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Document 52005AE0138

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament: „Clearing und Abrechnung in der Europäischen Union — Künftige Maßnahmen“(KOM(2004) 312 endg.)

ABl. C 221 vom 8.9.2005, p. 126–133 (ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)

8.9.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 221/126


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament: „Clearing und Abrechnung in der Europäischen Union — Künftige Maßnahmen“

(KOM(2004) 312 endg.)

(2005/C 221/21)

Die Europäische Kommission beschloss am 29. April 2004, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu der obenerwähnten Mitteilung.

Das Präsidium des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses beauftragte am 1. Juni 2004 die Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch mit der Vorbereitung der Arbeiten.

Aufgrund der Dringlichkeit der Arbeiten bestellte der Ausschuss auf seiner 414. Plenartagung am 9./10. Februar 2005 (Sitzung vom 10. Februar) Herrn BURANI zum Hauptberichterstatter und verabschiedete mit 99 Ja-Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung

1.1

Die Kommission beschäftigt sich im Rahmen des 1999 eingeführten Aktionsplans für Finanzdienstleistungen mit dem vielschichtigen Problem der Wertpapiergeschäfte, insbesondere mit Clearing und Abrechnung, die für den gesamten Bereich von grundlegender Bedeutung sind. Die Sicherheit und Effizienz dieser für den Kleinanleger größtenteils nicht transparenten Systeme sind für funktionstüchtige Wertpapiermärkte unabdingbar. Einerseits sind die zugrunde liegenden Konzepte einfach — Clearing sichert die Gegenparteien gegen das Eindeckungsrisiko (Zahlungsunfähigkeit einer Gegenpartei) ab, durch Abrechnung wird die Zahlung der verkauften Wertpapiere gewährleistet. Andererseits sind die Ablaufmechanismen der Prozesse und der entsprechenden Bestimmungen ausgesprochen komplex und in hohem Maße spezialisiert. In diesem Kapitel werden die grundlegenden Aspekte des Kommissionsdokuments zusammengefasst.

1.2

Auf einzelstaatlicher Ebene können die Systeme in puncto Wirtschaftlichkeit und Sicherheit als zufriedenstellend bezeichnet werden. Probleme treten hingegen bei grenzübergreifenden Geschäften auf, die von Ineffizienz sowie erhöhten Risiken und Kosten gekennzeichnet sind. Diese Probleme gehen auf eine übermäßige Zersplitterung der Märkte zurück, die sich wiederum mit von Land zu Land unterschiedlichen rechtlichen Bestimmungen, Regeln und Geschäftspraktiken erklären lassen. Die Marktteilnehmer sind davon überzeugt, dass eine Reform notwendig ist.

1.3

In der Mitteilung, der bald eine Richtlinie folgen soll, wird vorgeschlagen, den interessierten Marktakteuren die verschiedenen Aspekte der Problematik zur Erörterung vorzulegen. Dabei wird das Hauptziel der Schaffung eines effizienten, integrierten und sicheren europäischen Markts für Clearing und Abrechnung von Wertpapiergeschäften verfolgt. Die Integration der Systeme soll mittels einer gemeinsamen Intervention von Marktkräften und Behörden erreicht werden. Die Kommission möchte sich für eine bessere Abstimmung zwischen den Einrichtungen des Privatsektors, den Regulierungsbehörden und den nationalen Gesetzgebern einsetzen.

1.4

Der Erlass einer Rahmenrichtlinie ist erforderlich, damit die Infrastrukturbetreiber und die Dienstenutzer (autorisierte Marktakteure) Zugang zu dem von ihnen gewählten, entsprechend zugelassenen und überwachten sowie den Wettbewerbsregeln entsprechenden Clearing- und Abrechnungssystem haben. Die Kommission sichert zu, bei der Redaktion der Richtlinie den Grundsätzen der Subsidarität und der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen sowie die von den nationalen Behörden zur Regulierung der jeweiligen Marktstrukturen angewandten Kriterien weitmöglichst zu respektieren. Dieser Ansatz sollte zu einem klaren, verlässlichen und kohärenten Rechtsrahmen führen.

1.5

Die Kommission möchte sich nicht mit der Frage einer eventuellen (grenzübergreifenden) Konsolidierung der Clearing- und Abrechnungsdienstleistungen befassen, die ihrer Auffassung nach in erster Linie marktgesteuert sein sollte. Sie möchte allerdings darauf achten, dass Belange von allgemeinem Interesse (Wettbewerb, Solidarität/Effizienz der Systeme) berücksichtigt werden.

2.   Die derzeitige Lage

2.1

Die Clearing- und Abrechnungsverfahren sind komplex. Mit diesen Begriffen bezeichnet die Kommission „sämtliche Systeme, die für die Abwicklung eines Geschäfts mit Wertpapieren oder Derivaten erforderlich sind“. Genauer gesagt umfasst die Clearing-Funktion die Novation (Vermittlung der Clearing-Schnittstelle und Risikomanagement der Gegenpartei) und das Netting (Berechung der Forderungen und Verbindlichkeiten und Erfüllung der gegenseitigen Verpflichtungen). Eine besondere Funktion stellt das Netting mit Novation dar, das gegen das Eindeckungsrisiko von Gegenparteien absichert (Risiko des Verlusts bei Zahlungsunfähigkeit der Gegenpartei).

2.1.1

Die Abrechnungsvorgänge sind — stark vereinfacht — notarieller Natur (Kodifizierung der Wertpapiere, zentrale Wertpapierbuchung, Austausch personenbezogener Angaben zwischen Hinterlegern und Emittenten usw.) und sie beinhalten die zentrale Verwahrung der Wertpapiere (Führung der Wertpapierkonten, Feststellung der Posten usw.) sowie die eigentliche Abrechnung (Berechnung der gegenseitigen Verpflichtungen, Wertstellung zwischen den Wertpapierkonten, Verknüpfung mit den Zentralbanken, automatische Überweisung liquider Mittel, Innertages-Maßnahmen zur Liquiditätssicherung der Zahlungssysteme in Bargeld oder mit Wertpapieren, Durchführung geldpolitischer Maßnahmen usw.).

2.1.2

Die Bestimmung der Funktionen, der Fachbegriffe und deren inhaltlicher Bedeutung ist nicht immer ganz einfach, da die Terminologie in den verschiedenen Sprachen nicht vollkommen deckungsgleich ist und da bei deren Verwendung auf den nationalen Märkten kleine inhaltliche Unterschiede auftreten können. Es ist deshalb außerordentlich wichtig, in der künftigen Richtlinie eine sorgfältig überprüfte Terminologie zu verwenden, die von allen auf die selbe Art und Weise verstanden wird und die mithilfe nationaler Fachleute in die verschiedenen Sprachen übersetzt wurde.

2.2

Die Clearing-Dienstleistungen werden von gemeinhin als zentrale Gegenparteien (Central Counterparties — CCP) bezeichneten Einrichtungen erbracht. Die Abrechnung erfolgt über die Zentralverwahrer (Central Securities Depositories — CSD). CCP und CSD bilden ein geschlossenes System, an dem neben den Gegenparteien die Zentralbanken sowie autorisierte Banken und Finanzinstitute beteiligt sind. Investoren haben keine direkten Geschäftsbeziehungen zu den CCP und CSD: zu letzteren haben nur die Marktakteure (wie die am Clearing beteiligten Banken und Finanzinstitute) Zugang.

2.3

Grenzübergreifende Transaktionen können über die folgenden Kanäle abgerechnet werden:

direkter Fernzugang zum ausländischen Wertpapierabrechnungssystem;

Inanspruchnahme einer Verwahrstelle mit direktem oder indirektem Zugang zum ausländischen Wertpapierabrechnungssystem;

Inanspruchnahme eines Internationalen Zentralverwahrers, der einen direkten oder indirekten Zugang zum ausländischen Wertpapierabrechnungssystem hat.

2.3.1

Abgesehen von der Tatsache, dass den verschiedenen Marktakteuren nicht alle diese Möglichkeiten zur Verfügung stehen, weist jede sowohl Vor- als auch Nachteile auf. Doch alle haben eines gemein: hohe Kosten und Effizienzverluste. Letztere gehen nicht auf das System zurück, sondern werden durch komplizierte Verfahren und die notwendige Absicherung aller Teilnehmer gegen das Insolvenzrisiko und unterlassene Lieferung verursacht.

2.4

Der vorstehende Absatz könnte zum voreiligen Schluss verleiten, dass für die Schaffung eines integrierten, wettbewerbsorientierten und sicheren Marktes die Festlegung gemeinsamer Standards, die Harmonisierung der Gesetzgebungen und Steuerbestimmungen sowie die Rationalisierung und internationale Angleichung der Strukturen ausreiche. Der Ausschuss möchte allerdings vor leichtfertigem Optimismus warnen: Die Lösungen, die theoretisch scheinbar einfach zu realisieren sind, müssen unter Berücksichtigung der derzeitigen Lage einer aus 25 — nach Größe und Wirtschaftskraft stark unterschiedlichen — Mitgliedstaaten bestehenden EU sorgfältig bewertet werden. In der gesamten EU gibt es 24 CSD, von denen zwei 32,2 % aller Tranksaktionen und 60,4 % ihres Gesamtvolumens abwickeln; in 14 der 25 Mitgliedstaaten bestehen keine zentralen Gegenparteien (CCP). Ferner überwiegt in der EU-15 die Abrechnung mit Zentralbankgeld bei weitem vor der Abrechnung mit Giralgeld und beträgt 67 % aller Transaktionen sowie ihres Geschäftsvolumens.

2.4.1

Diese offensichtlich sehr unausgewogene Lage wird verständlich, wenn man bedenkt, dass einige Länder mit niedriger Börsenkapitalisierung nicht über CSD- und CCP-Strukturen verfügen oder verfügen können: dies sind kostspielige Einrichtungen, die nur bei umfangreichen Geschäftsvolumen funktionieren können. Einige Strukturen haben auf nationaler Ebene annähernd Monopolstellung erreicht (was allerdings nicht bedeutet, dass sie damit automatisch gegen die Wettbewerbsregeln verstoßen) und sind effizient und kostengünstig.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Der Ausschuss nimmt die Initiative der Kommission zur Kenntnis und begrüßt das Dokument als einen Fortschritt im Prozess der europäischen Kapitalmarktintegration. Es handelt sich um eine hochspezifische Materie technischen Charakters und mit wirtschaftlichen und finanztechnischen Inhalten, die nicht immer einfach zu verstehen sind, die allerdings auch politische und wettbewerbstechnische Aspekte betreffen, die bedeutende Auswirkungen auf die Zukunft der Märkte haben können. Die Neuerungen — gleichwohl, ob es sich um Empfehlungen oder bindende Regelungen handelt — müssen schrittweise umgesetzt werden und sowohl im Hinblick auf ihre unmittelbaren als auch auf die langfristigen Auswirkungen auf die Märkte überprüft werden.

3.2

Verfolgt einerseits die Kommission stillschweigend das Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Marktes dem der USA anzugleichen (der übrigens auf Wunsch des Europäischen Parlaments als Vergleichsmaßstab herangezogen wird), so darf doch nicht vergessen werden, dass die jüngste EU-Erweiterung relativ „schwache“ Märkte bzw. Märkte mit noch nicht konsolidierten Erfahrungen und Strukturen umfasst. Die Durchführung von Neuerungen ohne Abschätzung der kurzfristigen, aber vor allem auch der langfristigen Folgen könnte traumatische Auswirkungen haben und das Risiko einer ungerechtfertigten Vorherrschaft der „stärksten“ Systeme bergen. Die Konsolidierungen, die von der Kommission als positive Auswirkung der Integration dargestellt werden (und mit denen sie sich nicht weiter befassen möchte), dürfen nicht durch die Notwendigkeit wirtschaftlichen Überlebens bestimmt werden, sondern müssen in freiem Abwägen der Möglichkeiten durch die Marktkräfte beschlossen werden.

3.3

Neben der in Ziffer 2.4 genannten Sachlage sind in erster Linie die unterschiedlichen nationalen Rechtslagen und Steuersysteme — sowohl in Bezug auf das Eigentumsrecht, als auch in Bezug auf die Transaktionen — für die Fragmentierung des Marktes verantwortlich. In diesen Bereichen muss die Gemeinschaft tätig werden, um durch eine Rechtsangleichung die jetzigen Hindernisse rechtlicher, vor allem aber steuerlicher Natur zu beseitigen.

3.4

Die rechtliche Konvergenz ist zwar eine notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung: Soll letztendlich eine stabile gesamteuropäische Struktur aufgebaut werden, müssen gleiche Wettbewerbsbedingungen für Banken und Finanzinstitute geschaffen werden, und der Wettbewerb muss in erster Linie auf der freien Wahl der Intermediäre (vgl. Ziffer 3.7) mittels sorgfältiger Überwachung der Zugangsbestimmungen erfolgen. Die Schaffung optimaler Wettbewerbsbedingungen ist die Voraussetzung dafür, Preissenkungen für die Investoren erreichen zu können.

3.5

Die Kommission äußert sich nicht zur Frage der Unterscheidung und Trennung der Aufgaben der Marktakteure (Banken und Finanzinstitute) einerseits und der Infrastruktur- bzw. Systembetreiber andererseits. Letztere erfüllen Aufgaben des Clearing (zentrale Gegenparteien, CCP) und der Abrechnung und Verwahrung (Zentralverwahrer, CSD). Jeder Bereich weist unterschiedliche Zielsetzungen und operative Merkmale auf, weshalb für die beiden Bereiche verschiedenartige Bestimmungen und entsprechende Kontrollen erforderlich sind. Der Ausschuss weist allerdings auf die wachsende Tendenz seitens der Geschäftsbanken zur „Internalisierung“ der Clearing- und Abrechnungsfunktionen hin.

3.5.1

Auf dem Markt sind bereits seit einiger Zeit zwei der größten Finanzinstitute tätig, auf die genau die im vorstehenden Absatz beschriebene Situation der Vermischung von Bank- und Intermediärdienstleistungen — allerdings mit getrennter Buchführung — zutrifft. Die von diesen Strukturen gesammelten Erfahrungen können unter den Gesichtspunkten der Wirtschaftlichkeit, der Skaleneffekte und des Geschäftsergebnisses als positiv bezeichnet werden, und es wäre ohnehin nicht realistisch, marktbestimmenden Unternehmen die Auftrennung oder Neuordnung ihrer Geschäftsaktivitäten vorschreiben zu wollen.

3.5.2

Es gibt zwei Wahlmöglichkeiten: Entweder man akzeptiert die Vorstellung „hybrider“ Einrichtungen, oder aber man wählt eine formaljuristische Lösung, die die vollständige Trennung von Bankaktivitäten einerseits und Clearing- und Abrechnungsgeschäften andererseits verlangt. Die erste Lösung kann in puncto Effizienz und Kosten als marktfreundlich bezeichnet werden, weist aber — zumindest theoretisch — die Möglichkeit erhöhter Risiken und vermindert wirksamer Kontrollen auf. Die zweite Lösung befindet sich in Einklang mit den traditionellen Regeln der Trennung verschiedener Geschäftsaktivitäten, scheint aber nicht durchführbar und im Grunde auch nicht wünschenswert zu sein. Es liegt auf der Hand, dass der Ausschuss nur die Empfehlung aussprechen kann, eine entsprechend transparente separate Kontoführung zu halten, die wirkungsvolle Kontrollen sowohl der Aufsichts- wie der Wettbewerbsbehörden ermöglicht. Eine Richtlinie mit den entsprechenden Details zur Erfüllung dieser Bedingungen wäre wünschenswert bzw. notwendig.

3.6

Wie bereits oben ausgeführt haben die Investoren nur Kontakt zu den Marktakteuren. Zu den CCP und den CSD haben allerdings nur die Marktakteure über die jeweiligen Clearing-Mitglieder und Verwahrer der Wertpapiere Zugang. Die CSD stehen in Kontakt mit den jeweiligen nationalen Zentralbanken sowie anderen nationalen oder europäischen CSD.

3.7

Die Marktakteure werden bereits von den Aufsichtsbehörden überwacht, doch die Intermediäre stellen besonders strikte technische und vermögensrechtliche Anforderungen für den Zugang zu ihren Dienstleistungen. Dies hat zur Folge, dass nur ein kleiner Kreis von Marktakteuren direkten Zugang zu den Intermediären hat, wobei die anderen Interessenten für den Abschluss von risikobehafteten Geschäften auf die Dienste zugelassener Akteure zurückgreifen müssen. Die von den Intermediären auferlegten Bestimmungen sind davon beeinflusst, dass ihre Funktionen im öffentlichen Interesse liegen: Sie haben die Aufgabe, die Stabilität des Marktes und letztendlich den Schutz der Investoren zu gewährleisten. Die Aufsichts- und Wettbewerbsbehörden müssen allerdings darauf achten, dass die von den Intermediären aufgestellten Zugangsbestimmungen nicht für Beschränkungen des freien Zugangs eingesetzt werden können.

3.8

Angesichts der unterschiedlichen operativen Merkmale aller Beteiligten haben die Investoren ein unmittelbares Interesse an der Zuverlässigkeit und Bonität der Marktakteure , der Markt hingegen basiert auf der Zuverlässigkeit und Bonität der Intermediäre . Wenngleich Marktakteure und Intermediäre dem selben Systemrisiko ausgesetzt sind, so müssen sie doch unterschiedlichen Anforderungen entsprechenden Kontrollen unterzogen werden. Daraus geht die in Ziffer 3.5 dargelegte Notwendigkeit hervor, die jeweiligen Aufgabengebiete und Bestimmungen zu trennen. Bezüglich der CSD ist zu beachten, dass ein Kreditrisiko der Teilnehmer (zum Großteil Kreditinstitute) praktisch nicht vorhanden ist, da die Investoren durch die Gesetze der Mitgliedstaaten gegen die Insolvenz eines CSD abgesichert sind. Laut diesen Bestimmungen dürfen die verwahrten Titel nicht in der Bilanz der Teilnehmer aufgeführt werden.

3.9

Bezüglich der Aufgabenunterscheidung stellt der Ausschuss mit gewisser — auch von einem Teil der Marktakteure geteilter — Befremdung fest, dass einige Banken den Erwerb von CSD in verschiedenen Ländern anstreben. Dadurch werden ihre traditionellen Aufgaben durch diejenigen internationaler CSD (I-CSD) ergänzt, d.h. vielmehr vermischt. Der Ausschuss fordert die Kommission auf, zunächst festzustellen, ob Anhaltspunkte für mögliche Wettbewerbsverzerrungen bestehen, die auf die Vermischung der Aufgaben des Marktakteurs und des Intermediärs bei einem Akteur (oder bei unterschiedlichen, aber miteinander verbundenen Wirtschaftsakteuren) zurückzuführen sind. Insbesondere ist sicherzustellen, dass die Tätigkeit im Bereich der CSD nicht zur Finanzierung oder Begünstigung anderer Geschäftsbereiche eingesetzt wird.

3.10

Sind Wettbewerbsverzerrungen zwar erst noch zu belegen, so wird doch die Aufsicht durch die Behörden aufgrund der Aufgabenvermischung — wie oben ausgeführt — erschwert: I-CSD unterliegen als Banken der Bankenverordnung und der Bankenaufsicht des Niederlassungslandes, während sie als CSD den unterschiedlichen Bestimmungen und der Aufsicht der für die Kapitalmärkte zuständigen Behörden des Landes, in dem sie Geschäfte abwickeln, entsprechen müssen. Auch bei getrennter Buchführung können die — offensichtlichen und vielleicht auch die weniger transparenten — Verbindungen zu Kompetenzüberschneidungen und, schlimmer noch, zu gefährlichen toten Winkeln für die Aufsichtsbehörden führen. Aus Gründen der Objektivität ist jedoch zu sagen, dass die in Ziffer 3.8 erwähnten Gesetze betreffend die Verwahrung von Wertpapieren einen wirksamen Schutz der Investoren darstellen.

3.11

Zum Abschluss der allgemeinen Bemerkungen und als Vorwort für die folgenden besonderen Bemerkungen stellt der Ausschuss fest, dass das Kommissionsdokument vom Wunsch durchdrungen ist, einen integrierten und freien Markt zu schaffen, der den Wettbewerbsbestimmungen gerecht wird und kostengünstig funktioniert. Dieser Zielsetzung ist durchweg zuzustimmen. Der Ausschuss möchte insbesondere folgende Überlegungen hervorheben:

jede Innovation hat positive oder negative Auswirkungen auf die Stabilität des Marktes. Der Schutz der Investoren muss Vorrang vor sämtlichen Aspekten der Liberalisierung und des Wettbewerbs haben;

die Wettbewerbsregeln müssen respektiert werden, aber es ist der Tatsache Rechnung zu tragen, dass nicht alle Teilnehmer das gleiche Risikoprofil aufweisen,

der Begriff des „offenen Marktes“ ist dahingehend einzuschränken, dass Qualitätseinbußen vermieden werden sollen;

solange keine tatsächliche Konvergenz der Steuerverfahren besteht, wird der Markt nach wie vor Verzerrungen und erhöhte Kosten aufweisen, die nach der Beseitigung technischer und rechtlicher Hindernisse noch deutlicher hervortreten werden. Einheitliche Verfahren würden ferner die Ermittlung von Steuerhinterziehung vereinfachen;

wenngleich die Hindernisse beseitigt werden müssen, die heute den Zugang zu lokalen Märkten erschweren, so darf doch nicht die Tatsache vergessen werden, dass jeder Markt seine Besonderheiten und Gewohnheiten hat, die durch keine Harmonisierung beseitigt werden können. In dieser Hinsicht weist der Ausschuss darauf hin, dass das Erfordernis der Rechtssicherheit ganz und gar nicht zweitrangig ist, wenngleich die in Ziffer 1.4 aufgeführte Äußerung der Kommission beruhigend zu sein scheint.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1   Die in den Giovannini-Berichten genannten Hemmnisse

4.1.1

Die beiden Berichte der Giovannini-Gruppe (1) bilden den Ausgangspunkt für die Überlegungen der Kommission. Die Darstellung der Sachlage in diesen Berichten geht auf renommierte Fachleute zurück, denen vollstes Vertrauen geschenkt werden muss. Wenngleich die Darstellung der Tatsachen unbestreitbar ist, so bieten die zum Ausdruck gebrachten Meinungen nach Auffassung des Ausschusses Raum für weitere Überlegungen. Die folgenden Anmerkungen werden daher im Geiste eines konstruktiven Beitrags vorgebracht.

4.1.2

Die in den beiden Giovannini-Berichten ausgemachten Hemmnisse (insgesamt 15) können in drei Gruppen unterteilt werden: technische oder durch Marktpraktiken bedingte Barrieren, durch Steuerverfahren bedingte Hindernisse und Rechtsbarrieren. In den Berichten wird — die von der Kommission geteilte — Auffassung vertreten, dass die Beschränkungen in Bezug auf den Ort des Clearing bzw. der Abrechnung als eines der Haupthindernisse für die Integration anzusehen sind, da diese Beschränkungen den Marktakteuren die Zugangs- und Wahlfreiheit hinsichtlich des Ortes für das Clearing bzw. die Abrechnung nehmen. Die Kommission stellt zu Recht fest, dass solche Beschränkungen den Wettbewerb behindern. Der Ausschuss, der im Großen und Ganzen diese Einschätzung teilt, empfiehlt jedoch, die Gründe für einige dieser Beschränkungen eingehender zu untersuchen, um festzustellen, ob sie nicht doch durch triftige, über reine Protektionsmaßnahmen hinausgehende Gründe gerechtfertigt werden.

4.1.3

Des Weiteren werden Hindernisse erkannt, welche die Marktakteure im Hinblick auf den Zugang zu ausländischen Abrechnungssystemen dazu bringen oder zwingen, die Dienste lokaler Marktakteure in Anspruch zu nehmen. Auch hier rät der Ausschuss zu Vorsicht: Wie bereits in Ziffer 3.11 angesprochen, sind nicht alle Beschränkungen und Hemmnisse auf protektionistische Maßnahmen zurückzuführen.

4.1.4

Vorbehaltlos unterstützt wird hingegen die Kritik der Kommission an der Tatsache, dass die Abrechnungssysteme einiger Länder die Erhebung der Quellensteuer vorsehen, wobei der Rückgriff auf ein anderes System zu höheren Abgaben führen könnte. Die Beseitigung dieses Hemmnisses, das ohne Zweifel die Wahlfreiheit der Marktakteure aus Kostengründen einschränkt, ist allerdings besonders schwierig, weil diese Frage unter den Bereich nationaler Steuerpolitik fällt.

4.2   Fehlen eines gemeinsamen Regulierungs-/Aufsichtsrahmens

4.2.1

Die Clearing- und Abrechnungssysteme unterliegen den Bestimmungen und der Aufsicht nationaler Behörden: es gibt keinen europäischen Regulierungsrahmen. Aufgrund des Fehlens gemeinschaftlicher Bestimmungen — und folglich eines „europäischen Begleitpapiers“ — können nationale Behörden den nicht von ihnen beaufsichtigten Systemen den Marktzugang verweigern. Dies wird mit der Verantwortung für den Schutz ihrer Märkte begründet. Zur Beseitigung dieses Problems haben das Europäische Zentralbanksystem (EZBS) und der Ausschuss der Europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (CESR (2)) eine gemeinsame Arbeitsgruppe zur Ausarbeitung gemeinsamer Standards für Einrichtungen, die Clearing- und Abrechnungsdienstleistungen in der EU erbringen, eingesetzt, wobei diese die Empfehlungen des Ausschusses für Zahlungs- und Abrechnungssysteme der G-10 an die europäischen Verhältnisse anpasst. Die Arbeiten dieser Gruppe werden hoffentlich nicht zu Bestimmungen, sondern zu Empfehlungen führen. Der Vorteil liegt darin, dass letztere von allen berücksichtigt und rasch an technologisch bedingte Marktveränderungen angepasst werden können.

4.2.2

Die Festlegung gemeinsamer Bestimmungen ist die Grundlage für die Integration der Märkte. Allerdings sind die EZBS/CESR-Standards nicht bindend, da die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften nur durch eine Gemeinschaftsrichtlinie geändert oder ersetzt werden können. Der Ausschuss wünscht, dass die neuen EZBS/CESR-Regeln nach der Annahme der Rahmenrichtlinie veröffentlicht werden und sich — in voller Übereinstimmung mit den Leitlinien — darauf beschränken, die in dieser Richtlinie enthaltenen Bestimmungen zu übernehmen oder eventuelle Rechtslücken zu schließen. Ein anderer Ansatz läuft Gefahr, die Märkte zu verunsichern.

4.3   Fehlen gleicher Wettbewerbsbedingungen

4.3.1

Einige Unternehmen, die Clearing- und Abrechnungsdienstleistungen erbringen, sind auch als Banken/Wertpapierfirmen zugelassen. Die Kommission betont, dass Banken und Wertpapierfirmen aufgrund ihres ISD-Passes (gemäß Wertpapierdienstleistungsrichtlinie) Verwahrungsdienstleistungen auf grenzübergreifender Basis anbieten können, wohingegen Anbieter von ausschließlich Clearing- und Abrechnungsdienstleistungen keine entsprechende Berechtigung haben. Ferner bestehen unterschiedliche Eigenkapitalvorschriften für die beiden Kategorien von Anbietern, und sie sind unterschiedlichen Regelungen bezüglich Aufsicht und Dienstleistungsangebot unterworfen. Die Kommission kommt zum Schluss, dass diese Situation grundlegende Probleme in puncto Gleichbehandlung aufwirft.

4.3.2

Die Kommission scheint das Problem vorwiegend unter dem Aspekt der Marktöffnung und gleicher Wettbewerbsbedingungen zu sehen, der Ausschuss möchte der Sicherheit der Märkte und der Wirksamkeit der Kontrollen Priorität einräumen. Die Situation, die sich inzwischen herausgebildet hat, ist einigermaßen befremdlich: Aufgrund des Fehlens eindeutiger und einheitlicher Bestimmungen haben sich Hybrid- oder Verbund-Strukturen herausgebildet, deren vorherrschende Aktivitäten — Banken, Wertpapier-Intermediäre oder Abrechnungsdienste — nur schwer zu bestimmen sind. Miteinander verbundene oder komplementäre Aktivitäten führen zwar zu Synergien und Skaleneffekten, allerdings sind Mehrfachkontrollen und eine Vielzahl unterschiedlicher Bestimmungen, denen die verschiedenen Geschäftsbereiche unterliegen, ebenso zu verhindern.

4.3.3

Der Ausschuss empfiehlt also äußerste Vorsicht bei der Behandlung der Problematik unter Wettbewerbsgesichtspunkten: die Sicherheit der Märkte muss die vordringliche Sorge sein, die alle Entscheidungen bestimmt. Sofern diese Bedingung erfüllt ist, muss ein vernünftiges Gleichgewicht zwischen der Einhaltung der Bestimmungen eines offenen Marktes einerseits und dem Schutz der Interessen von Marktteilnehmern und Investoren andererseits gefunden werden.

5.   Die Ziele der Kommission

5.1

Die Kommission verfolgt das Ziel der Schaffung von Wertpapierclearing- und –abrechnungssystemen in der EU, die effizient und sicher sind und Gleichbehandlung für die verschiedenen Anbieter von Clearing- und Abrechnungsdienstleistungen gewährleisten. Zur Erreichung dieses Ziels müssen nach Auffassung der Kommission folgende Maßnahmen und Strategien verfolgt werden:

die Liberalisierung und Integrierung der vorhandenen Wertpapierclearing- und –abrechnungssysteme durch die Gewährung umfassender Zugangsrechte und die Beseitigung der vorhandenen Hindernisse;

die umfassende Anwendung der Wettbewerbsregeln;

die Einführung eines gemeinsamen Regulierungs- und Aufsichtsrahmens;

die Anwendung geeigneter Corporate-Governance-Regeln.

5.2

Der Ausschuss ist unter Vorbehalten sowohl mit den Zielen als auch mit den vorgeschlagenen Verfahren und Maßnahmen einverstanden. Er begrüßt auch im Großen und Ganzen die von der Kommission aufgezeigte Vorgehensweise und möchte sich daher in den folgenden Absätzen auf einige Bemerkungen beschränken, die als Ergänzung zur hervorragenden Arbeit der Kommission zu verstehen ist.

5.3

Die Lamfalussy- und Giovannini-Berichte kommen wie die Kommission zum Schluss, dass die Annahme aller notwendigen Maßnahmen einen nützlichen Konsolidierungsprozess der Clearing- und Abrechnungssysteme in Gang setzt. Dieser Prozess sollte marktgesteuert sein. Die Kommission meint, sich mit Blick auf strukturelle Aspekte neutral verhalten zu müssen. Sie möchte deshalb von Stellungnahmen zu horizontalen oder vertikalen Konsolidierungen sowie zum Angebot von Intermediär- und/oder Bankdienstleistungen seitens der Abrechnungssysteme oder der zentralen Gegenparteien absehen.

5.4

Der Ausschuss möchte zu den in Ziffer 4.3.2 angesprochenen Punkten einige Ergänzungen und Erläuterungen vorbringen. Er ist der Auffassung, dass die grenzübergreifende Konsolidierung gleichartiger Einrichtungen zu Skaleneffekten und Vereinfachung der Verfahren führen kann. Die Konzentration unterschiedlicher Tätigkeiten in einer Einrichtung fördert allerdings die Bildung von hybriden Unternehmen gigantischen Ausmaßes. Die Aufsichtsbehörden müssen in enger Zusammenarbeit mit den Wettbewerbsbehörden sicherstellen, dass daraus keine Gefahr für das wirtschaftliche Überleben kleinerer Unternehmen entsteht. Ferner — und sei es nur aus der Sorge um Transparenz — sollte der Markt so beschaffen sein, dass erkennbar ist, wer welche Aufgaben erledigt.

5.4.1

Die „Neutralitätserklärung“ der Kommission muss allerdings mit der weiter unten im Dokument aufgeführten „Absichtserklärung“ (siehe Ziffer 6.2, letzter Spiegelstrich) in Beziehung gesetzt werden, in der der Wille zur Überwachung der Wettbewerbsregeln bekräftigt wird.

6.   Die Initiativen der Kommission

6.1

Das Programm der Kommission zur Erreichung der Ziele scheint richtig, überlegt und vor allem von Realismus geprägt zu sein: Die Neuerungen können schrittweise eingeführt werden — was vernünftige Zeitvorgaben für die vollständige Umsetzung mit sich bringt. Unter Berücksichtigung der Regeln des Marktes werden die gesetzlichen und rechtlichen Maßnahmen nur dann umgesetzt, wenn dies notwendig ist.

6.2

Die Kommission hat eine Beratungs- und Überwachungsgruppe eingesetzt, die mit der Untersuchung der Hindernisse beauftragt ist, die laut Giovannini-Bericht durch Initiative des Privatsektors beseitigt werden müssten. Ferner gedenkt sie

eine Rahmenrichtlinie zur Schaffung eines sicheren Rechtsrahmens vorzuschlagen, der die gegenseitige Anerkennung der verschiedenen nationalen Systeme ermöglicht;

Expertengruppen einzusetzen, die sich mit den verschiedenen rechtlichen und steuerlichen Hemmnissen befassen, und die Methoden zur Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften oder der Verfahren vorschlagen können;

die tatsächliche Einhaltung der Wettbewerbsregeln zu überwachen und „vorhandene Monopolstellungen zu überprüfen und ggf. bei einer weiteren Marktkonsolidierung unterstützend einzugreifen“.

6.2.1

Der Großteil der im Aktionsplan der Kommission vorgesehenen Maßnahmen bedarf keiner besonderen Bemerkungen. Der Ausschuss beschränkt sich auf einige Anmerkungen und Überlegungen.

6.3

Zugangs- und Wahlrechte (Ziffer 2.1 der Mitteilung). Das Hauptproblem bei der Schaffung eines offenen gesamteuropäischen Marktes besteht in den von einigen (und in gewisser Hinsicht sogar von fast allen) Behörden in den Weg gelegten Hindernissen beim Zugang von Anbietern von Clearing- und Abrechnungsdienstleistungen zum Ort des Clearing und der Abrechnung ihrer Wahl. Angesichts des Widerstands verschiedener nationaler Behörden sieht die Kommission keine Alternativen zu einer Richtlinie zum Zwecke der Beseitigung dieser Hindernisse und zur Gewährleistung des Rechts auf Zugang zu den geeigneten Gegenparteien in allen Ländern der Union für alle Beteiligten — Wertpapierfirmen und Banken, zentrale Gegenparteien und Zentralverwahrer (CSD). In diesem Zusammenhang bestünde ferner auch die Möglichkeit für die regulierten Märkte und die multilateralen Verhandlungssysteme, Vereinbarungen mit den CCP und CSD anderer Mitgliedstaaten abzuschließen.

6.3.1

Der Ausschluss erklärt sich mit den Zielen der Kommission prinzipiell einverstanden, möchte aber dennoch einen Vorbehalt äußern. Nicht alle derzeitigen Hindernisse sind auf protektionistische Maßnahmen seitens nationaler Behörden zurückzuführen; in einigen Fällen sind sie vorwiegend auf die Absicht zurückzuführen, den Markt gegen die von diesen Behörden nicht zu kontrollierenden Risiken abzusichern. Diese Vorsichtsmaßnahmen sind legitim. Der Informationsaustausch ist nicht immer zufriedenstellend, insbesondere erfolgt er mitunter nicht rasch genug, was eine notwendige Voraussetzung für ein rechtzeitiges Eingreifen wäre.

6.3.2

Im Kommissionsdokument wird eine Reihe verstärkter Vorsichtsmaßnahmen aufgeführt, die sich insbesondere auf den Bereich der angemessenen Eigenkapitalausstattung und des Risikomanagements beziehen und die auf dem Grundsatz der Herkunftslandkontrolle basieren. Es soll ein Modell für die Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden eingeführt werden, „um zu verhindern, dass grenzübergreifend tätige Wertpapierclearing- und –abrechnungssysteme der Überwachung durch mehrere Aufsichtsbehörden unterliegen“. Dieser Ansatz ist sicherlich richtig, allerdings sollten Probleme bei der praktischen Durchführung nicht unterschätzt werden.

6.3.3

Die wachsende Ausdifferenzierung der Märkte, der beschleunigte Rhythmus der Konsolidierungen, Fusionen und Veränderungen der Gesellschaftsformen bedeuten ein enormes Arbeitspensum für die Aufsichtsbehörden. Rein theoretisch kann man sehr wohl davon ausgehen, dass die Maßnahmen im Rahmen der Zusammenarbeit korrekt und richtig sind. Der Ausschuss befürchtet aber, dass sich nicht zu unterschätzende Probleme auf der praktischen Ebene ergeben werden: es wird nicht einfach werden, 25 unterschiedliche Systeme mit unterschiedlichen Wirkungsgraden, Ressourcen und Erfahrungen zu integrieren. Er ist der Auffassung, dass der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Liberalisierungsmaßnahmen erst dann festgelegt werden darf, wenn alle nationalen Aufsichtsbehörden ihre uneingeschränkte Zustimmung gegeben haben. Sie müssen verantwortlich zusichern, dass sie dazu in der Lage sind, am System für den Informationsaustausch teilzunehmen und sie müssen den Schutz des Marktes vor Systemrisiken gewährleisten.

6.4

Corporate Governance (Ziffer 2.3 der Mitteilung). Die Kommission bekräftigt, sich nicht mit der Gesellschaftsform der Einrichtungen, welche die Regulierungssysteme verwalten, sowie der zentralen Gegenparteien beschäftigen zu wollen. Der Ausschuss ist allerdings der Ansicht, dass sich viele Probleme im Bereich Wettbewerb und Marktbeherrschung durch eine genossenschaftliche Gesellschaftsform der Systemteilnehmer überwinden ließen, da diese eher zu einer ausgeglichenen Bilanz als zur Gewinnerzielung neigt.

6.4.1

Die Kommission erachtet es für notwendig, aufgrund der sensiblen Tätigkeiten der Intermediäre und der großen, von ihnen ausgeübten Marktmacht Leitlinien für eine wirkungsvolle und transparente Corporate Governance aufzustellen, welche die Unternehmenspolitik und die Bewältigung der laufenden Geschäfte kontrollieren kann. Dies wird vom Ausschuss begrüßt: die aufgezeigte Richtung erübrigt jede besondere Bemerkung, sie steht völlig in Einklang mit modernen Grundsätzen der Corporate Governance.

6.4.2

Die Kommission fügt allerdings hinzu, dass diese Einrichtungen, eben weil sie mit großer Macht ausgestattet sind, wettbewerbsbeschränkendes Verhalten an den Tag legen könnten. Um sich gegen dieses Risiko abzusichern, sollten CCP und CSD bei der getrennten Buchführung bleiben, in der ihre Geschäfte im Rahmen ihrer institutionellen Aufgaben separat ausgewiesen und von der Erbringung sonstiger Dienstleistungen getrennt werden. Die gleichen Bestimmungen sollten laut Kommission auch für „andere, nicht zum Kerngeschäft gehörige Aktivitäten, wie für Bankgeschäfte“, gelten. So bedeutend CCP oder CSD auch sein mögen, es scheint doch an der Realität vorbeizugehen, Bankgeschäfte als „nicht zum Kerngeschäft gehörige Aktivitäten“ zu bezeichnen: die Teilnehmer am Abrechnungssystem benötigen Kredite in Giralgeld (oder Zentralbankgeld), um kurzfristige Liquiditätsengpässe auszugleichen. Das Bankgeschäft kann einen ausgedehnten Umfang annehmen, und insbesondere in Zeiten angespannter Märkte kann ein nicht zu unterschätzendes Systemrisiko auftreten.

6.4.2.1

Eine Ausnahme von der getrennten Kontenführung scheint indes dann für CSD zulässig, wenn deren bankspezifischen Aktivitäten die teilnehmenden Banken betreffen und somit eine Ergänzung der Abrechnungsfunktion darstellen. Der Kredit ist folglich gewissermaßen integraler Bestandteil der Abrechung und könnte — bzw. sollte, wie zum Teil auch gefordert wird — eine mit der institutionellen Aufgabe der CSD verbundene Aktivität darstellen. Die gleichen Bedingungen können auch für CCP gelten, wenn der Kredit für die ordnungsgemäße Durchführung des Clearing erforderlich ist und als integraler Bestandteil dieser Funktion gelten kann.

6.4.3

Es wird nicht ersichtlich, wie in der Praxis die Aufsichtsbehörden der Banken und die Aufsichtsbehörden der CCP und CSD in Notfällen mit der gebotenen Eile zusammenarbeiten können. Wie bereits oben ausgeführt fordert der Ausschuss, dass die Erwägung der möglichen Marktrisiken dazu führt, dass alle für die Überwachung von Bankgeschäften und nicht bankspezifischen Geschäften zuständigen Behörden unter der Führung der EZB Abkommen über die ständige Zusammenarbeit und gegenseitige Unterrichtung abschließen, die rasche und wirksame Notfallmaßnahmen ermöglichen.

6.5

Gesetzliche und steuerrechtliche Unterschiede (Ziffer 3 der Mitteilung). Probleme im gesetzlichen Bereich sind so zahlreich und vielgestaltig, dass sie nicht alle systematisch aufgeführt werden können. Die Unterschiede im Bereich der Gesetzgebungen betreffen die Bereiche Vertragsgestaltung, Eigenkapital sowie Internationales Recht, Gesellschafts- und Konkursrecht und sie zeitigen rechtliche Auswirkungen auf alle Prozessphasen beim Erwerb, Clearing und bei der Lieferung von Wertpapieren. Die Kommission bemerkt, dass sich „Unterschiede in den nationalen Rechtsvorschriften nachteilig auf den gesamten Prozess auswirken können“.

6.5.1

Es wird im Allgemeinen davon ausgegangen, dass die Lösung der zahllosen und komplizierten rechtlichen Probleme lange Zeit erfordern wird: Man sollte sich vor Augen halten, dass nationale Eigenheiten und bürokratische Beharrungskräfte häufig zur Verzögerung und Behinderung der Rechtsangleichungsprozesse geführt haben. Der Ausschuss hofft, dass die Mitgliedstaaten einmal ihr Verantwortungsgefühl über nationale Interessen stellen. Die Kommission schlägt die Einrichtung einer Expertengruppe vor, die aus Vertretern von Hochschulen, Behörden und praktizierenden Anwälten besteht und die Aufgabe verfolgt, die bereits von der Giovannini-Gruppe begonnenen Analysen zu vertiefen und angemessene Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Die Gruppe soll auch mit anderen Institutionen (wie UNIDROIT) zusammenarbeiten, die bereits mit ähnlichen Arbeiten auf globaler Ebene begonnen haben. Der Ausschuss empfiehlt, die Gruppe mit Fachleuten und Rechtsexperten aus dem Bereich der Marktakteure zu vervollständigen.

6.5.2

Der von der Kommission angestrebte Rechtsangleichungsprozess kann nicht vor der abschließenden Behandlung der weiteren Aspekte der Rahmenrichtlinie vollendet werden. Zwischenzeitlich wird man mit den bestehenden Rechtslagen auskommen müssen und rechtliche Schritte nur dann ergreifen, wenn sie unbedingt notwendig sind. Überstürzte Maßnahmen, die dann wieder überarbeitet werden müssen, sollten vermieden werden. Andererseits stellt der Ausschuss fest, dass die Märkte bislang mithilfe konsolidierter Geschäftspraktiken ohne größere Probleme funktionierten, nur selten Anlass zu Beanstandungen gaben und noch seltener Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen waren. Rechtliche Unterschiede sind deshalb weniger als wirkliche Hindernisse denn als Erschwernisse der Verfahren zu verstehen, die zu erheblichen Kostensteigerungen führen.

6.5.3

Diese Betrachtungen gelten auch für steuerrechtliche Maßnahmen. Die unterschiedlichen Gesetzgebungen und der legitime Wille der Mitgliedstaaten, Kapitalerträge zu besteuern, hat zu einem Sammelsurium von Bestimmungen geführt, die häufig diskriminierend und schwer verständlich sind, immer aber hohe Marktkosten mit sich bringen. Der Ausschuss möchte sich nicht im Einzelnen mit den von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen beschäftigen: die sind zwar formal korrekt, dürften aber wohl nicht immer von den Mitgliedstaaten akzeptiert werden, insbesondere dann nicht, wenn Gegensätze ideologischer Natur nicht bereits im Vorfeld beseitigt worden sind. Hauptziel ist die Harmonisierung der Steuereinzugsverfahren: Jedes der zur Wahl stehenden Verfahren hat Vor- und Nachteile, doch sollten die Mitgliedstaaten wenigstens in dieser Frage eine Übereinkunft erzielen.

6.6

Wettbewerbspolitik (Ziffer 4 der Mitteilung). Das Kommissionsdokument widmet dieser Frage besondere Aufmerksamkeit und stellt einen wichtigen Grundsatz auf: Die Maßnahmen zur Liberalisierung und zur Integration der Systeme sowie die Wettbewerbspolitik ergänzen sich gegenseitig. Dieser offensichtlich erscheinende Grundsatz kann bei der praktischen Umsetzung allerdings unterschiedlich, vor allem auch restriktiv ausgelegt werden. Die Kommission erklärt, in der Frage der horizontalen und vertikalen Konsolidierung nicht Stellung beziehen zu wollen, gibt aber zu bedenken, dass Wettbewerbsprobleme entstehen könnten , sofern einige Konsolidierungen zur Entstehung oder Stärkung marktbeherrschender Positionen führen sollten — was bereits jetzt der Fall ist. Das Problem liegt nicht in der marktbeherrschenden Stellung, die alleine genommen nicht rechtswidrig ist, sondern in der rechtswidrigen Ausnützung einer marktbeherrschenden Stellung. Dies könnte angesichts der Charakteristik des Marktes bei der Anwendung der Regeln Probleme bereiten.

6.6.1

Es sind bereits — von der Kommission angeführte — Fälle grenzübergreifender Konsolidierungen nationaler und internationaler CCP aufgetreten, die zur Entstehung von Organisationen beträchtlichen Ausmaßes geführt haben. Andere Formen der Konsolidierung oder der strukturierten Zusammenarbeit sind im Gespräch. Bei der Überprüfung der bestehenden oder künftigen Strukturen auf ihre Übereinstimmung mit den Wettbewerbsregeln muss daran erinnert werden, dass CCP und CSD notwendigerweise zahlenmäßig begrenzt sind und einen erheblichen Umfang aufweisen. Denkt man an ihre besondere Beschaffenheit, dann ist es unrealistisch zu erwarten, dass in jedem Land eine Vielzahl völlig gleichgewichtiger Strukturen entsteht, was in noch stärkerem Maße für die europäische Ebene gilt. Der Unterschied zwischen einer gegenüber anderen Wettbewerbern bedeutenderen Organisation und einem Unternehmen mit marktbeherrschender Stellung ist gering, und die Entscheidungen der Wettbewerbsbehörden müssen auf profunder Kenntnis der Eigenheiten und der operativen Notwendigkeiten des Marktes basieren.

6.6.2

Noch schwieriger wäre es, bei anhaltender Tendenz zur horizontalen Konsolidierung zwischen zentralen Akteuren und Bankaktivitäten — wobei sich die Kommission in dieser Frage neutral verhalten möchte — eine marktbeherrschende Stellung oder wettbewerbsverzerrende Aktivitäten festzustellen. Besonders kompliziert und schwierig wird die Kontrolle der Preisgestaltung sein, die sicherlich nicht Gegenstand von Regulierungsmaßnahmen sein kann, die die Kommission allerdings überprüfen möchte, um die Anwendung diskriminierender Kriterien auszuschließen. Die Kriterien der Preisgestaltung folgen den Gesetzen des Marktes (oder sollten diesen folgen) und sind abhängig vom Geschäftsvolumen, dem Risiko, den angebotenen Sicherheiten sowie von einer ganzen Reihe qualitativer Faktoren. Deshalb wird es nicht ganz einfach sein, mit Sicherheit festzustellen, ob Diskriminierung vorliegt und ob es sich um subjektive oder objektive Bewertungen handelt. Noch schwieriger könnte sich die Feststellung erhöhter Preise aufgrund marktbeherrschender Stellung erweisen: Für diesen Tatbestand gibt es keine vorab festgelegten Kriterien, weshalb jeder Fall einzeln bewertet werden muss.

6.6.3

Der Ausschuss möchte zum Abschluss dieser zusammenfassenden Betrachtung der Wettbewerbsaspekte seine grundlegende Zustimmung zu dem von der Kommission gewählten Ansatz ausdrücken, allerdings einen Aufruf zur Zusammenarbeit der Aufsichts- und Wettbewerbsbehörden auf nationaler und europäischer Ebene, die zu zwingenden Vorschriften führt, anfügen. Die Aufsichtsbehörden können (in Zusammenarbeit mit den Wettbewerbsbehörden) eine ex-ante-Kontrolle durchführen, um zu verhindern, dass marktbeherrschende Stellungen zu Missbrauch und Marktausschluss führen. Konfliktträchtige und für den Markt schädliche ex-post-Eingriffe könnten folglich durch die Einführung eindeutiger und sinnvoller Bestimmungen für das Funktionieren und die Überwachung des Marktes weitgehend vermieden werden.

6.6.4

Schließlich beschäftigt sich die Kommission mit dem Problem der Vereinbarungen und der Exklusivvereinbarungen, ohne Stellung zu beziehen. Offensichtlich behält sie sich eine Überprüfung im Einzelfall vor: dies ist ein ausgewogener Ansatz, den der Ausschuss voll und ganz unterstützt.

7.   Schlussfolgerungen

7.1

Der Ausschuss hat das Kommissionsdokument mit großem Interesse zur Kenntnis genommen und es vor allem aus der Perspektive der von ihm vertretenen Sozialpartner untersucht: Er begrüßt den Ansatz und die allgemeinen Ausrichtungen des Dokuments. Er ist der Auffassung, dass die Materie ausgesprochen komplex und heikel ist und deshalb bis zur Verwirklichung der künftigen Richtlinie noch ein weiter Weg zurückgelegt werden muss. Den Sachverständigen zufolge könnte die Umsetzung der Bestimmungen mehrere Jahre in Anspruch nehmen.

7.2

Der Ausschuss ist sich der Tatsache bewusst, dass die Konsultation aller Beteiligten — Markt, Aufsichtsbehörden und Regierungen — eine notwendigerweise langwierige und schwierige Aufgabe ist, und dass das Rechtsetzungsverfahren für die künftige Richtlinie ziemlich komplex sein könnte. Der Ausschuss fragt sich deshalb, welche Situation in der Zwischenzeit eintreten könnte. Dies ist eine ganz sachlich gestellte legitime Frage, die keine unnötige Aufregung verursachen soll. Schließlich haben die Märkte bewiesen, dass sie auch mit den bestehenden Normen Notlagen überbrücken konnten, und die Behörden haben auch die schwierigsten Situationen im Griff behalten.

7.3

Das Problem stellt sich vielmehr in kurzfristiger Perspektive: Die Entstehung stärkerer und effizienterer Strukturen in Europa wird durch die Weiterentwicklung der Drittmärkte — nicht nur in Amerika, sondern auch in Asien — unterstützt. Eine sinnvolle und mit den Regeln des Markts übereinstimmende Entwicklung darf auch in rechtlicher Hinsicht nicht vom globalen Kontext abgetrennt werden. Deshalb ist bei der Genehmigung oder dem Verbot von Unternehmenszusammenschlüssen oder der Übernahme neuer Geschäftsfelder durch Unternehmen oder Finanzgruppen neben der Beachtung der wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen eben auch gesunder Menschenverstand und große Umsicht erforderlich.

7.4

Andererseits ist der Ausschuss der Auffassung, dass Entscheidungen nicht unabhängig von den verschiedenen Wettbewerbsbehörden getroffen werden dürfen: die bindende Stellungnahme der Wettbewerbsbehörden müsste mit sofortiger Wirkung in die Bestimmungen aufgenommen werden — auch wenn diese nicht immer und nicht überall schon in Kraft getreten sind. Der Wille zur Marktöffnungunter Beachtung der Wettbewerbsbestimmungendarf nicht zur Vernachlässigung der Sicherheit der Märkte führen. Dieser Aspekt kann letztlich nur von den Verantwortungsträgern ermessen werden.

Brüssel, den 10. Februar 2005

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND


(1)  Die Giovannini-Berichte und damit zusammenhängende Dokumente sind auf der Website der Kommission zugänglich: http://europa.eu.int/comm/internal_market/financial-markets/index_en.htm#otherdocs.

(2)  Steht für „Committee of European Securities Regulators“. Die deutsche Abkürzung AEWRB ist nicht gebräuchlich.


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