauerhafte geografische oder demografische Zwänge zurückzuführen sind — vor allem durch:

die Finanzierung der Anschaffung oder Erneuerung von festen oder beweglichen Verkehrsinfrastrukturen;

die Finanzierung von Risikokapital für den Aufbau neuer See- und Luftverkehrsverbindungen innerhalb der Gemeinschaft und zu Drittstaaten;

die Finanzierung öffentlicher Infrastrukturen, deren Ausbau aufgrund einer Insellage, reliefbedingter Abgeschiedenheit oder einer geringen Bevölkerungsdichte gerechtfertigt ist;

die Übernahme bestimmter Mehrkosten aus der Anwendung gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften in diesen Gebieten (zum Beispiel von Vorschriften in den Bereichen Umwelt, Abfallwirtschaft, Wasser usw.);

Beihilfen für Unternehmen in Inselgebieten (insbesondere für kleine Unternehmen) für verkaufsfördernde Maßnahmen und Marktstudien, soweit diese dazu beitragen, Probleme im Zusammenhang mit der geringen Größe ihres lokalen Marktes zu bewältigen usw.

1.17.3.3

Bei der Verteilung der entsprechenden Mittel sollte auf der Grundlage des Prinzips der Verhältnismäßigkeit berücksichtigt werden, wie gravierend der jeweilige Nachteil ist; dies ließe sich anhand der Zugänglichkeit, der demografischen Situation und eventuell auch anhand der Produktivität feststellen. Die Vielzahl von Problemen, von der zahlreiche Inselgebiete betroffen sind (Zersplitterung des Territoriums der Archipele, demografische Probleme oder die gebirgige Beschaffenheit eines Teils ihres Territoriums), muss bei diesen Verteilungskriterien Berücksichtigung finden.

1.17.4

Damit die Schaffung eines solchen Instruments kein rein symbolischer Akt bleibt, müssen die Mittel bedarfsgerecht sein, d.h. mindestens der derzeit für Ziel-2-Gebiete bereitgestellten Unterstützung und höchstens dem derzeit für Ziel-1-Gebiete vorgesehene Betrag entsprechen.

1.18   Die Überprüfung der Vorschriften für staatliche Beihilfen (8)

1.18.1

Die von den Mitgliedstaaten gewährten staatlichen Beihilfen sind vergleichsweise viel umfangreicher als die Strukturfonds an sich. Es ist daher für diese Gebiete von größter Bedeutung, dass die von der Gemeinschaft verwalteten Beihilferegelungen den Mehrkosten und Zwängen, die sich aus ihrer spezifischen Situation ergeben, Rechnung tragen.

1.18.2

Vertreter dieser Gebiete fordern einen flexibleren Rahmen und argumentieren, dass Beihilfen zum Ausgleich der durch ihre Situation bedingten Mehrkosten den Wettbewerb auf dem Markt nicht verzerren, sondern eher wieder ins Gleichgewicht bringen.

1.18.3

Die gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften über Beihilfen und insbesondere staatliche Beihilfen für regionale Zwecke und Beihilfen für die Landwirtschaft müssen daher überprüft werden. In diese Rechtsvorschriften müssen nach dem Grundsatz der positiven Diskriminierung die durch die spezifische Situation dieser Gebiete bedingten Zwänge und ihr möglicher Zusammenfall mit anderen anhaltenden, geografisch oder demografisch bedingten Strukturschwächen aufgenommen werden. Beispiele dafür sind:

1.18.3.1

Die Vorschriften über staatliche Beihilfen mit regionaler Zwecksetzung berücksichtigen die Nachteile von Regionen mit sehr geringer Bevölkerungsdichte und erlauben diesen derzeit höhere Beihilfequoten sowie Direktbeihilfen für den Verkehrssektor. Abgesehen von einer Erwähnung am Rande findet sich in den Vorschriften keinerlei Verweis auf Inselgebiete. Daher sollten zumindest folgende, zugunsten von dünn besiedelten Gebieten bestehende Vorschriften auf sämtliche Inselgebiete ausgedehnt werden:

vergleichbare Obergrenzen für die Netto-Subventionsäquivalente,

Genehmigung von Betriebsbeihilfen zur Deckung nachweislicher Mehrkosten im Bereich des Verkehrs.

1.18.3.2

Diesen Rechtsvorschriften zufolge sind Betriebsbeihilfen bestenfalls „vorübergehend und in degressiver Form“ zulässig. Bei dieser Einschränkung wird die Dauerhaftigkeit der inselbedingten Nachteile nicht beachtet; sie sollte daher abgeschafft werden, insbesondere im Hinblick auf Beihilfen im Verkehrssektor.

1.18.3.3

Das formelle Verbot von Direktbeihilfen für handelsbezogene Verkehrsverbindungen zwischen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft muss im Fall der Inseln überprüft werden. Diese Beihilfen könnten nämlich zu einer besseren wirtschaftlichen Integration der Inseln in die Gemeinschaft beitragen und es ihnen ermöglichen, von ihrer geografischen Lage in den Seegebieten rings um Europa zu profitieren. Dies gilt insbesondere für die Inselgebiete, die näher zur Küste eines anderen Mitgliedstaates als zu ihrem Mutterland liegen, und noch viel mehr und auf anderer Ebene für jene Inselgebiete, bei denen die Handelsverbindung zur Gemeinschaft transozeanisch ist.

1.18.3.4

Die Frage der Verkehrsbeihilfen sollte auch im Rahmen der Welthandelsorganisation behandelt werden, um den Aufbau von Direktverbindungen zu den nächstgelegenen Drittländern zu fördern.

1.18.3.5

Die für den See- und Luftverkehr geltende Wettbewerbsregelung umfasst mehrere Bestimmungen über Inseln, die es zu verbessern oder zu ergänzen gilt:

Die Regel des „geringsten Gebots“ sollte durch die Berücksichtigung von Faktoren wie den wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen, die eine Auftragsvergabe für eine Insel haben kann, flexibilisiert werden.

Die stückweise Ausschreibung von Verkehrsdienstleistungen für eine Region sollte vermieden werden, wenn dieses Verfahren die Qualität und Zuverlässigkeit der Dienstleistungen gefährden könnte.

Die Dauer der öffentlichen Dienstleistungsverträge sollte im Seeverkehr verlängert werden können, um der Abschreibungsdauer von Schiffen Rechnung zu tragen.

1.18.3.6

Auch im Falle der Beihilfen für die Landwirtschaft und Fischerei müssen besondere Maßnahmen zur Unterstützung lokaler Erzeuger ins Auge gefasst werden, um die Auswirkungen der Mehrkosten aufgrund des Transports oder der geringen Marktgröße zu reduzieren. Das wäre zum Beispiel der Fall von Betriebsbeihilfen für kleine Verarbeitungsbetriebe (Schlachthöfe, Molkereien usw.), wenn das geringe Volumen der Produktion der Region oder die Schwäche des lokalen Marktes keine rentable Bewirtschaftung zulässt.

1.18.3.7

Die Anwendung von einheitlichen Steuersätzen bei der indirekten Besteuerung (Mehrwertsteuer, Verbrauchsteuern usw.) trägt tendenziell zur Verschärfung der Situation in den Regionen mit anhaltenden Strukturschwächen bei, da dort die Verbraucherpreise höher sind. Die Mitgliedstaaten müssen eine gewisse Flexibilität bei der Anwendung bestimmter Steuersätze in diesen Gebieten zulassen, wenn dies zur Verringerung von deren strukturbedingten Mehrkosten und zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Inselbevölkerung beiträgt. Gleiches gilt aus offensichtlichen Gründen auch für die Besteuerung im Verkehrssektor und die Benutzungsgebühren (z.B. Flughafengebühren).

2.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

2.1

Die Schutzlosigkeit der Regionen mit anhaltenden Strukturschwächen erschwert ihre Entwicklung und verschärft ihre wirtschaftlichen und sozialen Probleme. In einem vergleichbaren unmittelbaren Umfeld hätte die Bevölkerung einer Region ohne diese Strukturschwächen mehr Wohlstand oder zumindest weniger Probleme.

2.2

Es wäre unrichtig und grob vereinfacht zu sagen, dass die Regionen mit anhaltenden Strukturschwächen vom Schicksal zu einer Existenz als zweitklassige Regionen und ihre Bewohner dauerhaft zur Unterentwicklung verurteilt sind. Die europäischen Regionen mit anhaltenden Strukturschwächen besitzen in vielen Fällen eine Reihe von Vorzügen und Potenzialen, die es zu erschließen gilt. Dazu gehören unter anderem ihre Nähe zu wichtigen Naturressourcen, ihre Kapazitäten zur Erzeugung erneuerbarer Energien, ihre Attraktivität für den Tourismus, ihre geostrategische Lage, ihre Nähe zu den Seeverkehrsverbindungen, die Vielfalt der Ökosysteme usw.

2.3

Das Problem dieser Gebiete besteht nun darin, dass sie zur Nutzung dieser Chancen wahrscheinlich viel mehr Anstrengungen machen und viel größere Risiken eingehen müssen, als es bei einem vergleichbaren Unterfangen in einem privilegierteren Gebiet der EU notwendig wäre. Bei einer Rezession sind sie hingegen aufgrund der geringeren Rentabilität ihrer Wirtschaft als erste betroffen.

2.4

Eine Gemeinschaftspolitik zugunsten von Regionen mit anhaltenden Strukturschwächen muss folglich eine Reihe von Maßnahmen beinhalten, die die Schutzlosigkeit dieser Gebiete soweit wie möglich ausgleichen und eine wirkliche Chancengleichheit gegenüber den anderen Gebieten der EU herbeiführen. Da diese Politik eine Antwort auf objektive naturbedingte Zwänge darstellt, muss sie auch in Abhängigkeit von der Stärke dieser Zwänge abgestuft sein. Daher darf sie nicht als Ersatz für die traditionellen kohäsionspolitischen Maßnahmen gesehen werden, sondern muss zu ihrer Ergänzung dienen.

2.5   Wie sollte diese Politik aussehen?

2.5.1

Eine Gemeinschaftspolitik zugunsten der Regionen mit anhaltenden Strukturschwächen muss auf drei Grundsätzen und mehreren Zielen fußen:

Erstens dem Grundsatz der „Stetigkeit“ der Maßnahmen, da die geografischen Zwänge dieser Gebiete dauerhafter Natur sind. Dieses Stetigkeitsprinzip steht im Kontrast zum Begriff des „Aufholens“, der bislang den Gemeinschaftsmaßnahmen zur Lösung der wirtschaftlichen und sozialen Probleme zugrunde lag.

Zweitens dem Grundsatz der „positiven Diskriminierung“. Danach gelten Maßnahmen zum Ausgleich dauerhafter Strukturschwächen in bestimmten Gebieten nicht als ungerechtfertigte Bevorteilung, sondern als Beitrag zur Herstellung gleicher Bedingungen. Die positive Differenzierung unterscheidet sich übrigens von der Diskriminierung, die vom Europäischen Gerichtshof wie folgt definiert wird: „Die Diskriminierung besteht darin, unterschiedliche Sachverhalte gleich oder gleiche Sachverhalte unterschiedlich zu behandeln.“ (Entscheidung des Gerichts Erster Instanz '– vierte Kammer — vom 26. Oktober 1993 in den verbundenen Rechtssachen T-6/92 und T-52/92).

Drittens dem Grundsatz der „Verhältnismäßigkeit“, da die Situationen der Regionen mit anhaltenden Strukturschwächen vielfältig sind. Die Umsetzung einer positiven Differenzierung im Hinblick auf Regionen mit anhaltenden Strukturschwächen ist nur vertretbar, wenn sie auf der Grundlage ihrer geografischen, demografischen und ökologischen Gegebenheiten und der sich daraus ergebenden Zwänge erfolgt. Diese Gegebenheiten unterscheiden sich natürlich von Region zu Region.

2.5.2

Es geht nicht so sehr darum, auf das gesamte Gebiet systematisch einheitliche Maßnahmen anzuwenden, sondern vielmehr um die Schaffung eines geeigneten Rahmens für die Berücksichtigung dieser Unterschiede. Dieser Rahmen, der sich auf Rechtsvorschriften, auf Finanzmittel und auf Formen der Governance stützen sollte, müsste die Ausarbeitung abgestimmter Einzellösungen für die Gebiete ermöglichen, die im Verhältnis zur Art und Schwere der jeweiligen Probleme stehen. In bestimmten Fällen bedeutet dies gemeinsame Maßnahmen für alle Regionen mit anhaltenden Strukturschwächen. In anderen Fällen dagegen wird dies spezifische Bestimmungen für eine bestimmte Situation erfordern, die nicht verallgemeinert werden können.

2.6   Zielsetzungen einer Politik zugunsten der Regionen mit anhaltenden Strukturschwächen

2.6.1

Es gibt dreierlei Zielsetzungen für eine Politik zugunsten der Regionen mit anhaltenden Strukturschwächen, nämlich soziale, wirtschaftliche und ökologische Ziele. Diese Ziele greifen ineinander über.

2.6.2

Im Hinblick auf einen angemessenen Einsatz der Beihilfen in den benachteiligten Gebieten sollte möglicherweise der Begriff „Nachhaltigkeit“ in doppeltem Sinne verwandt werden: erstens in einem sozioökonomischen Sinne (um den Fortbestand von Familienbetrieben und leistungsfähigen Produktionssystemen zu gewährleisten und so der Abwanderung entgegenzuwirken) und zweitens im Sinne umweltfreundlicher Praktiken.

2.6.2.1

Soziale Zielsetzungen: die sozialen Zielsetzungen einer Gemeinschaftspolitik zugunsten der Regionen mit anhaltenden Strukturschwächen bestehen darin, dass es den Bewohnern dieser Gebiete ermöglicht wird, „in ihrer Heimat zur Welt zu kommen, zu leben und zu arbeiten“.

2.6.2.2

Die Bewohner dieser Gebiete müssen Infrastrukturen und Dienstleistungen in einem Umfang und einer Qualität vorfinden, die denen anderer EU-Regionen so weit wie möglich entsprechen.

2.6.2.3

Dies betrifft zahlreiche Bereiche, vor allem jedoch die allgemeine Bildung, die berufliche Erstausbildung und die lebensbegleitende Weiterbildung, das Gesundheitswesen, den Verkehr und die Telekommunikation. Die Gleichstellung mit anderen EU-Regionen kann nicht rein statistisch definiert werden, sondern bemisst sich anhand der Qualität. Bei sehr komplexen Infrastrukturen und Dienstleistungen ist die Bevölkerung einer solchen Region besonders benachteiligt, denn die Größe und die Kosten dieser Infrastrukturen und Dienstleistungen stehen in keinem Verhältnis zur Zahl der Bewohner. Für dieses Problem gibt es keine einheitliche Lösung, jedoch einen Grundsatz: es sollten Leistungen von optimaler Qualität ins Auge gefasst werden, um zumindest die Abwanderung der Bevölkerung zu verhindern.

2.6.2.4

Erforderlich ist der Einsatz von Mitteln aus den Strukturfonds, insbesondere im Bereich des Verkehrs (feste oder bewegliche Infrastrukturen), der Abfall- und Wasserwirtschaft, Bildung und Gesundheitsversorgung. Auf dem Gebiet des Verkehrs, der Energie und Telekommunikation müssen diese Maßnahmen durch eine wirksame Anwendung von Artikel 154 des EG-Vertrages über transeuropäische Netze mit ausreichenden Finanzmitteln verstärkt werden.

2.6.2.5

Die Bewohner von Regionen mit anhaltenden Strukturschwächen müssen zu sozial vertretbaren Preisen Zugang zu Konsumgütern und Dienstleistungen haben.

2.6.2.6

In bestimmten Fällen kann das Fehlen gleicher Chancen durch die Herabsetzung von Verbraucherpreisen und die Förderung der Ansiedlung von Dienstleistungsunternehmen in den abgelegensten und am dünnsten besiedelten Gebieten ausgeglichen werden.

2.6.2.7

Die erforderlichen Mittel sind sozial ausgerichtete Interventionen wie zum Beispiel:

Direktbeihilfen für bestimmte Handels- und Dienstleistungsunternehmen;

Vorzugstarife im See- und Luftverkehr für in diesen Gebieten Ansässige;

Angebot an hochwertigen öffentlichen Dienstleistungen.

Der Umfang einiger dieser Maßnahmen sollte proportional zur Abgelegenheit oder Isoliertheit der betroffenen Gemeinden und umgekehrt proportional zur Größe ihres Marktes sein.

2.6.2.8

Eine umfassende Inanspruchnahme der Bestimmungen von Artikel 73 des EG-Vertrages (öffentliche Verkehrsdienstleistungen), Artikel 86 Absatz 2 (Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind) und Artikel 87 Absatz 2 (Beihilfen sozialer Art an einzelne Verbraucher) könnte in bestimmten Fällen als Grundlage für solche Bestimmungen dienen.

2.6.3

Wirtschaftliche Zielsetzungen: Die wirtschaftlichen Ziele einer Gemeinschaftspolitik zugunsten von Regionen mit anhaltenden Strukturschwächen müssen zu deren Integration in den Binnenmarkt unter Berücksichtigung ihrer sozialen und ökologischen Schutzbedürftigkeit beitragen. Die Prinzipien der freien Marktwirtschaft müssen daher durch die Grundsätze des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts abgefedert werden.

2.6.3.1

Die wirtschaftliche Integration dieser Gebiete in den Binnenmarkt erfordert faire Bedingungen.

2.6.3.2

Im Allgemeinen könnten die im Verkehrsbereich anfallenden Mehrkosten durch Direktbeihilfen an Unternehmen ausgeglichen werden.

2.6.3.3

Fallweise und in Abhängigkeit von der jeweiligen Situation sollten Bestimmungen erlassen werden, die auf den Ausgleich der geringen Größe des lokalen Marktes und der Begrenztheit der natürlichen und personellen Ressourcen abzielen. Es geht hier um Anreiz- und Fördermaßnahmen für die Privatwirtschaft, die in Abhängigkeit von der Branche bzw. Aktivität, ihrer Rentabilität und ihrer sozialen und ökologischen Auswirkungen differenziert werden müssen.

2.6.4

Ökologische Zielsetzungen: Die ökologischen Zielsetzungen einer Gemeinschaftspolitik zugunsten der Regionen mit anhaltenden Strukturschwächen bestehen in der Sicherung des Umweltschutzes in diesen Gebieten im Einklang mit den Erfordernissen der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung. Die Umwelt umfasst die natürlichen Ressourcen, Landschaften und Ökosysteme dieser Regionen sowie ihr Kulturerbe in unterschiedlichster Form: Architektur, Baudenkmäler, sprachliches Erbe, Liedgut, Tänze, Literatur, Kunsthandwerk usw.

2.6.4.1

Der Schutz der Umwelt sollte keine statische oder vergangenheitsbezogene Sache sein, bei der man die Regionen mit anhaltenden Strukturschwächen zu einer Art Indianerreservat macht. Es handelt sich vielmehr um eine aktive und dynamische Methode, mit der insbesondere die nachhaltige Entwicklung gefördert werden soll, mit der die Bewohner im Lande gehalten und ihnen gute Lebensbedingungen geboten werden können.

2.6.4.2

Die ökologischen Zielsetzungen erfordern Maßnahmen auf sehr unterschiedlichen Ebenen, natürlich auf der lokalen Ebene, aber auch auf nationaler, europäischer und mitunter sogar auf globaler Ebene. Beispiele:

Voraussetzung für die Bewahrung des sprachlichen Erbes sind schulpolitische Maßnahmen auf lokaler und nationaler Ebene.

Der Schutz der Küsten vor Meeresverschmutzung erfordert die Überwachung der Schifffahrt in den Hoheitsgewässern und internationalen Gewässern und entsprechende Zwangsmaßnahmen (zum Beispiel bei der Durchfahrt durch Meerengen), über die zwischen den Anrainerstaaten, aber auch auf globaler Ebene (im Rahmen der Weltschifffahrtsorganisation) verhandelt wird.

Die Bewirtschaftung der Fischbestände hängt je nach Fall von der Mitwirkung der Gebiete, der Mitgliedstaaten, der Gemeinschaft, aber auch von Drittländern (wie in der Karibik) oder von internationalen Gremien (wie beim Fischfang im Nordatlantik) ab.

Sämtliche Maßnahmen im Zusammenhang mit der Beobachtung des Treibhauseffekts und der Eindämmung seiner Folgen müssen notwendigerweise auf allen vorgeschalteten Ebenen behandelt werden, erfordern jedoch auch ein Vorgehen auf globaler Ebene im Rahmen der Vereinten Nationen und der verschiedenen Umweltkonferenzen.

2.6.4.3

Die ökologischen Zielsetzungen sind weitgehend eine Frage des Regierens. Die Gemeinden auf den Inseln, im Norden Europas, in den Berggebieten oder in äußerster Randlage müssen zu den umweltpolitischen Entscheidungen, die sie betreffen, gehört und möglichst in den Entscheidungsprozess einbezogen werden.

2.6.4.4

Die Europäische Union muss bei der Behandlung von Umweltfragen auf internationaler Ebene (namentlich bei den Fischereiabkommen mit Drittstaaten oder bei der Bekämpfung des Treibhauseffekts) insbesondere die spezifische Schutzbedürftigkeit der Regionen mit anhaltenden Strukturschwächen berücksichtigen.

3.   Schlussbemerkung

3.1

Angesichts der Bedeutung der in dieser Initiativstellungnahme behandelten strukturschwachen Regionen und ihrer geografischen Streuung in der EU sowie angesichts der Erwägungen und Anregungen, die der EWSA im Hinblick auf eine bessere Integration dieser Regionen vorzutragen hat, wird der EWSA die Entwicklung dieser Problematik weiter verfolgen, um zur Bewertung der verschiedenen, zur Lösung der Probleme dieser Regionen durchzuführenden Politiken beizutragen.

Brüssel, den 10. Februar 2005

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND


(1)  ABl. C 61 vom 14.3.2003, S. 187.

(2)  Bericht über die Inselgebiete und Gebiete in äußerster Randlage in der EU vom März 2003 (2000.CE.16.0.AT.118).

(3)  EUROSTAT definiert Inselgebiete nach folgenden fünf Kriterien: die Insel muss mindestens 1 km2 groß sein, vom Festland mindestens 1 km entfernt liegen und mindestens 50 ständige Einwohner haben; es darf keine Straßen- oder Schienenverbindung zum Festland bestehen; auf der Insel darf keine EU-Hauptstadt liegen.

(4)  KOM(2004) 492 endg., Artikel 52 Absatz 1 Buchstabe b) i).

(5)  Anhang XIX.

(6)  „Mountain Areas in Europe: Analysis of mountain areas in EU member states, acceding and other European countries“, Europäische Kommission, Januar 2004.

(7)  ABl. C 61 vom 14.3.2003, S. 187.

(8)  Als staatliche Beihilfen gelten direkte Transferzahlungen an Unternehmen in Form von Zuschüssen, Steuerbefreiungen, Kapitalbeteiligungen, zinsverbilligten Darlehen, Steuerstundungen und Bürgschaften. Für die Berechnung werden die entsprechenden Einzeldaten harmonisiert und in einen gemeinsamen, für alle Länder vergleichbaren Indikator integriert.


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