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Document 52014AE0746

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Für ein Wiedererstarken der europäischen Industrie (COM(2014) 14 final)

ABl. C 311 vom 12.9.2014, p. 47–54 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

12.9.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 311/47


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Für ein Wiedererstarken der europäischen Industrie

(COM(2014) 14 final)

2014/C 311/07

Berichterstatterin: Ulla SIRKEINEN

Die Europäische Kommission beschloss am 28. Januar 2014, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Für ein Wiedererstarken der europäischen Industrie

COM(2014) 14 final.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 31. März 2014 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 498. Plenartagung am 29./30. April 2014 (Sitzung vom 29. April) mit 139 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 2 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt die Mitteilung zum Wiedererstarken der Industrie mit folgenden Kernaussagen:

Die Herausforderungen, vor denen die europäische Industrie steht, nehmen nicht ab. Ohne eine wettbewerbsfähige Industriestruktur wird es Europa nicht gelingen, Wachstum und mehr Beschäftigung zu sichern.

Stärkere Vorschläge für die Industriepolitik der EU sind notwendig, um die Wirtschaft zu Investitionen in Europa zu veranlassen.

Eine inklusive und grüne Wirtschaft wird eine der vorrangigen Herausforderungen der nächsten Jahre sein.

Die wichtigste Rolle der EU in der Industriepolitik besteht darin, die verschiedenen Politikbereiche zu integrieren und entsprechend bewährte Verfahren zu verbreiten.

Die wichtigste Aufgabe der Mitgliedstaaten ist die Gewährleistung des reibungslosen und effizienten Funktionierens der Infrastruktur in den Bereichen Wissen, Information, Verkehr und Energie zum Nutzen aller.

Aus der Mitteilung geht hervor, dass noch viel Begonnenes zu Ende geführt werden muss. Die Kommission unterstreicht die Notwendigkeit der Umsetzung auf Ebene der EU und der Mitgliedstaaten.

Ein wichtiges Anliegen der Kommission ist die Einbindung der europäischen Industrieunternehmen in internationale Wertschöpfungsketten.

1.2

Der EWSA empfiehlt allen Beteiligten, die in der Mitteilung dargelegten Standpunkte und Vorschläge zu unterstützen und zügig umzusetzen.

1.3

Darüber hinaus spricht er folgende Empfehlungen aus:

Das Ziel, den Beitrag der Industrie zum BIP bis 2020 auf 20 % zu steigern, sollte durch qualitative Aspekte ergänzt werden, insbesondere damit Wertsteigerungsleistungen auf internationaler Ebene erfasst werden können.

Neben der Absicht einer Ökologisierung der europäischen Industrie sollte eine dynamische Ausrichtung auf zunehmend wettbewerbsfähige, neue technologie- und wissensbasierte Industrie- und Dienstleistungssektoren mit höherer Wertschöpfung aufgenommen werden.

Ein wichtiges Ziel der europäischen Industriepolitik sollte darin bestehen, europäische Unternehmen in ihrem Streben nach Schlüsselpositionen in internationalen Wertnetzen zu unterstützen und eine möglichst große Wertschöpfung für Europa zu erreichen.

Die Rolle der Dienstleistungen verdient mehr Aufmerksamkeit, entsprechende Maßnahmen sollten konzipiert werden; insbesondere geht es dabei um wissensbasierte Dienste als eigenständiger Zweig und aufgrund ihres produktivitätssteigernden Potenzials in allen Wirtschaftszweigen.

Um einen gesunden Wettbewerb als Anreiz für Innovationen sicherzustellen, sollten die Wettbewerbs- und Beihilfepolitik der EU die Unternehmen darin unterstützen, die Wachstumsziele der EU, insbesondere die Rückverlagerung von Arbeitsplätzen, voranzutreiben, ohne dass der Wettbewerb verzerrt wird; darüber hinaus sollte weltweit Chancengleichheit angestrebt werden.

Alle Akteure einschließlich Arbeitnehmern und Arbeitgebern sollten in die Schaffung eines günstigen und vorhersagbaren Umfelds für die Industrie einbezogen werden, mit regional verankerten Initiativen.

Die Lenkungsstrukturen für die mikroökonomischen Maßnahmen der EU müssen gestärkt werden. Dabei sollte der Europäische Rat eine klare Führungsrolle übernehmen, der Rat „Wettbewerbsfähigkeit“ die Beschlüsse anderer Ratsformationen einer sorgfältigen Prüfung nach Wettbewerbskriterien unterziehen und die Kommission für die effiziente Berücksichtigung der Maßnahmenvorschläge sorgen.

Die EU-Finanzierung für Innovation sollte konsequent in die sechs von der Kommission genannten Querschnittsbereiche geleitet werden, wobei die Herausforderungen neuer Technologien wie Big Data, Robotik und 3D-Druck zu berücksichtigen sind.

Die Energiepreise in Europa sollten mit allen vertretbaren Maßnahmen gesenkt werden.

2.   Einleitung

2.1

Die Wirtschaftskrise hat die Bedeutung der Industrie für wirtschaftliche Stabilität, Beschäftigung, Innovation und die Leistungsfähigkeit der europäischen Volkswirtschaften im internationalen Vergleich deutlich gemacht. Auf die Industrie entfallen über 80 % der EU-Ausfuhren und 80 % der privaten Forschungs- und Innovationstätigkeit. Sie stellt etwa 15 % der Arbeitsplätze in der EU, wobei jeder Arbeitsplatz in der Industrie 1,5-2 weitere Arbeitsplätze in anderen Sparten schafft. Die Industrie bietet heutzutage Arbeitsplätze für Hochqualifizierte zu Löhnen, die über dem Durchschnitt liegen. Industrie ist kein Selbstzweck, sondern ein Motor für Beschäftigung und zur Aufrechterhaltung eines guten Lebensstandards.

2.2

Die Industrie der EU erwirtschaftet noch immer erhebliche Überschüsse im Welthandel mit Industrieerzeugnissen und ist in Sachen Nachhaltigkeit weltweit führend. Allerdings verzeichnet der Europäische Bericht über die Wettbewerbsfähigkeit 2013 einen rückläufigen Anteil der europäischen Industrie an der weltweiten Produktion im verarbeitenden Gewerbe in den letzten zehn Jahren. Der Abstand zu den Produktivitätsraten der USA hat wieder zugenommen. Nach einer gewissen Erholung im Zeitraum 2009-2011 ist der Beitrag der Industrie zum BIP der EU erneut gefallen und blieb mit nur 15,1 % weit hinter der Zielvorgabe von 20 % für 2020 zurück. Seit 2008 sind 3,5 Millionen Arbeitsplätze weggefallen. Allerdings ist das Bild von Land zu Land uneinheitlich.

2.3

Die Industriepolitik ist immerhin eine der Leitinitiativen der Europa-2020-Strategie. Der EWSA hat 2010 und 2012 Stellungnahmen  (1) zu den wichtigsten Vorschlägen der Kommission abgegeben und eine Reihe weiterer Stellungnahmen zu verschiedenen Aspekten der Industriepolitik erarbeitet, darunter branchenbezogene Analysen als Teil der Arbeit der CCMI (Beratende Kommission für den industriellen Wandel) (2), kürzlich auch zur Rückverlagerung von Industrien und zur Jugendbeschäftigung. Diese Stellungnahme baut auf den früheren auf und ergänzt sie.

2.4

Die Mitteilung der Kommission enthält die wesentlichen industriepolitischen Prioritäten der Kommission als Beitrag zu der Debatte des Europäischen Rates über Industriepolitik im März 2014. Die Kommission gibt einen Überblick über bereits durchgeführte Maßnahmen und schlägt neue Maßnahmen vor, mit denen diese Prioritäten rascher verwirklicht werden sollen. Aus der Mitteilung wird deutlich, dass die Industriepolitik und die anderen EU-Strategien immer mehr ineinandergreifen und warum dieser Prozess fortgesetzt werden muss.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Der EWSA begrüßt die Mitteilung der Kommission vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise und der zunehmenden Besorgnis um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie. Die Herausforderungen, vor der die Industrie steht, nehmen nicht ab, sondern zu. Unsere Unternehmen müssen in der Lage sein, mit dem immer weiter zunehmenden Tempo der ständigen Veränderungen im weltweiten Unternehmensumfeld Schritt zu halten. Ohne eine wettbewerbsfähige Industrie wird Europa es nicht schaffen, ein stärkeres Wachstum und mehr Arbeitsplätze zu sichern. Ebenso wenig aussichtsreich ist auf lange Sicht ein Ansatz, der allein auf die Funktionen von Entwurf und Ingenieurleistungen abzielt, aber die Produktion und den Kontakt zum Endverbraucher außer Acht lässt.

3.2

Angesichts der ernsten Lage hätte der EWSA erwartet, die EU-Industriepolitik mit stärkeren Vorschlägen und einer klaren Vision auszustatten, die sich in dringlichen Maßnahmen manifestieren. Es bedarf deutlicher Signale, um Unternehmen davon zu überzeugen, dass Europa in Zukunft ein attraktiver Standort für neue Investitionen sein wird. Die Mitteilung enthält im Vergleich zu den Mitteilungen von 2010 und 2012 kaum neue Aspekte. Sie ist vor allem eine Bestandsaufnahme bereits durchgeführter oder geplanter Maßnahmen in den genannten vorrangigen Bereichen der Industriepolitik. Demnach muss noch viel Begonnenes zu Ende geführt werden. Die Kommission unterstreicht die Notwendigkeit der Umsetzung sowohl auf Ebene der EU als auch der Mitgliedstaaten.

3.3

Der EWSA befürwortet die Schlussfolgerungen der Mitteilung einschließlich der Zielsetzung eines Anteils der Industrie am BIP von 20 % im Jahr 2020, wenn auch nicht bedingungslos: Es handelt sich um eine rein quantitative Zielvorgabe, obwohl es dem Streben der EU nach sozial und ökologisch nachhaltiger Wettbewerbsfähigkeit eher entsprechen würde, qualitative Aspekte hinzuzufügen. Die Zielsetzung von 20 % sollte von anderen Zielen flankiert werden; der EWSA ruft die Kommission auf, diese weiter zu prüfen und dabei insbesondere solche Faktoren zu berücksichtigen, von denen ein Wertzuwachs in einem internationalen Kontext zu erwarten ist.

3.4

Der EWSA begrüßt insbesondere die deutliche Aussage der Kommission zur Bedeutung der Einbindung europäischer Industrieunternehmen in internationale Wertschöpfungsketten. Angesichts der heutigen hohen Spezialisierung, der enormen Komplexität und der Dynamik industrieller Tätigkeiten wären diese noch treffender als „Wertnetze“ zu beschreiben. Die Unternehmen konkurrieren weltweit um Schlüsselpositionen in solchen Netzen. Ziel der europäischen Industriepolitik sollte es sein, die Chancen europäischer Unternehmen zur Erreichung solcher Schlüsselpositionen zu verbessern und eine möglichst hohe Wertschöpfung für Europa zu erreichen. Maßnahmen und Wegmarken müssen darauf ausgerichtet sein.

3.5

Nach Auffassung des EWSA besteht die vorrangige Herausforderung der nächsten Jahre in einer grünen und inklusiven Wirtschaft. Die europäische Industrie muss dringend umweltschonender werden („Greening“); mit Hilfe einer erneuerten Industriepolitik muss der Übergang zu einer kohlenstoffarmen und ressourcenschonenden Wirtschaft eingeleitet werden, die bis 2050 zu verwirklichen ist. Allerdings braucht Europa, damit dies gelingt, eine Hinwendung zu mehr wissensbasierten und neuen innovativen technologiebasierten, wettbewerbsfähigen und nachhaltigen Industrie- und Dienstleistungsbereichen mit größerer Wertschöpfung, zu deren Finanzierung ein ambitionierter Investitionsplan erforderlich ist, um das industrielle Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen zu gewährleisten.

3.6

Die Erfüllung offener Bedürfnisse der Gesellschaft bildet zusammen mit Wettbewerb eine Triebfeder für Innovation; alle Unternehmen im Binnenmarkt, ungeachtet ihres Geschäftsmodells, sollten unter gleichen Wettbewerbsbedingungen operieren. Nach Ansicht des EWSA ist bei der Gewährung staatlicher Beihilfen jede Konkurrenz unter den Mitgliedstaaten zu vermeiden. Als eines der Ziele der Politik staatlicher Beihilfen sollte vorwettbewerbliche Hilfe für Unternehmen vorgesehen werden, die die Wachstumsziele der EU voranbringen, wobei Wettbewerbsverzerrungen begrenzt werden müssen. Dort, wo es staatliche Beihilfen gibt, sollten sie auf die Unterstützung von Unternehmen bei ihrer Entwicklung und Anpassung ausgerichtet sein, nicht aber auf die Stützung von Tätigkeiten, die dauerhaft nicht wettbewerbsfähig sind. Auch auf den globalen Märkten muss für Chancengleichheit gesorgt werden, insbesondere für energieintensive Branchen.

3.7

Die Rolle der Dienstleistungen verdient stärkere Beachtung. Die wechselseitige Abhängigkeit von Dienstleistungen und Verarbeitungsindustrie ist weithin anerkannt, da industrielle Tätigkeiten eine zunehmende Zahl von Dienstleistungselementen enthalten und viele Dienstleistungen von der Leistungsfähigkeit der Industrie abhängen. Dabei liegt auch ein enormes Potenzial in wissensbasierten und IKT-Dienstleistungen als eigenständigen Exportindustrien sowie ihrer Anwendung in allen Geschäftszweigen als Triebfedern der Produktivität. Dieses Potenzial sollte mit gezielten Maßnahmen nutzbar gemacht werden.

3.8

Alle Beteiligten — EU-Institutionen, Mitgliedstaaten, Regionen, Arbeitnehmer, Arbeitgeber und andere Interessenträger — sollten in die komplexe Aufgabe der Schaffung eines günstigeren Umfelds für die Industrie einbezogen werden. Initiativen sollten auf regionalen Stärken aufbauen, die einander ergänzen und fruchtbar zusammenwirken. Hierzu bedarf es eines stabilen und vorhersagbaren Rechtsrahmens, zu dem auch einzelstaatliche Rechtsvorschriften zum Beispiel im Steuerrecht gehören.

3.9

Der EWSA fordert stärkere Lenkungsstrukturen für mikroökonomische Maßnahmen. Dabei sollte der Europäische Rat eine klare strategische Führungsrolle übernehmen. Der Rat „Wettbewerbsfähigkeit“ sollte gestärkt werden und industriepolitische Beschlüsse anderer Ratsformationen einer sorgfältigen Prüfung nach Wettbewerbskriterien unterziehen. Die Kommission sollte die Verzahnung ihrer Arbeit durch effiziente Managementlösungen sicherstellen. Die Mitgliedstaaten müssen gemeinsame Beschlüsse konsequent umsetzen, und industriepolitische Themen müssen vollständig in das Europäische Semester integriert werden, auch in die länderspezifischen Empfehlungen.

4.   Bemerkungen zu einzelnen Politikbereichen

4.1   Ein integrierter europäischer Binnenmarkt

4.1.1

Dem Staat kommt in erster Linie die Aufgabe zu, den Zugang aller zu leistungsfähigen Verkehrs-, Informations- und Energienetzen zu sichern, die den sich wandelnden Erfordernissen der Gesellschaft entsprechen, und auch denen der Unternehmen. Gerade jetzt sind nach Ansicht der Kommission mit Weltraumtechnologie verbundene Infrastrukturen, die Konvergenz von Informations- und Energienetzen und der Vertrieb alternativer Kraftstoffe gefragt.

4.1.2

Der Betrieb von und der Zugang zu Infrastruktureinrichtungen darf an den Binnengrenzen der EU nicht Halt machen. Noch bestehende rechtliche, administrative und technische Hemmnisse müssen beseitigt werden. Finanzierungsquellen der EU und der Mitgliedstaaten sollten für notwendige Investitionen in diesem Bereich eingesetzt werden, um eine möglichst große Privatfinanzierung mit anzuschieben.

4.1.3

Der EWSA teilt die Auffassung der Kommission, dass ausstehende Legislativvorschläge zum Binnenmarkt dringend angenommen werden müssen. Die Um- und Durchsetzung des Rechtsrahmens durch die Mitgliedstaaten verläuft immer noch schleppend, sodass der Kommission die Aufgabe zukommt, mit vertretbaren Maßnahmen gegen Verstöße vorzugehen.

4.2   Investitionen in Innovation und neue Technologien

4.2.1

Der EWSA hat in früheren Stellungnahmen zur Industriepolitik seinen Standpunkt zu Initiativen der EU bezüglich Innovation und neuen Technologien dargelegt. In den meisten Fällen hat er die Initiativen nachdrücklich begrüßt und die Notwendigkeit einer ausreichenden Finanzierung durch die EU, die Mitgliedstaaten und aus privaten Quellen unterstrichen:

4.2.2

Der EWSA begrüßt insbesondere die Auswahl der sechs Querschnittsbereiche von strategischer Bedeutung und die Maßnahmen zu den fortschrittlichen Herstellungstechnologien in diesen Bereichen: Schlüsseltechnologien, biobasierte Produkte, umweltfreundliche Fahrzeuge und Schiffe, nachhaltiges Bauen und nachhaltige Rohstoffe, intelligente Netze und digitale Infrastrukturen. Neue Technologien mit großem Potenzial, die Aufmerksamkeit verdienen, sind zum Beispiel Robotik, Big Data, 3D-Druck, das industrielle Internet und Industriedesign. Finanzmittel der EU, zum Beispiel aus dem Programm Horizont 2020 und der Regionalförderung, sollten konsequent zur Förderung von Innovation in diesen Bereichen eingesetzt werden. Der EWSA fordert auch eine schnellere Verwirklichung der Wissens- und Innovationsgemeinschaft bei der mehrwertorientierten Fertigung.

4.2.3

Die Zeitspanne bis zur Markteinführung von Innovationen ist von überragender Bedeutung für die industrielle Wettbewerbsfähigkeit. Die Stärkung der Fazilität für Risikokapital und andere Regelungen der EIB zur Risikoteilung sowie ein innovativer Einsatz der Strukturfonds sind nur einige der dringend benötigten Maßnahmen der EU zur Gewinnung privater Investoren für risikobehaftete Forschungsprojekte.

4.3   Zugang zu Finanzmitteln

4.3.1

Trotz der allmählichen Verbesserung des Wirtschaftsklimas ist der Zugang der Unternehmen zu Bankkrediten, insbesondere für KMU, immer noch beschränkt. Der EWSA unterstützt daher die Bemühungen der EU in diesem Bereich, so die Gründung der Bankenunion, die KMU-Finanzierungsinitiative, die Eigenkapitalverordnung, die Richtlinie über Märkte für Finanzierungsinstrumente (MiFID), die Überarbeitung der Transparenzrichtlinie sowie die Maßnahmen zur Förderung des gesamteuropäischen Risikokapitalmarkts.

4.3.2

Um die Darlehnskapazität der Banken zu steigern, sollte die EU eine gute Balance zwischen der Stärkung der Finanzstabilität und der Unterstützung des Finanzbedarfs der Unternehmen finden. Darüber hinaus sollten Maßnahmen zur Regulierung des Finanzsektors keine Hindernisse für private Darlehen schaffen.

4.3.3

KMU in der EU sind in höherem Maße von Bankfinanzierung abhängig als in anderen Ländern. Die Anstrengungen auf nationaler und EU-Ebene sollten auf die weitere Diversifizierung der Unternehmensfinanzierung abzielen, indem andere Quellen wie Equity-Fonds, Risikokapital und Unternehmensbürgschaften sowie gemischte Finanzierungsformen einbezogen werden. Es ist ein am Lebenszyklus ausgerichteter Plan für Finanzierungen zu entwickeln, der innovative Instrumente miteinschließt.

4.4   Energie

4.4.1

Der EWSA begrüßt es, dass die Kommission die Bedeutung der Energiepreise für die industrielle Wettbewerbsfähigkeit anerkennt. Die europäischen Energiepreise für die Industrie sind viel höher als die der führenden Mitbewerberländer. Die Strompreise in Europa sind doppelt so hoch wie in den USA und Russland und 20 % höher als in China. Die Gaspreise betragen das Drei- bis Vierfache dessen, was in den USA, Russland oder Indien bezahlt wird, und 12 % mehr als in China.

4.4.2

Die Energiepreisdifferenz zwischen der EU und ihren Mitbewerbern hat ihre Ursache zum Teil in Faktoren, die durch politische Maßnahmen in der EU nicht zu ändern sind. Allerdings sollte jede vertretbare Maßnahme zu ihrer Verringerung ergriffen werden, damit auch energieintensive Produktionsbereiche und Arbeitsplätze nach Europa zurückgeholt werden können. Bisher ist es den EU-Industrieunternehmen gelungen, die zunehmenden Energiekosten durch Effizienzsteigerungen teilweise aufzufangen, doch gibt es hierfür immer weniger Spielraum.

4.4.3

Die Sicherheit der Energieversorgung ist für alle Industriezweige lebenswichtig. Gerade jetzt wird uns die Notwendigkeit eindringlich vor Augen geführt, unsere Abhängigkeit von Energie aus instabilen und unzuverlässigen Quellen zu verringern. Ein diversifizierter Energiemix, den gemeinsam handelnde Mitgliedstaaten im Einklang mit ihren Umweltvorgaben beschließen, ist von großem gemeinsamem Interesse für die EU.

4.4.4

Mit einigen energiepolitischen Maßnahmen, insbesondere zur Förderung des Einsatzes erneuerbarer Energiequellen, sollten außerdem neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Dieses Ziel scheint nach bisherigem Kenntnisstand nicht erreicht worden zu sein. Entsprechende Studien lassen netto gar keine oder nur geringe Beschäftigungszuwächse erkennen, wobei sich gleichzeitig die Struktur der Arbeitsplätze drastisch verändert.

4.5   Rohstoffe und Ressourceneffizienz

4.5.1

Der EWSA unterstützt die Absichten der Kommission bezüglich der Rohstoffdiplomatie und ihre geplanten Maßnahmen gegen Preisverzerrungen bei den Produktionsfaktoren.

4.5.2

Die Erkundung und Nutzung von Rohstoffen innerhalb der EU sollten ausgebaut und die entsprechenden Vorschriften harmonisiert werden. Rechtsetzungsvorschläge zu Ressourceneffizienz und Abfallwirtschaft sollten sorgfältig konzipiert werden, damit optimale Ergebnisse erzielt werden, ohne (kurzfristig) zu einer übermäßigen Kostenlast für Unternehmen zu führen. Beim Zugang zu Biomasse sind zur Sicherstellung einer effizienten Kaskadennutzung politisch neutrale Maßnahmen gefragt.

4.6   Verbesserung von Qualifikationen und Erleichterung des industriellen Wandels

4.6.1

Derzeit sind in Europa fünf Millionen junge Leute arbeitslos, während gleichzeitig zwei Millionen Stellen unbesetzt sind. Das Missverhältnis zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage sowie Ausbildungsthemen stehen ganz oben auf der Tagesordnung der Industriepolitik.

4.6.2

Die Anzahl und der Ausbildungsstand von Absolventen aller Bildungsgänge der Fachrichtungen Wissenschaft, Technik, Ingenieurwesen und Mathematik müssen erhöht sowie der Zugang zu diesen Bereichen und Berufen für Frauen aller Altersstufen intensiv gefördert werden.

4.6.3

Die Lehrlingsausbildung und beispielsweise duale Ausbildungssysteme tragen eindeutig dazu bei, die Qualifikationen an den tatsächlichen Erfordernissen des Arbeitsmarktes auszurichten. Die Mitgliedstaaten und Sozialpartner sollten bewährte Verfahren ausloten und auch anwenden; hierzu gehören auch effiziente Modelle grenzüberschreitender beruflicher Bildung.

4.6.4

Die EU, die Mitgliedstaaten und die Sozialpartner können der Industrie nur dann Fortschritt in neuen Technologien und Innovationen bringen, wenn sie Maßnahmen auf den Weg bringen, die auf die Verbesserung der Kenntnisse der Arbeitnehmer und auf die Entwicklung des lebenslangen Lernens ausgerichtet sind und mit denen deren Einsatz honoriert wird. Die Anerkennung von Fachkompetenzen und Qualifikationen und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen sind grundlegend für die Partizipation der Arbeitnehmer. Einem verstärkten sozialen Dialog sollte beim Wiedererstarken der europäischen Industrie ein hoher Stellenwert zukommen.

4.7   KMU und Unternehmergeist

4.7.1

Der EWSA unterstützt weiterhin nachdrücklich die Anstrengungen der EU zur Unterstützung der KMU einschließlich der Vielzahl von Geschäftsmodellen, um die Losung „Vorfahrt für KMU“ Wirklichkeit werden zu lassen. Der Small Business Act bedarf nicht nur der Aktualisierung, sondern einer Erneuerung und Erweiterung, damit die noch bestehenden Hindernisse für Entwicklung und Wachstum angegangen werden können. Diese Reformen sollten an das Europäische Semester gebunden werden.

4.7.2

Die tiefgreifende und weitreichende „große Preisfrage“ lautet nun: Wie kann man die europäischen Denkmuster zugunsten von Unternehmergeist und Risikobereitschaft ändern?

4.7.3

Nach Ansicht des EWSA dürfen Maßnahmen zur Senkung der regulierungsbedingten und administrativen Kosten, insbesondere im Rahmen des REFIT-Programms, sowie zum Abbau von Hindernissen für das Wachstum von Unternehmen nur umgesetzt werden, soweit sie die Regelungen über den Verbraucher- und Umweltschutz, über die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer und über deren Unterrichtung und Anhörung nicht beeinträchtigen; darüber hinaus sind die im Rahmen des sozialen Dialogs getroffenen Vereinbarungen zu wahren.

4.7.4

Kooperationsnetze und Cluster könnten, wie die Kommission anmerkt, Wachstumspotenzial für KMU bieten. Der Ansatz sollte alle Wirtschaftszweige und Unternehmensgrößen umfassen und sich sowohl auf europäische als auch auf internationale Wertschöpfungsketten beziehen.

4.8   Internationalisierung von EU-Unternehmen

4.8.1

Der EWSA unterstützt die Maßnahmen der Kommission zur Sicherung des Zugangs zu den großen internationalen Märkten für Unternehmen der EU. Hochgesteckte Ziele wie Freihandelsabkommen und andere Handelsverhandlungen sollten im Geiste der Gegenseitigkeit konsequent verfolgt werden, insbesondere mit den USA als größtem Handelspartner der EU, aber auch zwischen der EU und den Ländern im südlichen Mittelmeerraum sowie den Ländern der Östlichen Partnerschaft.

4.8.2

Bilaterale und multilaterale Instrumente sollten genutzt werden, um die wichtigsten Handelspartner der EU zur Einhaltung ihrer internationalen Verpflichtungen zu veranlassen.

4.8.3

Durch die erheblichen Unterschiede bei den Industrienormen in den verschiedenen Wirtschaftsregionen entstehen Handelshemmnisse und allgemein Störungen der Chancengleichheit. Solange die grundlegenden Anforderungen von Gesundheit, Sicherheit, Umweltschutz und Verbraucherschutz gemäß Artikel 114 AEUV erfüllt werden, unterstützt der EWSA die Umsetzung internationaler Standards und Zusammenarbeit in Regulierungsfragen sowie Maßnahmen (auch Marktaufsicht) zum Schutz des gewerblichen Eigentums von Unternehmen der EU. Zu diesem Aspekt hätte die Kommission in ihrer Mitteilung konkretere Maßnahmen benennen können.

Brüssel, den 29. April 2014.

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  ABl. C 327 vom 12.11.2013, S. 33; ABl. C 327 vom 12.11.2013, S. 1; ABl. C 181 vom 21.6.2012, S. 125.

(2)  ABl. C 198 vom 10.7.2013, S. 45; ABl. C 299 vom 4.10.2012, S. 54; ABl. C 327 vom 12.11.2013, S. 82.


ANHANG

zu der stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Folgender abgelehnter Änderungsantrag erhielt mindestens ein Viertel der Stimmen (Artikel 39 Absatz 2 der Geschäftsordnung):

Ziffer 3.5

Ändern:

 

„Auffassung des EWSA besteht die vorrangige Herausforderung der nächsten Jahre in einer wettbewerbsfähigen grünen und inklusiven Wirtschaft. Die europäische Industrie muss dringend umweltschonender werden („Greening“); mit Hilfe einer erneuerten Industriepolitik muss der Übergang zu einer kohlenstoffarmen und ressourcenschonenden Wirtschaft eingeleitet werden, die bis 2050 zu verwirklichen ist. Allerdings braucht Europa, damit dies gelingt, eine Hinwendung zu mehr wissensbasierten und neuen innovativen technologiebasierten, wettbewerbsfähigen und nachhaltigen Industrie- und Dienstleistungsbereichen mit größerer Wertschöpfung, zu deren Finanzierung ein ambitionierter Investitionsplan erforderlich ist, um das industrielle Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen zu gewährleisten. Diese ehrgeizigen Zielsetzungen erfordern vor allem gute Rahmenbedingungen für Investitionen.“

Begründung

1)

Wenn die Wirtschaft nicht wettbewerbsfähig ist, wird sie weder in ökologischer noch in anderer Hinsicht nachhaltig sein. Wenn die Wirtschaft genügend Mittel erzeugen soll, um eine wohlhabende, inklusive und grüne Gesellschaft zu tragen, muss sie auf den Weltmärkten konkurrieren können.

2)

Stilistische Änderung.

3)

Die Umorientierung unserer produktiven Wirtschaftszweige auf Segmente mit größerer Wertschöpfung etc. ist nicht nur für die Ökologisierung wichtig, sondern für die Sicherung der Zukunftsfähigkeit Europas auch in anderer Hinsicht notwendig.

4)

Industriepolitik ist nicht gleichzusetzen mit staatlichen Investitionsprogrammen. Vielmehr sollte sie ein Bündel von Maßnahmen sein, durch die ein Geschäftsklima entsteht, das private Investitionen unter Marktbedingungen anzieht. Die Erfahrung, auch aus meinem Heimatland in den 1970er Jahren, zeigt, dass umfangreiche öffentliche Investitionsprogramme und Konzepte zur Begünstigung erfolgreicher Industriebereiche den Steuerzahler meistens teuer zu stehen kommen, ohne langfristig etwas einzubringen.

Abstimmungsergebnis

Ja-Stimmen

:

41

Nein-Stimmen

:

81

Enthaltungen

:

11


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