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Document 52017AE0277

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft: Europäische Nachhaltigkeitspolitik“ (COM(2016) 739 final)

ABl. C 345 vom 13.10.2017, p. 91–96 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

13.10.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 345/91


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft: Europäische Nachhaltigkeitspolitik“

(COM(2016) 739 final)

(2017/C 345/15)

Berichterstatter:

Etele BARÁTH

Befassung

Europäische Kommission, 8.12.2016

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

 

 

Beschluss des Plenums

13.12.2016

 

 

Zuständige Fachgruppe

Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umwelt

Annahme in der Fachgruppe

15.6.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung

5.7.2017

Plenartagung Nr.

527

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

124/0/7

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) bedauert, dass in der Mitteilung der Kommission Auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft der Eindruck erweckt wird, dass alle wesentlichen Ziele und Anforderungen der Agenda 2030 der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung bereits durch die bestehenden Politikbereiche der EU abgedeckt und bewältigt wurden. In der Mitteilung wird versäumt, den Paradigmenwechsel in die EU-Politikbereiche einzuführen, der durch die Agenda 2030 mit Blick auf ein neues Entwicklungsmodell geschaffen wurde, das wirtschaftlich nachhaltiger, sozial inklusiver und langfristig umweltfreundlicher ist. Wie vom Europäischen Zentrum für politische Strategie (1) und auch in früheren Stellungnahmen des EWSA betont wurde, ist solch ein Paradigmenwechsel dringend erforderlich, damit die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung in der EU unter Berücksichtigung der zunehmenden sozialen Ungleichheiten und hohen Arbeitslosenquoten in Europa sowie des nicht nachhaltigen ökologischen Fußabdrucks ihrer Wirtschaft ordnungsgemäß umgesetzt werden.

1.2.

Der EWSA hat stets begrüßt, dass die Kommission bei der Konzeption der Agenda 2030 der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung eine Führungsrolle übernommen hat. Nun, da die 17 Nachhaltigkeitsziele in die Praxis umgesetzt werden müssen, ist der EWSA der Auffassung, dass die EU solche eine konkrete Führungsrolle vermissen lässt, da sie weder einen ehrgeizigen Fahrplan für Maßnahmen zur Umsetzung dieser Ziele mit einem Zeithorizont bis 2030 vorgelegt noch die Bereitschaft gezeigt hat, ihre derzeitige Politik kritisch zu überprüfen und zu ändern.

1.3.

Bislang wurde die Agenda 2030 nicht als Gelegenheit genutzt, um ein neues, proaktives, transformatives und positives Narrativ für Europa zu schaffen, wie der EWSA, das EP und zahlreiche Stimmen der Zivilgesellschaft gefordert haben: eine neue Vision eines nachhaltigeren und sozial inklusiven Europas, das seinen Bürgern nützt und niemanden zurücklässt; eine zukunftsorientierte Vision auf der Grundlage der Werte, durch die Europa zu einem Erfolgsmodell wurde: Solidarität und Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit und Gleichheit, Demokratie und Teilhabe, Unternehmergeist und Umweltbewusstsein. Weder in dem Weißbuch der Kommission über die Zukunft Europas noch in der Erklärung von Rom anlässlich des 60. Jahrestags der EU wird der Wert einer langfristig nachhaltigen Entwicklung in Europa für die europäischen Bürger hinreichend anerkannt.

1.4.

Der EWSA bedauert, dass die Kommission es versäumt hat, einen partizipativen Prozess einzuleiten, der in eine übergreifende und integrierte Strategie für ein nachhaltiges Europa 2030 und darüber hinaus mündet. Es bedarf einer solchen Strategie, um den für die Umsetzung der UN-Agenda 2030 notwendigen langfristigen Zeithorizont sowie die politische Koordinierung und Kohärenz der Maßnahmen zu schaffen. Sie sollte Teil eines neuen, einheitlichen, langfristigen strategischen Rahmens für die Zeit nach 2020 sein.

1.5.

Der EWSA ist besorgt über die mangelnde Koordinierung zwischen der EU und den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Agenda 2030. Die genannte übergreifende Strategie sollte den gemeinsamen Rahmen für ein koordiniertes Vorgehen bilden.

1.6.

Der EWSA begrüßt die von der Kommission geleistete Arbeit, durch die sie den potenziellen Beitrag ermittelt hat, den ihre zehn Prioritäten zur Umsetzung der Agenda 2030 leisten können. Der EWSA betont jedoch, dass die unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeitsziele durchgeführte Bestandsaufnahme der EU-Maßnahmen durch eine eingehende Analyse der tatsächlichen Lücken ergänzt werden muss, die momentan in der EU hinsichtlich der Verwirklichung der Nachhaltigkeitsziele offen zutage treten. Nur durch einen Tatsachenabgleich kann die EU Bereiche, in denen Vorarbeiten nötig sind, ermitteln und die Wirksamkeit der derzeitigen EU-Maßnahmen hinsichtlich der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele kritisch prüfen.

1.7.

Der EWSA begrüßt die Entscheidung der Kommission, eine Multi-Stakeholder-Plattform für die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele in der EU einzurichten (2). Dabei ist nach Ansicht des EWSA zu gewährleisten, dass nichtstaatliche Akteure zusammen mit Vertretern der Institutionen in dieser Plattform auf Augenhöhe zusammenarbeiten können, um den Multi-Stakeholder-Ansatz der Agenda 2030 der Vereinten Nationen in die EU-Politik für nachhaltige Entwicklung zu übertragen. Diese Plattform muss ein breites Spektrum nichtstaatlicher Akteure in den gesamten Zyklus der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele in der EU einbeziehen — von der Entwicklung neuer Politikinitiativen, langfristiger Strategien und Sensibilisierungsmaßnahmen bis zur Überprüfung und Überwachung der Umsetzung der Politik und zum Austausch bewährter Verfahren. Außerdem sollte die Plattform die Zusammenarbeit sowie Partnerschaften einer Vielzahl von Akteuren erleichtern. Der EWSA wird die Arbeit der Plattform unterstützen, indem er ein Mitglied benennt, das ihn in der Plattform vertritt und Fachwissen einbringt, und indem er Kontakte zur Zivilgesellschaft erleichtert und anderweitig einen Beitrag leistet.

1.8.

Hinsichtlich der Förderung einer nachhaltigen Entwicklung ist der EWSA der Auffassung, dass der mehrjährige Finanzrahmen für die Zeit nach 2020 auf die Prioritäten für nachhaltige Entwicklung in der EU abgestimmt werden muss. Hierdurch sollte der Anteil der Eigenmittel und Einnahmen erheblich gesteigert und die Umsetzung effektiver und effizienter gemacht werden.

1.9.

Der EWSA hält es für unerlässlich, neben dem allgemein anerkannten BIP-Indikator, der sich bisher als geeignet erwiesen hat, andere Indikatoren einzuführen, mit denen nicht nur das Wirtschaftswachstum, sondern auch dessen Auswirkungen und Ergebnisse hinsichtlich des Wohlergehens der Bürger und des Zustands der Umwelt gemessen werden können (3). Das ist deswegen wichtig, weil die Durchführbarkeit der bis 2030 gewünschten Entwicklung nur durch Sicherstellung und Überwachung komplexer Veränderungen in Gesellschaft und Umwelt gewährleistet werden kann.

2.   Einleitung

2.1.

Mit der Agenda 2030 der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung haben sich die Staats- und Regierungschefs der Welt 2015 auf einen in dieser umfassenden Art bisher noch nie dagewesenen Aktionsplan geeinigt, mit dem die Armut beseitigt, der Planet geschützt, die Menschenrechte gewahrt und Wohlstand für alle Menschen gewährleistet werden soll. Die 17 Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDG) für 2030 erfordern sowohl von den Industrie- als auch den Entwicklungsländern umfassende Veränderungen.

2.2.

Auf der Grundlage der Ergebnisse verschiedener Konferenzen hat der EWSA im Jahr 2016 seine Empfehlungen für die Umsetzung der Agenda 2030 in der EU mit einer Reihe von drei Stellungnahmen (4) ausgesprochen.

2.3.

Mit der Mitteilung Nächste Schritte für eine nachhaltige Zukunft Europas  (5) hat die Kommission ihr Konzept zur Umsetzung der Agenda 2030 im Rahmen der internen und externen politischen Maßnahmen der EU vorgestellt. Zusammen mit der Mitteilung wurden mehrere andere Papiere vorgelegt, insbesondere eine Mitteilung über einen neuen europäischen Konsens über die Entwicklungspolitik und eine Mitteilung über eine erneuerte Partnerschaft mit den AKP-Staaten. Der EWSA hat seinen Standpunkt zu diesen beiden Mitteilungen in gesonderten Stellungnahmen genauer zum Ausdruck gebracht (6).

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1.

In der Einleitung zu der Mitteilung heißt es, dass die EU fest entschlossen ist, eine Vorreiterrolle bei der Umsetzung der Agenda 2030 zu übernehmen (7).

3.2.

Allerdings ist es der Kommission nicht gelungen, durch die Vorlage eines ehrgeizigen Fahrplans für die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele Führungsstärke zu zeigen.

3.3.

Die Mitteilung wird ihrem Zweck nicht gerecht, der in dem Arbeitsprogramm der Kommission für 2016 beschrieben wurde, nämlich „ein neues Konzept [vorzulegen], um Wirtschaftsentwicklung und soziale und ökologische Nachhaltigkeit in Europa über das Jahr 2020 hinaus zu gewährleisten und die Nachhaltigkeitsziele in der internen und externen Politik der EU in einem integrierten Ansatz zu verwirklichen“.

3.4.

Der Mitteilung zufolge umfasst die Reaktion der EU auf die Agenda 2030 zwei Ansätze: die uneingeschränkte Einbeziehung der Nachhaltigkeitsziele in die derzeitigen EU-Maßnahmen und Überlegungen zur langfristigen Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele über 2020 hinaus.

3.5.

Der EWSA würdigt die Bemühungen der Kommission, wie in der vorliegenden Mitteilung dargelegt, die Nachhaltigkeitsziele mit allen derzeitigen EU-Maßnahmen und den zehn Prioritäten des Arbeitsprogramms der Kommission zu verknüpfen. Allerdings liegt der Schwerpunkt der Mitteilung allzu sehr auf den laufenden Geschäften der EU-Politik. Die Kommission versteht die Agenda 2030 nicht als Aufforderung, ihre eigene Politik kritisch zu überprüfen und zu ändern. In der Mitteilung wird der durch die Nachhaltigkeitsziele ausgelöste Paradigmenwechsel nicht widergespiegelt (8): „ein neues, wirtschaftlich nachhaltigeres, sozial inklusiveres und ökologisch dauerhaft tragfähiges Entwicklungsmodell […], das sicherstellt, dass die Ressourcen unseres Planeten in gerechter Weise mit der wachsenden Weltbevölkerung geteilt werden“ (9).

3.6.

Bislang wurde die Agenda 2030 weder von der Kommission noch vom Rat als Gelegenheit genutzt, um ein neues, proaktives, transformatives und positives Narrativ für Europa zu schaffen, wie der EWSA, das EP (10) und zahlreiche Stimmen der Zivilgesellschaft gefordert haben; eine neue Vision eines nachhaltigeren und sozial inklusiveren Europas, das seinen Bürgern nützt und niemanden zurücklässt (11). Weder das Weißbuch der Kommission über die Zukunft Europas noch die Erklärung von Rom durch die führenden Vertreter von 27 Mitgliedstaaten, der Kommission, des Europäischen Rates und des Europäischen Parlaments anlässlich des 60. Jahrestags der EU spiegeln den Wert einer langfristig nachhaltigen Entwicklung für die europäischen Bürger und die Notwendigkeit eines vereinten Europas zur Erreichung dieses Ziels hinreichend wider.

3.7.

Außerdem fehlt in der Mitteilung der dringend erforderliche Rahmen für künftige Maßnahmen zur Umsetzung der Agenda 2030. Bisher plant die Kommission nicht die Einleitung eines partizipativen Prozesses, um eine übergreifende und integrierte Strategie für ein nachhaltiges Europa 2030 und darüber hinaus zu konzipieren, wie der EWSA gefordert hat (12). Derzeit reichen die strategischen Rahmen der EU bis zum Jahr 2020. Dies ist inakzeptabel, nicht nur, weil in der Agenda der Vereinten Nationen ein Zeithorizont bis 2030 und im Klimaschutzübereinkommen von Paris sogar eine noch längerfristigere Perspektive festgelegt sind, sondern auch angesichts der Dauer der Prozesse wirtschaftlicher und sozialer Modernisierung. Es sollte eine einzige umfassende Strategie für die Zeit nach 2020 konzipiert werden, die auf den zehn Prioritäten des Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission, der Strategie Europa 2020 mit ihren sieben Leitinitiativen und den elf thematischen Zielen der EU-Kohäsionspolitik aufbaut und den mehrjährigen Finanzrahmen für die Zeit nach 2020 mitberücksichtigt.

3.8.

Die Kommission beherzigt den in der Agenda 2030 erläuterten Multi-Stakeholder-Ansatz selbst nicht ganz. Anders als der Prozess, der zur Annahme der Agenda 2030 geführt hat, ist der Ansatz der Kommission bislang nicht sehr transparent und inklusiv.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1.    Darstellung der EU-Politikfelder, die zu den Nachhaltigkeitszielen beitragen (Kapitel 2.1 der Mitteilung)

4.1.1.

Diese Darstellung scheint reine Schreibarbeit zu sein: eine Zusammenstellung von EU-Maßnahmen, die auf irgendeine Weise Fragen im Zusammenhang mit den 17 Nachhaltigkeitszielen betreffen. Die Bestandsaufnahme spiegelt die Gegebenheiten in Europa nicht hinreichend wider. Die Darstellung rechtfertigt nicht die Schlussfolgerung der Kommission, dass allen 17 Nachhaltigkeitszielen durch die EU-Politik entsprochen wird, da nicht bewertet wurde, ob diese Politik auch tatsächlich wirksam ist oder durch andere widersprüchliche Maßnahmen untergraben wird. So wird beispielsweise angeführt, dass die Nachhaltigkeitsziele in den Bereichen Armut und Ungleichheit mit der Strategie Europa 2020 angegangen werden, aber unerwähnt bleibt, dass die entsprechenden Kernziele der Strategie Europa 2020 nicht erreicht werden.

4.1.2.

Deshalb muss die Darstellung der EU-Politikfelder durch eine eingehende Bedarfsanalyse ergänzt werden, um zu beurteilen, wie weit die EU bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele tatsächlich ist (13). Nur ein Tatsachenabgleich würde es den europäischen Entscheidungsträgern ermöglichen, die richtigen Prioritäten für die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele zu ermitteln. Die Schlussfolgerungen der Kommission aus der Bestandsaufnahme sind nicht glaubwürdig und beruhen nicht auf Tatsachen.

4.1.3.

Zeitgleich mit dem Erscheinen der Mitteilung veröffentlichte Eurostat einen ersten statistischen Überblick über die derzeitige Lage in den Mitgliedstaaten der EU hinsichtlich der Nachhaltigkeitsziele (14). Allerdings hat die Kommission nicht versucht, die nötigen Verknüpfungen zwischen der Bestandsaufnahme, den statistischen Daten und der Ermittlung politischer Prioritäten für die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele herzustellen.

4.1.4.

Der EWSA hofft, dass die Einführung eines umfassenden Überwachungsrahmens für die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele in der EU einen stärker auf Tatsachen gestützten Ansatz zur Ermittlung der größten Lücken und Herausforderungen für die EU mit Blick auf die Agenda 2030 ermöglichen wird.

4.1.5.

Wie vom EWSA bereits unterstrichen, muss sich die EU vor allem für die Verringerung ihres ökologischen Fußabdrucks und die Schaffung eines sozial inklusiveren Europas einsetzen, um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen: Ziel 12 (nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster); Ziel 13 (Bekämpfung des Klimawandels); Ziele 14 und 15 (Schutz der Ökosysteme); Ziel 2 (nachhaltige Landwirtschaft); Ziel 9 (Investitionen in Infrastruktur und Innovation); Ziel 10 (Verringerung von Ungleichheiten); Ziel 8 (produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit); Ziel 1 (Beendigung der Armut); Ziel 5 (Geschlechtergleichstellung); Ziel 4 (Bildung) (15).

4.2.    Beitrag der zehn Kommissionsprioritäten zur Agenda 2030 (Kapitel 2.2 der Mitteilung)

4.2.1.

Die Mitteilung zeigt auf, wie die zehn Arbeitsprioritäten der Kommission zu der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele beitragen können. Allerdings sollte die Kommission auch den Mut haben, ihre Arbeitsprioritäten erforderlichenfalls zu ändern bzw. anzupassen, um alle potenziellen Synergien mit den Arbeiten zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele voll zu nutzen.

4.2.2.

Nach Ansicht des EWSA sollte stärker auf die kulturelle Dimension der nachhaltigen Entwicklung und die Bedeutung einer guten Kommunikation zur Förderung der Agenda 2030 geachtet werden.

4.3.    Politische Steuerung (Kapitel 3.1 der Mitteilung)

4.3.1.

Der EWSA empfiehlt parallel zu der langfristigen Strategie für die Umsetzung der Agenda 2030 die Einführung eines Rahmens zur Steuerung und Koordinierung, um die Kohärenz zwischen zentralen und dezentralen Maßnahmen zu gewährleisten und die organisierte Zivilgesellschaft auf nationaler und regionaler Ebene einzubinden.

4.3.2.

Das Europäische Semester sollte zu einem Instrument ausgebaut werden, das der vertikalen Koordinierung auf mehreren Ebenen mit Blick auf die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele in den Mitgliedstaaten dient (16). Leider lässt die Kommission in ihrer Mitteilung die Gelegenheit, das Europäische Semester in diese Richtung weiterzuentwickeln, verstreichen.

4.3.3.

Nach Auffassung des EWSA wurde die nachhaltige Entwicklung seit 2010 zwar in die Strategie Europa 2020 einbezogen, doch wurde keine Kohärenz zwischen den wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Zielsetzungen erreicht. Mechanismen zur Gewährleistung der Kohärenz der nachhaltigen Entwicklung müssen gestärkt werden.

4.3.4.

Der EWSA begrüßt den stärker integrierten Ansatz der neuen Struktur der Kommission und die Koordinierungsfunktion des Ersten Vizepräsidenten bei den Arbeiten zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele. Allerdings müssen die koordinierenden Dienststellen der Kommission mit ausreichenden Kapazitäten ausgestattet sein, um diese Arbeiten mit dem entsprechenden Nachdruck voranzutreiben.

4.3.5.

Es ist an den führenden Politikern der EU, das Potenzial für eine bessere Regierungsführung auszuschöpfen, die Verwaltung zu stärken und sich über die Bedeutung einer bereichsübergreifenden Koordinierungsmethode klar zu werden, mit der Interaktionen verbessert und die Kontrolle in der Vorbereitungsphase möglicherweise den sozioökonomischen Akteuren übergeben würde, um die „Partizipation“ wirkungsvoller zu machen. Dadurch werden sie von den enormen verborgenen Kräften profitieren können, die während des Umsetzungsprozesses zutage treten werden.

4.3.6.

Leider wird in der Kommissionsmitteilung nicht die Frage thematisiert, wie sich dieser Prozess erkennen und verbessern lässt.

4.4.    Finanzierung (Kapitel 3.2 der Mitteilung)

4.4.1.

Die Aufstellung des mehrjährigen Finanzrahmens für die Zeit nach 2020 sollte als Gelegenheit genutzt werden, um die Verwendung der EU-Mittel mit der Umsetzung der Prioritäten für die nachhaltige Entwicklung in der EU abzustimmen.

4.4.2.

Der EWSA teilt die Auffassung, dass die EU ihr finanzielles Unterstützungssystem auf territorialer, regionaler und lokaler Ebene weiterentwickeln sollte, durch das die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gesteigert und das Gemeinwohl gefördert sowie gleichzeitig der Nachhaltigkeitsbedarf berücksichtigt wird. Wirtschaftlicher Wohlstand sollte die wirtschaftliche Grundlage für die Nachhaltigkeitsziele bilden, aber es sollten Regelungen eingeführt werden, um sicherzustellen, dass die sozialen und ökologischen Ziele erreicht werden. Nach Ansicht des EWSA könnte eine Reform des europäischen Steuersystems die Erhöhung der Haushaltsmittel konsolidieren und eine bessere Umsetzung der Agenda 2030 fördern.

4.4.3.

Die Kommission misst Fragen im Zusammenhang mit der nachhaltigen Finanzierung besonderes Gewicht bei. Besonders notwendig ist es nach Auffassung des EWSA, die richtigen Rahmenbedingungen für private und öffentliche Investoren für die massiven langfristigen Investitionen in die Modernisierung der Infrastruktur und Innovationen, die für den Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft unerlässlich sind (17), zu schaffen.

4.5.    Messung der Fortschritte (Kapitel 3.3 der Mitteilung)

4.5.1.

Der EWSA begrüßt die Absicht der Kommission, eine ausführlichere regelmäßige Kontrolle der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele im EU-Kontext vorzunehmen und sich dabei auf das breite Spektrum der laufenden Überwachungsprozesse in der Kommission, den Agenturen, im Europäischen Auswärtigen Dienst und in den Mitgliedstaaten zu stützen. Allerdings fehlen spezifische Informationen darüber, wie dieses Kontrollsystem aussehen soll.

4.5.2.

Der EWSA begrüßt die Arbeiten von Eurostat zu Indikatoren für die Überwachung der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele in der EU. Er betont, dass Entscheidungen zur Überwachung und insbesondere die Gestaltung der Indikatoren weitreichende politische Auswirkungen haben. Die weitere Entwicklung der Indikatoren muss deshalb erörtert und die Zivilgesellschaft auf transparente Weise konsultiert werden.

4.5.3.

Der EWSA geht davon aus, dass nach der Veröffentlichung eines regelmäßigen Überwachungsberichts durch Eurostat und dem Ablauf einer ausreichenden Zeitspanne, in der die Organisationen der Zivilgesellschaft die von ihnen vertretenen Gruppen zu Rate ziehen können, über die Multi-Stakeholder-Plattform ein Dialog über die aus dem Überwachungsprozess gezogenen Schlussfolgerungen und die erforderlichen Maßnahmen zur Überprüfung der Politik entsteht.

4.5.4.

Mehrere Studien des EWSA haben belegt, dass neben dem allgemein anerkannten BIP-Indikator, der sich bisher als geeignet erwiesen hat, unbedingt ein weiterer Indikator eingeführt werden muss, mit dem nicht nur das Wirtschaftswachstum, sondern auch dessen Auswirkungen und Ergebnisse (Bruttoinlandsergebnis) gemessen werden können. Die Überwachung des angestrebten Entwicklungsprozesses bis 2030 muss auf einem komplexen Geflecht wirtschaftlicher, sozialer und umweltbezogener Indikatoren beruhen (18).

4.5.5.

Der Überwachungsrahmen sollte auch mit dem Europäischen Semester verknüpft sein.

4.5.6.

In der UN-Agenda 2030 werden die Staaten verpflichtet, einen Rahmen zur Überwachung und Überprüfung zu schaffen, d. h. Instrumente für den gesamten Politikzyklus der Planung, Umsetzung, Überwachung und Überprüfung von Strategien einzuführen. Die Überprüfungsphase wurde in der Mitteilung nicht berücksichtigt. Das könnte daran liegen, dass eine übergreifende Strategie und ein übergreifender Aktionsplan für die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele, die regelmäßig überprüft werden könnten, fehlen.

4.6.    Gemeinsame Verantwortung und ein Multi-Stakeholder-Ansatz

4.6.1.

Die Nachhaltigkeitsziele bilden eine Agenda für eine Vielzahl von Interessenträgern. Sie können nur dann in die Praxis umgesetzt werden, wenn Zivilgesellschaft, Unternehmen, Gewerkschaften, lokale Gemeinschaften und andere Interessenträger eine aktive und eigenverantwortliche Rolle übernehmen. Durch partizipative Steuerungssysteme muss die Beteiligung der Zivilgesellschaft auf allen Ebenen sichergestellt werden: von der lokalen über die nationale und die europäische Ebene bis hin zur UN-Ebene. Die Nachhaltigkeitsziele setzen voraus, dass Institutionen und Interessenträger auf integrierte Weise über die verschiedenen Sektoren hinweg zusammenarbeiten.

4.6.2.

Mit einem vor kurzem gefassten Beschluss hat die Kommission eine Multi-Stakeholder-Plattform zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele in der EU ins Leben gerufen (19). Der EWSA begrüßt dieses neue Projekt und bietet seine Hilfe an, um die Plattform zum Erfolg zu führen.

4.6.3.

Er ist jedoch enttäuscht, dass die Kommission in ihrer Mitteilung nicht auf den Vorschlag des EWSA zur Schaffung eines Europäischen Forums für nachhaltige Entwicklung in Partnerschaft mit der Europäischen Kommission und seine Empfehlungen zur Gestaltung eines solchen Forums einging (20), die sich auf die Ergebnisse von Präsentationen zu dem vorgeschlagenen Forum im Rahmen von Konferenzen, in Arbeitsgruppen des Rates, in der Kommission sowie von Konsultationen von Interessenträgern stützten, bei denen die Teilnehmer Unterstützung für das Forum bekundeten.

4.7.

Der EWSA begrüßt, dass die Kommission in ihrem Beschluss zur Gründung der Multi-Stakeholder-Plattform die Aufgaben der Plattform hinsichtlich der Weiterverfolgung der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele und des Austauschs bewährter Verfahren erweitert und den Vertretern der Zivilgesellschaft eine beratende Rolle in den Überlegungen zur langfristigen Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele sowie deren Beteiligung an der Überwachung und Überprüfung der Maßnahmenumsetzung zugedacht hat. Außerdem sollte die Plattform die Zusammenarbeit sowie Partnerschaften einer Vielzahl von Akteuren erleichtern. Der EWSA ist überzeugt, dass dieser Form der partizipativen Plattform eine entscheidende Rolle bei einer neuen Art des Regierens in Europa, die durch eine gemeinsame Verantwortung gekennzeichnet ist, zukommen sollte.

Brüssel, den 5. Juli 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  EPSC Strategic Notes, Sustainability Now! A European Vision for Sustainability, 20. Juli 2016; Stellungnahme des EWSA zum Thema Ein Nachhaltigkeitsforum der europäischen Zivilgesellschaft (ABl. C 303 vom 19.8.2016, S. 73); Stellungnahme des EWSA zum Thema Nachhaltige Entwicklung: Bestandsaufnahme der internen und externen politischen Maßnahmen der EU (ABl. C 487 vom 28.12.2016, S. 41).

(2)  C(2017) 2941 final.

(3)  Stellungnahme des EWSA zum Thema Neue Maßnahmen für eine entwicklungsorientierte Governance und Durchführung — Bewertung der europäischen Struktur- und Investitionsfonds und diesbezügliche Empfehlungen (ABl. C 487 vom 28.12.2016, S. 1); siehe auch OECD, Measuring Well-being and Progress: Well-being Research http://www.oecd.org/statistics/measuring-well-being-and-progress.htm.

(4)  Stellungnahme des EWSA zum Thema Ein Nachhaltigkeitsforum der europäischen Zivilgesellschaft (ABl. C 303 vom 19.8.2016, S. 73); Stellungnahme des EWSA zum Thema Nachhaltige Entwicklung: Bestandsaufnahme der internen und externen politischen Maßnahmen der EU (ABl. C 487 vom 28.12.2016, S. 41); Stellungnahme des EWSA zum Thema Die Agenda 2030 — eine der globalen nachhaltigen Entwicklung verpflichtete Europäische Union (ABl. C 34 vom 2.2.2017, S. 58).

(5)  COM(2016) 739 final.

(6)  Stellungnahme des EWSA zum Thema Die Agenda 2030 — eine der globalen nachhaltigen Entwicklung verpflichtete Europäische Union (ABl. C 34 vom 2.2.2017, S. 58).

(7)  COM(2016) 739 final, S. 3.

(8)  „Unsere Wirtschaftsweise muss grundlegend verändert werden“, Rede von Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans auf dem Gipfel der Vereinten Nationen am 27. September 2015.

(9)  ABl. C 487 vom 28.12.2016, S. 41, Ziffer 3.4.

(10)  Entschließung vom 12. Mai 2016, http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P8-TA-2016-0224+0+DOC+XML+V0//DE.

(11)  Gemeinsamer Aufruf der europäischen Organisationen der Zivilgesellschaft und Gewerkschaften an die europäische Führung, 21. März 2017„The Europe we want“ (Das Europa, das wir wollen) https://concordeurope.org/wp-content/uploads/2017/03/EuropeWeWant_Statement_English_201703.pdf?1855fc; Ausführungen von Solidar zu „Our Common Future“ (Unsere gemeinsame Zukunft) http://www.solidar.org/en/news/statement-our-common-european-future.

(12)  ABl. C 487 vom 28.12.2016, S. 41, Ziffer 1.5.

(13)  ABl. C 487 vom 28.12.2016, S. 41, Ziffer 1.7.

(14)  Eurostat, Sustainable Development in the European Union (Nachhaltige Entwicklung in der Europäischen Union), 2016.

(15)  ABl. C 487 vom 28.12.2016, S. 41, Ziffer 4.1.

(16)  ABl. C 487 vom 28.12.2016, S. 41, Ziffer 1.11; (Stellungnahme des EWSA zum Jahreswachstumsbericht 2017, ABl. C 173 vom 31.5.2017, S. 73).

(17)  Stellungnahme des EWSA zum Thema Nachhaltige Entwicklung: Bestandsaufnahme der internen und externen politischen Maßnahmen der EU (ABl. C 487 vom 28.12.2016, S. 41); siehe auch Stellungnahme des EWSA zu dem Grünbuch — Langfristige Finanzierung der europäischen Wirtschaft (ABl. C 327 vom 12.11.2013, S. 11); siehe auch The Green Book, UK government https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/220541/green_book_complete.pdf.

(18)  Siehe unter: Genuine Progress Indicator (GPI — Indikator für den tatsächlichen Fortschritt), Happy Planet Index (HPI — Index des glücklichen Planeten), footprint index (Index des Fußabdrucks) usw.

(19)  C(2017) 2941 final.

(20)  Stellungnahme des EWSA zum Thema Ein Nachhaltigkeitsforum der europäischen Zivilgesellschaft (ABl. C 303 vom 19.8.2016, S. 73).


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