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Document 52005AE0125

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Hochwasserrisikomanagement — Vermeidungs-, Schutz- und Minderungsmaßnahmen“(KOM(2004) 472 endg.)

ABl. C 221 vom 8.9.2005, p. 35–39 (ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)

8.9.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 221/35


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Hochwasserrisikomanagement — Vermeidungs-, Schutz- und Minderungsmaßnahmen“

(KOM(2004) 472 endg.)

(2005/C 221/08)

Die Kommission beschloss am 12. Juli 2004, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu der obenerwähnten Mitteilung.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz erarbeitete ihre Stellungnahme am 13. Januar 2005 (Berichterstatterin: Frau SÁNCHEZ MIGUEL).

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 414. Plenartagung am 9./10. Februar 2005 (Sitzung vom 9. Februar) mit 132 Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung

1.1

Die Annahme der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) (1) gilt als Meilenstein in der Wasserpolitik der Europäischen Union, zum einen auf Grund des harmonisierten Ansatzes im Umgang mit den europäischen Süßwasserkörpern und Meeresgewässern und zum anderen durch die Einführung eines wirksamen Verfahrens zur Bewertung der Gewässerqualität und eines zentralisierten Organisationssystems, mit dessen Hilfe für jedes Wassereinzugsgebiet ein einheitliches Konzept sichergestellt wird, ungeachtet der verschiedenen Zuständigkeiten für die einzelnen Abschnitte des jeweiligen Einzugsgebiets. Die Kommission hat die WRRL durch weitere Rechtsvorschriften (2) und andere Bestimmungen (3) ergänzt und die EU-Wasserpolitik damit auf die stetige Verbesserung des Schutzes der europäischen Flüsse und Meere ausgerichtet.

1.2

Unverständlicherweise jedoch sind in der WRRL einige sehr wesentliche Aspekte für die Qualität unserer Wassereinzugsgebiete nicht berücksichtigt worden, wie beispielsweise Hochwasserereignisse. Hochwasserereignisse sind an sich ganz natürliche Ereignisse, deren Wirkung allerdings durch den Menschen z.T. extrem verstärkt wird. Ein Großteil ihrer katastrophalen Auswirkungen könnte auf ein Minimum beschränkt werden, eine vernünftige Politik in Bezug auf die Nutzung und den Schutz von Flussläufen und Ufern und die Berücksichtigung von Umweltauswirkungen — und zwar nicht nur auf dem Papier — beim Bau von Wasserinfrastrukturen vorausgesetzt, damit die natürliche Dynamik nicht verändert und eine umsichtige Nutzung der Wasserressourcen gewährleistet wird.

1.3

Die Hochwassergefahr hat auf dem Gebiet der EU zugenommen, was im Wesentlichen auf zwei Gründe zurückzuführen ist: einerseits auf den Klimawandel, der durch die Erwärmung der Erdatmosphäre möglicherweise eine Zunahme sintflutartiger Regenfälle und einen Anstieg des Meeresspiegels bewirken wird, und andererseits auf die Auswirkungen menschlichen Handelns wie Baumaßnahmen an Flussläufen, die Umleitung und Regulierung von Flussläufen, der Bau von Häfen ohne Umweltfolgenabschätzung bzw. entsprechende Korrekturmaßnahmen. Auf das menschliche Konto geht ebenfalls die zunehmende Versteppung des europäischen Kontinents aufgrund von großflächiger Abholzung, von Waldbränden und von anderen naturfernen Tätigkeiten. Es steht fest, dass die Hochwassergefahr als Folge nicht nachhaltiger Entwicklung zunimmt. Durch nachhaltige wirtschaftliche, soziale und ökologische Entwicklungsmodelle kann diese Gefahr jedoch verringert werden.

1.3.1

Die Überschwemmung von Flächen, auf denen Industrien angesiedelt sind oder intensive Landwirtschaft bzw. Viehzucht betrieben wird, aber auch von bebauten Gebieten führt zur Verbreitung von Stoffen und Erzeugnissen, die unter normalen Voraussetzungen keine Gefahr für die Wasserqualität darstellen, infolge eines Hochwasserereignisses aber zu gefährlichen Schadstoffen werden, die sich negativ auf die menschliche Gesundheit und auf die betroffenen Ökosysteme auswirken können.

1.4

Der EWSA erinnert daran, dass zwischen 1998 und 2002 Europa unter über 100 größeren Hochwasserereignissen mit Schäden leiden musste, einschließlich der katastrophalen Fluten entlang der Flüsse Donau und Elbe im Jahre 2002. Seit 1998 haben Hochwasserereignisse etwa 700 Menschenleben gefordert, etwa eine halbe Million haben ihr Zuhause verloren, und rund 25 Milliarden EUR an versicherten Schäden wurden verursacht (4).

1.5

Im Bewusstsein dieser Sachlage hat die Kommission dem Umweltrat auf seiner Tagung im Juli 2004 vorgeschlagen, im Hinblick auf den europaweiten Hochwasserschutz tätig zu werden und eine konzertierte Aktion für Hochwassermanagement im Hinblick auf die Verbesserung des Schutzes gegen Hochwasser einzuleiten. Die Mitgliedstaaten sollen dabei Gefahrenkarten erarbeiten und für jedes Flusseinzugsgebiet und Küstengebiet Hochwassermanagementpläne aufstellen, während die Kommission für den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten sowie die Verbreitung der am besten bewährten Verfahrensweisen sorgt.

1.6

Zwar erfolgt diese Aktion im Rahmen der europäischen Wasserpolitik, doch betrifft die Problematik auch andere Bereiche europäischer Politik, wie die Landwirtschaft, den Umweltschutz, den Zivilschutz, die Verkehrspolitik usw. Darüber hinaus stellt sich noch ein grundlegendes und weitreichendes rechtliches Problem im Zusammenhang mit der Verwaltung der Überschwemmungsgebiete: die Abgrenzung und Definition der Fluss- und Meeresufer als zu schützendes öffentliches Gut, das keine ausschließlich politisch motivierten wesentlichen Veränderungen durch behördliche Beschlüsse erfahren darf, die den Bereich der Wasserwirtschaft und des Hochwassermanagements betreffen. Die Abgrenzung entsprechender Schutzgebiete würde die Hochwasservorsorge erleichtern.

2.   Inhalt der Kommissionsvorlage

2.1

Die Mitteilung lässt sich in drei Abschnitte unterteilen:

der Umgang mit Hochwasserereignissen;

laufende Maßnahmen und künftige Initiativen;

gemeinsames EU-Aktionsprogramm.

2.2

Durch Hochwassermanagement sollen die Eintrittswahrscheinlichkeit und die Auswirkungen von Hochwasserereignissen verringert werden. Es wird vorgeschlagen, folgende Elemente in die Programme aufzunehmen:

Vermeidung

Schutz

Bereitschaft

Notfallmaßnahmen

Wiederherstellung und Lernen aus Erfahrungen

2.3

Für die derzeitigen Maßnahmen und künftigen Initiativen für die Verringerung von Hochwasserauswirkungen werden drei Aktionsebenen vorgeschlagen.

2.3.1

Die Maßnahmen auf europäischer Ebene umfassen die bereits vorhandenen Instrumente und Konzepte zur Vermeidung von Hochwassern und zur Verringerung ihrer Auswirkungen. Im Rahmen der Europäischen Forschung wird über Projekte wie FLOODsite versucht, die integrierte Hochwasserrisikoanalyse und das Hochwassermanagement zu verbessern. Durch die Strukturfonds, insbesondere den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, kann die Verbesserung von Forschung und technologischer Entwicklung im Infrastrukturbereich vorangetrieben werden (5). Im Zuge einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit beim Hochwasserschutz wurde das IRMA-Projekt (INTERREG-Rhein-Maas-Aktivitäten) aufgelegt.

2.3.1.1

Ferner wird vorgeschlagen, auf europäischer Ebene über die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) über die land- und forstwirtschaftliche Flächennutzung den Bodenschutz zu fördern und Hochwasserschutzgebiete einzurichten. Desgleichen soll bei der Umsetzung der WRRL Umweltschutzbelangen Rechnung getragen werden, indem im Rahmen der integrierten Bewirtschaftungspläne für die Flusseinzugsgebiete auch Hochwassermanagement betrieben wird. Ferner sollte der im Jahr 2002 nach den schweren Überschwemmungen in Mitteleuropa eingerichtete Solidaritätsfonds für Notfallsituationen beibehalten werden.

2.3.2

Insbesondere in den am stärksten betroffenen Mitgliedstaaten sind Hochwasserschutzmaßnahmen in offiziellen Leitlinien und Gesetzestexten definiert worden. Es gibt Hochwasserschutzpläne und -strategien sowie Gefahrenkarten für die am häufigsten von Überschwemmungen betroffenen Regionen.

2.3.3

Länder mit grenzüberschreitenden Flüssen, insbesondere in Mitteleuropa, haben im Zuge einer internationalen Zusammenarbeit gemeinsame Gremien gebildet, um ein koordiniertes Flussgebietsmanagement sicherzustellen.

2.4

Mit dem konzertierten Aktionsprogramm der EU sollen Hochwasservermeidung und Hochwasserverminderung entwickelt werden, und zwar durch eine Verbesserung der Koordinierung zwischen den zuständigen Behörden durch die Aufstellung von Hochwasserrisikoplänen für Flusseinzugsgebiete und Küstenbereiche, durch Hochwasserrisikokartierung und durch den Austausch bewährter Praktiken.

2.4.1

Damit dieses konzertierte Aktionsprogramm gelingen kann, müssen die Mitgliedstaaten, die Kommission und die anderen Interessengruppen zusammenarbeiten und ihren Aufgaben und Verpflichtungen im Hinblick auf Hochwasservermeidung nachkommen.

2.4.2

Die Kosten dieses Aktionsprogramms lassen sich nur schwierig abschätzen, werden auf jeden Fall aber von den Vorteilen überwogen, die der Hochwasserschutz für die europäischen Bürger, für ihre Eigentumswerte und für die betroffenen Menschen und Gebiete in qualitativer Hinsicht bringt.

2.5

In einem Anhang werden noch Leitlinien für die Entwicklung und Durchführung von Hochwassermanagementplänen und Hochwasserrisikokarten aufgestellt, um eine einheitliche Vorgehensweise im Hinblick auf die Verwirklichung der gesetzten Ziele sicherzustellen.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Der EWSA begrüßt die Mitteilung der Kommission, die zum Ziel hat, die Hochwasserschutzmaßnahmen zahlreicher Mitgliedstaaten zu verbessern und zu harmonisieren, und die Hochwasserauswirkungen abzumildern. Zunächst bedarf es jedoch einer eingehenderen Analyse der Problematik, um geeignete Maßnahmen festzulegen, insbesondere im Hinblick auf eine wirksame Hochwasservorsorge, mit deren Hilfe sich ein Großteil der Hochwasserschäden vermeiden ließe. Ferner müssen verschiedene, im Vorschlag nicht berücksichtigte grundlegende Konzepte entwickelt werden, die dann wiederum auf möglichst harmonisierte Weise in Maßnahmen im Rahmen von Managementplänen und Gefahrenkarten münden.

3.2

Hochwasser sind Naturereignisse, die aus der natürlichen Dynamik der Fluss- und Küstengewässer resultieren, wobei die Zeitskala dieser Dynamik die der wirtschaftlichen, städtebaulichen usw. Planung üblicherweise zugrundegelegte Zeitskala weit überschreitet. In diesem Zusammenhang bedeutet die statistische Wiederkehrzeit,

dass ein Hochwasser mit einem Wiederkehrintervall von 100 oder 500 Jahren eine gegebene Fläche überschwemmen wird;

dass ein solches Hochwasserereignis auf jeden Fall eintreten wird;

dass ein solches Hochwasser jederzeit eintreten kann.

Die wasserwirtschaftliche Planung setzt u.a. an folgenden Konzepten an:

Das Flussbett eines dauernd fließenden oder periodisch trocken fallenden Flusses ist die Vertiefung in der Landoberfläche, die beim normalen Wasserhöchststand mit Wasser gefüllt ist.

Bei der Abgrenzung von Überschwemmungsgebieten wird der theoretische Wasserstand eines Hochwasserereignisses mit einem Wiederkehrintervall von 100 oder 500 Jahren zu Grunde gelegt. Die Eigentumsverhältnisse (öffentliches oder privates Land) bleiben davon unberührt, doch können die zuständigen Behörden Nutzungsbeschränkungen festlegen, um die Sicherheit der Personen und Güter zu gewährleisten.

Typische Merkmale der Überschwemmungsflächen sind im Allgemeinen Feuchtgebiete, Auwaldgesellschaften, sonstige Überschwemmungsauen, Schwemmfächer in Bergregionen, Salzwassersümpfe und weitere Aspekte (die häufig für wertvolle Ökosysteme relevant sind), die die Hochwassergrenzen veranschaulichen, wobei Hochwasserereignisse, wie bereits gesagt, natürlicher Bestandteil der Fluss- und Küstengewässerdynamik sind.

3.3

Die Schwere von Hochwasserschäden hängt von der Besiedlung und Flächennutzung in Überschwemmungsgebieten ab, die einen Eingriff in die normalen Funktionsabläufe der hydrologischen Systeme darstellen und eine wesentliche Veränderung der Umweltbedingungen in den Fluss- und Küstengebieten bewirken. Dadurch steigt die Gefahr einer Störung der natürlichen Funktionsabläufe und das Schadensrisiko für Menschen und Werte. Die Schwere von Hochwassern und Hochwasserschäden steigt offenbar aufgrund

einer zum Teil lang andauernden, unangemessenen Flächennutzung infolge der Missachtung wissenschaftlicher und technischer Kenntnisse (was heute nicht mehr entschuldbar ist);

eines auf falschen Konzepten beruhenden Hochwassermanagements (Regulierung von Flussläufen, Ausbaggerung von Flussbetten, Anlage von Staustufen und -wehren, Abtrennung der Rückhalteräume durch Deiche nahe am Flusslauf), das sich häufig als unzureichend bzw. in der Gesamtbetrachtung vor allem im Unterlauf teilweise als kontraproduktiv erwiesen hat.

3.4

Die Zunahme der Hochwassergefahr infolge der sich ändernden natürlichen Voraussetzungen, insbesondere des Klimawandels, macht umfassende Forschungsanstrengungen in diesem Bereich erforderlich, um verstehen zu können, wie diese Veränderungen die Dynamik von Fluss- und Küstengewässern und damit u.a. auch die Überschwemmungsgebiete und die Wiederkehrintervalle beeinflussen können.

3.5

Die Zunahme der durch die Menschen verursachten Hochwassergefahr (Flächennutzung und Besiedlungsdichte) kann und muss durch aktive Planungsmaßnahmen im Hinblick auf eine NACHHALTIGE Nutzung der Überschwemmungsflächen und eine Verringerung der Schadensrisiken bekämpft werden.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1

Der EWSA stimmt den Ausführungen der Kommission zu, dass es Ziel des Hochwassermanagements ist, die Eintrittswahrscheinlichkeit und die Auswirkungen von Hochwasserereignissen durch Hochwasservorsorge-, -schutz- und Informationsmaßnahmen usw. zu verringern. Es ist jedoch angebracht, die in Frage kommenden Verfahrensweisen und Maßnahmen zu untergliedern und sinnvolle Auswahlkriterien festzulegen. Folgende Einteilung käme für Vermeidungsmaßnahmen in Frage:

Natürliche Hochwasserschutzmaßnahmen, z.B. Verbesserung oder Wiederherstellung der natürlichen Versickerung durch die Reduzierung der Bodenverdichtung oder die Sanierung von Bergwäldern; Wiedergewinnung von (ehemaligen) natürlichen Hochwasserrückhalteräumen, Bremsung der Fließgeschwindigkeit und der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Hochwasserwelle durch Rückbau von Gewässerbegradigungen, Verbesserung der Versickerung von Niederschlagswasser in Siedlungsgebieten;

Flächenmanagementmaßnahmen, die das Schadensrisiko in Überschwemmungsgebieten begrenzen (Hochwasservorhersage und -alarm, Flächennutzungsplanung und Flächennutzungsbeschränkungen in hochwassergefährdeten Gebieten usw.);

Technische Hochwassermaßnahmen (hydrologische und hydraulische Maßnahmen): bauliche Maßnahmen (Rückhaltebecken, Flussregulierung, Deiche usw.) und nichtbauliche Maßnahmen (Einschränkung der Besiedlung, Risikovorsorge usw.).

4.2

Der EWSA schlägt vor, die Managementpläne an folgenden Prinzipien und natürlichen Maßnahmen auszurichten:

Die Renaturierung von Fluss- und Küstengewässern durch die Wiederherstellung der Flächen und Elemente, die für die natürlichen Regulierungsmechanismen der Wassereinzugsgebiete wesentlich sind (Wiederaufforstung in betroffenen Berggebieten, Schutz von Feuchtgebieten und dort angesiedelten Ökosystemen, Überwachung von Erosion und Sedimentation in Flussläufen, Programme für alternative Flächennutzung und naturnahen Rückbau von extrem hochwassergefährdeten Flächen usw.);

die nachhaltige Entwicklung der Überschwemmungsgebiete durch

i.

die Schätzung des wirtschaftlichen Flächennutzungspotenzials im Einklang mit natürlichen Hochwasserzyklen;

ii.

die Integration dieser Modelle in die verschiedenen Planungsbereiche, insbesondere die Raumplanung.

In diesem Zusammenhang muss das Prinzip der „langfristigen strategischen Planung“ zum Tragen kommen, das heißt, die vorhergesagten Entwicklungen sollten nicht einfach nur berücksichtigt, wie es in der Mitteilung der Kommission formuliert wird, sondern grundlegend geändert werden, wenn davon auszugehen ist, dass die derzeitige Gefährdung bleibt oder steigt.

4.3

Für die Auswahl der geeigneten Maßnahmen zur Verbesserung des Hochwasserschutzes sollten geeignete Leitlinien und Kriterien erstellt werden:

durch die Verbesserung des Hochwasserschutzes darf keine Verschlechterung der hydraulischen Situation an anderer Stelle erfolgen (z.B. durch eine Erhöhung des Abflusses, der Wasserstände oder durch eine Beschleunigung der Hochwasserwelle im Unterlauf);

soweit möglich sollen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung Maßnahmen zur Sanierung der Einzugsgebiete und naturnahe Maßnahmen für einen verstärkten, schadlosen Rückhalt des Hochwassers in der Fläche („Breitwasser statt Hochwasser“) vor der Errichtung von technischen Schutzanlagen bevorzugt werden;

nach Möglichkeit sollen Maßnahmen bevorzugt werden, die positive Synergie-Effekte mit anderen Zielen einer nachhaltigen Entwicklung (z.B. Ziele der Wasser-Rahmen-Richtlinie zur Gewässerqualität und zum Grundwasser, Ziele der europäischen Naturschutzrichtlinien) erwarten lassen.

4.4

Die vor allem seit den 70er Jahren in verschiedenen Ländern gemachten Erfahrungen mit Hochwassermanagement veranschaulichen, dass die größten Schwierigkeiten für die Durchführung von Vorsorgemaßnahmen nicht technischer Art sind und Risikokartierungen bzw. Gefahrenkarten nicht ausreichen. In den USA beispielsweise hat das Army Corps of Engineers über 20 000 Gefahrenkarten hergestellt, doch bewirken sie, wenn sie überhaupt von Behörden berücksichtigt werden, höchstens bauliche Maßnahmen (Rückhaltebecken, Staustufen, Deiche usw.), die häufig nicht als Hochwasserschutz ausreichen, sodass umfangreiche vermeidbare Hochwasserschäden auftreten, die letztendlich darauf zurückzuführen sind, dass sich die Behörden und die Bevölkerung in falscher Sicherheit wiegen.

4.5

Es wäre hervorzuheben, dass in der EU genau diese Art technischer Hochwasserschutzmaßnahmen wie der Bau von Deichen und Dämmen, die keine absolute Sicherheit bieten, durch die Strukturfonds (EFRE und Kohäsionsfonds) finanziert werden. Für strukturelle und andere Vorsorgemaßnahmen werden im Allgemeinen weniger Mittel bereitgestellt. Daher sollte nach Ansicht des EWSA die Notwendigkeit erörtert werden, eine spezifische Haushaltslinie für dieses Aktionsprogramm einzurichten oder aber Leitlinien für die Berücksichtigung der Maßnahmen in anderen, von der Kommission finanzierten Programmen aufzustellen.

4.6

Diese Strukturmaßnahmen reichen jedenfalls nicht aus, um Hochwasser zu verhindern oder Überschwemmungsgebiete zu schützen. Sie sind nur sinnvoll als Teil eines übergeordneten Ansatzes, in dem auch die städtebauliche und verkehrstechnische (Straßen, Eisenbahnlinien usw.) Planung, die Erhaltung der Hochwasserabflusswege und der Erhalt und die Wiederherstellung von Retentionsräumen und Versickerungsflächen berücksichtigt werden. In diesem Sinne sollten die in dem Anhang der Mitteilung genannten Leitlinien konkreter ausformuliert und u.a. durch methodologische Grundsätze bzw. bewährte Verfahrensweisen hinsichtlich der Ausarbeitung dieser Pläne ergänzt werden.

4.7

Die Aufnahme von Hochwassermanagementplänen in die Managementpläne der Wasserrahmenrichtlinie ist wesentlich, um sicherzustellen, dass für das jeweilige gesamte Wassereinzugsgebiet die erforderlichen Planungsvoraussetzungen bestehen und die von den verschiedenen zuständigen Stellen (lokal, national, grenzüberschreitend usw.) durchzuführenden Maßnahmen und Aktionen aufeinander abgestimmt und koordiniert sind. Über entsprechende Kriterien und Bestimmungen ist sicherzustellen, dass diese beiden kompatiblen, aber unterschiedlichen Planungsrahmen angemessen integriert werden am besten über eine Richtlinie. Auch diese Aspekte sollten bei der vorgeschlagenen Weiterentwicklung der Leitlinien im Anhang ausführlich behandelt werden.

4.8

Die Einbeziehung des Hochwassermanagements in die WRRL stützt sich auf:

eine Definition des Begriffs „Hochwasser“ als normales Ereignis im Zuge der Fluss- und Küstengewässerdynamik, das sich in regelmäßigen Abständen auf außergewöhnliche Weise auf die Wasserqualität und die betroffenen Ökosysteme auswirkt;

eine Definition des Begriffs „Überschwemmungsgebiet“, die eng auf den territorialen Aspekt der Anwendung der WRRL abgestimmt ist (Flächennutzung, potenzielle Verschmutzung, von der Wasserqualität abhängige Ökosysteme usw.);

eine Definition des Hochwasserrisikos, die auf die von der WRRL erfassten Gewässergefährdungen und -schäden abgestimmt ist;

ein spezifisches Risikomanagement, das wasserwirtschaftliche Bereiche der WRRL betrifft (Verwendung des Wassers aus dem Einzugsgebiet, Kostenausgleich, Aktionspläne, Abgrenzung von Schutzgebieten).

4.9

Die wichtigsten Elemente des Hochwassermanagements in Verbindung mit den Planungsmaßnahmen im Rahmen der WRRL sind:

1.

Risikodefinition und -management:

hydrologische Aspekte, Wasserqualität und Ökosysteme;

verbundene geologische Aspekte, Erdrutsche, Schlamm- und Gerölllawinen;

Management und Renaturierung der öffentlichen Wasserläufe und Küstengewässer;

ökologische Kriterien für das Hochwassermanagement;

Raumplanungskriterien.

2.

Warnsysteme und Notfallpläne:

Gebietseinteilung;

Systeme für die Übermittlung hydrologischer Daten und systematische Hochwasservorsorge;

Zivilschutz;

gesetzliche Regelung all dieser Aspekte in den einzelnen Mitgliedstaaten;

Sensibilisierung der Öffentlichkeit;

Koordination zwischen den zuständigen Behörden.

3.

Weitere Aspekte:

sektorübergreifende Forschung und Koordinierung;

Risikovorsorge über Versicherungen;

Sicherheit baulicher Infrastrukturmaßnahmen.

5.   Schlussfolgerungen

5.1

Nach Ansicht des EWSA müssen sämtliche Hochwasservermeidungs-, Schutz- und Minderungsmaßnahmen eng auf die Methodik und die Instrumente der Wasserrahmenrichtlinie abgestimmt und insbesondere in die Bewirtschaftungspläne der Wassereinzugsgebiete integriert werden, über die alle Aspekte der Bewirtschaftung der zu dem jeweiligen Wassereinzugsgebiet gehörenden Süßwasserkörper und Küstengewässer geregelt werden können. Der Ausschuss hält daher eine Richtlinie für notwendig, die auf dem Inhalt der Kommissionsmitteilung und seiner Stellungnahme aufbaut und die Anpassung der Hochwassermanagementpläne an die Bewirtschaftungspläne der einzelnen Wassereinzugsgebiete und somit an die spezifischen Gegebenheiten unserer Flüsse und Küstengewässer erleichtert.

5.2

Im Hinblick auf eine wirksame Integration der Pläne ist es erforderlich,

die grundlegenden Begriffe, an denen die Maßnahmen ansetzen, genau zu definieren; siehe dazu insbesondere Ziffer 4.7 dieser Stellungnahme;

eine eingehende Untersuchung der derzeitigen Lage in den europäischen Wassereinzugs- und Küstengewässergebieten durchzuführen, insbesondere in denjenigen Gebieten, die infolge des Klimawandels und menschlichen Handelns besonders stark hochwassergefährdet sind;

konsequent Vorsorgemaßnahmen zur Vermeidung von Hochwasserschäden durchzuführen. Dies umfasst auch Maßnahmen zur Sensibilisierung und Information der Bevölkerung.

5.3

Die im Anhang der Mitteilung genannten Hochwasserrisikomanagementpläne und Hochwasserrisikokarten müssen insofern erweitert werden, als es einer klaren Kategorisierung der durchzuführenden Maßnahmen bedarf bzw. im Einklang mit den verfügbaren Mitteln eine Prioritätenrangfolge und Kriterien aufgestellt werden müssen, um bei möglichst niedrigen Kosten möglichst große Vorteile für die Bevölkerung und die betroffenen Werte zu erreichen. Vorrangiges Ziel ist es, die natürliche Dynamik der Fluss- und Küstengewässer mit der Entwicklung der menschlichen Tätigkeiten in Einklang zu bringen, das heißt, eine nachhaltige integrierte Entwicklung der Überschwemmungsflächen zu erreichen.

5.4

Die wichtigsten Aspekte des Hochwassermanagements, die im Zusammenhang mit den aus der WRRL abgeleiteten Planungsmaßnahmen stehen, sind die Definitionen des Risikos, der Alarmstufen und der Notsituationen, die bei einem Hochwasserereignis anzuwenden sind. Berücksichtigt werden sollten des Weiteren Gemeinschaftsmaßnahmen im Bereich der fachübergreifenden Forschung und Koordinierung, die spezifisch auf die Verminderung von Hochwasserschäden ausgerichtet sind, sowie die Schadensvorsorge in Form von Versicherungen, die die wirtschaftlichen Verluste der Betroffenen ausgleichen, und vor allem die Überwachung und Kontrolle der Sicherheit von Infrastrukturen, die sich auf Fluss- und Küstengewässer auswirken.

Brüssel, den 9. Februar 2005

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND


(1)  ABl. L 327 vom 22.12.2000, S. 72.

(2)  Stellungnahme des EWSA zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz des Grundwassers vor Verschmutzung (KOM(2003) 550 endg.) - ABl. C 112 vom 30.4.2004, S. 40-43.

(3)  Vorschlag für eine Entscheidung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Liste prioritärer Stoffe im Bereich der Wasserpolitik (KOM(2000) 47 endg.); Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Wirtschafts- und Sozialausschuss: Die Preisgestaltung als politisches Instrument zur Förderung eines nachhaltigen Umgangs mit Wasserressourcen (KOM(2000) 477 endg.); Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament: Hin zu einer Strategie zum Schutz und zur Erhaltung der Meeresumwelt (KOM(2002) 539 endg.).

(4)  Quelle: KOM(2004) 472 endg.

(5)  Als interessantes Beispiel in diesem Zusammenhang erläuterte Sándor Tóth vom ungarischen Ministerium für Umwelt und Wasserwirtschaft der Fachgruppe NAT des EWSA das Programm für langfristiges Hochwassermanagement und regionale Entwicklung an der Theis (Tisza).


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