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Document 52023DC0600

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DIE EUROPÄISCHE ZENTRALBANK, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS, DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN UND DIE EUROPÄISCHE INVESTITIONSBANK Europäisches Semester 2023 - Frühjahrspaket

COM/2023/600 final

Brüssel, den 24.5.2023

COM(2023) 600 final

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DIE EUROPÄISCHE ZENTRALBANK, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS, DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN UND DIE EUROPÄISCHE INVESTITIONSBANK

Europäisches Semester 2023 - Frühjahrspaket

{SWD(2023) 628 final} - {SWD(2023) 629 final} - {SWD(2023) 630 final} - {SWD(2023) 631 final} - {SWD(2023) 632 final} - {SWD(2023) 633 final} - {SWD(2023) 634 final} - {SWD(2023) 635 final} - {SWD(2023) 636 final} - {SWD(2023) 637 final} - {SWD(2023) 638 final} - {SWD(2023) 639 final} - {SWD(2023) 640 final} - {SWD(2023) 641 final} - {SWD(2023) 642 final} - {SWD(2023) 643 final} - {SWD(2023) 644 final}


1. EINLEITUNG

Die EU-Wirtschaft hat sich in einem schwierigen, von Russlands grundloser Invasion der Ukraine geprägtem Umfeld weiterhin als bemerkenswert widerstandsfähig erwiesen. Die EU hat ihre Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Russland erfolgreich verringert, und sie konnte die negativen Auswirkungen auf die Wirtschaftstätigkeit in Grenzen halten und in einer besseren Ausgangslage als erwartet in das Jahr 2023 gehen. Das BIP-Wachstum dürfte sich nach der Stagnation Ende 2022 im Laufe des Jahres 2023 verstärken – dank deutlich niedrigerer Großhandelspreise für Gas und eines anhaltend widerstandsfähigen Arbeitsmarktes. Dennoch beeinträchtigt die hohe Inflation weiterhin die Kaufkraft der Haushalte – dies gilt insbesondere für schwächer aufgestellte Gruppen. Hierdurch steigt das Armutsrisiko, und die Wettbewerbsfähigkeit Europas wird beeinträchtigt, zumal die Energiepreise nach wie vor deutlich höher sind als in der übrigen Welt. Zudem verdeutlicht das durch zunehmenden Protektionismus und geostrategischen Wettbewerb gekennzeichnete externe Umfeld, wie wichtig es ist, die Wettbewerbsfähigkeit und die offene strategische Autonomie der EU-Wirtschaft zu wahren. Durch die stetige Umsetzung der Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) werden umfangreiche Reformen und Investitionen in einer Vielzahl von Politikbereichen angestoßen. Die ARF unterstützt das Wirtschaftswachstum und wird die Resilienz der Mitgliedstaaten stärken.

Die Aufrechterhaltung der Reform- und Investitionsdynamik ist von entscheidender Bedeutung, um langfristig Wohlstand, Wettbewerbsfähigkeit, Gerechtigkeit und Resilienz in der EU sicherzustellen. Das Europäische Semester, das durch die ARF und andere Finanzierungsinstrumente der EU, beispielsweise die kohäsionspolitischen Programme und das Programm „InvestEU“, unterstützt wird, steht – wie im Industrieplan der EU für den Grünen Deal 1 und in der langfristigen Strategie für Wettbewerbsfähigkeit dargelegt – im Zentrum der EU-Strategie für eine zukunftssichere Wirtschaft und Beschäftigung 2 . Insbesondere sollten die Mitgliedstaaten weitere Fortschritte bei der Dekarbonisierung ihrer Volkswirtschaften erzielen, dem Arbeits- und Fachkräftemangel sowie dem Missverhältnis zwischen Qualifikationsangebot und ‑nachfrage entgegenwirken, die Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze unterstützen, Chancengleichheit fördern, Digitalisierung, Forschung und Innovation vorantreiben, den Verwaltungs- und Regelungsaufwand verringern, Verwaltungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen und vereinfachen, angemessene Rahmenbedingungen für Investitionen auf nationaler und subnationaler Ebene schaffen und ihre öffentlichen Verwaltungen modernisieren. Das Europäische Semester bildet nach wie vor den Rahmen für die diesbezügliche politische Koordinierung, es dient als komplementäres Instrument, um die Durchführung der ARF und der kohäsionspolitischen Programme zu steuern und zu überwachen, und trägt zur Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte und der Kernziele der EU für 2030 in den Bereichen Beschäftigung, Kompetenzen und Armutsbekämpfung bei. In den heute von der Kommission veröffentlichten Länderberichten 2023 3 wird eine Bestandsaufnahme der Herausforderungen – u. a. im Zusammenhang mit dem grünen und digitalen Wandel, der sozialen und wirtschaftlichen Resilienz und der Wettbewerbsfähigkeit – in jedem Mitgliedstaat vorgenommen, und es wird analysiert, inwieweit diese Herausforderungen in den nationalen Aufbau- und Resilienzplänen (ARP) der Mitgliedstaaten angegangen werden. Die laufenden Überarbeitungen der ARP und die Aufnahme von RePowerEU 4 -Kapiteln mit zusätzlichen Mitteln in Form von Finanzhilfen und Darlehen bieten eine weitere Gelegenheit, die Bewältigung dieser Herausforderungen wirksam voranzutreiben, insbesondere im Hinblick auf die Umsetzung des Industrieplans für den Grünen Deal und des REPowerEU-Plans.

Aufbauend auf der Analyse in den Länderberichten gibt die Kommission den Mitgliedstaaten in ihren Vorschlägen für die länderspezifischen Empfehlungen 2023 5 Leitlinien für die Bewältigung der größten wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen an die Hand, die nicht oder nur teilweise Gegenstand der ARP sind. Im Zentrum dieser Leitlinien stehen weiterhin die vier Dimensionen der wettbewerbsfähigen Nachhaltigkeit der EU: ökologische Nachhaltigkeit, Produktivität, Fairness und makroökonomische Stabilität 6 . In den vorgeschlagenen Empfehlungen wird betont, dass 2023-2024 eine dem Vorsichtsgebot entsprechende Finanzpolitik gewährleistet werden sollte, insbesondere durch eine schrittweise Beendigung der derzeit angewandten weniger zielgerichteten Entlastungsmaßnahmen im Energiebereich sowie einen mittelfristigen Schuldenabbau. In den Empfehlungen werden die Mitgliedstaaten ferner aufgefordert, die Umsetzung ihrer ARP mit Blick auf die 2026 endende Frist stetig fortzusetzen bzw. in mehreren Fällen zu beschleunigen sowie die kohäsionspolitischen Programme in enger Abstimmung mit den ARP weiter zügig umzusetzen und hierfür u. a. ausreichende Verwaltungskapazitäten bereitzustellen. In den Empfehlungsvorschlägen werden auch die energiebezogenen Reformen und die Investitionsherausforderungen skizziert; dies betrifft auch die Umschulung und Weiterbildung von Arbeitskräften, die die Mitgliedstaaten im Rahmen von REPowerEU und ihrer nationalen Energie- und Klimapläne 7 vorantreiben sollen. Die Länderberichte und der von Eurostat vorgelegte Monitoring-Bericht 2022 zu den Zielen für nachhaltige Entwicklung zeichnen zudem ein aktualisiertes, kohärentes Bild der Fortschritte bei der Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung in den Mitgliedstaaten. Auf EU-Ebene wurden in den letzten Jahren Fortschritte bei verschiedenen Nachhaltigkeitszielen verzeichnet, wobei insbesondere bei der Schaffung von menschenwürdiger Arbeit und Wirtschaftswachstum (Ziel 8) und bei der Armutsbekämpfung (Ziel 1) erhebliche Verbesserungen erzielt wurden. Auch bei Ziel 5 (Geschlechtergleichheit) gab es beträchtliche Fortschritte 8 . Die Länderberichte umfassen zudem das sozialpolitische Scoreboard, das einen umfassenden Überblick über die Situation in den Bereichen Beschäftigung, Gleichstellung und Kompetenzen sowie über die sozialen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte und der Strategien für eine Union der Gleichheit vermittelt.

Der konstruktive Dialog mit den Mitgliedstaaten und der verstärkte interinstitutionelle Dialog auf EU-Ebene werden während des gesamten Prozesses des Europäischen Semesters fortgesetzt. Der enge politische Dialog über die ARP hat es der Kommission und den Mitgliedstaaten ermöglicht, ihre Zusammenarbeit in der Wirtschafts- und Sozialpolitik zu festigen und zu vertiefen. Dies sorgt dafür, dass die politische Agenda auf breiter Basis mitgetragen wird, und diese vertiefte Zusammenarbeit soll auch während der laufenden Umsetzung der ARP und bei den für 2023 erwarteten Änderungen der ARP – auch im Kontext von REPowerEU – fortgesetzt werden. Die in den Länderberichten und den länderspezifischen Empfehlungen behandelten Themen eröffnen eine weitere Gelegenheit, um den Dialog auszuweiten. Darüber hinaus wird die Kommission den engen Dialog mit dem Europäischen Parlament über wichtige gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen fortsetzen und weiter in jeder Schlüsselphase des jährlichen Koordinierungszyklus des Europäischen Semesters mit dem Parlament zusammenarbeiten.

Für eine erfolgreiche Umsetzung des Europäischen Semesters und der ARF-Prioritäten braucht es eine dauerhafte, strukturierte Einbeziehung der Sozialpartner und anderer Interessenträger sowie Sensibilisierungsmaßnahmen sowohl auf EU-Ebene als auch auf nationaler Ebene. Ein kontinuierlicher Austausch über die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen in der EU findet im Rahmen des halbjährlichen makroökonomischen Dialogs auf politischer und technischer Ebene zwischen dem Rat, der Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und den europäischen Sozialpartnern statt. Darüber hinaus trägt die aktive Einbeziehung der Sozialpartner und Interessenträger auf EU-, nationaler bzw. subnationaler Ebene im Rahmen regelmäßiger spezifischer Sitzungen (z. B. jährliche Zusammenkünfte der ARF-Interessenträger) in allen Phasen des Europäischen Semesters und des ARF-Umsetzungsprozesses dazu bei, Herausforderungen gemeinsam zu ermitteln, politische Lösungen zu verbessern, eine stärkere Identifizierung mit der wirtschafts- und sozialpolitischen Agenda zu gewährleisten und die Transparenz in diesem Bereich zu verbessern 9 . Zudem schärfen Kommunikations- und Informationsmaßnahmen das Bewusstsein der Öffentlichkeit für die durch die ARF geleistete Unterstützung und sorgen für mehr Transparenz 10 .

Die Kommission hat am 26. April 2023 Legislativvorschläge für einen reformierten Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung vorgelegt. 11 Die Vorschläge zielen in erster Linie darauf ab, die Tragfähigkeit der öffentlichen Schuldenstände zu verbessern und durch Reformen und Investitionen ein nachhaltiges, inklusives und resilientes Wachstum in allen Mitgliedstaaten zu fördern. Als Eckpfeiler hierfür dienen die in den Vorschlägen vorgesehenen Pläne mit mittelfristigen finanzpolitischen Strukturreformen, die die Mitgliedstaaten konzipieren und vorlegen werden. Geht es nach den Vorschlägen der Kommission, würden die Mitgliedstaaten in ihren Plänen ihre Ausgabenziele, Maßnahmen zur Beseitigung makroökonomischer Ungleichgewichte sowie vorrangige Reformen und Investitionen für einen Zeitraum von mindestens vier Jahren darlegen. Das neue Verfahren der haushaltspolitischen Überwachung wäre weiterhin in das Europäische Semester eingebettet, welches somit der zentrale Rahmen für die wirtschafts- und beschäftigungspolitische Koordinierung bleiben und für Komplementarität zwischen den Plänen mit mittelfristigen finanzpolitischen Strukturreformen und den in den ARP bzw. den kohäsionspolitischen Programmen vorgesehenen Investitionen und Reformen sorgen würde. Jetzt ist es vordringlich, dass das Europäische Parlament und der Rat eine rasche Einigung über die Vorschläge erzielen, und die Kommission unterstützt das Bestreben des Rates, die Arbeit am Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung 2023 abzuschließen.

2. WIRTSCHAFTS- UND BESCHÄFTIGUNGSAUSSICHTEN

Da die Leistung der EU-Wirtschaft Anfang 2023 besser ausfiel als erwartet und die Energiepreise zurückgegangen sind, haben sich die Wachstumsaussichten für das laufende und das nächste Jahr verbessert. Zudem haben die gemeinsamen Anstrengungen zur Diversifizierung der Energieversorgung, zum Füllen von Gasspeichern und zur Verringerung der Energienachfrage in Verbindung mit milden Witterungsverhältnissen die sozioökonomischen Auswirkungen dieser Spannungen abgefedert. Mit Blick auf die Zukunft ist zu erwarten, dass die EU-Wirtschaft durch niedrigere Energiepreise, die Wiederherstellung der Lieferketten und den weiterhin starken Arbeitsmarkt gestützt wird. Auch wenn das Risiko von Engpässen bei der Gasversorgung deutlich zurückgegangen ist, bleibt unklar, wie sich die Gaspreise im nächsten Winter und darüber hinaus entwickeln werden. Insgesamt wird prognostiziert, dass sich die Wirtschaftstätigkeit etwas schneller als ursprünglich erwartet verstärken wird. Das BIP der EU dürfte 2023 um 1,0 % und 2024 um 1,7 % ansteigen.

Die Inflation wird den Projektionen zufolge weiter zurückgehen, doch der Preisdruck bei den wichtigsten Warengruppen dürfte sich als hartnäckig erweisen. Dies werden die Unternehmen zu spüren bekommen, und die Kaufkraft der privaten Haushalte wird untergraben. Die Gesamtinflation in der EU erreichte im Oktober 2022 mit 11,5 % ihren Höchststand, wobei die Unterschiede bei den Inflationsraten innerhalb der EU und zwischen den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets so groß waren wie noch nie. Dadurch, dass sich die heimische Wirtschaft an die höheren Betriebsmittelpreise angepasst hat, hat sich allerdings der Preisdruck nach und nach ausgeweitet. Entsprechend bleibt die Kerninflation, bei der die Preise für Energie und unverarbeitete Nahrungsmittel nicht berücksichtigt werden, weiterhin hoch; sie dürfte jedoch im ersten Quartal 2023 ihren Höchststand erreicht haben und in den kommenden Quartalen allmählich zurückgehen. Auch die Nahrungsmittelpreise zogen im ersten Quartal 2023 weiter an, dürften aber aufgrund einer Abschwächung der Preise für landwirtschaftliche Rohstoffe im Laufe des Jahres 2023 ihren Höchststand erreichen. Als Reaktion auf die hohe Inflation haben sich die monetären Bedingungen verschärft, und dieser Trend dürfte sich fortsetzen. Infolgedessen sind die Finanzierungskosten der Banken gestiegen, und die Kreditvergabebedingungen wurden verschärft, wodurch sich der Kreditfluss an die Wirtschaft verlangsamt hat. Auch wenn die Inflation 2023 weiter zurückgeht, wird sie deutlich über dem Zielwert liegen und weiter die Kaufkraft der privaten Haushalte schmälern, was insbesondere Gruppen mit niedrigem oder niedrigem mittlerem Einkommen sowie Unternehmen zu spüren bekommen werden.

Der Arbeitsmarkt kann sich weiter behaupten, und das Lohnwachstum dürfte anziehen. Im letzten Quartal 2022 erreichte die Beschäftigungsquote 74,8 %, was fast dem historischen Höchststand entspricht. Die Unterauslastung des Arbeitsmarkts 12 und die Arbeitslosigkeit gingen auf Rekordtiefs zurück. Trotz eines leichten Rückgangs in der zweiten Jahreshälfte 2022 liegt die Quote der unbesetzten Stellen in der Gesamtwirtschaft über dem Durchschnitt der Jahre 2010-2019, und bei einer wachsenden Zahl von Unternehmen wird die Produktion durch den Arbeitskräftemangel gebremst 13 . Der Nominallohn pro Arbeitnehmer in der EU wuchs 2022 im Vergleich zu 2021 um 4,9 %. Diese Zunahme liegt jedoch nach wie vor deutlich unter der Inflation, wobei zwischen den Wirtschaftszweigen und den Mitgliedstaaten sehr große Unterschiede bestehen. Infolgedessen gingen die Reallöhne in der EU im Jahr 2022 um mehr als 4 % zurück, was bei den Arbeitnehmern zu einem erheblichen Kaufkraftverlust führte. Die jüngsten Anhebungen der gesetzlichen Mindestlöhne in einer Reihe von Mitgliedstaaten sowie höhere Tariflöhne tragen zur Abmilderung der im Jahr 2022 erlittenen Kaufkraftverluste bei. Im Jahr 2024 dürfte der Arbeitsmarkt robust bleiben, und das Lohnwachstum dürfte anziehen und die Inflation überholen. 

Der EU-Finanzsektor hat sich trotz neuer Herausforderungen als widerstandsfähig erwiesen. Eine starke Regulierung, insbesondere dank der Anwendung internationaler Standards auf alle Banken, eine wirksame Aufsicht und ein solider Rahmen für das Krisenmanagement – eingeführt als Reaktion auf die globale Finanzkrise – sowie Fortschritte bei der Vollendung der Bankenunion und der Weiterentwicklung der Kapitalmarktunion haben das Finanzsystem der EU resilienter gemacht. Die Auswirkungen der jüngsten Marktturbulenzen in den USA und der Schweiz seit März 2023 konnten in der EU in Grenzen gehalten werden. Diese Episode hat jedoch veranschaulicht, wie stark die globalen Finanzmärkte miteinander verflochten sind und wie fragil die Anlegerstimmung ist. Auch hat sich die entscheidende Rolle von Regulierung, Aufsicht und Risikomanagement im Bankensektor in einem schwierigen makrofinanziellen Umfeld bestätigt. Fortwährende geopolitische Unsicherheiten, der anhaltende Inflationsdruck und das allmähliche Durchschlagen einer restriktiveren Geldpolitik haben das Finanzsystem unter Druck gesetzt. Angesichts der sehr hohen Verschuldung in einigen Teilen der Wirtschaft und weltweit bleiben die Risiken weiter hoch.

3. AUFBAU EINER ROBUSTEN UND ZUKUNFTSSICHEREN EU-WIRTSCHAFT – ZENTRALE ZIELE DER LÄNDERSPEZIFISCHEN EMPFEHLUNGEN 2023

Die Wirtschaftspolitik sollte weiter auf die mit der hohen Inflation einhergehenden Risiken ausgerichtet sein, insbesondere mit Blick auf schwächer aufgestellte Haushalte und Unternehmen, und sie sollte langfristige Herausforderungen angehen. Trotz des Rückgangs der Energiepreise wird es einige Zeit dauern, bis der Preisdruck nachlässt. Die Bekämpfung der Inflation wird in nächster Zeit eine der wichtigsten politischen Prioritäten bleiben. Hierfür müssen Geld- und Haushaltspolitik aufeinander abgestimmt sein. In diesem Kontext sollten die haushaltspolitischen Maßnahmen, die als Reaktion auf den Energiepreisschock ergriffen wurden, im Jahr 2023 auslaufen. Falls die Energiepreise wieder steigen und die Unterstützung nicht vollständig eingestellt werden kann, kommt es darauf an, gezielte Maßnahmen zur Unterstützung schwächer aufgestellter Haushalte und Unternehmen zu ergreifen, statt breit angelegte, weniger wirksame Entlastungsmaßnahmen umzusetzen. Der bislang moderate Lohnanstieg hat die Preisinflation nicht weiter angekurbelt, während die Unternehmenserträge gestiegen sind. Dennoch dürften die Nominallöhne weiter steigen, und das Zusammenspiel mit der Preisentwicklung sollte genau beobachtet werden. Die anhaltende Verschärfung der Finanzierungsbedingungen hat auch verdeutlicht, dass es notwendig ist, makrofinanzielle Risiken zu überwachen, die Kapitalmarktunion weiter voranzubringen und die Bankenunion zu vollenden. Über die kurzfristigen Prioritäten hinaus muss die Politik auf Ebene der Mitgliedstaaten und der EU weiter auf die Bewältigung langfristiger Herausforderungen abstellen, einschließlich der Notwendigkeit, die Wettbewerbsfähigkeit, die Produktivität, die Kompetenzen und die Resilienz der EU-Wirtschaft unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklungen zu stärken und im Einklang mit dem Industrieplan für den Grünen Deal rasche Fortschritte beim digitalen und grünen Wandel zu erzielen.

Die ARF spielt bei der Beschleunigung des grünen und des digitalen Wandels und bei der Stärkung der Resilienz der EU gegenüber künftigen Herausforderungen eine Schlüsselrolle und trägt zugleich zur Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte bei. Die Umsetzung der ARF sollte ohne Verzögerungen fortgeführt werden. Die ARF, deren Umsetzung seit mittlerweile zwei Jahren läuft und die großen öffentlichen Rückhalt bei den europäischen Bürgerinnen und Bürgern genießt 14 , hat in beträchtlichem Umfang finanzielle Unterstützung geleistet und zur wirtschaftlichen Erholung der EU nach der COVID-19-Krise sowie zur Stärkung der Resilienz der EU beigetragen. Seit Ende 2022 liegen alle ARP vor, die sämtliche oder einen Großteil der einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen widerspiegeln. Mehrere Mitgliedstaaten erhielten im Rahmen des Instruments für technische Unterstützung Hilfestellung bei der Ausarbeitung und Umsetzung ihrer Pläne. Bislang hat die Kommission im Rahmen der ARF 24 Zahlungsanträge bearbeitet und insgesamt mehr als 152 Mrd. EUR für die erfolgreiche Umsetzung von Reformen und Investitionen ausgezahlt. Mit der Aufnahme der REPowerEU-Kapitel hat sich die ARF auch als flexibel genug erwiesen, um neu aufkommende Herausforderungen, insbesondere im Zusammenhang mit der Energieversorgungssicherheit der EU und dem industriellen Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft, zu bewältigen. Um hieraus einen optimalen Nutzen zu ziehen, müssen die ARP rasch umgesetzt werden, wobei in einer Reihe von Fällen auch die Risiken von Verzögerungen zu berücksichtigen sind. Zwar verlief die Umsetzung der ARP bis Ende 2022 weitgehend planmäßig, doch einige Mitgliedstaaten stehen bei der Verwaltung der Mittel vor Herausforderungen, was zum Teil auf begrenzte Verwaltungskapazitäten oder Investitionsengpässe zurückzuführen ist. Die laufende Überarbeitung der ARP bietet die Gelegenheit, diese Probleme anzugehen und die Aufnahmekapazität für die ARF-Mittel zu erhöhen. Zugleich ist aber auch zu erwarten, dass sich die Überarbeitung der Pläne auf den Zeitplan für die Auszahlung der ARF-Mittel im Jahr 2023 und darüber hinaus auswirken wird. Um eine ausreichende Vorhersehbarkeit der Anleihetransaktionen der EU zu gewährleisten und gleichzeitig der Haushaltsbehörde für die Erarbeitung des Haushalts 2024 hinreichende Transparenz in Bezug auf den Finanzierungsbedarf in den kommenden Monaten zu bieten, ist es wichtig, in der Planung künftiger Zahlungen die zu erwartenden Verzögerungen angemessen zu berücksichtigen. Zugleich wird es die erfolgreiche Überarbeitung der Pläne den Mitgliedstaaten ermöglichen, 2024 wieder auf Kurs zu kommen und im Auszahlungszeitplan aufzuholen. Parallel dazu werden die kohäsionspolitischen Programme 2021-2027 rund 505 Mrd. EUR für die Mitgliedstaaten und Regionen der EU mobilisieren – zusätzlich zu den Mitteln in Höhe von 186 Mrd. EUR, die seit Beginn der Pandemie aus den Programmen 2014-2020 an die Mitgliedstaaten ausgezahlt wurden. Diese Programme müssen ebenfalls rasch umgesetzt werden, wofür auch Engpässe bei der Umsetzungskapazität beseitigt werden müssen.

In den diesjährigen Länderberichten werden politische Maßnahmen aufgezeigt, die auf Ebene der Mitgliedstaaten erforderlich sind, um die unmittelbaren wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen zu bewältigen und zugleich die Resilienz, die langfristige Wettbewerbsfähigkeit und die Produktivität zu erhöhen. Die Länderberichte liefern eine ganzheitliche Analyse der Resilienz der Mitgliedstaaten 15 sowie ihrer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen und Herausforderungen, und zwar unter Berücksichtigung der regionalen Dimension. Sie umfassen eine Bewertung der Fortschritte bei der Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte über das sozialpolitische Scoreboard sowie der Fortschritte bei der Verwirklichung der Kernziele 2030 der EU, der nationalen Ziele in den Bereichen Beschäftigung, Kompetenzen und Armutsbekämpfung sowie der Ziele für nachhaltige Entwicklung. Besondere Aufmerksamkeit wird dabei der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität gewidmet, und auch die Aspekte Energieversorgungssicherheit und Bezahlbarkeit von Energie, Energiewende und ökologische Nachhaltigkeit sind Gegenstand einer aktualisierten, ausführlicheren Analyse. In den Länderberichten wird dargelegt, welche bestehenden Herausforderungen von den ARP nur teilweise oder nicht aufgegriffen werden, und es werden neu entstehende Herausforderungen aufgezeigt. Ferner werden die Fortschritte bei der Umsetzung der ARP eingehend untersucht; hierzu werden Beispiele für erreichte Etappenziele und Zielwerte dargelegt und Fälle beleuchtet, in denen aufgrund von Umsetzungsrisiken und Verzögerungen Handlungsbedarf besteht.

Im Einklang mit der Analyse in den Länderberichten spiegeln die Empfehlungen der Kommission für länderspezifische Empfehlungen die ermittelten Herausforderungen und den Stand der Umsetzung der ARP wider. Die Empfehlungen umfassen vier Teile:

1.eine Empfehlung zur Haushaltspolitik, gegebenenfalls einschließlich haushaltspolitischer Strukturreformen,

2.eine Empfehlung zur weiteren oder zügigeren Umsetzung der ARP (einschließlich der Überarbeitung der ARP und der Aufnahme von REPowerEU-Kapiteln unter Berücksichtigung potenzieller länderspezifischer Umsetzungsrisiken) und zur raschen Umsetzung der angenommenen kohäsionspolitischen Programme,

3.eine aktualisierte Empfehlung zur Energiewende im Einklang mit den REPowerEU-Zielen und

4.gegebenenfalls eine zusätzliche Empfehlung zu noch nicht bewältigten und/oder neu entstehenden wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Herausforderungen.

Die aktualisierte, detailliertere Empfehlung zu energiebezogenen Reform- und Investitionsherausforderungen fließt in den laufenden Prozess zur Fertigstellung der REPowerEU-Kapitel ein und dient den Mitgliedstaaten als Richtschnur für die Aktualisierung ihrer nationalen Energie- und Klimapläne. Die REPowerEU-Kapitel sollten als Teil der ARP – mit der damit verbundenen zusätzlichen Mittelausstattung – angemessen auf die Bewältigung der in den länderspezifischen Empfehlungen ermittelten Herausforderungen mit REPowerEU-Relevanz ausgerichtet sein 16 . Mit den länderspezifischen Empfehlungen werden den Mitgliedstaaten Leitlinien für die Bewältigung wichtiger Herausforderungen, die von den ursprünglichen ARP nur teilweise oder nicht abgedeckt werden, an die Hand gegeben; zugleich unterstützen die Empfehlungen die Umsetzung des Industrieplans für den Grünen Deal auf nationaler und regionaler Ebene.

4. DIE WETTBEWERBSFÄHIGKEIT UND DIE PRODUKTIVITÄT AUF SOZIAL INKLUSIVE WEISE STEIGERN – ÜBERBLICK ÜBER DIE ERMITTELTEN GEMEINSAMEN HERAUSFORDERUNGEN

Neben der rechtzeitigen Umsetzung der in den ARP vorgesehenen Reformen und Investitionen sind die Mitgliedstaaten mit verschiedenen bestehenden oder neuen gemeinsamen und länderspezifischen Herausforderungen konfrontiert.

4.1 Makroökonomische Stabilität

Die Auswirkungen der hohen Inflation führen zu einer neuen Anfälligkeit in einem Umfeld, in dem der öffentliche Schuldenstand gesenkt werden muss. Durch koordinierte politische Maßnahmen auf EU- und nationaler Ebene konnten die Auswirkungen von COVID-19 und des Anstiegs der Energiepreise mit seinen wirtschaftlichen und sozialen Folgen – insbesondere für schwächer aufgestellte Unternehmen und Haushalte – abgefedert werden. Diese Krisen führten jedoch in mehreren Mitgliedstaaten zu einer höheren Staatsverschuldung. In jüngster Zeit haben die 2022 zur Bewältigung der Energiekrise ergriffenen haushaltspolitischen Maßnahmen die öffentlichen Haushalte erheblich belastet. Der Frühjahrsprognose 2023 der Kommission zufolge beliefen sich die Nettokosten dieser Maßnahmen im Jahr 2022 auf 1,2 % des jährlichen BIP der EU, und für 2023 werden Kosten in ähnlicher Höhe erwartet. Es sollte eine umsichtige Finanzpolitik verfolgt werden, die die Schuldentragfähigkeit gewährleistet und damit zugleich die Geldpolitik unterstützt. Parallel dazu wurden die makroökonomischen Anfälligkeiten durch die unterschiedlich hohen Inflationsraten und die Verschärfung der Finanzierungsbedingungen verstärkt.

Eine starke Koordinierung der Haushaltspolitik in der EU und im Euro-Währungsgebiet ist für einen kohärenten Mix von Fiskal- und Geldpolitik unerlässlich und erleichtert die Aufgabe der Geldpolitik. In den Jahren 2023 und 2024 sollte eine umsichtige Haushaltspolitik verfolgt werden, die darauf abstellt, die mittelfristige Schuldentragfähigkeit zu sichern und zugleich das Potenzialwachstum zu erhöhen und in nachhaltiger, resilienter Weise den grünen und den digitalen Wandel zu vollziehen. Je nachdem, wie groß die jeweilige Herausforderung beim öffentlichen Schuldenstand ist, sollten die Mitgliedstaaten die Verschuldung mittelfristig auf einem dem Vorsichtsgebot entsprechenden Niveau halten bzw. für einen plausiblen und stetigen Schuldenabbau sorgen. Die Haushaltsanpassung für 2024 sollte mit den im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts erlassenen geltenden Rechtsvorschriften in Einklang stehen, und alle Mitgliedstaaten sollten ihr Defizit unter dem Referenzwert von 3 % des BIP halten bzw. unter diesen Wert bringen. Wie in der Mitteilung der Kommission vom 8. März 2023 mit haushaltspolitischen Leitlinien für 2024 17 dargelegt, umfasst die finanzpolitische Komponente der vorgeschlagenen länderspezifischen Empfehlungen diejenigen Elemente der Legislativvorschläge vom 26. April 2023, die mit den geltenden Rechtsvorschriften in Einklang stehen.

Die haushaltspolitischen Maßnahmen, die als Reaktion auf den Energiepreisschock ergriffen wurden, sollten auslaufen. Nach dem Höchststand im Oktober 2022 ist die Gesamtinflation dank des anhaltenden Rückgangs der Energierohstoffpreise gesunken, doch die Kerninflation bleibt weiter hoch und weist einen Aufwärtstrend auf. In diesem Umfeld verstärken anhaltende, nicht zielgerichtete finanzpolitische Maßnahmen für private Haushalte und Unternehmen den Inflationsdruck. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Zentralbanken die Geldpolitik weiter verschärfen, und die Finanzstabilität würde unter Druck geraten. Wenn neuerliche Energiepreisanstiege Entlastungsmaßnahmen erforderlich machen, dann sollten diese Maßnahmen gezielt auf den Schutz schwächer aufgestellter Haushalte ausgerichtet werden, für die öffentlichen Haushalte tragbar sein und Anreize zum Energiesparen erhalten. Darüber hinaus sollten die Mitgliedstaaten die Qualität und die Zusammensetzung ihrer öffentlichen Finanzen verbessern, die national finanzierten Investitionen weiter aufrechterhalten und sicherstellen, dass Mittel aus der ARF und anderen EU-Fonds, etwa aus dem Programm „InvestEU“, tatsächlich abgerufen werden – insbesondere mit Blick auf den grünen und den digitalen Wandel und die notwendige Stärkung der wirtschaftlichen und sozialen Resilienz der EU. Angesichts der verheerenden Überschwemmungen in Italien im Mai 2023 werden die Kosten der direkten Soforthilfe im Zusammenhang mit diesen Überschwemmungen bei nachfolgenden Bewertungen der Einhaltung der Vorschriften berücksichtigt; im Prinzip werden sie als einmalige und befristete Maßnahmen eingestuft.

Da die makroökonomischen Aussichten derzeit weiter unsicher sind, ist die Kommission der Auffassung, dass in diesem Frühjahr keine Entscheidung darüber getroffen werden sollte, ob gegen Mitgliedstaaten ein Verfahren bei einem übermäßigen Defizit eingeleitet werden soll; dies hatte sie bereits in ihrer Mitteilung vom 8. März 2023 mit haushaltspolitischen Leitlinien für 2024 dargelegt. Zugleich wird die Kommission dem Rat aber vorschlagen, im Frühjahr 2024 wieder auf Basis der Ist-Daten für 2023 und gemäß den geltenden Rechtsvorschriften gegebenenfalls defizitbedingte Verfahren zu eröffnen. Dies sollten die Mitgliedstaaten bei der Ausführung ihrer Haushaltspläne 2023 und diesen Herbst bei der Aufstellung ihrer Übersichten über die Haushaltsplanung für 2024 berücksichtigen.

Ein ausgewogener Steuermix, wirksame Instrumente zur Bekämpfung aggressiver Steuerplanung und eine verbesserte Steuerehrlichkeit tragen zur fairen Behandlung der Steuerzahler und zur effizienten Finanzierung öffentlicher Dienstleistungen bei. Eine Verlagerung eines Teils der Steuerlast vom Faktor Arbeit auf andere Arten von Steuern, einschließlich der Umwelt- und Immobilienbesteuerung, würde unter gebührender Berücksichtigung der Verteilungswirkung einer solchen Verlagerung den grünen Wandel unterstützen und nachhaltiges Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen fördern. Wenn Unternehmen oder Einzelpersonen in einem Mitgliedstaat Strategien für aggressive Steuerplanung verfolgen, kann dies negative Spillover-Effekte auf den Rest der EU haben. Daher ist hier ein entschlossenes, koordiniertes Vorgehen notwendig. Ein entscheidender Meilenstein in dieser Hinsicht war die Annahme der EU-Mindeststeuerrichtlinie (Säule 2), die einen Mindeststeuersatz von 15 % vorsieht und bis Ende 2023 umzusetzen ist 18 . Auch die kontinuierliche Modernisierung und Digitalisierung der Steuerverwaltungen dürfte die Befolgungskosten weiter senken und für mehr Steuereinnahmen sorgen.

Die Verschärfung der Finanzierungsbedingungen hat in einigen Mitgliedstaaten zu größerer Anfälligkeit und höheren Risiken geführt, und die unterschiedlichen Inflationsraten in der EU könnten zu Wettbewerbsdruck führen. Ein hohes, durch die Inflation angefachtes nominales BIP-Wachstum trägt kurzfristig dazu bei, die Schuldenquoten sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor zu senken, während die höheren Zinssätze nur allmählich in die Schuldendienstkosten einfließen. Doch durch die Verschärfung der Finanzierungsbedingungen nehmen die mit den hohen Schuldenständen verbundenen Risiken zu. Die Wohnimmobilienpreise stiegen 2022 in mehreren Mitgliedstaaten stark an; mittlerweile hat sich dieser Anstieg allerdings abgeschwächt, da die Einkommen unter Druck geraten und die Zinssätze steigen. Zugleich könnten die unterschiedlich hohen Inflationsraten in Verbindung mit steigenden Gewinnspannen und Arbeitskosten dazu führen, dass in einigen Branchen und Regionen die Kostenwettbewerbsfähigkeit abnimmt. In manchen Mitgliedstaaten haben sich die Leistungsbilanzdefizite erhöht, was auf wesentlich höhere Preise für Energieeinfuhren, in einigen Fällen aber auch auf eine starke Binnennachfrage zurückzuführen ist.

Die jüngsten Zinserhöhungen geben Anlass zu Bedenken hinsichtlich Schwachstellen im Finanzsektor, weshalb eine sorgfältige Überwachung angezeigt ist. Die Fortschritte der EU bei der Stärkung der Bankenaufsicht und der Vollendung der Bankenunion sind wichtige Beiträge zur Gewährleistung der Makrofinanzstabilität 19 . Die notleidenden Kredite sind zudem rückläufig und werden weiter abgebaut, während sich durch den Zinsanstieg die Rentabilität des Bankensektors verbessert. Allerdings sorgen in einigen Ländern die steigenden Hypothekenzinsen und die Verschlechterung der Schuldendienstfähigkeit aufgrund eines Rückgangs des Realeinkommens der privaten Haushalte für einen Abwärtsdruck auf die Wohnimmobilienpreise. Auch im Gewerbeimmobiliensektor waren in einigen Ländern aufgrund höherer Finanzierungskosten und schwächerer Belegungsquoten ähnliche Rückgänge zu verzeichnen. Vor diesem Hintergrund ist es weiterhin wichtig, die Aktiva-Qualität zu überwachen, frühzeitig und proaktiv mit notleidenden – und insbesondere mit bestandsfähigen – Schuldnern zusammenzuarbeiten, die Effizienz der Insolvenzrahmen weiter zu verbessern und die Sekundärmärkte für notleidende Kredite weiterzuentwickeln. Allgemein bestehen nach wie vor Herausforderungen im Zusammenhang mit der Digitalisierung, die sich in einigen Bereichen sogar verschärft haben, was durch häufigere große Cybersicherheitsvorfälle veranschaulicht wird. Risiken im Zusammenhang mit der Finanzintermediation außerhalb des Bankensektors und mit der verstärkten Nutzung des dezentralen Finanzwesens müssen angemessen überwacht und eingedämmt werden. Bei all diesen Fragen ist die Zusammenarbeit zwischen nationalen und europäischen Aufsichtsbehörden sowie mit der EZB und internationalen Regulierungsstellen von größter Bedeutung.

Im Rahmen des Verfahrens bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht hat die Kommission in 11 Mitgliedstaaten Anfälligkeiten aufgrund von makroökonomischen Ungleichgewichten oder übermäßigen Ungleichgewichten festgestellt. In sechs Mitgliedstaaten scheinen die jüngsten Anfälligkeiten vorübergehend und derzeit unter Kontrolle zu sein. In Kasten 2 werden die aktuellen Feststellungen zu den makroökonomischen Ungleichgewichten in den Mitgliedstaaten zusammengefasst, und Anlage 4 enthält nähere Einzelheiten hierzu.

Kasten 1: Aktueller Stand der Überwachung im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts

Im Rahmen des Frühjahrspakets des Europäischen Semesters 2023 hat die Kommission einen Bericht nach Artikel 126 Absatz 3 AEUV für 16 Mitgliedstaaten angenommen. Dabei handelt es sich um Belgien, Bulgarien, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Italien, Lettland, Malta, Österreich, Polen, die Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien und Ungarn. Mit Ausnahme von Finnland wird bei allen Ländern in dem Bericht die Einhaltung des Defizitkriteriums bewertet. Im Falle Bulgariens, Deutschlands, Estlands, Sloweniens und der Slowakei wurde der Bericht erstellt, weil das geplante Defizit im Jahr 2023 den im Vertrag festgelegten Referenzwert von 3 % des BIP überschreiten wird. Im Falle der anderen Mitgliedstaaten wurde der Bericht erstellt, weil diese im Jahr 2022 ein gesamtstaatliches Defizit von mehr als 3 % des BIP verzeichneten. Zudem wird in den Berichten für Frankreich, Italien und Finnland anhand der Ist-Daten die Einhaltung des Schuldenstandskriteriums im Jahr 2022 geprüft.

Wie bereits in ihrer Mitteilung vom 8. März 2023 mit haushaltspolitischen Leitlinien für 2024 dargelegt, schlägt die Kommission nicht vor, im Frühjahr 2023 neue Verfahren bei einem übermäßigen Defizit einzuleiten. Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine führt zusammen mit den verbleibenden makroökonomischen und finanzpolitischen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie zu Unsicherheit, auch im Hinblick auf die Festlegung eines detaillierten finanzpolitischen Kurses. In Bezug auf Mitgliedstaaten, deren Schuldenquote über dem Referenzwert von 60 % des BIP liegt, ist die Kommission im Rahmen ihrer Bewertung aller relevanten Faktoren der Auffassung, dass für die Einhaltung des Richtwerts für den Schuldenabbau eine allzu anspruchsvolle frontlastige Konsolidierungsanstrengung erforderlich wäre, welche jedoch das Wachstum gefährden könnte. Die Kommission ist daher der Ansicht, dass eine obligatorische Einhaltung des Richtwerts für den Schuldenabbau unter den gegebenen wirtschaftlichen Bedingungen nicht gerechtfertigt ist.

Der einzige Mitgliedstaat, gegen den aufgrund von Entwicklungen aus der Zeit vor der Pandemie ein Defizitverfahren läuft, ist Rumänien. Am 3. April 2020 stellte der Rat fest, dass in Rumänien ein übermäßiges Defizit besteht, das auf dem geplanten übermäßigen Defizit im Jahr 2019 beruht. In seiner überarbeiteten Empfehlung vom 17. Juni 2022 ersuchte der Rat Rumänien, das derzeitige übermäßige Defizit bis spätestens 2024 zu beenden. Das gesamtstaatliche Defizit Rumäniens stand im Jahr 2022 im Einklang mit der Empfehlung des Rates. Gleichzeitig lag die Anpassung des strukturellen Saldos unter dem vom Rat empfohlenen Niveau, während das Nominalwachstum der gesamtstaatlichen Nettoprimärausgaben die empfohlene Rate überstieg. Das Verfahren ruht.

Die Kommission wird die Wirtschafts- und Haushaltslage der Mitgliedstaaten weiter beobachten. Im Herbst wird die Kommission Stellungnahmen zu den Übersichten über die Haushaltsplanung der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets annehmen, um sicherzustellen, dass die Haushaltspläne 2024 mit den länderspezifischen Empfehlungen im Einklang stehen, die auch Teil des Frühjahrspakets des Europäischen Semesters für 2023 sind und im Laufe des Jahres 2023 vom Rat angenommen werden. Auf Grundlage der Ist-Daten für 2023 und gemäß den geltenden Rechtsvorschriften wird die Kommission dem Rat im Frühjahr 2024 gegebenenfalls die Eröffnung von Verfahren bei einem übermäßigen Defizit vorschlagen.

Kasten 2: Makroökonomische Ungleichgewichte in den Mitgliedstaaten

Die Kommission hat geprüft, ob in den 17 Mitgliedstaaten, die im Warnmechanismus-Bericht 2023 für eine eingehende Überprüfung ausgewählt wurden, makroökonomische Ungleichgewichte bestehen. Während des letzten jährlichen Überwachungszyklus im Rahmen des Verfahrens bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht waren bei zehn dieser Mitgliedstaaten Ungleichgewichte oder übermäßige Ungleichgewichte ermittelt worden. Bei den anderen sieben Ländern wurden Risiken neu entstehender Ungleichgewichte ausgemacht. Im Rahmen des diesjährigen Überwachungszyklus und als Grundlage für die Ermittlung von Ungleichgewichten bzw. übermäßigen Ungleichgewichten in den diesjährigen eingehenden Überprüfungen hat die Kommission die Auswirkungen gemeinsamer Schocks auf die Volkswirtschaften ausgewählter Mitgliedstaaten untersucht und drei Vermerke zu den Themen Inflation, Wohnimmobilienpreise und außenwirtschaftliche Tragfähigkeit veröffentlicht 20[1]

Die Bewertung makroökonomischer Anfälligkeiten wird durch die Unsicherheit angesichts der hohen Inflation geprägt. Wenn die divergierende Inflationsdynamik anhält, könnte die Kostenwettbewerbsfähigkeit in den Mitgliedstaaten mit der höchsten Inflation leiden, was zu zunehmenden Anfälligkeiten führen könnte. Gleichzeitig geht mit hoher Inflation das Risko restriktiverer Finanzierungsbedingungen einher. Inflation hat auch negative Auswirkungen auf die Verteilung. Eine Rückkehr zu niedrigen, sich annähernden Inflationstrends in der gesamten EU würde diese Bedenken abschwächen. Der starke Anstieg der Wohnimmobilienpreise seit 2020 erhöht im Zusammenspiel mit dem steilen Anstieg der Finanzierungskosten und dem Druck auf die realen Haushaltseinkommen die Aussicht auf Preiskorrekturen, insbesondere in Mitgliedstaaten mit eher überbewerteten Immobilienmärkten. 

Bei seit Langem bestehenden Ungleichgewichten im Zusammenhang mit der öffentlichen und privaten Verschuldung ist wieder ein Abwärtstrend festzustellen, der durch das nominale Wirtschaftswachstum und insbesondere die hohe Inflation begünstigt wird. Aufgrund des starken Nennereffekts des nominalen BIP-Wachstums gehen die Schuldenquoten im privaten und im öffentlichen Sektor zurück. Durch die Verschärfung der Finanzierungsbedingungen erhöht sich das Risiko, insbesondere in Ländern und Sektoren, in denen variable Zinssätze gängig sind oder in denen der (Re-)Finanzierungsbedarf höher ist; wenn Schulden in Fremdwährungen gehalten werden, können zudem Wechselkursschwankungen den Schuldendienst belasten. Was die Außenwirtschaft angeht, verringert sich durch das hohe nominale BIP-Wachstum der Wert der außenwirtschaftlichen Positionen der Länder im Verhältnis zum BIP, während der drastische Einbruch der Handelsbilanzen – auch in Netto-Gläubigerländern – zu einem allgemeinen Rückgang der Leistungsbilanzen geführt hat. Allerdings wird erwartet, dass das weitere Absinken der Energiepreise gegenüber den Höchstständen von Mitte 2022 die Leistungsbilanzen 2023 stärken wird, und zwar Defizite und Überschüsse gleichermaßen, wobei einige Mitgliedstaaten nach wie vor erhebliche Leistungsbilanzdefizite bzw. ‑überschüsse aufweisen. Der Bankensektor hat die Pandemie gut überstanden, und die notleidenden Kredite sind vor allem in den besonders stark hiervon betroffenen Ländern weiter zurückgegangen.

Die Kommission hat im Rahmen des Verfahrens bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht mehrere Beschlüsse gefasst. In Zypern nehmen die Anfälligkeiten ab, was dem Land zu einer besseren Klassifizierung der Ungleichgewichte verhilft. In Ungarn hingegen haben die Anfälligkeiten derart zugenommen, dass ein neues Ergebnis der Ungleichgewichte daraus folgt. Einige Mitgliedstaaten, die in den letzten Jahren erstmals einer eingehenden Überprüfung unterzogen wurden, weisen zum jetzigen Zeitpunkt keine Ungleichgewichte auf. In den übrigen untersuchten Mitgliedstaaten sind die Entwicklungen allgemein günstig; es bestehen jedoch nach wie vor relevante Herausforderungen. Mit der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen im Rahmen des Europäischen Semesters und der in den ARP enthaltenen politischen Agenda sollte der weitere Abbau makroökonomischer Anfälligkeiten unterstützt werden.

– Nachdem bis 2022 übermäßige Ungleichgewichte festgestellt worden waren, weist Zypern Ungleichgewichte auf, da Anfälligkeiten im Zusammenhang mit der privaten Verschuldung, der Staatsverschuldung und der Auslandsverschuldung zwar insgesamt zurückgegangen sind, aber nach wie vor Anlass zur Sorge geben.

– In Ungarn bestehen derzeit Ungleichgewichte. Es bestehen Abwärtsrisiken, und bestehende Ungleichgewichte könnten sich zu übermäßigen Ungleichgewichten entwickeln, wenn nicht dringend politische Maßnahmen ergriffen werden.

– In Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Portugal, Rumänien, Schweden und Spanien bestehen nach wie vor Ungleichgewichte.

– In Rumänien bestehen Abwärtsrisiken, und bestehende Ungleichgewichte könnten sich zu übermäßigen Ungleichgewichten entwickeln, wenn nicht dringend politische Maßnahmen ergriffen werden. Dahingegen gehen die Anfälligkeiten in Deutschland, Frankreich, Portugal und Spanien in einem Maße zurück, dass bei Fortsetzung dieser Entwicklungen im nächsten Jahr die Feststellung gerechtfertigt wäre, dass keine Ungleichgewichte bestehen.

– Griechenland und Italien weisen nach wie vor übermäßige Ungleichgewichte auf; die Anfälligkeiten scheinen sich jedoch zu verringern, was auch auf politische Fortschritte zurückzuführen ist.

– In Estland, Lettland, Litauen, Luxemburg, der Slowakei und Tschechien bestehen keine Ungleichgewichte, da die Anfälligkeiten derzeit insgesamt unter Kontrolle zu sein scheinen.

Nähere Einzelheiten der länderspezifischen Aspekte werden in Anlage 4 für alle 17 betroffenen Mitgliedstaaten dargelegt.

4.2 Energie und ökologische Nachhaltigkeit

Trotz der in den letzten Monaten erzielten Erfolge bei der Gewährleistung der Energieversorgungssicherheit gibt es hinsichtlich der Vorbereitung auf den nächsten Winter keinen Grund für Entwarnung. Im vergangenen Jahr hat die EU bemerkenswerte Fortschritte in den Bereichen Energieeinsparung, Diversifizierung ihrer Energieversorgung und Optimierung der bestehenden Infrastruktur erzielt. Der Erdgasverbrauch in der EU lag im Zeitraum August 2022 bis März 2023 um 17,7 % niedriger als der durchschnittliche Verbrauch in denselben Monaten in der Zeit von 2017 bis 2022. 21 Der Anteil der Pipelinegas-Einfuhren aus Russland an den Gesamtgaseinfuhren der EU ging im Januar 2023 von zuvor rund 50 % auf 7 % zurück. Dieser Rückgang ist auf eine Kombination aus Maßnahmen der EU und der nationalen Regierungen, strukturelle Veränderungen der Nachfrage, aber auch hohe Preise zurückzuführen. Eine wichtige Rolle bei der Ersetzung der zuvor aus Russland bezogenen Gasmengen spielte auf dem Seeweg befördertes Flüssigerdgas (LNG), dessen Einfuhr von 2021 auf 2022 von 81 Mrd. m³ auf rund 135 Mrd. m³ erheblich anstieg. Weitere LNG-Vorhaben dürften die Kapazitäten der EU für die Einfuhr von LNG weiter erhöhen, wobei unnötig langfristige Bindungen für die Zukunft vermieden werden sollten. Eine mögliche vollständige Einstellung der russischen Gaslieferungen, Infrastrukturvorfälle, Dürren und ungeplante Kraftwerkswartungen könnten jedoch die Versorgungssicherheit der EU gefährden, sodass weiterhin Wachsamkeit geboten ist. Die Bemühungen um eine Diversifizierung mit LNG werden 2023 durch die ersten gemeinsamen Gaseinkäufe und die Intensivierung der Kontaktaufnahme mit alternativen Gaslieferanten verstärkt. Darüber hinaus dürften Maßnahmen in den REPowerEU-Kapiteln der ARP der Mitgliedstaaten zusammen mit den kohäsionspolitischen Programmen, Einnahmen aus dem Emissionshandelssystem der EU sowie finanzieller Unterstützung aus dem Innovations- und dem Modernisierungsfonds und dem Programm „InvestEU“ dadurch zur Energieversorgungssicherheit beitragen, dass neben der Energieeffizienz und der Schaffung von Anreizen für eine Verringerung der Energienachfrage auch saubere Energie gefördert wird. Zudem dürften sie die Energiearmut bekämpfen und interne und grenzüberschreitende Übertragungs- und Verteilungsengpässe beseitigen. Zudem ist es nach wie vor von entscheidender Bedeutung, dass Investitionen gestrafft, Genehmigungsverfahren vereinfacht und Hindernisse überwunden werden, um den Einsatz erneuerbarer Energien und ihre Integration in das Netz zu ermöglichen. Um den zunehmenden Schwankungen bei Stromangebot und -nachfrage Rechnung zu tragen, sollten auch Anstrengungen unternommen werden, um die Stromspeicherung und die Belastbarkeit der Netze zu fördern.

Angesichts der Annahme eines großen Teils des Pakets „Fit für 55“ sollte der Schwerpunkt nun auf die Umsetzung von Maßnahmen zur Verwirklichung der Ziele in den Bereichen Klima, Energie und Verkehr gelegt werden. Mit dem Paket wird ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Bepreisung, Zielvorgaben, Normen und Unterstützungs- bzw. Entlastungsmaßnahmen hergestellt, um das im Europäischen Klimagesetz festgelegte Klimaziel für 2030 zu erreichen. Vor dem Hintergrund der höher gesteckten Klima-, Verkehrs- und Energieziele für 2030 und der Entscheidung der EU, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Russland zu verringern, dürfte der grüne Wandel weiter beschleunigt werden. Die Herausforderung besteht nun darin, die geplanten und/oder vereinbarten Maßnahmen konsequent umzusetzen. Gleichzeitig müssen neue klima- und energiepolitische Maßnahmen festgelegt werden, um das höher gesteckte Ziel für 2030 zu erreichen. Dazu wird auch die Aktualisierung der nationalen Energie- und Klimapläne der Mitgliedstaaten beitragen. Die Pläne, die den jüngsten länderspezifischen Empfehlungen 22 Rechnung tragen sollten, bieten kurz-, mittel- und langfristig Investitionssicherheit und sind von entscheidender Bedeutung für die Mobilisierung der umfangreichen Investitionen, die erforderlich sind, um die Klimaziele für 2030 und 2050 zu erreichen 23 . Auf den meisten Gebieten wie der Anpassung an den Klimawandel (einschließlich der nachhaltigen Wasserbewirtschaftung), der Lebensmittelsysteme (einschließlich der Erhaltung der Böden und der Eindämmung des Verlusts an biologischer Vielfalt) sowie in anderen Bereichen der Landnutzung sind weitere Anstrengungen erforderlich. Parallel dazu müssen die Mitgliedstaaten die anderen auf EU-Ebene vereinbarten umweltpolitischen Ziele umsetzen, einschließlich der Erreichung des Ziels der Schadstofffreiheit für Luft, Wasser und Böden. Die jährliche Investitionslücke, die mit Blick auf die Verwirklichung der nicht in den Bereich Klima und Energie fallenden Umweltziele der EU besteht, wird auf 110 Mrd. EUR geschätzt 24 . Bei der Haushaltsplanung sollten Eventualverbindlichkeiten im Zusammenhang mit klimabezogenen Risiken berücksichtigt werden, und die Verfahren der umweltgerechten Haushaltsplanung sollten weiterentwickelt werden, um öffentliche Investitionen, Verbrauch und Besteuerung auf ökologische Prioritäten auszurichten.

Die Stärkung des grünen Wandels unserer Wirtschaft wird die Abhängigkeit der EU von fossilen Brennstoffen insgesamt verringern und ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Engpässen bei der Energieversorgung erhöhen. Viele Unternehmen, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und Unternehmen in energieintensiven Wirtschaftszweigen, sind – selbst unter Berücksichtigung der staatlichen Entlastungsmaßnahmen – stark von Energiepreiserhöhungen betroffen. Der Schwerpunkt der politischen Maßnahmen sollte weiterhin auf der Förderung des grünen Wandels in Bereichen wie der Energieeffizienz von Industrie- und Fertigungsprozessen und Gebäuden, der Dekarbonisierung der Industrie und der Kreislaufwirtschaft liegen. 25 Die Synergien mit dem digitalen Wandel sollten maximiert werden. Die Mitgliedstaaten sollten im Rahmen ihrer ARP in schwer dekarbonisierbaren Anwendungen in der Industrie und bestimmten Verkehrszweigen wie dem Straßen-, See- und Luftverkehr weiterhin in erneuerbaren oder fossilfreien Wasserstoff investieren. Darüber hinaus würden eine weitere Verringerung umweltschädlicher Subventionen und die Anwendung des Verursacherprinzips dazu beitragen, die mit der Schädigung der Natur verbundenen Kosten zu internalisieren und Ressourceneffizienz und Produktivität zu fördern. Um sicherzustellen, dass weder Menschen noch Regionen zurückgelassen werden, sollten die verteilungsspezifischen, territorialen und sozialen Auswirkungen berücksichtigt werden. Der Fonds für einen gerechten Übergang sollte gezielt eingesetzt werden, um in den am stärksten betroffenen Gebieten – unter anderem durch Unterstützung von Umschulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen – zu einem gerechten Übergang beizutragen.

Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Verkürzung und Vereinfachung der Genehmigungsverfahren sind von entscheidender Bedeutung, um den Ausbau und die Erzeugung erneuerbarer Energien sowie andere klimaneutrale Lösungen zu beschleunigen. Langwierige und komplexe Genehmigungsverfahren auf nationaler Ebene stellen in den meisten Mitgliedstaaten einen erheblichen Engpass beim Ausbau erneuerbarer Energiequellen dar. Im Jahr 2022 überprüfte die Taskforce für die Durchsetzung der Binnenmarktvorschriften 26 auf der Grundlage der Berichterstattung von Unternehmen rund 170 prozessbezogene Hindernisse, die der Genehmigung erneuerbarer Energiequellen in den einzelnen Mitgliedstaaten entgegenstehen, und verständigte sich darauf, mehr als 80 dieser Hindernisse zu beseitigen. Dabei geht es insbesondere um langwierige Verfahren, unterbesetzte Genehmigungsbehörden, fragmentierte Entscheidungsfindung und mangelnde Koordinierung, die in den einzelnen Regionen zu uneinheitlichen Entscheidungen und abweichender zeitlicher Planung führt.

Die beschleunigte Erweiterung und Modernisierung der Stromübertragungs- und -verteilungsinfrastruktur, einschließlich grenzüberschreitender Verbindungsleitungen, ist eine wesentliche Voraussetzung für die Integration eines deutlich höheren Anteils erneuerbarer Energiequellen und für die weitere Elektrifizierung der Nachfrage. Die Mitgliedstaaten sollten sich auf neue Anlagen für die lang- und kurzfristige Energiespeicherung konzentrieren, um Flexibilität und Versorgungssicherheit für Energiesysteme mit einem hohen Anteil variabler erneuerbarer Energien zu gewährleisten. Angesichts ihres Bestrebens, Offshore-Kapazitäten zur Erzeugung erneuerbarer Energie (111 GW bis 2030) auszubauen, werden die Mitgliedstaaten rasch wichtige Offshore-Netze entwickeln und den erforderlichen Ausbau der Onshore-Netze vornehmen müssen.

Starke und innovative Produktionskapazitäten in den Wertschöpfungsketten der sauberen Technologien werden den grünen Wandel beschleunigen. Um die Widerstandsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit der klimaneutralen Technologien in der EU zu stärken und das Energiesystem der EU sicherer und nachhaltiger zu machen, hat die Kommission im März 2023 die Netto-Null-Industrie-Verordnung 27 vorgeschlagen. Gleichzeitig müssen die Mitgliedstaaten ihre Talente, ihr intellektuelles Kapital und ihre industrielle Basis weiter nutzen und private Investoren auch weiterhin ermutigen, sich an in der EU ansässigen Start-up-Unternehmen zu beteiligen und Innovationen auszubauen. 28 Die Mitgliedstaaten sollten sich auch auf die Bewältigung der Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Fachkräftemangel in verschiedenen Segmenten der Technologie für saubere Energie konzentrieren. Die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Sektors saubere Energie ist von entscheidender Bedeutung für die Verwirklichung des REPowerEU-Plans und der längerfristigen Ziele der EU. 29

Für die Produktion im Bereich der sauberen Technologien muss der Zugang zu kritischen Rohstoffen sichergestellt werden, unter anderem durch Diversifizierung, Recycling und Substitution. Die Verwirklichung der Ziele der EU für den grünen und den digitalen Wandel erfordert Zugang zu sicheren, nachhaltigen und diversifizierten Quellen kritischer Rohstoffe, die Verringerung unserer Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten und den Aufbau sicherer und nachhaltiger Lieferketten für Bergbau, Verarbeitung und Raffination sowie Recycling. In diesem Zusammenhang wird es von entscheidender Bedeutung sein, die Zusammenarbeit mit den Handelspartnern der EU zu nutzen und auszubauen, unter anderem durch das Eingehen von für beide Seiten vorteilhaften strategischen Partnerschaften mit Schwellen- und Entwicklungsländern. Lösungen und Geschäftsmodelle der Kreislaufwirtschaft bieten auch erhebliche Möglichkeiten, die Ziele der strategischen Autonomie unter Berücksichtigung des Umweltschutzes zu verfolgen. Dass dabei die Recyclingfähigkeit, das Recycling und die Förderung des Übergangs zu einer Kreislaufwirtschaft berücksichtigt werden, gehört zu den Prioritäten des Gesetzes zu kritischen Rohstoffen 30 . Dies sollte von den Mitgliedstaaten ergänzt werden, z. B. in Bezug auf Dauermagnete und die Wiederverwendung von mineralischen Abfällen. Es sollten kohärente Strategien entwickelt werden, die nicht nur Hindernisse beseitigen, sondern auch die Exploration, den Abbau, die Verarbeitung und das Recycling von Materialien in ganz Europa fördern. Allgemein ist der Übergang der EU-Industrie zur Kreislaufwirtschaft noch nicht vollzogen, da die Ressourcenproduktivität in der Zeit von 2012 bis 2021 nur geringfügig gestiegen ist.

4.3 Produktivität

Ein gut funktionierender Binnenmarkt verringert die zwischen den Mitgliedstaaten und Regionen der EU bestehenden Unterschiede in Bezug auf Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit. Der Binnenmarkt hat den Wohlstand Europas seit seiner Schaffung vor drei Jahrzehnten befördert. Die Unternehmen in der EU profitieren für ihre Produkte von einem „Heimatmarkt“ mit über 450 Millionen Verbrauchern, einem leichteren Zugang zu einer breiten Palette von Lieferanten und niedrigeren Stückkosten, während die EU-Bürger aufgrund des Wettbewerbs zwischen den Unternehmen von mehr Innovation, niedrigeren Preisen und höheren Sicherheits- und Umweltstandards profitieren. 31 Darüber hinaus schützt der Binnenmarkt die EU vor größeren Nachfrage- oder Angebotsschocks und kann dazu beitragen, den Preisdruck in Zeiten hoher Inflation einzudämmen. Mittel- bis langfristig kann der Binnenmarkt dazu beitragen, Schwachstellen in den Lieferketten zu beseitigen und den Ausbau der Kapazitäten für den grünen und den digitalen Wandel und die Resilienz und Sicherheit der EU unterstützen. Wenngleich der Binnenmarkt für die globale Attraktivität der EU von grundlegender Bedeutung ist, hat sich das durchschnittliche Produktivitätswachstum in den vergangenen Jahrzehnten verlangsamt und war schwächer als in anderen großen Volkswirtschaften, was die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Unternehmen beeinträchtigt 32 . In mehreren Mitgliedstaaten und Regionen der EU stagniert die Produktivität, was zu wachsenden Unterschieden führt, insbesondere innerhalb der EU-Mitgliedstaaten. Darüber hinaus bestehen erhebliche regionale Unterschiede beim Zugang zu Bildung, Forschung und Innovation sowie Mobilität. Besonders groß sind diese Unterschiede in ländlichen und abgelegenen Gebieten sowie in äußerst abgelegenen Gebieten wie den Gebieten in äußerster Randlage, in denen der Zugang zu grundlegenden und sozialen Unterstützungsdiensten im Allgemeinen nach wie vor eine Herausforderung darstellt. Die Umsetzung der kohäsionspolitischen Programme und der ARP bis 2026 wird wesentlich zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der EU und zur Stärkung des Zusammenhalts in der EU beitragen. Neben Investitionsmaßnahmen, unter anderem im Rahmen des Programms „InvestEU“, beinhalten die ARP Reformen, die darauf abzielen, das Regelungsumfeld auf nationaler und regionaler Ebene zu vereinfachen, den Zugang zu Finanzmitteln zu beschleunigen und das Wachstum und die Resilienz von KMU durch Umschulung und Weiterbildung von Mitarbeitern bzw. durch Stärkung ihrer Forschungs- und Entwicklungskapazitäten zu steigern.

Ein echter Binnenmarkt für Dienstleistungen würde auch zu erheblichen Produktivitätssteigerungen führen. Die EU-Dienstleistungsmärkte stehen vor mehreren Herausforderungen, darunter ein geringer Wettbewerbsdruck, ein niedrigeres Produktivitätsniveau und niedrigere Wachstumsraten als im verarbeitenden Gewerbe, eine unzureichende Integration grenzüberschreitender Dienstleistungen und eine geringe berufliche Mobilität. Der Abbau regulatorischer Beschränkungen auf nationaler Ebene würde den Wettbewerb erhöhen, die Mobilität der Arbeitskräfte erleichtern und das Angebot an Dienstleistungen dort erhöhen, wo sie am dringendsten benötigt werden. Außerdem würde er die Wettbewerbsfähigkeit des verarbeitenden Gewerbes stärken, das auch viele freiberufliche Dienstleistungen in Anspruch nimmt und seine Produkte zunehmend in Verbindung mit Dienstleistungen anbietet. Beim Abbau regulatorischer Hindernisse werden jedoch nur langsam Fortschritte erzielt, und in einigen Fällen wurden Reformen wieder rückgängig gemacht, sodass nach wie vor hohe Beschränkungen bestehen 33 . In vielen Mitgliedstaaten sind regulatorische Hindernisse bei wichtigen Unternehmensdienstleistungen (Rechtsdienstleistungen, Buchhaltung und Dienstleistungen für Architekten) besonders verbreitet. Der Bausektor, der für den grünen Wandel von entscheidender Bedeutung ist, unterliegt vielfach Zulassungs- und Qualifikationsanforderungen, die unnötig großen Aufwand erfordern. Fragmentierte Zuständigkeiten und Tätigkeiten, die unterschiedlichen freien Berufen und Spezialisierungen vorbehalten sind (insbesondere Architekten und Bauingenieure), wirken sich weiter auf die Freizügigkeit von Fachkräften aus. Bei den Einzelhandelsdienstleistungen war der Umfang der Beschränkungen in zahlreichen Mitgliedstaaten im Jahr 2022 im Vergleich zu 2018 entweder unverändert oder sogar noch größer 34 .

Die Beseitigung regulatorischer Hindernisse bei gleichzeitiger Gewährleistung einer verantwortungsvollen Staatsführung und der Achtung der Rechtsstaatlichkeit stärkt die institutionelle Resilienz und verbessert die Rahmenbedingungen für Unternehmen. 60 % der Hemmnisse, mit denen EU-Unternehmen heute konfrontiert sind, sind derselben Art wie vor 20 Jahren. Bei den meisten handelt es sich um nationale Regulierungs- und Verwaltungspraktiken, die von den Mitgliedstaaten direkt angegangen werden können. Allein die Beseitigung von Hemmnissen, die dem Binnenmarkt für Waren und Dienstleistungen auf Ebene der Mitgliedstaaten entgegenstehen, könnte der Wirtschaft bis Ende 2029 einen zusätzlichen Nutzen in Höhe von insgesamt 713 Mrd. EUR bringen. 35 Die Beseitigung rechtlicher und administrativer Hindernisse wird durch Reformen im Rahmen der ARF unterstützt, und die Kommission hat die Mitgliedstaaten aufgefordert, die einschlägigen Reformen bei deren laufenden Überarbeitungen weiter zu verstärken. Dies ergänzt, wie bereits erwähnt, die Arbeit der Taskforce für die Durchsetzung der Binnenmarktvorschriften. Die Nutzung von SOLVIT 36 zur Lösung von Problemen im Zusammenhang mit der Anwendung der Binnenmarktvorschriften nimmt ebenfalls zu, insbesondere durch Interessenträger aus der Wirtschaft. Auch eine verantwortungsvolle Staatsführung und die Achtung der Rechtsstaatlichkeit – insbesondere unabhängige, qualitativ hochwertige und effiziente Justizsysteme 37 , funktionierende und leistungsfähige Steuersysteme sowie wirksame Rahmenbestimmungen im Bereich Insolvenz und solide Rahmenbestimmungen für die Korruptions- und Betrugsbekämpfung – sind Schlüsselfaktoren für eine Wirtschaft im Dienste der Menschen und leisten einen Beitrag zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Unternehmen. Darüber hinaus wird die Kommission einen neuen Anlauf unternehmen, um die Berichtspflichten für Unternehmen und Verwaltungen zu straffen und zu vereinfachen mit dem Ziel, diese Pflichten um 25 % zu verringern, ohne die damit verbundenen politischen Ziele zu untergraben.

Gut funktionierende Kapitalmärkte sind von entscheidender Bedeutung, um den grünen und den digitalen Wandel zu finanzieren und die makroökonomische Widerstandsfähigkeit der EU und die offene strategische Autonomie der EU zu unterstützen. Durch öffentliche Finanzierungen in Verbindung mit einer beschleunigten Verwirklichung der Kapitalmarktunion können die für den grünen und den digitalen Wandel erforderlichen umfangreichen privaten Finanzmittel mobilisiert werden. Obwohl seit der Einleitung der Initiative zur Kapitalmarktunion im Jahr 2015 Fortschritte erzielt wurden, sind die EU-Kapitalmärkte nach wie vor fragmentiert und unterentwickelt, sodass weitere konkrete Maßnahmen erforderlich sind. Angesichts steigender Zinssätze haben viele Unternehmen, insbesondere KMU, Schwierigkeiten beim Zugang zu Finanzmitteln. Auch das wegen der hohen Energiepreise verschärfte Problem des Zahlungsverzugs beeinträchtigt die Widerstandsfähigkeit von Unternehmen, vor allem KMU. Dies erfordert verstärkte gemeinsame Bemühungen um Fortschritte unter Einbeziehung von politischen Entscheidungsträgern und Marktteilnehmern in der gesamten EU. 38 Weitere Steigerungen der Produktivität und der Wettbewerbsfähigkeit in der EU werden sich aus innovativeren und sichereren Zahlungssystemen und einem offenen Finanzierungsrahmen ergeben, der es uns ermöglicht, die Vorteile der Digitalisierung zu nutzen.

Die Digitalisierung spielt eine wichtige Rolle bei der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und setzt, auch bei KMU, voraus, dass die Mitarbeiter über verbesserte digitale Kompetenzen verfügen und die Digitalisierung öffentlicher Dienste fortgesetzt wird. Eine mit digitalen Kompetenzen ausgestattete Bevölkerung ermöglicht einen rascheren technologischen Fortschritt und eine verbesserte Produktivität. Die Digitalisierung von KMU ist unerlässlich, um ihr Innovationspotenzial und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Dies kann gemäß den beiden jüngsten, auf dem strukturierten Dialog über digitale Bildung und Kompetenzen basierten Vorschlägen für Empfehlungen des Rates zu digitaler Bildung und digitalen Kompetenzen 39 durch umfassende Maßnahmen befördert werden. Der digitale Wandel in den Verwaltungen, der die Ausweitung des Spektrums und der Interoperabilität der online verfügbaren öffentlichen Dienste und die Verfügbarkeit offener Daten beinhaltet, bewirkt eine Steigerung der Unternehmenseffizienz. Darüber hinaus stärkt der digitale Wandel den grünen Wandel, da digitale Technologien wie Weltraumdaten und -dienste eine wichtige Rolle beim Klimaschutz spielen. 40 Das Politikprogramm für die digitale Dekade bietet einen Fahrplan zur Erschließung des Potenzials der EU für den digitalen Wandel und ebnet den Weg für ein wettbewerbsfähigeres Europa. 

Auf den Märkten für öffentliche Aufträge muss offener Wettbewerb herrschen, damit öffentliche Mittel mit einem möglichst günstigen Kosten-Nutzen-Verhältnis eingesetzt werden. Die Zahl der öffentlichen Ausschreibungen mit nur einem Angebot ist in den letzten Jahren gestiegen. Im Jahr 2022 erreichte sie (mit 37 %) den höchsten Wert auf EU-Ebene seit Annahme der Richtlinie über die öffentliche Auftragsvergabe im Jahr 2014 41 . Mit Blick auf die Schaffung fairer Ausgangsbedingungen müssen die Mitgliedstaaten Anstrengungen unternehmen, um diesen Wert zu verringern. Die Vergabe öffentlicher Aufträge kann die Lieferketten fördern, indem sie zur Diversifizierung der Nachfrage beiträgt. Wenn sie strategisch eingesetzt wird und nicht nur auf den Preis ausgerichtet ist, kann sie auch Qualität, Resilienz und Nachhaltigkeit steigern. Durch die Netto-Null-Industrie-Verordnung dürfte es für innovative, nachhaltige KMU oder für Konsortien, an denen KMU beteiligt sind, einfacher werden, an Vergabeverfahren teilzunehmen. 42 Ausschreibungen sollten nach Möglichkeit so gestaltet werden, dass eine Teilnahme von KMU möglich ist.

Innovation zählt zu den wichtigsten Triebkräften für ein stärkeres Produktivitätswachstum, aber es bestehen mehrere Engpässe. Der Mangel an hoch qualifiziertem Personal in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) ist für die meisten Mitgliedstaaten zu einer Herausforderung geworden, die das Wachstumspotenzial von Unternehmen – auch in hochinnovativen Hochtechnologiesektoren – untergräbt. Die Innovation konzentriert sich stark auf bestimmte Mitgliedstaaten und EU-Gebiete, insbesondere auf Hauptstadtregionen und andere Metropolregionen; in Nord- und Westeuropa ist sie nach wie vor deutlich stärker ausgeprägt. Ursache für ausbleibende Fortschritte bei der Innovationsleistung sind beispielsweise unzureichende und/oder unregelmäßige öffentliche FuE-Investitionen, schwache Verbindungen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft in den meisten Mitgliedstaaten oder unwirksame öffentliche Unterstützung für Unternehmensinnovationen. So werden bahnbrechende Innovationen in vielen Fällen durch den Mangel an Scale-up-Unternehmen, Schwierigkeiten beim Zugang zu Kapital, den Verwaltungsaufwand oder Hindernisse im Binnenmarkt beeinträchtigt. In den ARP werden zahlreiche Maßnahmen umgesetzt. Auch kohäsionspolitische Investitionen und andere Initiativen wie das regionale Innovationstal werden zur Bewältigung dieser Herausforderungen beitragen. 

4.4 Gerechtigkeit

Während sich der EU-Arbeitsmarkt bislang als widerstandsfähig erwiesen hat, könnten hohe Inflation und Unsicherheit die Arbeitsmarktaussichten beeinträchtigen und wirken sich auf die privaten Haushalte aus. Der Arbeitsmarkt in der EU erreichte [im vierten Quartal] 2022 eine Rekordbeschäftigungsquote von [74,8 %], was substanzielle Fortschritte bei der Verwirklichung des Ziels einer Beschäftigungsquote von mindestens 78 % für 2030 bedeutet. Der Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel ist nach wie vor hoch und liegt über dem Niveau von 2019, ging aber im zweiten Halbjahr 2022 vor dem Hintergrund einer anhaltend positiven Gesamtleistung des Arbeitsmarkts zurück. Jedoch wird erwartet, dass sich die Konjunkturabschwächung in den Jahren 2023 und 2024 in gedämpfteren Arbeitsmarktentwicklungen niederschlagen wird. Die regionalen Unterschiede auf dem Arbeitsmarkt sind nach wie vor hoch, wobei die Beschäftigungsquoten in einigen Regionen unter 50 % liegen. Gleichzeitig bestehen bei einigen Bevölkerungsgruppen, darunter Frauen und junge Menschen, weiterhin erhebliche Unterschiede bei der Beschäftigung. Starke Preissteigerungen, insbesondere bei Lebensmitteln, Energie und Verkehr, haben sich vor allem auf die Kaufkraft der Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen ausgewirkt. Bei ihnen machen diese Ausgabenposten einen höheren Anteil den Warenkörben aus, was gezielte sozialpolitische Maßnahmen erfordert. Vor diesem Hintergrund sind eine bedarfsgerechte Lohnpolitik und wirksame Tarifverhandlungen von entscheidender Bedeutung für eine angemessene Entwicklung der Reallöhne, insbesondere bei Arbeitnehmern mit niedrigem Einkommen. Dabei spielen regelmäßige Aktualisierungen der Mindestlöhne eine wichtige Rolle. Die Annahme der EU-Richtlinie über Mindestlöhne 43 schafft eine positive Dynamik für Maßnahmen zur Gewährleistung angemessener Mindestlöhne.

Um den Kaufkraftverlust einzudämmen und einer Zunahme der Armutsrisiken vorzubeugen, müssen die Sozialschutzsysteme unter Berücksichtigung ihrer Angemessenheit und Nachhaltigkeit geschützt und gestärkt werden. Es bedarf einer kontinuierlichen Überwachung der sozialen Lage und umgehender politischer Maßnahmen, um zu verhindern, dass Menschen in Armut oder Energiearmut geraten oder soziale Ausgrenzung erfahren und sich bestehende Ungleichheiten verschärfen. Vor dem Hintergrund steigender Lebenshaltungskosten sind die Schließung von Lücken beim Zugang zu angemessenen und nachhaltigen Systemen des Sozialschutzes und der sozialen Inklusion sowie Lohnentwicklungen, die den Kaufkraftverlust insbesondere für Geringverdiener abmildern, von besonderer Bedeutung, um die Auswirkungen der hohen Inflation auf schutzbedürftige Menschen möglichst gering zu halten. Strukturelle oder Ad-hoc-Mechanismen zur Anpassung der Sozialleistungen an die hohe Inflation sind wichtig, um die Angemessenheit der Sozialleistungen zu wahren und gleichzeitig sicherzustellen, dass die jeweiligen Kosten finanziell tragfähig bleiben. Zugleich müssen die Systeme für den Sozialschutz und die soziale Inklusion so beschaffen sein, dass Arbeitsanreize erhalten bleiben und die Teilhabe am Arbeitsmarkt und die Integration in den Arbeitsmarkt, unter anderem durch integrierte hochwertige Dienstleistungen, aktiv gefördert wird. Die Alterung der Bevölkerung, die Belastung durch chronische Krankheiten, neue Anforderungen im Gesundheitsbereich und neue Technologien werden auch die Schaffung von mehr Arbeitsplätzen mit veränderten Kompetenzprofilen im Gesundheits- und Sozialbereich erfordern. Der Zugang zu erschwinglicher, hochwertiger und nachhaltiger Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege muss verbessert werden. Elektronische Gesundheitsdienste verändern auch weiterhin den Zugang der Menschen zur Gesundheitsversorgung, was ein höheres Maß an digitalen Kompetenzen sowie eine größere Vielseitigkeit der Arbeitskräfte im Gesundheitswesen erfordert.

Die Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung sind von entscheidender Bedeutung, um Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel zu beheben bzw. vorzubeugen. Am größten ist der Arbeitskräftemangel derzeit in den Bereichen Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege, Gastgewerbe, Bauwesen, IKT und damit verbundene Berufe sowie in Schlüsselsektoren für den grünen Wandel wie erneuerbare Energien und Energieeffizienz. Neben zyklischen Entwicklungen spiegelt der Fachkräftemangel strukturelle Veränderungen in der EU-Wirtschaft wider, einschließlich der Bevölkerungsalterung und des laufenden grünen und digitalen Wandels, der Veränderungen bei den benötigten Kompetenzen bewirkt. Gleichzeitig zeigt er die bestehenden Schwächen der Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung auf. Wenngleich der Anteil junger Menschen, die sich weder in Ausbildung noch in Beschäftigung befinden, zurückgeht, ist er in einigen Mitgliedstaaten nach wie vor hoch. Bereits 2018 fehlte es jedem fünften Jugendlichen im Alter von 15 Jahren an Grundfertigkeiten; bei jungen Menschen aus benachteiligten Verhältnissen war die Wahrscheinlichkeit, dass sie unterdurchschnittliche Bildungsergebnisse erzielten, fast sechsmal so hoch wie im Durchschnitt. In den vergangenen Jahren hat der Druck auf die Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung zugenommen, da sie die Auswirkungen der Pandemie, den Mangel an angemessener digitaler Infrastruktur und den zunehmenden Mangel an Lehrkräften auf allen Bildungsebenen bewältigen mussten, insbesondere in den Fächern, die für den grünen und den digitalen Wandel am wichtigsten sind. Während die Zahl der Hochschulabsolventen insgesamt steigt, bleibt der Anteil der MINT-Absolventen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) in den meisten Mitgliedstaaten hinter der Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt zurück. Die EU-weite Verbesserung der Qualität, Inklusivität und Arbeitsmarktrelevanz der Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung auf allen Ebenen ist nach wie vor von entscheidender Bedeutung für starke Arbeitsmärkte und einen gerechten Übergang. Ebenso bildet die Steigerung der Erwerbsbeteiligung von Frauen, jungen Menschen und unterrepräsentierten und benachteiligten Gruppen wie Menschen mit Behinderungen, Menschen mit Migrationshintergrund und Roma nach wie vor eine wichtige Möglichkeit zur Verwirklichung von integrativem Wachstum und Gleichheit.

Die Entwicklung und der Erwerb von Fähigkeiten und Kompetenzen, die für den grünen Wandel relevant sind, wird immer dringlicher. Es wird immer wichtiger, dafür zu sorgen, dass alle Arbeitnehmer, insbesondere in Branchen und Regionen, für die der grüne Wandel besonders relevant ist, von dem mit einer klimaneutralen Wirtschaft einhergehenden Beschäftigungszuwachs profitieren können. Vor dem Hintergrund der beschleunigten Energiewende und des rascheren technologischen Wandels im Rahmen des Industrieplans für den europäischen Grünen Deal werden insbesondere Ausbildungsberufsprofile und technische Profile gesucht. Die Mitgliedstaaten sind zunehmend mit einem erheblichen Arbeitskräftemangel konfrontiert, und ein geringes Bildungsangebot in Schlüsselsektoren könnte zu Engpässen beim Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft führen. In einigen Randgebieten bzw. wirtschaftlich stagnierenden Regionen ist die Herausforderung noch größer. Um den Erfordernissen des Arbeitsmarktes gerecht zu werden und Chancengleichheit für alle zu bieten, ist es in diesem Zusammenhang von entscheidender Bedeutung, dass die Mitgliedstaaten die Antizipation, den Erwerb und die Verfügbarkeit der für die grüne Wirtschaft benötigten Kompetenzen unterstützen. Dies wird in den an die einzelnen Mitgliedstaaten gerichteten länderspezifischen Empfehlungen hervorgehoben und steht im Einklang mit der Empfehlung des Rates zur Sicherstellung eines gerechten Übergangs zur Klimaneutralität. Auch die Förderung der Weiterqualifizierung und Umschulung von Beschäftigten im öffentlichen Sektor auf allen Ebenen (einschließlich der lokalen Verwaltung) würde die für den grünen Wandel erforderlichen Investitionen und Reformen beschleunigen. 44  

Die ARF und die kohäsionspolitischen Fonds, insbesondere der Europäische Sozialfonds Plus, tragen zur Bewältigung der Herausforderungen in den Systemen der allgemeinen und beruflichen Bildung auf allen Ebenen bei. Zu den unterstützten Maßnahmen gehören die Verbesserung des Zugangs zu frühkindlicher Betreuung, Bildung und Erziehung, Reformen der Lehrpläne, die Modernisierung der Hochschulbildung, die Erleichterung des Übergangs vom Bildungssystem zum Arbeitsmarkt, die Schaffung von Weiterbildungs- und Umschulungsmöglichkeiten – insbesondere für Kompetenzen, die für den grünen Wandel relevant sind – sowie die Reform und Modernisierung der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Durch die Unterstützung einer beschleunigten Umschulung von Arbeitskräften auf Kompetenzen, die für den grünen Wandel von Bedeutung sind, werden die speziellen REPowerEU-Kapitel, die in die bestehenden ARP aufgenommen werden sollen, sicherstellen, dass zusätzliche Mittel für Reformen und Investitionen in diesem Bereich bereitstehen. In Verbindung mit diesen verstärkten Investitionen – etwa über das Programm „InvestEU“ – kann auch die ehrgeizige und nachhaltige Politik für legale Migration, die die Kommission in ihrem Paket zu Kompetenzen und Talenten 45 vorgeschlagen hat, dazu beitragen, den Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel zu beheben und das volle Potenzial der europäischen Erwerbsbevölkerung zu erschließen. Das Europäische Jahr der Kompetenzen 2023 wird neue Impulse für die Einbeziehung der Interessenträger und die Mobilisierung öffentlicher und privater Mittel geben, um Qualifikationsdefizite und mittel- bis langfristigen Fachkräftemangel, insbesondere im Bereich der digitalen und grünen Kompetenzen, zu beheben. 46  

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine wurden in der EU auf der Grundlage der Richtlinie über vorübergehenden Schutz fast 4 Millionen Vertriebene aufgenommen. Die Eingliederung in den Arbeitsmarkt ist eine grundlegende Voraussetzung dafür, dass die Vertriebenen finanziell unabhängig sein, ihre Familien unterstützen und einen Beitrag zur Aufnahmegemeinschaft leisten können. 47 Den verfügbaren Schätzungen 48 zufolge haben EU-weit zwischen 600 000 und 1 Million Personen, die vorübergehenden Schutz genießen, eine Beschäftigung gefunden, während sich mehr als 350 000 Personen als arbeitsuchend gemeldet haben. Sprachbarrieren sind ein wesentliches Hindernis dafür, dass Vertriebene in den Arbeitsmarkt eintreten. Daher ist das Angebot von Sprachkursen von entscheidender Bedeutung. Auch die rasche Validierung von Kompetenzen und die Anerkennung von Qualifikationen, insbesondere in Sektoren mit Arbeitskräftebedarf wie der Gesundheitsversorgung, sind wichtig, um sicherzustellen, dass die Menschen Zugang zu einer Arbeit haben, die ihren Fähigkeiten und ihrer Erfahrung entspricht. Zahlreiche Mitgliedstaaten haben bereits wichtige Schritte unternommen, um diesen Prozess im Einklang mit den Leitlinien der Kommission 49 zu erleichtern, und nutzen dabei auch die von CARE (Einsatz von Kohäsionsmitteln zugunsten von Flüchtlingen in Europa) ermöglichte Flexibilität bei der Finanzierung. Da viele Menschen, die vorübergehenden Schutz genießen, Frauen mit Kindern sind, ist die Verfügbarkeit von Angeboten für frühkindliche Betreuung, Bildung und Erziehung eine besonders wichtige Voraussetzung für ihre Erwerbsbeteiligung.

Die Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte dient weiterhin als Richtschnur für die soziale Aufwärtskonvergenz in der EU. Zwei Jahre nach dem Sozialgipfel in Porto und den Verpflichtungen, die in Bezug auf die Kernziele für 2030 in den Bereichen Beschäftigung, Kompetenzen und Armutsbekämpfung eingegangen wurden, bleibt die Durchführung der Reformen und Investitionen, die mit Blick auf die Erzielung von Fortschritten bei der Verwirklichung der nationalen Ziele erforderlich sind, eine Priorität für die Mitgliedstaaten. Dies ist sehr wichtig für die Förderung der sozialen Aufwärtskonvergenz und des sozialen Zusammenhalts in der EU. Im Rahmen des Frühjahrspakets schlägt die Kommission ferner vor, die beschäftigungspolitischen Leitlinien auf den nächsten jährlichen Überwachungszyklus zu übertragen. Vorangegangen waren eine wichtige Änderung im Jahr 2022, um das Umfeld nach der COVID-19-Krise und die jüngsten politischen Initiativen besser widerzuspiegeln, sowie zunehmende Diskussionen über die Bedeutung der Gewährleistung eines nachhaltigen und inklusiven Wohlergehens.

5. Schlussfolgerung

Angesichts der aktuellen geopolitischen Lage und der komplexen Herausforderungen für Wirtschaft und Gesellschaft ist die EU bestrebt, eine robuste und zukunftsfähige Wirtschaft aufzubauen, die die Wettbewerbsfähigkeit gewährleistet und allen Menschen in Europa langfristigen Wohlstand sichert. Das erfordert einen integrierten Ansatz über alle Politikbereiche hinweg, damit Produktivität, Resilienz, Gerechtigkeit und nachhaltiges Wachstum in der gesamten wirtschaftlichen Basis gestärkt werden. Das Europäische Semester bietet den passenden Rahmen für die politische Koordinierung, auch durch Einbindung der ARF und kohäsionspolitischer Programme. Während die Umsetzung der ARP in einigen Mitgliedstaaten gut voranschreitet, besteht in anderen die Gefahr von Verzögerungen gegenüber den in den Durchführungsbeschlüssen des Rates vereinbarten vorläufigen Zeitplänen. Wenngleich die Umsetzung der kohäsionspolitischen Programme 2014-2020 im Jahr 2023 endet, bieten die kürzlich angenommenen Programme für den Zeitraum 2021-2027 die Möglichkeit, Investitionen in voller Komplementarität mit den ARP zu fördern. Um dauerhafte Fortschritte zu gewährleisten, sollten sich die Mitgliedstaaten weiterhin auf die vollständige und fristgerechte Umsetzung der ARP bis 2026 konzentrieren und die kürzlich vereinbarten kohäsionspolitischen Programme zügig umsetzen. Die geplanten Überarbeitungen der ARP einschließlich der REPowerEU-Kapitel mit zusätzlicher Finanzierung sowie der kohäsionspolitischen Programme bieten Gelegenheit, auf die anhaltenden Herausforderungen zu reagieren, die im Rahmen des Europäischen Semesters unter anderem in den Bereichen Klima und Energie ermittelt wurden.

Die Länderberichte 2023 liefern eine Momentaufnahme der wirtschaftlichen, arbeitsmarktpolitischen und sozialen Entwicklungen und Herausforderungen, mit denen die Mitgliedstaaten gegenwärtig konfrontiert sind. Die Analyse der Herausforderungen stützt sich auf die länderspezifischen Empfehlungen 2023. Im diesjährigen Europäischen Semester wird dem Thema langfristige Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Darüber hinaus wird eine aktualisierte, detailliertere Analyse der Energieversorgungssicherheit und der Erschwinglichkeit von Energie vorgenommen. Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten auf, ehrgeizige Maßnahmen zu ergreifen, um die Schwachstellen anzugehen, die durch die jüngsten Krisen zutage getreten sind und in den Länderberichten auf nationaler und regionaler Ebene festgestellt wurden. Dazu gehören die Stärkung von Resilienz und Produktivität, die Erleichterung des Zugangs zu Finanzmitteln, die Bereitstellung erschwinglicher Energie, die Verringerung strategischer Abhängigkeiten, die Beschleunigung des Übergangs zur Kreislaufwirtschaft, die Sicherung von Zukunftskompetenzen, die Unterstützung für die Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze und die Anpassung der wirtschaftlichen, wissenschaftlichen, industriellen und technologischen Basis an den grünen und den digitalen Wandel, ohne dass dabei Menschen zurückgelassen werden.

Die Kommission ersucht den Europäischen Rat, ihre Vorschläge für die länderspezifischen Empfehlungen für 2023 zu billigen, und ersucht den Rat, diese anzunehmen. Darüber hinaus fordert sie die Mitgliedstaaten auf, die Empfehlungen in engem Dialog mit den Sozialpartnern, zivilgesellschaftlichen Organisationen und anderen Interessenträgern vollständig und zeitnah umzusetzen.

ANLAGE 1 – ÜBERBLICK ÜBER DIE IN DEN LÄNDERSPEZIFISCHEN EMPFEHLUNGEN BEHANDELTEN THEMATISCHEN BEREICHE

Übergeordnete Kategorie

Grüner Wandel

Digitaler Wandel, Produktivität und Binnenmarkt

 Beschäftigung, Sozialpolitik und Gerechtigkeit

  Makroökonomische Stabilität 

Institutionelle Resilienz

Politikbereiche

Erneuerbare Energien und Energieinfrastruktur

Energieeffizienz

Anpassung an den Klimawandel

Umweltschutz und Ressourcenmanagement

Verkehr

Digitale Konnektivität, Infrastruktur und Funktionieren des Marktes

Digitalisierung von Unternehmen

Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung

Rahmenbedingungen für Unternehmen (einschl. KMU-Politik)

Binnenmarkt, Wettbewerb und staatliche Beihilfen

Staatseigene Unternehmen

Öffentliches Auftragswesen und Konzessionsvergabe

Forschung und Innovation

Arbeitsmarkt

Aktive Arbeitsmarktpolitik

Chancengleichheit

Löhne und Lohnfindung

Kompetenzen, berufliche Aus- und Weiterbildung und Erwachsenenbildung

Frühkindliche Betreuung, Bildung und Erziehung

Bildung (allgemeine, berufliche Erstausbildung und Hochschulbildung)

Rentensysteme und aktives Altern

Armut, soziale Inklusion und soziale Sicherung

Regionale Entwicklung und lokale öffentliche Dienstleistungen

Gesundheitsversorgung

Langzeitpflege

Haushaltspolitischer Rahmen und finanzpolitische Steuerung

Steuerpolitik

Steuerverwaltung, Steuervermeidung und -hinterziehung

Finanzdienstleistungen und Finanzstabilität

Zugang zu Finanzmitteln und Wachstumsfinanzierung

Bekämpfung von Geldwäsche

Wohnungswesen

Verschuldung des privaten Sektors und Insolvenzrahmen

Öffentliche Verwaltung

Korruption

Qualität der Rechtsetzung

Justizwesen

01 BE

02 BG

03 CZ

04 DK

05 DE

06 EE

07 IE

08 EL

09 ES

10 FR

11 HR

12 IT

13 CY

14 LV

15 LT

16 LU

17 HU

18 MT

19 NL

20 AT

21 PL

22 PT

23 RO

24 SI

25 SK

26 FI

27 SE

ANLAGE 2 – FORTSCHRITTE BEI DER UMSETZUNG DER LÄNDERSPEZIFISCHEN EMPFEHLUNGEN

Der Zyklus des Europäischen Semesters im Jahr 2023 umfasst eine Bestandsaufnahme der politischen Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten ergriffen haben, um die strukturellen Herausforderungen zu bewältigen, die in den seit 2019 angenommenen länderspezifischen Empfehlungen festgestellt wurden. Im Anschluss an die Einführung der ARF als zentrales Instrument zur Umsetzung der politischen Prioritäten der EU und der Mitgliedstaaten werden bei der Bewertung der länderspezifischen Empfehlungen für 2023 die bisherigen politischen Maßnahmen der Mitgliedstaaten 50 sowie die in den ARP eingegangenen Verpflichtungen je nach Grad der Umsetzung berücksichtigt. Somit vermittelt die Bewertung nur ein Bild der bislang noch relativ frühen Phasen der Umsetzung der ARP und gibt nicht darüber Aufschluss, welche Fortschritte bei vollständiger Umsetzung der Pläne bis 2026 erzielt werden könnten 51 . 

Abbildung 1: Derzeitiger Stand der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen 2019-2020

Abbildung 2: Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen 2019-2022: jährliche Bewertungen im jeweiligen Folgejahr im Vergleich zur Umsetzung bis heute

 

Anmerkung: Bei der mehrjährigen Bewertung in Abbildung 1 wird beurteilt, wie die länderspezifischen Empfehlungen 2019-2020 ab dem Zeitpunkt ihrer Annahme bis zur Veröffentlichung der vorliegenden Mitteilung umgesetzt wurden. In Abbildung 2 bezieht sich die jährliche Bewertung auf die Fortschritte, die im ersten Jahr nach Annahme der jeweiligen länderspezifischen Empfehlungen erzielt wurden, während die mehrjährige Bewertung die diesjährige Bewertung der vorherigen länderspezifischen Empfehlungen darstellt. Die länderspezifischen Empfehlungen 2021 beziehen sich nur auf die Haushaltspolitik.

Aus der mehrjährigen Perspektive wurden bei 68 % der länderspezifischen Empfehlungen 2019-2020 zumindest einige Fortschritte erzielt (siehe Abbildung 1). Im Vergleich zur letztjährigen Bewertung wurden sowohl hinsichtlich der strukturell ausgerichteten länderspezifischen Empfehlungen des Jahres 2019 als auch bezüglich der stärker krisenorientierten länderspezifischen Empfehlungen von 2020 weitere Fortschritte erzielt. So stieg der Prozentsatz der länderspezifischen Empfehlungen, bei deren Umsetzung zumindest einige Fortschritte erzielt wurden, stetig von 59 % im Jahr 2021 über 63 % im Jahr 2022 auf nunmehr 68 %. Dies zeigt deutlich, welche Anreize die ARF – deren leistungsbasierter Ansatz die Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen in den kommenden Jahren voraussichtlich weiter verstärken wird – seit 2021 bietet. Die größten Fortschritte erzielten die Mitgliedstaaten in den vergangenen Jahren beim Zugang zu Finanzmitteln und Finanzdienstleistungen, gefolgt von der Funktionsweise des Arbeitsmarkts, der Bekämpfung von Geldwäsche und den Rahmenbedingungen für Unternehmen. Die Fortschritte in Bezug auf Binnenmarkt, Wettbewerb und staatliche Beihilfen, Wohnungswesen, Langzeitpflege und Rentensysteme waren hingegen weniger deutlich.

Auch bei der Umsetzung der 2022 angenommenen Empfehlungen wurden substanzielle Fortschritte erzielt. Bei fast 52 % der im Juli 2022 an sie gerichteten Empfehlungen haben die Mitgliedstaaten zumindest „einige Fortschritte“ erzielt (Abbildung 2). Hinsichtlich der Bereiche, zu denen im Jahr 2022 eine erhebliche Anzahl von Mitgliedstaaten Empfehlungen erhalten haben, wurden insgesamt die größten Fortschritte im Bereich haushaltspolitischer Rahmen und finanzpolitische Steuerung erzielt, gefolgt von Verkehr, Rahmenbedingungen für Unternehmen und Energieeffizienz. Die Fortschritte bei der Umsetzung der Empfehlungen zur Steuerpolitik waren hingegen geringer.

Die Ergebnisse der Bewertung der länderspezifischen Empfehlungen 2023 sowie der vorangegangenen Jahre werden auf der Website der Kommission veröffentlicht.



ANLAGE 3 – EU-WEITE FORTSCHRITTE BEI DER UMSETZUNG DER ZIELE FÜR NACHHALTIGE ENTWICKLUNG (SDG)

 

 Anmerkung: Die obige Abbildung zeigt, wie groß die Fortschritte sind, die die EU gemessen an den ausgewählten Indikatoren bei der Verwirklichung jedes der 17 Ziele im abgelaufenen Fünfjahreszeitraum erzielt hat. Die Methode zur Bewertung von Indikatortrends und deren Aggregation auf Ebene der Ziele sowie ausführlichere Analysen können auf folgender Eurostat-Website abgerufen werden: Übersicht – Indikatoren für nachhaltige Entwicklung – Eurostat .

Im beurteilten Fünfjahreszeitraum hat die EU erhebliche Fortschritte bei den Zielen „Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum“ (SDG 8) und „Verringerung der Armut“ (SDG 1) erzielt. Auch im Hinblick auf das Ziel der Geschlechtergleichheit (SDG 5) wurden erhebliche Fortschritte erzielt. Gute, wenngleich moderatere Fortschritte wurden auch bei den Zielen „Abbau von Ungleichheiten“ (SDG 10), „Hochwertige Bildung“ (SDG 4), Förderung von Frieden und der persönlichen Sicherheit auf dem Gebiet der EU und Verbesserung des Zugangs zur Justiz und des Vertrauens in die Institutionen (SDG 16), „Gesundheit und Wohlergehen“ (SDG 3) – trotz der Rückschläge im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie – sowie „Innovation und Infrastruktur“ (SDG 9) erzielt. Die Fortschritte im Hinblick auf die Ziele „Kein Hunger“ (SDG 2), „Sauberes Wasser und Sanitäreirichtungen“ (SDG 6) sowie „Bezahlbare und saubere Energie“ (SDG 7) fielen geringer aus.

Bei drei Zielen – „Klimaschutz“ (SDG 13), „Leben an Land“ (SDG 15) und „Globale Partnerschaften“ (SDG 17) – werden weitere Fortschritte erwartet, da die EU-Mitgliedstaaten gehalten sind, die auf EU-Ebene gesteckten ehrgeizigeren Umweltziele umzusetzen. In Bezug auf den Klimaschutz (SDG 13) hat sich die EU sehr ehrgeizige und beispiellose Klimaziele für 2030 gesetzt, die im Vergleich zu früheren Trends größere Anstrengungen erfordern werden. Die EU hat bereits politische Maßnahmen ergriffen, um diese zusätzlichen Anstrengungen zu erreichen, insbesondere mit dem Paket „Fit für 55“, einer Überarbeitung des EU-Emissionshandelssystems (EHS) sowie der Lastenteilungsverordnung, in der verbindliche jährliche Ziele für die Treibhausgasemissionen der Mitgliedstaaten festgelegt werden. Außerdem hat die EU im Energiebereich die Ziele für 2030 erhöht. Somit sind in der EU in den kommenden Jahren auch in Bezug auf Energieeffizienz und erneuerbare Energien größere Fortschritte zu erwarten 52 . Was das Leben an Land (SDG 15) betrifft, so setzt sich der Rückgang der Populationen häufiger Vogel- und Wiesenschmetterlingsarten in der EU trotz der Vergrößerung der Schutzgebiete seit 2013 stetig fort. Um die Schädigung der Ökosysteme umzukehren, sehen die EU-Biodiversitätsstrategie für 2030, die in diesem Jahr eingeleitete EU-Waldstrategie für 2030 und die EU-Bodenstrategie zusätzliche Anstrengungen vor, wobei in letzterer für 2030 das Ziel festgelegt ist, geschädigte Flächen und Böden wiederherzustellen und die Wüstenbildung zu bekämpfen. Was die Partnerschaften zur Erreichung der Ziele (SDG 17) betrifft, so spiegelt der Trend zum Teil Konjunktureffekte und insbesondere den Anstieg des öffentlichen Schuldenstands infolge der COVID-19-Krise wider.  



ANLAGE 4 – ERGEBNISSE DER EINGEHENDEN ÜBERPRÜFUNGEN DER MAKROÖKONOMISCHEN UNGLEICHGEWICHTE IN DEN EU-MITGLIEDSTAATEN

In 11 der 17 Mitgliedstaaten, die einer eingehenden Überprüfung unterzogen wurden, wurden Ungleichgewichte oder übermäßige Ungleichgewichte festgestellt. Im Rahmen der eingehenden Überprüfung werden die Schwere der Ungleichgewichte, deren jüngste und künftig zu erwartende Entwicklungen und die einschlägigen politischen Maßnahmen analysiert. Auch relevante Spillover-Effekte und grenzübergreifende systemische Auswirkungen der Ungleichgewichte werden berücksichtigt. In die eingehenden Überprüfungen fließen auch die Ergebnisse von drei thematischen Vermerken ein: i) zur außenwirtschaftlichen Tragfähigkeit, ii) zum Inflationsgefälle und dessen Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit und iii) zu den Entwicklungen auf dem Wohnimmobilienmarkt, wobei das Hauptaugenmerk auf einer Reihe von Mitgliedstaaten liegt, die in der laufenden Runde Gegenstand einer eingehenden Überprüfung wurden 53 .

Die hohe Inflation kann Ungleichgewichten Vorschub leisten. Eine anhaltend hohe Inflation kann sich negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit auswirken, wenn sie nicht mit einem entsprechenden Produktivitätszuwachs einhergeht, was zur Entstehung oder Verschärfung makroökonomischer Ungleichgewichte führen kann, wenn andere Schwachstellen bestehen. Dazu kann es vor allem dann kommen, wenn sich die Inflation verfestigt, was insbesondere dann eintreten kann, wenn Preis-Lohn-Spiralen, möglicherweise verschärft durch höhere Gewinnmargen, auf die Preise handelbarer Waren und Dienstleistungen durchschlagen. This is more likely to be the case the higher the domestic valued added into exports is. It can then negatively impact competitiveness, possibly resulting in increased external indebtedness. Die Inflation bringt auch Herausforderungen für private Haushalte mit sich, deren Einkommensentwicklung gegenwärtig weit hinter der Preisentwicklung zurückbleibt, was zu Kaufkrafteinbußen führt und negative Auswirkungen auf die Verteilung hat. Bei Unternehmen, die ihre gestiegenen Kosten nicht über die Verkaufspreise abwälzen können, belastet die anhaltende Inflation den Schuldendienst. Das kann wiederum Auswirkungen auf den Finanzsektor haben und aufgrund eines Rückgangs des Konsums und der Investitionen das Wirtschaftswachstum verlangsamen. Die Senkung der Inflation erfordert politisches Handeln, das unter anderem in einer Dämpfung der Nachfrage bestehen kann, was wiederum das kurzfristige BIP-Wachstum beeinträchtigen könnte. Dies ist insbesondere dann problematisch, wenn die Kerninflation deutlich über dem Durchschnitt der EU oder des Euro-Währungsgebiets liegt und Risiken fortbestehen; in solchen Fällen darf die Inflation nicht allein durch geldpolitische Maßnahmen zurückgeführt werden.

Das Inflationsgefälle zwischen den Mitgliedstaaten liegt auf historisch hohem Niveau. Das Inflationsgefälle hängt zum Teil mit den unterschiedlichen Auswirkungen der höheren Energie- und Lebensmittelpreise auf die einzelnen Länder zusammen, die wiederum auf die unterschiedliche Energieversorgung, unterschiedliche Wirtschaftsstrukturen und den damit verbundenen Energiebedarf sowie den Anteil von Energie und Lebensmitteln am Gesamtkonsum zurückzuführen sind. Bei einigen Ländern hat der Inflationsdruck jedoch noch andere Ursachen wie steigende Lohnstückkosten sowie höhere Unternehmensmargen und -gewinne. Auch bestimmte Staatsausgaben, etwa für Entlastungsmaßnahmen, haben in einigen Fällen zum Anstieg des Inflationsgefälles zwischen den Ländern der EU bzw. des Euro-Währungsgebiets beigetragen. In Ländern, in denen die Inflation weitgehend auf die Wirkung der Energiepreise zurückzuführen ist, dürfte sich das Inflationsgefälle im Zuge der Normalisierung der Energiepreise verringern, sofern die Preise erforderlichenfalls nach unten angepasst werden und keine anderen Effekte eintreten. Wenn die Inflation jedoch hauptsächlich aus inländischem Preisdruck im Zusammenhang mit der Lohn- und Gewinndynamik resultiert, kann es sich schwieriger gestalten, sie rasch einzudämmen, insbesondere wenn sich die Preisdynamik verfestigt oder dauerhaftere Ursachen hat, sodass strukturelle Maßnahmen erforderlich sein könnten, um den Wettbewerb auf bestimmten Märkten zu verbessern.

Inflationsunterschiede innerhalb einer Währungsunion sind ein bedeutendes Problem, das besondere Aufmerksamkeit erfordert. In einer Währungsunion wird der Währungsbehörde ihre Aufgabe durch divergierende Inflationseffekte erschwert, weil Änderungen des geldpolitischen Kurses in verschiedenen Teilen der Währungsunion unterschiedliche Auswirkungen haben können. Da die Kosten und Preise in einem Land nicht durch Änderungen des nominalen Wechselkurses angepasst werden können, können anhaltende Inflationsunterschiede zu dauerhaften Wettbewerbsverlusten und strukturellen Verschiebungen führen, die sich nur schwer und mit hohem Kostenaufwand rückgängig machen lassen; so kann eine weitere Straffung der Finanzpolitik erforderlich sein, um eine übermäßige Nachfrage zu dämpfen, der Ausweitung von Schwachstellen vorzubeugen und invasivere Korrekturen in der Zukunft zu vermeiden.

In Ländern, die nicht dem Euro-Währungsgebiet angehören, kann der nominale Wechselkurs angepasst werden, um einem Rückgang der Wettbewerbsfähigkeit entgegenzuwirken, aber auch dieses Vorgehen kann Risiken mit sich bringen. So können Abwertung und Wertverlust einer Währung weiteren Inflationsdruck verursachen, weil dadurch importierte Waren und Dienstleistungen teurer werden. Gleichzeitig steigen dann die Kosten für den Schuldendienst von Fremdwährungspositionen, was zu höheren Risikoprämien bei der Emission von Staatsanleihen und der Kreditaufnahme aus dem Ausland führen kann.

Die hohen privaten und öffentlichen Schuldenquoten gingen 2022 – in einigen Fällen sogar beschleunigt – zurück, wobei jedoch Schwachstellen fortbestehen. Nachdem der Schuldenabbau wegen der COVID-19-Krise unterbrochen worden war, gehen die Schuldenquoten seither im Zuge des höheren nominalen BIP-Wachstums zurück. Somit setzt sich der seit Langem bestehende Trend zum Schuldenabbau fort, durch den die Schuldenquoten in vielen Ländern im Laufe der Jahre deutlich zurückgegangen sind. In einigen Fällen besonders hoher Verschuldung gingen die Schuldenquoten im Jahr 2022 aufgrund des starken Nennereffekts stärker zurück als in den Vorjahren. Die Schuldenquoten sind aber weiterhin hoch und liegen, wie es insbesondere bei der Staatsverschuldung der Fall ist, teilweise nach wie vor deutlich über dem vor der COVID-19-Krise verzeichneten Niveau. In einigen Fällen liefen die zur Abmilderung der Auswirkungen der höheren Energiepreise ergriffenen Entlastungsmaßnahmen der Senkung der öffentlichen Schuldenquoten zuwider.

Das anhaltende nominale BIP-Wachstum dürfte den weiteren Schuldenabbau unterstützen, allerdings vor dem Hintergrund ungünstigerer Finanzierungsbedingungen. Die Stärkung des BIP-Potenzialwachstums, insbesondere durch die wirksame Umsetzung der ARP, wird den Abbau der Schuldenquoten weiter unterstützen. Während die hohe Inflation zurzeit das nominale BIP erhöht und das Verhältnis der Verschuldung zur Wirtschaftsleistung verringert, wird damit gerechnet, dass die Inflation zurückgeht und schwierigere Finanzierungsbedingungen insbesondere bei hoher Verschuldung den Schuldendienst belasten können. Dies kann vor allem bei variablen Zinssätzen, raschen Zinsveränderungen oder einem erhöhten Finanzierungsbedarf Anlass zu Bedenken geben; Verschuldung und Kreditaufnahme in Fremdwährungen können diese Bedenken bei einigen Ländern noch verstärken. In diesen Fällen können Veränderungen der Wahrnehmung oder der Risikobereitschaft der Finanzmärkte nicht ausgeschlossen werden, sodass eine solide Wirtschafts- und Finanzpolitik erforderlich ist.

Die außenwirtschaftlichen Positionen wurden in der Regel durch den Schock bei den Energieimportpreisen geschwächt, was in einigen Fällen noch durch die rege Inlandsnachfrage verstärkt wurde. Die Handelsbilanzen sind aufgrund der höheren Kosten der Energieimporte in der gesamten EU deutlich zurückgegangen. Diese Entwicklung traf einige Länder aufgrund ihrer Abhängigkeit von Energie aus fossilen Brennstoffen und der Herkunft dieser Energie stärker als andere. In einigen Fällen verschlechterten sich die Leistungsbilanzen zusätzlich durch einen sehr starken Anstieg der Inlandsnachfrage, sodass die Salden auch bei Ausklammerung des Energiebereichs rückläufig waren. Die weitere Erholung des grenzüberschreitenden Tourismus hat hingegen dazu beigetragen, die Verschlechterung der Leistungsbilanz einiger großer Netto-Schuldnerländer mit bedeutenden Tourismussektoren einzudämmen, wobei es in einigen Fällen aber dennoch zu erheblichen Leistungsbilanzdefiziten kam. Hohe Leistungsbilanzüberschüsse verringerten sich, blieben aber erheblich.

Im weiteren Verlauf des Jahres dürften niedrigere Preise für Energieimporte die Leistungsbilanzen nahezu aller Mitgliedstaaten im Jahr 2023 erhöhen, unabhängig davon, ob die jeweilige Leistungsbilanz ein Defizit oder einen Überschuss aufweist. Dank des nominalen BIP-Wachstums und trotz der sich verschlechternden Leistungsbilanzen verbesserte sich der hohe negative Nettoauslandsvermögensstatus (NAVS) vieler Länder im Jahr 2022 weiter; dieser Trend dürfte sich im laufenden und im nächsten Jahr fortsetzen, angesichts des geringeren nominalen BIP-Wachstums und des in einigen Fällen anhaltenden hohen Auslandskreditbedarfs allerdings in geringerem Tempo. Die Leistungsbilanzdefizite könnten trotz des vor dem Hintergrund des Rückgangs der Energiepreise zu erwartenden Anstiegs der Leistungsbilanzen in einer Reihe von Fällen weiterhin schwächer ausfallen als in den vergangenen Jahren, und ihre Entwicklung sollte genau beobachtet werden. Die Leistungsbilanzüberschüsse dürften nach der Verringerung im Jahr 2022 den Projektionen zufolge im Jahr 2023 ansteigen, da sich die Auswirkungen der Energiepreise nunmehr umkehren, allerdings auf ein moderateres Niveau. Risikofaktoren wie eine Stabilisierung der Energiepreise auf höherem Niveau oder eine anhaltend höhere Inflation könnten zu einer dauerhaften Verschlechterung der Zahlungsbilanzen führen. Der Zufluss von Mitteln aus der ARF wird die außenwirtschaftliche Position in den kommenden Jahren in einer Reihe von Fällen stützen.

Die Wohnimmobilienpreise setzten 2022 ihren starken Aufwärtstrend fort, bis es im späteren Jahresverlauf zu einer Abkühlung an den Märkten kam. Die nominalen Wohnimmobilienpreise stiegen im Jahr 2022 in den meisten Mitgliedstaaten weiter an, sodass sich das Verhältnis der Preise zu den Einkommen weiter erhöhte. Im späteren Jahresverlauf schwächte sich der Anstieg der Wohnimmobilienpreise dann ab, und eine Reihe von Ländern verzeichnete in der zweiten Jahreshälfte 2022 einen Rückgang der nominalen Preise. Aufgrund der erschwerten Finanzierungsbedingungen und der sinkenden Realeinkommen der privaten Haushalte ging die Nachfrage nach Wohnimmobilien zurück, sodass eine Korrektur der Wohnimmobilienpreise einsetzte.

In der kommenden Zeit dürften die Wohnimmobilienpreise angesichts der sich verschärfenden Finanzierungsbedingungen und der unter Druck stehenden Einkommen weiter nachgeben, während das Wohnungsangebot wegen der steigenden Baukosten gedämpft bleibt. Dort, wo die Wohnimmobilienpreise stärker überbewertet erscheinen und der Preisanstieg mit hoher – und weiter steigender – Verschuldung der privaten Haushalte zusammenfällt, könnten private Haushalte und Kreditgeber zunehmend anfällig für Abwärtskorrekturen der Wohnimmobilienpreise sein. So könnten Länder, in denen variable Zinssätze vorherrschen, besonders stark betroffen sein, weil die Darlehensraten insbesondere bei langen Hypothekenlaufzeiten und in Fällen, in denen die Zinsen einen erheblichen Teil der Monatsraten ausmachen, rasch steigen, was sich auch auf den Konsum und das BIP auswirken kann. Gleichzeitig herrschen in einigen Mitgliedstaaten zusätzlich Bedenken in Bezug auf den Gewerbeimmobiliensektor, der in einigen Fällen besonders vom Anstieg der Finanzierungskosten betroffen war. Auch über die unmittelbare Zukunft hinaus ist davon auszugehen, dass die bereits vor der Pandemie bestehenden Angebotsengpässe in den kommenden Jahren fortbestehen werden, was die Preisrückgänge insgesamt begrenzen, der Zunahme des Wohnimmobilienbestands aber abträglich sein dürfte; in der Tat ist die Bautätigkeit in jüngster Zeit in einigen Ländern zurückgegangen. Sofern keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden, können diese Angebotsengpässe mittelfristig zu erneutem Preisaufwärtsdruck und zu einer Verschlechterung der Erschwinglichkeit von Wohnimmobilien führen.

Der Bankensektor hat sich dank der zuvor durchgeführten Reformen zunehmend robust entwickelt, doch angesichts des derzeitigen makroökonomischen Umfelds könnten die Anfälligkeiten zunehmen. Mitgliedstaaten mit einer hohen Altlast an notleidenden Krediten konnten diese weiter abbauen, teilweise sogar erheblich. Falls jedoch Abwärtsrisiken wie eine Verschlechterung der Konjunkturaussichten oder eine erhöhte Volatilität an den Finanzmärkten eintreten, könnte dies zu Problemen in den Bilanzen der Banken führen. Die höheren Zinssätze dürften die Gewinnmargen der Banken verbessern, könnten aber auch Herausforderungen verursachen, wenn private Haushalte und nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften in Bezug auf die Bedienung ihrer Schulden in Schwierigkeiten geraten. In Mitgliedstaaten mit einer starken Verflechtung zwischen Banken und Regierung können höhere Finanzierungskosten für den Staat auch ein Risiko für die Banken darstellen. Die Exposition gegenüber dem Wohn- und insbesondere dem Gewerbeimmobiliensektor kann in einigen Ländern Anlass zur Sorge geben.

Tabelle 1: EINSTUFUNG DER MITGLIEDSTAATEN IM RAHMEN DES VERFAHRENS BEI EINEM MAKROÖKONOMISCHEN UNGLEICHGEWICHT

 

Ergebnisse der eingehenden Überprüfungen 2022

Ergebnisse der eingehenden Überprüfungen 2023

Kein Ungleichgewicht

HR, IE

CZ, EE, LV, LT, LU, SK

Ungleichgewicht

DE, ES, FR, NL, PT, RO, SE

CY, DE, ES, FR, HU, NL, PT, RO, SE

Übermäßiges Ungleichgewicht

CY, EL, IT

EL, IT

z. E.: Keine eingehende Überprüfung

AT, BE, BG, CZ, DK, EE, FI, HU, LV, LT, LU, MT, PL, SK, SI

AT, BE, BG, DK, HR, FI, IE, MT, PL, SI

Anmerkung: Die Mitgliedstaaten, bei denen sich die Einstufung von 2022 auf 2023 geändert hat, sind in den beiden Spalten durch Fettdruck gekennzeichnet.

Andere Mitgliedstaaten, die keine Ungleichgewichte aufweisen 

Tschechien weist keine Ungleichgewichte auf. Schwachstellen bestehen im Hinblick auf die preisliche Wettbewerbsfähigkeit und die Wohnimmobilienpreise, doch scheint die Lage stabil, da sich die Verschuldung der privaten Haushalte in Grenzen hält und die Inflation voraussichtlich deutlich schneller sinken wird als im EU-Durchschnitt. Die Wirtschaft wurde stark vom Energiepreisschock getroffen, und die Inflation stieg rasch an. Zusätzlich befeuert wurde die Inflation von einem lockeren finanzpolitischen Kurs seit der Pandemie. Während der Preisdruck insgesamt hoch bleibt, dürfte sich die Kostenwettbewerbsfähigkeit vor dem Hintergrund sinkender Energiepreise teilweise erholen, solange die Tragfähigkeit nicht unmittelbar durch außenwirtschaftliche Faktoren gefährdet wird. Es wird erwartet, dass sich die Inflation deutlich schneller abschwächen wird als im EU-Durchschnitt. Sollte sie jedoch anhalten, könnte die Wettbewerbsfähigkeit Tschechiens darunter leiden. Da sich die Leistungsbilanz in der letzten Zeit verschlechtert hat, ist eine genaue Überwachung in der Zukunft angezeigt. In den letzten Jahren stieg die Nachfrage nach Wohnraum angesichts niedriger Zinssätze, eines hohen Einkommenswachstums und einer Lockerung der makroprudenziellen Maßnahmen kräftig an; das Wohnungsangebot blieb dahinter zurück. Die Wohnimmobilienpreise stiegen während der Pandemie stärker an, doch setzte Mitte 2022 infolge höherer Zinsen und strengerer Bedingungen für die Kreditvergabe eine Abschwächung ein. Eine wesentliche Korrektur der Wohnimmobilienpreise ist jedoch offenbar nicht zu befürchten, die Verschuldung der privaten Haushalte hält sich in Grenzen, und der Bankensektor ist solide; ein auf mittlere Sicht weiterhin begrenztes Angebot hätte jedoch weitere Preisanstiege zur Folge. Um die Inflation im Zaum zu halten, sind weitere Anstrengungen erforderlich. Die Inflation kann nur rasch gesenkt werden, wenn die Nachfrage stark nachlässt, was sich mit einer entsprechend straffen Geld- und Finanzpolitik bewerkstelligen ließe.

Estland weist keine Ungleichgewichte auf. Anfälligkeiten im Zusammenhang mit der Wettbewerbsfähigkeit und der Entwicklung der Wohnimmobilienpreise haben zwar in jüngster Zeit zugenommen, scheinen derzeit insgesamt aber unter Kontrolle zu sein. Die Löhne und insbesondere die Preise stiegen 2022 stark an, wobei die Einbußen bei der Wettbewerbsfähigkeit aber offenbar begrenzt sind, während die Leistungsbilanz nur ein geringes Defizit aufweist und den Prognosen zufolge in diesem und im nächsten Jahr nahezu ausgeglichen sein wird. Dennoch besteht die Gefahr, dass Inflation und Lohndruck, sofern sie von Dauer sind, die Wettbewerbsfähigkeit Estlands beeinträchtigen werden, zumal die Kerninflation des Landes deutlich über dem Durchschnitt des Euro-Währungsgebiets liegt. Die Wohnimmobilienpreise sind seit der Pandemie stark gestiegen, wobei es allerdings keine Anzeichen für Überbewertungen gibt. Angesichts des Zinsanstiegs und der jüngsten Rezession dürften die Wohnimmobilienpreise wieder nachgeben. Darüber hinaus sind die Verschuldung und die Kreditaufnahme der privaten Haushalte relativ moderat, und der Finanzsektor ist solide. Die politischen Rahmenbedingungen sind insgesamt günstig, wenngleich zusätzliche Anstrengungen dazu beitragen könnten, den mit den ermittelten Anfälligkeiten verbundenen Risiken zu begegnen. In diesem Zusammenhang wären fortgesetzte antizyklische finanzpolitische und makroprudenzielle Maßnahmen, die bei Bedarf verstärkt werden, angezeigt. Die Förderung des Wettbewerbs auf dem Inlandsmarkt könnte zur Minderung des Preisdrucks beitragen.

Lettland weist keine Ungleichgewichte auf. In Bezug auf die Auslandskreditaufnahme und den Wohnungsbau sind kleinere Anfälligkeiten zu verzeichnen; Risiken für die Wettbewerbsfähigkeit sind zwar vorhanden, scheinen jedoch für die unmittelbare Zukunft unter Kontrolle. Das Leistungsbilanzdefizit nahm zwar in letzter Zeit erheblich zu, dürfte jedoch dieses und nächstes Jahr wieder deutlich zurückgehen. Lettlands Nettoauslandsvermögensstatus, der sich im vergangenen Jahrzehnt merklich verbessert hat, wird voraussichtlich weitgehend stabil bleiben. Dennoch besteht die Gefahr, dass Inflation und Lohndruck, sofern sie von Dauer sind, die Wettbewerbsfähigkeit Lettlands beeinträchtigen werden, zumal die Kerninflation des Landes deutlich über dem Durchschnitt des Euro-Währungsgebiets liegt. Die Wohnimmobilienpreise zogen in der letzten Zeit recht kräftig an, doch ist offenbar keine wesentliche Überbewertung bei den Immobilienpreisen zu verzeichnen. Zudem schwächte sich der Preisanstieg gegen Ende 2022 wieder ab, die Hypothekarkreditaufnahme ist verhalten, und die Verschuldung der Haushalte hält sich in Grenzen und ist im Verhältnis zu den Haushaltseinkommen rückläufig. Lettlands Wirtschaft steht vor großen strukturellen Problemen aufgrund des zurückgehenden Arbeitskräfteangebots, das zu einem raschen Anstieg der Lohnstückkosten geführt hat und mittelfristig die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen könnte. Die politischen Rahmenbedingungen sind insgesamt günstig, wenngleich zusätzliche Anstrengungen dazu beitragen könnten, den mit den ermittelten Anfälligkeiten verbundenen Risiken zu begegnen. In dieser Hinsicht wären Strategien zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit wichtig, darunter Maßnahmen zur Steigerung der Qualität und Quantität des Arbeitskräfteangebots. Eine Verkürzung der Baugenehmigungsverfahren würde dazu beitragen, das Wohnungsangebot zu stützen und die Lage auf dem Wohnungsmarkt zu entspannen.

Litauen weist keine Ungleichgewichte auf. Insbesondere haben Anfälligkeiten im Zusammenhang mit der preislichen Wettbewerbsfähigkeit, der außenwirtschaftlichen Position und der Entwicklung der Wohnimmobilienpreise in jüngster Zeit zugenommen, scheinen derzeit insgesamt aber unter Kontrolle zu sein. Die Wirtschaft wurde stark vom Energiepreisschock getroffen, und die Inflation stieg rasch an; mit den sinkenden Energiepreisen dürfte sich die Wettbewerbsfähigkeit Litauens jedoch langsam erholen. Die Leistungsbilanz verschlechterte sich 2022 aufgrund der gestiegenen Preise für Energieimporte deutlich, dürfte in diesem Jahr aber nahezu ausgeglichen sein. Angesichts des soliden Nettoauslandsvermögensstatus werden geringe Leistungsbilanzdefizite die Tragfähigkeit der Zahlungsbilanz in Zukunft nicht gefährden. Dennoch besteht die Gefahr, dass Inflation und Lohndruck, sofern sie von Dauer sind, die Wettbewerbsfähigkeit Litauens beeinträchtigen werden, zumal die Kerninflation in Litauen deutlich über dem Durchschnitt des Euro-Währungsgebiets liegt. Wenngleich die Wohnimmobilienpreise seit der Pandemie stark gestiegen sind, gibt es keine Anzeichen für eine Überbewertung, und die Zinsanhebungen sowie die beginnende Rezession wirken sich nun mäßigend auf die Preise aus. Darüber hinaus ist die Verschuldung der privaten Haushalte gering und der Bankensektor weist eine gute Kapitalausstattung auf, wirtschaftet äußerst rentabel und verzeichnet nur wenige notleidende Kredite. Die politischen Rahmenbedingungen sind insgesamt günstig, wenngleich bestimmte Maßnahmen dazu beitragen könnten, den mit den ermittelten Anfälligkeiten verbundenen Risiken zu begegnen. In diesem Zusammenhang wären fortgesetzte antizyklische finanzpolitische und makroprudenzielle Maßnahmen, die bei Bedarf verstärkt werden, angezeigt. Gleichzeitig könnte durch eine verstärkte Ausrichtung auf die Förderung des Wettbewerbs auf dem Inlandsmarkt und Maßnahmen zur Steigerung der Qualität und Quantität des Arbeitskräfteangebots dazu beigetragen werden, dem Preis- und Lohnstückkostendruck zu begegnen.

Luxemburg weist keine Ungleichgewichte auf. In letzter Zeit haben sich vor allem die Anfälligkeiten in Bezug auf die hohen Wohnimmobilienpreise und die hohe Verschuldung der privaten Haushalte verstärkt; insgesamt scheinen diese aber bislang unter Kontrolle zu sein und dürften sich mittelfristig abschwächen. Das starke Bevölkerungswachstum und die gleichzeitige Zunahme der – durch steuerliche Anreize begünstigten – Hypothekarkredite haben die Nachfrage nach Wohnimmobilien angekurbelt, während das Angebot durch das begrenzte Bauland und das Horten von Grundstücken eingeschränkt wurde. Die zunehmende Kluft zwischen der Nachfrage nach Wohnraum und dem Angebot hat zu einem kräftigen Anstieg der Wohnimmobilienpreise geführt, wobei das Risiko einer Überbewertung der Wohnimmobilienpreise zugenommen und sich die Erschwinglichkeit verschlechtert hat. Gegen Ende 2022 führte der Anstieg der Zinssätze zu einer Wende auf dem Markt: Die Wohnimmobilienpreise kühlten deutlich ab, und die Zahl der Immobilientransaktionen ging erheblich zurück. Eine drastische Korrektur der Wohnimmobilienpreise ist jedoch nicht zu erwarten, da sich die Einkommen gut behaupten und das Angebot knapp bleiben dürfte. Die gemessen am verfügbaren Bruttoeinkommen sehr hohe Verschuldung der privaten Haushalte ist weiter gestiegen, während sich die Kreditaufnahme Ende 2022 etwas abgekühlt hat. Das Finanzvermögen der privaten Haushalte ist ebenfalls beträchtlich, wobei die Verschuldung bei den Haushalten mit höherem Einkommen und Vermögen tendenziell höher ist, und der Bankensektor ist solide, wodurch die makrofinanziellen Risiken insgesamt abgemildert werden. Zusätzliche politische Anstrengungen, darunter die Verstärkung der jüngst ergriffenen Maßnahmen und die Priorisierung ihrer Annahme und Umsetzung, einschließlich periodischer Steuern zur Erhöhung des Angebots an Bauland, könnten in Verbindung mit der laufenden Reform der Flächennutzungsplanung dazu beitragen, das Wohnungsangebot zu steigern, unter anderem indem erschwinglicher Wohnraum bzw. Sozialwohnungen für die bedürftigsten Menschen geschaffen werden. Auch die Effizienz des Mietmarktes könnte verbessert werden. Eine Verringerung der in letzter Zeit erheblich angehobenen Abzugsfähigkeit von Hypothekenzinsen würde zudem die steuerlichen Anreize für die Aufnahme von Krediten reduzieren, die die hohen Wohnimmobilienpreise stützen.

Die Slowakei weist keine Ungleichgewichte auf. Zwar haben die Anfälligkeiten in Bezug auf Wettbewerbsfähigkeit, Wohnungsbau, Verschuldung der privaten Haushalte und Zahlungsbilanz zugenommen, sie scheinen sich aber in naher Zukunft insgesamt in Grenzen zu halten und dürften sich angesichts der Normalisierung der Wirtschaftslage abschwächen. Die Wirtschaft wurde stark vom Energiepreisschock getroffen, und die Inflation stieg rasch an. Kerninflation und Lohnstückkosten liegen deutlich über dem Durchschnitt des Euro-Währungsgebiets. Hier wird zwar voraussichtlich eine Normalisierung eintreten, jedoch besteht das Risiko, dass sich der Druck auf die Kostenwettbewerbsfähigkeit erst in einiger Zeit abschwächt und die kräftige Inlandsnachfrage die Zahlungsbilanz auch weiterhin belastet. Die Leistungsbilanz verschlechterte sich 2022 aufgrund der höheren Preise für Energieimporte und des deutlichen Rückgangs der Nettoausfuhren von Waren (ohne Energiehandel) deutlich. Das Leistungsbilanzdefizit dürfte sich den Prognosen zufolge leicht verbessern, aber trotz der sinkenden Energiepreise in den Jahren 2023 und 2024 hoch bleiben. Dennoch werden die außenwirtschaftlichen Nachhaltigkeitsrisiken auf kurze Sicht als begrenzt eingeschätzt. Die öffentlichen Defizite dürften in diesem und im nächsten Jahr erheblich ausfallen und ab 2024 korrigiert werden. Wohnimmobilien scheinen nach mehreren Jahren ausgeprägten Preiswachstums leicht überbewertet zu sein. Gleichzeitig kam es zu einer hohen Kreditaufnahme, die sich nun abschwächt, und einem starken Anstieg der Verschuldung der privaten Haushalte, die zusammengenommen ein gewisses Risiko für die Finanzstabilität darstellen. Der Bankensektor weist jedoch nach wie vor eine gute Kapitalausstattung auf, wirtschaftet äußerst rentabel und verzeichnet nur wenige notleidende Kredite. Es ist weiterhin erforderlich, gegen die wirtschaftlichen Anfälligkeiten des Landes vorzugehen. Insbesondere sollte der Nachfrageüberhang eingedämmt werden, um die Korrektur des Leistungsbilanzdefizits und des Kerninflationsgefälles gegenüber dem übrigen Euro-Währungsgebiet zu unterstützen. Dies kann erreicht werden, indem eine angemessene Haushaltskonsolidierung und Maßnahmen zur Bewältigung der Verschuldung der privaten Haushalte sichergestellt werden und gleichzeitig die Erschwinglichkeit von Wohnraum durch Immobilienbesteuerung und Maßnahmen zur Förderung des Wohnungsangebots gewahrt wird.

Mitgliedstaaten, die Ungleichgewichte aufweisen 

Zypern weist Ungleichgewichte auf, nachdem bis 2022 übermäßige Ungleichgewichte festgestellt wurden. Die Anfälligkeiten im Zusammenhang mit den Privat-, Staats- und Auslandsschuldenständen sind zwar insgesamt zurückgegangen, geben aber nach wie vor Anlass zur Sorge. Insbesondere die hohen Schuldenstände einschließlich notleidender Kredite sind erheblich zurückgegangen und dürften auch weiterhin zurückgehen, während die Leistungsbilanzdefizite nach wie vor ein Problem darstellen. Die private Verschuldung ist seit 2015 – mit Ausnahme des Jahres 2020 im Zuge der COVID-19-Krise – zurückgegangen und dürfte durch das nominale BIP-Wachstum gestützt in diesem und im nächsten Jahr weiter zurückgehen. Höhere Zinssätze könnten den Schuldendienst jedoch unter Druck setzen, da Darlehen mit variablen Zinssätzen vorherrschen. Die private Verschuldung und die Auslandsverschuldung werden durch bestehende Zweckgesellschaften in Zypern beeinflusst, die das Verschuldungsniveau erhöhen, aber nur begrenzte Risiken für die Wirtschaft darstellen. Die von Banken gehaltenen notleidenden Kredite sind in den letzten Jahren stark zurückgegangen, was auf Verkäufe notleidender Kredite, Abschreibungen, Bartilgungen, Abhilfen und Umwandlungen von Schulden in Beteiligungen zurückzuführen ist. Der gesamtstaatliche Schuldenstand ist stetig zurückgegangen; er ist unter das Niveau von vor der Pandemie gesunken und dürfte in den Jahren 2023 und 2024 weiter sinken. Trotz der Erholung im Tourismussektor hat sich das hohe Leistungsbilanzdefizit 2022 aufgrund der robusten Binnennachfrage und der hohen Energiepreise vergrößert. Voraussichtlich wird es in diesem und im nächsten Jahr leicht zurückgehen, aber hoch bleiben. Die politische Reaktion wirkte sich günstig aus. Mehrere im Aufbau- und Resilienzplan enthaltene Maßnahmen dürften zur Diversifizierung der Wirtschaft, zur Förderung des Exportwachstums und zur Verringerung der übermäßigen Abhängigkeit von Ölimporten beitragen. Im Rahmen des Aufbau- und Resilienzplans wurde Mitte 2022 ein Paket von Änderungsgesetzen über kreditnehmende Unternehmen und Kreditdienstleister verabschiedet, mit dem ihr Arbeitsumfeld verbessert und der Abbau notleidender Kredite unterstützt werden soll. Nach mehreren Verlängerungen endete die Aussetzung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen im Februar 2023. Ein wirksamer Zwangsvollstreckungsrahmen ist von entscheidender Bedeutung, um Kreditnehmer zu ermutigen, sich an der Umstrukturierung von Krediten zu beteiligen, notleidende Kredite in der Wirtschaft weiter abzubauen, die private Verschuldung zu verringern und die Zahlungsdisziplin zu verbessern.

Spanien weist nach wie vor Ungleichgewichte auf. Die Anfälligkeiten im Zusammenhang mit der hohen Privat-, Staats- und Auslandsverschuldung, die grenzüberschreitende Bedeutung haben, nehmen zwar ab, bleiben aber bestehen. Die Auslands- und insbesondere die Privatverschuldung gingen in den 2010er Jahren und seit 2021 wieder – nach einer kurzzeitigen Unterbrechung dieses Trends im Jahr 2020 – zurück und dürften weiter sinken, was durch das Wirtschaftswachstum begünstigt wird. Sie sind jedoch nach wie vor auf einem vergleichsweise hohen Niveau. Die außenwirtschaftliche Position weist seit einem Jahrzehnt einen Leistungsbilanzüberschuss auf, auch wenn dieser sich in jüngerer Zeit aufgrund der Auswirkungen der Pandemie auf die Tourismusexporte sowie der höheren Energiepreise im Jahr 2022 verringert hat. Der gesamtstaatliche Schuldenstand ist nach wie vor hoch. Wenngleich er im Jahr 2022 den Abwärtskurs wieder aufgenommen hat, der vor der Pandemie durch ein starkes nominales BIP-Wachstum zu Verbesserungen führte, liegt er noch immer über dem Stand vor der Pandemie. In den Jahren 2023 und 2024 dürfte sich dieser Rückgang in einem moderateren Tempo fortsetzen, flankiert durch die politischen Maßnahmen im Aufbau- und Resilienzplan. Das Finanzsystem hat sich angesichts der jüngsten durch die Pandemie und die Energiekrise ausgelösten Schocks als resilient erwiesen. Die Arbeitslosigkeit geht wieder zurück, ist aber nach wie vor hoch, und es bestehen weiterhin Schwachstellen, insbesondere die sehr hohe Langzeit- und Jugendarbeitslosigkeit. Potenzielle Risiken für die weitere Verringerung der Anfälligkeiten ergeben sich vor allem aus den Auswirkungen der restriktiveren Finanzierungsbedingungen auf die Finanzlage der Haushalte und Unternehmen sowie auf die mittel- bis langfristige Tragfähigkeit der Staatsverschuldung angesichts der derzeitigen Marktbedingungen und der alternden Bevölkerung. Die politischen Fortschritte haben sich günstig ausgewirkt, und die weitere Umsetzung des Aufbau- und Resilienzplans dürfte zu weiteren Verbesserungen führen.

Frankreich weist nach wie vor Ungleichgewichte auf. Es bestehen weiterhin Schwachstellen im Zusammenhang mit der hohen Staatsverschuldung, der Wettbewerbsfähigkeit und dem niedrigen Produktivitätswachstum, die grenzüberschreitend von Bedeutung sind, doch gibt es Anzeichen einer Besserung. Der gesamtstaatliche Schuldenstand ist nach einem Anstieg während der Pandemie wieder zurückgegangen, seitdem sich das BIP 2021 erholt hat. Verschiedene haushaltspolitische Maßnahmen führten 2022 dazu, dass die Auswirkungen der Energiekrise erheblich abgefedert wurden, sich aber auch der Schuldenabbau verlangsamte. Der Schuldenstand dürfte in diesem und im nächsten Jahr weiter zurückgehen, wird dann aber, wenn nicht politisch gegengesteuert wird, den Projektionen zufolge wieder einen Aufwärtstrend aufweisen und weiterhin hoch und über dem Niveau vor der Pandemie bleiben; auch bleiben die großen Herausforderungen für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen mittelfristig bestehen. Die politischen Maßnahmen der letzten Jahre zur Steigerung des Potenzialwachstums könnten dazu beitragen, den prognostizierten Anstieg der Staatsverschuldung mittelfristig zu korrigieren. Mehrere Reformen zur Verbesserung der Kostenwettbewerbsfähigkeit wurden verabschiedet. Ein kleiner positiver Effekt auf die Wettbewerbsfähigkeit macht sich bereits bemerkbar, und in den kommenden Jahren dürften sich die Auswirkungen deutlich zeigen. Auch die Arbeitsproduktivität dürfte von der wirksamen Umsetzung der geplanten Investitionen und Reformen profitieren. Die französische Wirtschaft erwies sich im vergangenen Jahr als resilient, insofern als die Kostenwettbewerbsfähigkeit weniger vom Anstieg der Energiepreise beeinträchtigt wurde als im übrigen Euro-Währungsgebiet. Die Exporte steigen aufgrund der weiteren Erholung des grenzüberschreitenden Tourismus und der Luftfahrtindustrie, die stark von der Pandemie betroffen waren. Während die Verschuldung des privaten Sektors in der schlimmsten Pandemiezeit zunahm, ging eine höhere Kreditaufnahme seitens der Unternehmen mit einer Erhöhung des Eigenkapitals und dem Aufbau weiterer Liquiditätspuffer einher. Höhere Zinssätze könnten dem öffentlichen und privaten Schuldenabbau entgegenstehen. Die politischen Maßnahmen wirken sich positiv aus, doch es bestehen nach wie vor Probleme, insbesondere bei der Verwaltung der öffentlichen Finanzen. Eine wirksame Umsetzung der kürzlich verabschiedeten Reformen ist für die Beseitigung der Schwachstellen nach wie vor entscheidend, insbesondere der Reform der Verwaltung der öffentlichen Finanzen und des neuen Mechanismus für jährliche Bewertungen der öffentlichen Ausgaben. Es ist wichtig, diese beiden Maßnahmen fortzusetzen, um die Ausgaben und die öffentliche Verschuldung kontinuierlich zu senken. Darüber hinaus hat die Regierung eine Reform des öffentlichen Rentensystems verabschiedet, die zur Schuldentragfähigkeit beitragen dürfte.

Deutschland weist nach wie vor Ungleichgewichte auf. Der anhaltend hohe Leistungsbilanzüberschuss, der auch auf die im Vergleich zur Ersparnis schwache Investitionstätigkeit zurückzuführen ist und grenzüberschreitende Bedeutung hat, wurde zwar allmählich abgebaut – zuletzt im Zuge der Energiekrise –, wird sich voraussichtlich aber wieder deutlich ausweiten. Bis 2019 war er dank einer leicht steigenden inländischen Investitionsquote und eines rückläufigen Handelsbilanzsaldos langsam zurückgegangen und wird seither durch außergewöhnliche wirtschaftliche Umstände geprägt. Wegen der gestiegenen Energieimportpreise sowie der Verringerung des Handelsbilanzüberschusses ohne Energie und einer Erholung des Tourismus aus dem Ausland war 2022 ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen. 2022 blieb er auf höherem Stand als die Fundamentaldaten des Landes dies nahegelegt hätten und wird den Projektionen zufolge unter dem MIP-Schwellenwert bleiben, während für 2023 eine deutliche Ausweitung und für 2024 ein nahezu unveränderter Stand erwartet wird. Für die Löhne wird ein kräftiger Anstieg prognostiziert, sodass diese die Binnennachfrage stützen, doch könnten die Lohnstückkosten schneller steigen als im restlichen Euro-Währungsgebiet. Konsum und Investitionen werden allerdings vorübergehend durch die hohe Inflation gedämpft. Die Wohnimmobilienpreise sind in den vergangenen Jahren drastisch gestiegen, auch wenn sie seit Mitte 2022 wieder leicht nachgeben. Wegen der schwachen Investitionen in den Wohnungsbau kann das Wohnungsangebot nicht mit der Nachfrage Schritt halten, was das anhaltende Risiko einer Überbewertung noch verschärfen könnte. Eine zügige und wirksame Umsetzung der öffentlichen Investitionsinitiativen und die Beseitigung von Investitionshemmnissen würde die Anfälligkeiten weiter verringern.

Ungarn weist Ungleichgewichte auf. Die Anfälligkeiten im Zusammenhang mit dem sehr starken Preisdruck und dem externen und staatlichen Finanzierungsbedarf haben zugenommen und sind erheblich. Die Inflation ist erheblich gestiegen und hat noch nicht begonnen, sich sichtbar abzuschwächen. Sollte die Inflation über einen längeren Zeitraum hinweg hoch bleiben, würde dies die Kostenwettbewerbsfähigkeit weiter untergraben und könnte zu anhaltend hohen Finanzierungskosten führen. Das hohe Leistungsbilanzdefizit wurde durch die höheren Energiepreise im Jahr 2022 deutlich erhöht, und die kurzfristige Auslandsverschuldung ist gestiegen. Verbesserungen der Leistungsbilanz in diesem Jahr und im nächsten Jahr hängen von der erwarteten weiteren Abschwächung der Energiepreise ab, doch dürfte das Leistungsbilanzdefizit in den Jahren 2023 und 2024 auf einem nicht unerheblichen Niveau bleiben. Die hohe Energieintensität der Wirtschaft ist ausschlaggebend für die Leistungsbilanzdynamik. Das gesamtstaatliche Defizit war hoch, was nur teilweise auf die politischen Reaktionen auf die Pandemie und die Energiekrise zurückzuführen ist, und ist für einen Großteil der Auslandskreditaufnahme der Wirtschaft verantwortlich. Die gesamtstaatliche Schuldenquote ging dank des kräftigen nominalen BIP-Wachstums zurück, was jedoch durch eine Konjunkturabschwächung und das Fortbestehen hoher Defizite gefährdet werden könnte. Die staatlichen Fremdfinanzierungskosten sind seit 2021 gestiegen, und die Regierung ist mit einer steigenden Zinsbelastung konfrontiert, während die Schuldenlaufzeit nach wie vor relativ niedrig ist. Die Wohnimmobilienpreise haben sich über einen Zeitraum von fünf Jahren verdoppelt, doch die Preissteigerungen wurden Ende 2022 gestoppt. Angesichts der geringen Verschuldung der privaten Haushalte und des derzeit hohen Inflationsniveaus scheint ein erheblicher nominaler Preisrückgang jedoch wenig wahrscheinlich. Politische Unstimmigkeiten haben die festgestellten Anfälligkeiten noch verschärft. Eine wirksame Koordinierung und klare Abgrenzung der makroökonomischen Politik, gestützt durch einen starken institutionellen politischen Rahmen, ist von entscheidender Bedeutung, um die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen und der Zahlungsbilanz zu gewährleisten und die Erwartungen zu festigen. Die rechtzeitige und vollständige Umsetzung der im ungarischen Aufbau- und Resilienzplan vorgesehenen Strukturreformen dürfte dazu beitragen, makroökonomische Anfälligkeiten zu verringern und Wachstum und Anpassung mittelfristig zu fördern.

Die Niederlande weisen nach wie vor Ungleichgewichte auf. Die mit einer hohen privaten Verschuldung und einem hohen Leistungsbilanzüberschuss zusammenhängenden Anfälligkeiten, die grenzüberschreitende Auswirkungen haben, bestehen trotz gewisser Anzeichen der Besserung weiterhin fort. Trotz der jüngsten Datenrevisionen sind der Leistungsbilanzüberschuss sowie die private Verschuldung im internationalen Vergleich hoch und liegen über den wirtschaftlichen Fundamentaldaten. Der hohe Leistungsbilanzüberschuss ging 2022 aufgrund einer Verschlechterung des realen Austauschverhältnisses der Ex- und Importe (wobei die Leistungsbilanz in konstanten Preisen gestiegen ist) und eines steigenden Defizits bei den Primäreinkommen zurück. Mit der Verbesserung des realen Austauschverhältnisses der Ex- und Importe dürfte sich der Überschuss 2023 deutlich erholen und 2024 stabilisieren. Beim Abbau von Investitionshemmnissen wurden begrenzte politische Fortschritte erzielt, doch muss noch mehr getan werden. Die Verschuldung nichtfinanzieller Kapitalgesellschaften und privater Haushalte ist nach wie vor hoch: Letzteres gibt mehr Anlass zur Sorge, da die Haushalte dadurch anfällig für Schocks werden, wobei diese Risiken durch die hohen, zunehmend überbewerteten Wohnimmobilienpreise noch gestiegen sind. Beim Schuldenstand dürfte sich der leicht rückläufige Trend in Zukunft fortsetzen. Trotz leicht sinkender Wohnimmobilienpreise bleibt der Druck auf dem Wohnimmobilienmarkt bestehen, zumal der Neubau von Wohnraum nach wie vor deutlich hinter den Regierungszielen zurückbleibt. Gleichzeitig wird schuldenfinanziertes Wohneigentum immer noch durch eine begünstigende Besteuerung subventioniert, während politische Maßnahmen in Bezug auf den privaten Mietmarkt dessen Entwicklung zu gefährden drohen.

Portugal weist nach wie vor Ungleichgewichte auf. Die Schwachstellen im Zusammenhang mit der hohen Verschuldung des Privatsektors, des hohen gesamtstaatlichen Schuldenstands und der hohen Auslandsverschuldung nehmen zwar ab, bleiben aber bestehen. Nach einer vorübergehenden Unterbrechung aufgrund des Ausbruchs der Pandemie bewegten sich der private wie der gesamtstaatliche Schuldenstand im Jahr 2021 wieder zur abnehmenden Tendenz zurück und dürften – begünstigt durch das Wirtschaftswachstum – weiter zurückgehen. Auch wenn sie nun unter dem vorpandemischen Niveau liegen, bleiben die Werte weiterhin hoch. Auch der deutlich negative Nettoauslandsvermögensstatus hat sich sowohl vor als auch nach der Pandemie verbessert, und die Auslandsverschuldung wird den Projektionen zufolge weiter zurückgehen, unterstützt durch ein anhaltendes Wirtschaftswachstum trotz einer gewissen Abschwächung im Jahr 2023. Das geringe Leistungsbilanzdefizit verschlechterte sich 2022 aufgrund höherer Energiepreise geringfügig, doch diese Verschlechterung wurde durch die weitere deutliche Erholung der Ausfuhren abgemildert, insbesondere beim Tourismus. Für die Zukunft dürften der angenommene anhaltende Rückgang der Energiepreise und eine weitere Zunahme des Tourismus sowie die laufenden Maßnahmen zur Förderung der Energieeffizienz und der erneuerbaren Energien die Leistungsbilanz ausgleichen und die Anpassung des Nettoauslandsvermögensstatus weiter unterstützen. Die Wohnimmobilienpreise steigen seit mehreren Jahren kräftig an, während die notleidenden Kredite von einem bereits moderaten Niveau weiter zurückgegangen sind. Die Hauptrisiken für die weitere Verringerung der Schwachstellen ergeben sich aus den Auswirkungen der Verschärfung der Finanzierungsbedingungen und einem unsicheren außenwirtschaftlichen Umfeld sowie deren potenziellen Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum. Die politischen Fortschritte wirken sich günstig aus, mit besonderem Schwerpunkt auf dem Aufbau- und Resilienzplan, und die fortgesetzte Umsetzung des Aufbau- und Resilienzplans dürfte zu weiteren Verbesserungen führen.

Rumänien weist nach wie vor Ungleichgewichte auf. Anfälligkeiten bestehen hinsichtlich der Zahlungsbilanzen, die hohen öffentlichen Defiziten zuzuschreiben sind, und zudem ist die Gefahr einer Überhitzung gestiegen. Das hohe Leistungsbilanzdefizit hat sich nach der pandemiebedingten Rezession erheblich verschlechtert und macht die Wirtschaft anfällig für externe Finanzierungsschocks. Angesichts des anhaltend hohen Leistungsbilanzdefizits besteht die Gefahr, dass der Nettoauslandsvermögensstatus noch weiter ins Minus dreht. Anzeichen einer Überhitzung sind deutlich sichtbar – die Kerninflation bewegt sich auf einem beunruhigend hohen Niveau, bei den Löhnen sind Wachstumsraten im höheren zweistelligen Bereich zu verzeichnen und die Arbeitslosenquote ist relativ niedrig. Es steht zu erwarten, dass sich die Indikatoren für die Kostenwettbewerbsfähigkeit stabilisieren, doch bestehen nach wie vor strukturelle Probleme. Der Wechselkurs scheint über dem Niveau zu liegen, das die Fundamentaldaten nahelegen, und wird nach wie vor stark kontrolliert. Seit mehreren Jahren wird ein hohes öffentliches Defizit verzeichnet, auf das der Nachfrageüberschuss und die sich daraus ergebenden Zahlungsbilanzdefizite zu einem großen Teil zurückgehen, und wenngleich Verbesserungen festzustellen sind, dürfte das Defizit auch in diesem und im nächsten Jahr hoch bleiben. Die rückläufige Entwicklung des öffentlichen Defizits im Jahr 2022 war in erster Linie dem deutlichen nominalen BIP-Wachstum geschuldet, das sich wiederum in hohem Maße auf die überhitzte Binnennachfrage stützt. Die Risikoprämien und staatlichen Fremdfinanzierungskosten sind signifikant höher als in den Jahren vor der Pandemie. Angesichts der sich derzeit verschärfenden globalen Liquiditätsbedingungen wird es wichtig sein, die aktuellen Trends umzukehren. Künftig sollte eine Haushaltsanpassung das Mittel der Wahl sein, um die Nachfrage besser mit dem Angebot in Einklang zu bringen und das Haushalts- sowie das Zahlungsbilanzdefizit in den Griff zu bekommen. Eine vollständige Umsetzung der im Aufbau- und Resilienzplan vorgesehenen Steuer- und Rentenreformen sowie die Einhaltung der Haushaltsziele im Rahmen des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit würden die derzeitige Dynamik wirksam bremsen.

Schweden weist nach wie vor Ungleichgewichte auf. Im Zusammenhang mit dem Immobilienmarkt und der hohen privaten Verschuldung sind weiterhin Anfälligkeiten zu verzeichnen. Die Immobilienpreise sind hoch und bis vor Kurzem gestiegen. Der Anstieg der Wohnimmobilienpreise geht mit einer Zunahme der privaten Verschuldung einher. Vor dem Hintergrund einer deutlichen Verschärfung der geldpolitischen Bedingungen und der Finanzierungsbedingungen gingen die Immobilienpreise im Jahr 2022 deutlich zurück; damit scheint der Abbau der zuvor entstandenen Anfälligkeiten eingeleitet zu sein. Die Preise sind nach wie vor deutlich überbewertet und dürften weiter sinken. Der Umsatz im Immobiliensektor ist in jüngster Zeit erheblich zurückgegangen und mithin ist auch die Nachfrage nach neu gebauten Wohnungen rückläufig. Die negativen Entwicklungen beschränken sich bisher auf das Baugewerbe und den Immobiliensektor, die nach Jahren starken Wachstums nun einen markanten Rückgang verzeichnen. Insgesamt dürfte die schwedische Wirtschaft 2023 schrumpfen, wobei sich die Veränderungen der geldpolitischen Bedingungen auf die Bilanzen von privaten Haushalten und Immobiliengesellschaften sowie auf deren Spielraum für Konsum und Investitionen auswirken. Der Anstieg der Zinssätze wirkt sich wegen der Verbreitung variabler Zinssätze und sehr langer Hypotheken erheblich auf die Hypothekenzahlungen aus. Auf den Finanzsektor haben sich die verändernden Bedingungen indes nur begrenzt ausgewirkt; der Sektor ist stark und weist hohe Gewinnmargen und risikogewichtete Kapitalquoten auf, die wahrscheinlich als Schutz davor dienen, dass sich die Probleme des Immobiliensektors über den Finanzsektor auf die Gesamtwirtschaft übertragen, auch wenn eine starke Exposition gegenüber dem Immobiliensektor gegeben ist. Es wurden nur begrenzte politische Fortschritte erzielt. So wird durch niedrige periodische Immobiliensteuern weiterhin Wohneigentum begünstigt und der schuldenfinanzierte Erwerb von Wohnraum wird durch umfangreiche steuerliche Abzugsmöglichkeiten bei Hypothekenzinsen gefördert. Darüber hinaus wurde der ineffiziente Mietmarkt nur in begrenztem Umfang reformiert.

Mitgliedstaaten, die übermäßige Ungleichgewichte aufweisen 

Griechenland weist nach wie vor übermäßige Ungleichgewichte auf. Die Anfälligkeit aufgrund eines hohen gesamtstaatlichen Schuldenstands und eines hohen Bestands an notleidenden Krediten vor dem Hintergrund der hohen Arbeitslosigkeit hat sich zwar vermindert, die außenwirtschaftliche Position hat sich jedoch verschlechtert. Besonders bedenklich ist die Tatsache, dass sich das Leistungsbilanzdefizit 2022 trotz der Erholung der Einnahmen aus dem Tourismus deutlich vergrößert hat. Obwohl für dieses und das nächste Jahr ein leichter Rückgang prognostiziert wird, dürfte das außenwirtschaftliche Defizit deutlich über dem Niveau bleiben, das erforderlich ist, um eine dauerhafte Verbesserung des Nettoauslandsvermögensstatus zu gewährleisten. Die gesamtstaatliche Schuldenquote ist zwar nach wie vor die höchste in der EU, hat sich 2022 jedoch deutlich verbessert, was vor allem dem starken nominalen BIP-Wachstum zu verdanken ist, und es wird erwartet, dass sie 2023 und 2024 weiter zurückgehen wird. Bei den notleidenden Krediten war im vergangenen Jahr ein drastischer Rückgang zu verzeichnen, der die stark rückläufige Tendenz der vorangegangenen Jahre fortsetzt; dennoch ist ihr Niveau nach wie vor hoch und belastet die Rentabilität und die Kreditvergabekapazität der Banken, was wiederum die Kapitalvertiefung und das Produktivitätswachstum der Wirtschaft beeinträchtigt. Die politische Reaktion hat zum Abbau von Ungleichgewichten beigetragen, und die Umsetzung des Aufbau- und Resilienzplans stellt eine große Chance dar, die verbleibenden strukturellen Schwächen anzugehen. Es bedarf jedoch weiterer Anstrengungen, insbesondere um sicherzustellen, dass die außenwirtschaftlichen Bilanzen auf einen nachhaltigen Aufwärtspfad gebracht werden und die notleidenden Kredite weiter zurückgehen, unter anderem durch eine wirksamere Schuldenvollstreckung und eine Verbesserung des Sekundärmarkts für notleidende Kredite.

Italien weist nach wie vor übermäßige Ungleichgewichte auf. Zwar sind einige Verbesserungen zu verzeichnen, doch die Schwachstellen infolge der hohen Staatsverschuldung und der geringen Produktivitätssteigerung vor dem Hintergrund eines anfälligen Arbeitsmarkts und einiger Schwächen an den Finanzmärkten, die sich grenzübergreifend auswirken, bestehen weiterhin. Die schon lange in Italien vorhandenen Schwachstellen haben sich in den letzten Jahren etwas gebessert, sind aber nach wie vor signifikant und werden sich voraussichtlich nicht rasch beheben lassen. Die anhaltend geringe Produktivitätssteigerung ist ein Schlüsselfaktor für das seit Langem schwache Wirtschaftswachstum Italiens, das den Schuldenabbau im Staatssektor verlangsamt, die Beschäftigungsmöglichkeiten beeinträchtigt und sich auf die Bankbilanzen auswirkt. Die staatliche Schuldenquote ging 2022 im Zuge der wirtschaftlichen Erholung weiter zurück. Sie bleibt allerdings nach wie vor hoch und stellt eine erhebliche Herausforderung hinsichtlich der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen dar. Den Prognosen zufolge wird die öffentliche Schuldenquote bis 2024 weiter zurückgehen, mittelfristig jedoch aufgrund fehlender Konsolidierungsmaßnahmen ansteigen. Die Regierung hat weitere Maßnahmen zur Stärkung der Resilienz des Finanzsektors ergriffen, und die Zahl notleidender Kredite ging deutlich zurück, doch die Banken bleiben dem Staat gegenüber stark exponiert. Bei den Strategien zur Bewältigung der Ungleichgewichte wurden einige Fortschritte erzielt, doch weitere Anstrengungen sind nötig, und die Umsetzung des Aufbau- und Resilienzplans bleibt die zentrale politische Priorität, da er umfassende Reformen und bedeutende Investitionen umfasst. Um die hohe Staatsverschuldung vor dem Hintergrund steigender Schuldendienstkosten und steigender alterungsbedingter Kosten anhaltend zu senken, bedarf es eines mehrgleisigen Ansatzes, gestützt auf eine vorsichtige Haushaltspolitik mit angemessenen Primärüberschüssen, wachstumsfördernde Investitionen und Reformen, eine bessere Steuerdisziplin sowie eine effiziente Nutzung nationaler und europäischer Ressourcen. Italien steht vor Herausforderungen, die, zusammen mit der weiteren rigorosen Umsetzung des Aufbau- und Resilienzplans, durch zusätzliche strategische Maßnahmen, insbesondere in den Bereichen Steuern, haushaltspolitischer Rahmen und Rentensysteme sowie Demografie, Arbeitsmarkt und Energie, bewältigt werden könnten.

 

(1) COM(2023) 62 final.
(2) COM(2023) 168 final.
(3) SWD(2023) 601 bis 627.
(4) Verordnung (EU) 2023/435 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Februar 2023 zur Änderung der Verordnung (EU) 2021/241 in Bezug auf REPowerEU-Kapitel in den Aufbau- und Resilienzplänen und zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1303/2013, (EU) 2021/1060 und (EU) 2021/1755 sowie der Richtlinie 2003/87/EG (ABl. L 63 vom 28.2.2023, S. 1).
(5) COM(2023) 601 bis 627.
(6) Siehe Jahresbericht zum nachhaltigen Wachstum 2023 (COM(2022) 780 final).
(7)  Siehe Bekanntmachung der Kommission: über die Leitlinien für die Mitgliedstaaten zur Aktualisierung der nationalen Energie- und Klimapläne 2021-2030 (C(2022) 9264 final) .
(8)  Siehe Anlage 3. Am 15. Mai hat die Kommission auch ihre erste Freiwillige Überprüfung der Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung auf EU-Ebene veröffentlicht (COM(2023) 700 final), die sie auf dem hochrangigen politischen Forum der Vereinten Nationen zur nachhaltigen Entwicklung 2023 vorlegen wird. Darin bekräftigt sie das Bekenntnis der EU zur Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und zu deren Umsetzung mit einem ressortübergreifenden Ansatz, der die interne und die externe Dimension miteinander verknüpft.
(9) Am 25. Januar 2023 legte die Kommission einen Vorschlag für eine Empfehlung des Rates (COM(2023) 38 final) vor, in dem sie darlegt, wie die EU-Mitgliedstaaten den sozialen Dialog auf nationaler Ebene weiter stärken können. Zugleich veröffentlichte sie eine Mitteilung über den Ausbau und die Förderung des sozialen Dialogs auf EU-Ebene. Die Kommission wird zudem weiter die bestehenden Foren im Rahmen des Europäischen Semesters nutzen, um die Sozialpartner auch über die Umsetzung der ARF zu informieren und sie entsprechend einzubeziehen.
(10) Die Europäische Kommission hat eine interaktive Karte entwickelt, um anhand von Beispielen aus der Praxis die von den finanzierten Projekten angestoßenen positiven Veränderungen zu veranschaulichen: Aufbau- und Resilienzfazilität (europa.eu) .
(11) COM(2023) 240 bis 242 final.
(12)    Die Unterauslastung des Arbeitsmarkts bezieht sich auf folgende Gruppen: Arbeitslose, Teilzeitbeschäftigte, die mehr arbeiten möchten, Personen, die für eine Beschäftigung zur Verfügung stehen, aber keine Beschäftigung suchen, und Personen, die eine Beschäftigung suchen, aber nicht unmittelbar für eine Beschäftigung zur Verfügung stehen. Diese weiter gefasste Definition spiegelt den ungedeckten Beschäftigungsbedarf besser wider.
(13)      Europäische Kommission (2022), „European Business Cycle Indicators – A closer look at labour shortages across the EU“, European Economy-Technical Paper, 59.
(14) Drei Viertel der Befragten in der EU (74 %) vertreten die Ansicht, dass der Grundsatz der Solidarität, der im Zentrum der ARF steht, ein guter Ansatz ist, damit die EU gestärkt aus der COVID-19-Pandemie hervorgehen kann, und zwei Drittel der Befragten in der EU sind der Auffassung, dass dieser Ansatz positive Auswirkungen auf künftige Generationen haben wird (siehe Eurobarometer-Blitzumfrage 515 zum EU-Aufbauplan NextGenerationEU, Januar 2023).
(15) Die von der Kommission entwickelten Resilienz-Dashboards sollen eine umfassende Bewertung der Resilienz der EU und der Mitgliedstaaten ermöglichen. Resilienz wird als die Fähigkeit definiert, trotz Herausforderungen Fortschritte bei der Verwirklichung strategischer Ziele zu erzielen.
(16)      Weitere Informationen zu den REPowerEU-Kapiteln und ihren Bezügen zu den länderspezifischen Empfehlungen siehe „Leitlinien für die Aufbau- und Resilienzpläne im Kontext von REPowerEU“ (ABl. C 80 vom 3.3.2023, S. 1).
(17) COM(2023) 141 final.
(18)    Richtlinie (EU) 2022/2523 des Rates vom 14. Dezember 2022 zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen und große inländische Gruppen in der Union (ABl. L 328 vom 22.12.2022, S. 1). Die Kommission arbeitet auch an dedizierten Initiativen, darunter BEFIT und FASTER, und hat eine Reihe von Maßnahmen zur Modernisierung des Mehrwertsteuersystems der EU vorgeschlagen (COM(2022) 701, COM(2022) 703 und COM(2022) 704); das Ziel ist, die Steuervorschriften zu vereinfachen, Bürokratie abzubauen und Praktiken der aggressiven Steuerplanung und Steuervermeidung einzudämmen. 
(19)    Zudem stehen auf EU-Ebene die Verhandlungen über das Bankenpaket kurz vor dem Abschluss, und mit Blick auf kleine und mittlere Banken hat die Kommission kürzlich einen Vorschlag zur Verbesserung der Anwendbarkeit des Rahmens für das Krisenmanagement und für die Einlagenversicherung angenommen (COM(2023) 225 final).
(20) [1] „External Sustainability Analysis“, European Economy-Institutional Papers 196; „Housing Market Developments“, European Economy-Institutional Papers 197; „Inflation Differentials in Europe and Implications for Competitiveness“, European Economy-Institutional Papers 198.
(21) Eurostat, 19. April 2023.
(22) Bekanntmachung der Kommission über die Leitlinien für die Mitgliedstaaten zur Aktualisierung der nationalen Energie- und Klimapläne 2021-2030 (C(2022) 9264 final).
(23) Siehe auch COM(2022) 83 final und SWD(2022) 230 final.
(24) COM(2022) 438 final.
(25) Die Beschleunigung des Übergangs zu einer Kreislaufwirtschaft kann die offene strategische Autonomie der EU stärken und einen erheblichen Beitrag zu Primärenergieeinsparungen leisten.
(26)   Taskforce für die Durchsetzung des Binnenmarkts (2022), „Report 2021-2022“
(27) COM(2023) 62 final.
(28) Siehe auch COM(2022) 332 final.
(29) COM(2022) 643 final.
(30)

COM(2023) 160 final.

(31) COM(2023) 162 final.
(32) COM(2023) 168 final.
(33)  COM(2021) 385 final.
(34) Europäische Kommission, Aktualisierung des Indikators für Beschränkungen im Einzelhandel 2022, erscheint in Kürze.
(35) COM(2023) 162 final vom 16.3.2023.
(36) SWD(2022) 325 final.
(37) Über das Europäische Semester hinaus ist die Funktionsweise der Justizsysteme auch ein zentraler Punkt des Berichts der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit.
(38) Die Europäische Kommission wird im Juni 2023 ein KMU-Entlastungspaket veröffentlichen und hat kürzlich Vorschläge vorgelegt, um die EU-Clearingdienste attraktiver und widerstandsfähiger zu machen, bestimmte Insolvenzvorschriften für Unternehmen EU-weit zu harmonisieren und den Verwaltungsaufwand für Unternehmen jeder Größe, insbesondere KMU, bei der Notierung bzw. einem Verbleib an der Börse zu reduzieren: COM(2022) 696 final.
(39) COM(2023) 205 final; COM(2023) 206 final.
(40) Siehe beispielsweise den EU-Aktionsplan für die Digitalisierung des Energiesystems: COM(2022) 552.
(41) Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (Text von Bedeutung für den EWR) (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 65).
(42) Siehe auch die Neue Europäische Innovationsagenda: COM(2022) 332 final.
(43) Richtlinie (EU) 2022/2041 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Oktober 2022 über angemessene Mindestlöhne in der Europäischen Union (ABl. L 275 vom 25.10.2022, S. 33).
(44) Das EU-Instrument für technische Unterstützung (TSI) wird den Austausch zwischen Beamten aus nationalen und/oder regionalen Verwaltungen durch die Leitinitiative PACE (Austausch zur Zusammenarbeit im Bereich der öffentlichen Verwaltung) erleichtern, um die Verwaltungskapazitäten zu stärken und bewährte Verfahren zu fördern (Verordnung (EU) 2021/240 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Februar 2021 zur Schaffung eines Instruments für technische Unterstützung, ABl. L 57 vom 18.2.2021, S. 1).
(45)   COM(2022) 657 final.
(46) Das Europäische Jahr der Kompetenzen 2023 zielt darauf ab, den Fachkräftemangel und den mittel- bis langfristigen Arbeitskräftemangel dadurch anzugehen, dass die europäische Erwerbsbevölkerung umgeschult bzw. weitergebildet und für eine bessere Übereinstimmung von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt gesorgt wird.
(47) COM(2023) 140 final.
(48) Die tatsächliche Zahl der Personen, die in der EU vorübergehenden Schutz genießen und in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, lässt sich nur schwer schätzen, da nicht aus allen Mitgliedstaaten Daten zur Verfügung stehen und es Unterschiede bei der Art der verwendeten administrativen Quellen gibt. So melden einige Länder die kumulative Zahl der „Beschäftigungsmeldungen“ (d. h. die von Arbeitgebern bei der Einstellung ukrainischer Staatsangehöriger abgegebenen Erklärungen), die der Zahl der geschaffenen Arbeitsplätze und nicht der Zahl der tatsächlich beschäftigten Personen entspricht.
(49)   Mitteilung der Kommission – Leitlinien betreffend den Zugang von Menschen, die vor dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine geflohen sind, zum Arbeitsmarkt, zur beruflichen Bildung und zur Erwachsenenbildung (ABl. C 233 vom 16.6.2022, S. 1).
(50) Einschließlich politischer Maßnahmen in den nationalen Reformprogrammen sowie in der Berichterstattung zur ARF (halbjährliche Berichte über die Fortschritte bei der Erreichung der Etappenziele und Zielwerte sowie auf der Grundlage der Bewertung der Zahlungsanträge).
(51) Die Mitgliedstaaten wurden aufgefordert, in ihren ARP effektiv auf alle oder einen erheblichen Teil der einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen einzugehen, insbesondere jene aus den Jahren 2019 und 2020. Bei der hier vorgelegten Bewertung der länderspezifischen Empfehlungen wird der Grad der Umsetzung der in den ARP enthaltenen Maßnahmen sowie der Maßnahmen berücksichtigt, die zum Zeitpunkt der Bewertung außerhalb der ARP durchgeführt wurden. Die in den Anhängen der angenommenen Durchführungsbeschlüsse des Rates zur Billigung der Bewertung der ARP vorgesehenen Maßnahmen, die noch nicht verabschiedet oder umgesetzt wurden, aber gemäß der Bewertungsmethodik der länderspezifischen Empfehlungen als glaubhaft angekündigt gelten, werden als „begrenzte Fortschritte“ eingestuft. Nach ihrer Umsetzung können diese Maßnahmen je nach Relevanz die Einstufung „einige/substanzielle Fortschritte“ oder „vollständig umgesetzt“ erhalten.
(52) Die Daten für 2021 waren stark von den schweren Überschwemmungen in Deutschland, Luxemburg und Belgien beeinflusst. Im Jahr 2021 stiegen die Netto-Treibhausgasemissionen nach den pandemiebedingten Tiefständen wieder an, blieben dabei jedoch unter dem vor der Pandemie verzeichneten Niveau.
(53) Diese Vermerke wurden am 5. April 2023 als „Institutional Papers“ der GD ECFIN veröffentlicht.
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