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Document 52022IP0324

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. September 2022 zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates gemäß Artikel 7 Absatz 1 des Vertrags über die Europäische Union zum Bestehen einer eindeutigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Werte, auf die sich die Union gründet, durch Ungarn (2018/0902R(NLE))

ABl. C 125 vom 5.4.2023, p. 440–461 (GA)
ABl. C 125 vom 5.4.2023, p. 463–484 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

5.4.2023   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 125/463


P9_TA(2022)0324

Bestehen einer eindeutigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Werte, auf die sich die Union gründet, durch Ungarn .

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. September 2022 zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates gemäß Artikel 7 Absatz 1 des Vertrags über die Europäische Union zum Bestehen einer eindeutigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Werte, auf die sich die Union gründet, durch Ungarn (2018/0902R(NLE))

(2023/C 125/28)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf den Vertrag über die Europäische Union (EUV), insbesondere auf Artikel 2, Artikel 4 Absatz 3 und Artikel 7 Absatz 1,

unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union („Charter“),

unter Hinweis auf die Europäische Menschenrechtskonvention und die dazugehörigen Protokolle,

unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte,

unter Hinweis auf die internationalen Menschenrechtsverträge der Vereinten Nationen und des Europarates,

unter Hinweis auf das Verzeichnis der Kriterien zur Bewertung der Rechtsstaatlichkeit, das die Venedig-Kommission auf ihrer 106. Plenartagung vom 11./12. März 2016 in Venedig angenommen hat,

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 11. März 2014 mit dem Titel „Ein neuer EU-Rahmen zur Stärkung des Rechtsstaatsprinzips“ (COM(2014)0158),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 12. September 2018 zu einem Vorschlag, mit dem der Rat aufgefordert wird, im Einklang mit Artikel 7 Absatz 1 EUV festzustellen, dass die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Werte, auf die sich die Union gründet, durch Ungarn besteht (1),

unter Hinweis auf seine Entschließungen vom 16. Januar 2020 (2) und vom 5. Mai 2022 (3) zu den laufenden Anhörungen gemäß Artikel 7 Absatz 1 EUV zu Polen und Ungarn,

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 8. Juli 2021 zu Verstößen gegen das EU-Recht und die Rechte von LGBTIQ-Bürgern in Ungarn infolge der vom ungarischen Parlament angenommenen Gesetzesänderungen (4),

unter Hinweis auf die in den Jahresberichten der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit enthaltenen Kapitel über die Lage in Ungarn,

gestützt auf Artikel 105 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf die Stellungnahme des Ausschusses für konstitutionelle Fragen,

unter Hinweis auf den Zwischenbericht des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (A9-0217/2022),

A.

in der Erwägung, dass sich die Europäische Union auf die in Artikel 2 EUV festgelegten, in der Charta dargelegten und in internationalen Menschenrechtsübereinkommen verankerten Werte gründet, d. h. auf die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte, einschließlich der Rechte von Personen, die einer Minderheit angehören, und dass diese Werte, die allen Mitgliedstaaten gemein sind, die Grundlage der Rechte darstellen, die allen in der Union lebenden Personen zustehen;

B.

in der Erwägung, dass sich aus Artikel 49 EUV ergibt, dass jeder europäische Staat beantragen kann, Mitglied der Union zu werden, dass die Union aus Staaten besteht, die die in Artikel 2 EUV genannten gemeinsamen Werte von sich aus und freiwillig übernommen haben, diese Werte achten und sich verpflichten, sie zu fördern, sodass das Unionsrecht auf der grundlegenden Prämisse beruht, dass jeder Mitgliedstaat mit allen übrigen Mitgliedstaaten eine Reihe gemeinsamer Werte teilt und anerkennt, dass diese sie mit ihm teilen (5);

C.

in der Erwägung, dass diese Prämisse die Existenz gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten bei der Anerkennung dieser Werte und damit bei der Beachtung des Unionsrechts, mit dem sie umgesetzt werden, impliziert und rechtfertigt (6);

D.

in der Erwägung, dass die Achtung der in Artikel 2 EUV verankerten Werte durch einen Mitgliedstaat eine Voraussetzung für die Wahrnehmung aller Rechte ist, die sich aus der Anwendung der Verträge auf diesen Mitgliedstaat ergeben; in der Erwägung, dass jede Verletzung der Grundwerte der Union durch die Regierung eines Mitgliedstaats unweigerlich einen Angriff auf die persönliche Freiheit, die politischen und sozialen Rechte sowie den Wohlstand und das Wohlergehen der Bürgerinnen und Bürger bedeutet; in der Erwägung, dass sich Ungarn höchstselbst den in Artikel 2 EUV verankerten Werten verschrieben hat;

E.

in der Erwägung, dass der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit in Artikel 4 Absatz 3 EUV die Europäische Union und die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, bei der Erfüllung der Aufgaben, die sich aus den Verträgen ergeben, einander in vollem gegenseitigem Respekt zu unterstützen, und die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zu ergreifen, um die Erfüllung der Verpflichtungen sicherzustellen, die sich aus den Verträgen oder den Handlungen der Organe der Union ergeben;

F.

in der Erwägung, dass Artikel 19 EUV, mit dem der Wert der in Artikel 2 EUV proklamierten Rechtsstaatlichkeit konkretisiert wird, die Aufgabe, die uneingeschränkte Anwendung des Unionsrechts in allen Mitgliedstaaten und den gerichtlichen Schutz der Rechte des Einzelnen aus diesem Recht zu gewährleisten, nicht nur dem Gerichtshof, sondern auch den nationalen Gerichten überträgt (7);

G.

in der Erwägung, dass jede eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der in Artikel 2 EUV genannten Werte durch einen Mitgliedstaat nicht nur den Mitgliedstaat betrifft, in dem diese Gefahr auftritt, sondern Auswirkungen auf die anderen Mitgliedstaaten, auf das gegenseitige Vertrauen zwischen ihnen, auf das Wesen der Union selbst und auf die im Unionsrecht festgeschriebenen Grundrechte ihrer Bürgerinnen und Bürger hat;

H.

in der Erwägung, dass sich der Anwendungsbereich von Artikel 7 EUV nicht — wie in Artikel 258 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) — auf die Verpflichtungen aus den Verträgen beschränkt und dass die Union prüfen kann, ob in Bereichen, die in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der gemeinsamen Werte besteht;

I.

in der Erwägung, dass die Lage in Ungarn seit mehreren Jahren nicht hinreichend angegangen wird und viele Bedenken bestehen und dass in der Zwischenzeit viele neue Probleme aufgekommen sind, die sich negativ auf das Image der Union sowie auf ihre Wirkmächtigkeit und Glaubwürdigkeit bei der Verteidigung der Grundrechte, der Menschenrechte und der Demokratie weltweit auswirken, woran deutlich wird, dass sie durch konzertierte Maßnahmen der Union angegangen werden müssen;

J.

in der Erwägung, dass nach der Reise einer Ad-hoc-Delegation seines Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres vom 29. September bis 1. Oktober 2021 nach Budapest (Ungarn) die Mehrheit der Mitglieder der Delegation nach wie vor ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte im Land hat; in der Erwägung, dass die Delegation zu dem Schluss gelangt ist, dass sich die Lage seit 2018 nicht verbessert, sondern vielmehr verschlechtert hat;

K.

in der Erwägung, dass die Regierung Ungarns den in der Rechtsprechung des Gerichtshofs verankerten Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts systematisch missachtet, sich aber an den Gerichtshof wendet, um Klage in Bezug auf bestehende europäische Rechtsakte zu erheben;

L.

in der Erwägung, dass das ungarische Parlament am 19. Juli 2022 eine Entschließung verabschiedet hat, in der es fordert, dass die Befugnisse des Europäischen Parlaments eingeschränkt und die Mitglieder des Europäischen Parlaments ernannt und nicht gewählt werden;

M.

in der Erwägung, dass sich die friedliche Koexistenz unterschiedlicher ethnischer Gruppen förderlich auf den kulturellen Reichtum und das Wohlergehen der Nation auswirkt;

N.

in der Erwägung, dass die Blockade restriktiver Maßnahmen gegen Russland im Rat die Bemühungen der Union schwächt, die in Artikel 2 EUV verankerten Werte innerhalb und außerhalb der EU zu schützen, und ein Sicherheitsproblem für die Europäische Union darstellt;

Funktionsweise des Verfassungs- und des Wahlsystems

O.

in der Erwägung, dass die Kommission am 13. Juli 2022 im Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2022 im Länderkapitel zu Ungarn darauf hingewiesen hat, dass die Transparenz und Qualität des Gesetzgebungsverfahrens unverändert Anlass zu Besorgnis geben und dass die Regierung ihre Notstandsbefugnisse ausgiebig genutzt hat, auch in Bereichen, die nicht wie ursprünglich behauptet mit der COVID-19-Pandemie zusammenhängen; in der Erwägung, dass die unwirksame Umsetzung von Urteilen europäischer und nationaler Gerichte durch staatliche Organe Anlass zur Sorge gibt; in der Erwägung, dass die gemeinnützigen Trusts, die beträchtliche öffentliche Mittel erhalten und von Vorstandsmitgliedern verwaltet werden, die der derzeitigen Regierung nahestehen, ihre Tätigkeit aufgenommen haben;

P.

in der Erwägung, dass es in seiner Entschließung vom 17. April 2020 zu abgestimmten Maßnahmen der EU zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie und ihrer Folgen (8) die Entscheidung der ungarischen Regierung, den Ausnahmezustand unbefristet zu verlängern, die Regierung unbefristet dazu zu ermächtigen, per Dekret zu regieren, und die Kontrolle der Notfallmaßnahmen durch das ungarische Parlament zu schwächen, für absolut unvereinbar mit den europäischen Werten hält; in der Erwägung, dass der Rat in seiner Empfehlung vom 20. Juli 2020 zum nationalen Reformprogramm Ungarns 2020 mit einer Stellungnahme des Rates zum Konvergenzprogramm Ungarns 2020 (9) empfohlen hat, dass Ungarn sicherstellt, dass Notmaßnahmen streng verhältnismäßig und zeitlich begrenzt sind, europäischen wie internationalen Standards entsprechen und die Geschäftstätigkeit und die Stabilität des Regelungsumfelds nicht beeinträchtigen und dass die Sozialpartner und Interessenträger wirksam am politischen Entscheidungsprozess teilhaben;

Q.

in der Erwägung, dass die Gruppe der Staaten gegen Korruption (GRECO) im Europarat in ihrem zweiten Zwischenbericht vom 25. September 2020 über die Einhaltung der Vorschriften die Änderungen des Gesetzes über die Nationalversammlung begrüßt hat, mit denen die praktische Anwendbarkeit der Bestimmungen, wonach Mitglieder des Parlaments bestimmte Tätigkeiten nicht oder nur in beschränktem Maße ausüben dürfen, verbessert wurde, indem klarere Konsequenzen für den Fall vorgesehen werden, dass der Sachverhalt von dem betreffenden Mitglied nicht geklärt wird; in der Erwägung, dass aus dem Bericht jedoch auch hervorgeht, dass noch entschlossenere Maßnahmen erforderlich sind, um den derzeitigen Integritätsrahmen des ungarischen Parlaments zu verbessern, insbesondere die Verbesserung des Maßes an Transparenz und Konsultation im Gesetzgebungsverfahren (auch durch die Einführung von Vorschriften über die Interaktion mit Lobbyisten), der Erlass eines Verhaltenskodex für Mitglieder (der insbesondere verschiedene Situationen abdeckt, die zu einem Interessenkonflikt führen könnten), die Ausarbeitung weiterer Vorschriften, mit denen die Mitglieder verpflichtet werden, potenzielle Konflikte zwischen ihrer parlamentarischen Arbeit und ihren privaten Interessen ad hoc offenzulegen, die Bereitstellung eines einheitlichen Musters für Vermögenserklärungen, die Überprüfung der weitreichenden Immunität der Mitglieder sowie die wirksame Überwachung und Durchsetzung der Vorschriften in Bezug auf Verhaltensregeln, Interessenkonflikte und Vermögenserklärungen;

R.

in der Erwägung, dass die Menschenrechtskommissarin des Europarats in einer am 20. November 2020 herausgegebenen Erklärung das ungarische Parlament nachdrücklich aufgefordert hat, die Abstimmung über diese Gesetzesentwürfe zu verschieben, da sie befürchtete, dass mehrere Vorschläge des komplexen Legislativpakets, die ohne vorherige Beratung vorgelegt worden waren und sich auf die Arbeitsweise der Justiz, das Wahlgesetz, die nationalen Strukturen zum Schutz der Menschenrechte, die Kontrolle öffentlicher Mittel und die Menschenrechte von LGBTI-Personen beziehen, dazu dienen könnten, die Demokratie, das Rechtsstaatsprinzip und die Menschenrechte in Ungarn zu schwächen; in der Erwägung, dass die Venedig-Kommission in ihrer Stellungnahme vom 2. Juli 2021 zu den vom ungarischen Parlament im Dezember 2020 angenommenen Verfassungsänderungen mit Besorgnis festgestellt hat, dass die Verfassungsänderungen während eines Ausnahmezustands ohne Konsultation der Öffentlichkeit angenommen wurden und die Begründung nur drei Seiten umfasst; in der Erwägung, dass die Venedig-Kommission auch darauf hingewiesen hat, dass laut den Artikeln 6, 9 und 11 der neunten Änderung des Grundgesetzes Ungarn in Bezug auf Kriegserklärungen, die Befehlsgewalt über die ungarischen Streitkräfte und die „besondere Rechtsordnung“ im Kriegszustand, im Ausnahmezustand und in einer Gefahrensituation die Festlegung der meisten Einzelheiten hauptsächlich im Wege von Kardinalgesetzen erfolgt, was letztlich mehrere ernsthafte Fragen hinsichtlich des Umfangs der Befugnisse des Staates in einem außerordentlichen Zustand aufwerfen könnte; in der Erwägung, dass die Venedig-Kommission in Bezug auf die Abschaffung des Nationalen Verteidigungsrats und die Übertragung seiner Befugnisse an die Regierung darauf hingewiesen hat, dass dies zwar an sich nicht im Widerspruch zu europäischen Normen steht, aber zu einer Konzentration von Notstandsbefugnissen in den Händen der Exekutive führt, die nicht als ermutigendes Zeichen gelten kann, zumal in der Begründung keine Klarstellungen zur Verhältnismäßigkeit oder Notwendigkeit dieser Änderung enthalten sind;

S.

in der Erwägung, dass der Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarates am 12. Februar 2021 eine generell negative Lage in Bezug auf die lokale und regionale Selbstverwaltung in Ungarn festgestellt hat, die auf einen allgemeinen Verstoß gegen die Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung zurückzuführen ist, und seine Besorgnis über eine eindeutige Tendenz zur Rezentralisierung, das Fehlen einer wirksamen Konsultation und die erhebliche Einmischung des Staates in kommunale Funktionen zum Ausdruck gebracht hat; in der Erwägung, dass der Kongress zudem auf bestimmte Mängel hinsichtlich der Lage der lokalen Selbstverwaltung in dem Land hingewiesen hat, etwa darauf, dass es den lokalen Gebietskörperschaften an finanziellen Ressourcen mangelt und sie nicht in der Lage sind, hochqualifiziertes Personal einzustellen;

T.

in der Erwägung, dass die Oppositionsparteien benachteiligt werden, nachdem im Laufe der Jahre das Wahlgesetz durch den Neuzuschnitt von Wahlkreisen und einen Bonus für den Gewinner geändert worden ist; in der Erwägung, dass die Venedig-Kommission und das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte (BDIMR) der OSZE in ihrer gemeinsamen Stellungnahme vom 18. Oktober 2021 zu den Änderungen des Wahlrechts 2020 in Ungarn betont haben, dass die rasche Verabschiedung und der Mangel an angemessenen öffentlichen Konsultationen im Falle des Wahlrechts — das nicht als politisches Instrument betrachtet werden sollte — besonders besorgniserregend sind; in der Erwägung, dass die Venedig-Kommission und das BDIMR der OSZE auch die wichtige Empfehlung abgegeben haben, die Abschnitte 3 und 68 des Gesetzes CLXVII von 2020 über die Änderung bestimmter Wahlgesetze zu ändern, indem die Zahl der Einzelwahlkreise und die Zahl der Komitate, in denen als Voraussetzung für eine landesweite Kandidatenliste jede Partei gleichzeitig Kandidaten aufstellen muss, erheblich verringert wird, sowie eine Reihe weiterer Empfehlungen vorgelegt haben;

U.

in der Erwägung, dass demokratische und unter Wahrung der Chancengleichheit ausgerichtete Wahlen für den demokratischen Charakter der Gesellschaften in der Union von überragender Bedeutung sind; in der Erwägung, dass die OSZE als Reaktion auf Bedenken hinsichtlich der Fairness der Wahl und auf Aufrufe seitens der Zivilgesellschaft beschlossen hat, eine umfassende internationale Wahlbeobachtungsmission zur Parlamentswahl und zum Referendum vom 3. April 2022 zu entsenden, was bei Mitgliedstaaten der Union sehr selten ist; in der Erwägung, dass die internationale Wahlbeobachtungsmission der OSZE in ihrer anschließenden Erklärung vom 4. April 2022 über vorläufige Erkenntnisse und Schlussfolgerungen erklärt hat, dass die Wahl und das Referendum gut vorbereitet waren und professionell durchgeführt wurden, das Gesamtbild aber durch fehlende Chancengleichheit getrübt wurde; in der Erwägung, dass die Kandidaten einen weitgehend freien Wahlkampf führen konnten, der Wahlkampf zwar wettbewerbsgeprägt, zugleich jedoch von sehr negativen Aussagen über den politischen Gegner gekennzeichnet war und sich durch die durchgängige Übereinstimmung der Standpunkte von Regierungskoalition und Regierung auszeichnete, während die fehlende Transparenz und unzureichende Kontrolle der Wahlkampffinanzierung zusätzlich der Regierungskoalition zugutekam; in der Erwägung, dass die Art und Weise, in der viele Wahlstreitigkeiten von den Wahlkommissionen und Gerichten behandelt wurden, nicht geeignet war, einen wirksamen Rechtsbehelf zu schaffen; in der Erwägung, dass die internationale Wahlbeobachtungsmission der OSZE in ihrem am 29. Juli 2022 veröffentlichten Abschlussbericht darauf hingewiesen hat, dass viele frühere Empfehlungen des BDIMR weitgehend unberücksichtigt geblieben sind, unter anderem im Hinblick auf das Wahlrecht, die Verhinderung des Missbrauchs von Verwaltungsressourcen und der Vermischung von Staats- und Parteifunktionen, die Medienfreiheit, die Wahlkampffinanzierung und die Beobachtung durch die Bürger; in der Erwägung, dass nach ungarischem Recht im Gegensatz zu international bewährten Verfahren Abweichungen von der durchschnittlichen Zahl der Wähler pro Wahlkreis mit Einzelmandat von bis zu 20 % zulässig sind und dass das ungarische Parlament die Grenzen der Wahlkreise, die die festgelegte Abweichungsgrenze nach den Wahlen von 2018 überschritten, entgegen den nationalen Rechtsvorschriften nicht änderte; in der Erwägung, dass die ungleiche Verteilung der Wähler unter den Wahlkreisen mit Abweichungen vom Durchschnitt von bis zu 33 % den Grundsatz der Gleichheit der Stimmen infrage stellt;

V.

in der Erwägung, dass das ungarische Parlament am 24. Mai 2022 die zehnte Änderung des Grundgesetzes verabschiedet hat, die es der Regierung erlaubt, im Fall von bewaffneten Konflikten, Kriegen oder humanitären Katastrophen in einem Nachbarland eine Gefahrensituation auszurufen; in der Erwägung, dass es außerdem das Gesetz über den Katastrophenschutz geändert hat, wodurch es der Regierung gestattet wird, Gesetze des Parlaments in allen Landesteilen während einer Gefahrensituation, die aufgrund eines bewaffneten Konflikts, eines Krieges oder einer humanitären Katastrophe in einem Nachbarland ausgerufen wurde, mittels Notstandsdekreten außer Kraft zu setzen, wodurch die Ausübung der Grundrechte über das unter normalen Umständen zulässige Maß hinaus ausgesetzt oder eingeschränkt werden könnte; in der Erwägung, dass das ungarische Parlament am 8. Juni 2022 das Gesetz VI von 2022 über die Beseitigung der sich für Ungarn ergebenden Folgen eines bewaffneten Konflikts und einer humanitären Katastrophe in einem Nachbarland angenommen hat, das am selben Tag in Kraft trat; in der Erwägung, dass die Regierung durch dieses Gesetz ermächtigt wird, die Wirksamkeit von Notstandsdekreten der Regierung bis zur Beendigung der Gefahrensituation durch die Regierung zu verlängern;

W.

in der Erwägung, dass das Grundgesetz Ungarns seit seiner Annahme zehnmal geändert wurde; in der Erwägung, dass 35 Themenbereiche mit Kardinalgesetzen geregelt sind und dies mittlerweile über 300 Rechtsvorschriften betrifft, die seit 2011 verabschiedet wurden, wobei selbst im Falle der Berührung von Grundrechten häufig keine öffentliche Konsultation stattfand;

X.

in der Erwägung, dass die Präsidenten des ungarischen und des rumänischen Verfassungsgerichts in einer gemeinsamen Erklärung von 2013 auf die besondere Verantwortung der Verfassungsgerichte in Ländern hingewiesen haben, in denen die Regierung eine Zweidrittelmehrheit im Parlament hat; in der Erwägung, dass mit der vierten Änderung des Grundgesetzes festgelegt wurde, dass die vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes ergangenen Urteile des Verfassungsgerichts aufzuheben sind; in der Erwägung, dass sich das Verfassungsgericht bei seinen Entscheidungen zunehmend auf das Konzept der Verfassungsidentität stützt; in der Erwägung, dass das Konzept der Verfassungsidentität in der Rechtsprechung von Fall zu Fall bestimmt wird und Vorrang vor dem Grundgesetz erlangt; in der Erwägung, dass die ungarische Regierung immer häufiger das Verfassungsgericht anruft, um Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) nicht vollstrecken zu müssen; in der Erwägung, dass das Verfassungsgericht am 18. Mai 2022 die Referenden über die Pläne der Regierung zum Bau eines Campus für die Fudan-Universität in Budapest und zur Verlängerung der Arbeitslosenunterstützung von derzeit drei auf höchstens neun Monate blockiert hat;

Y.

in der Erwägung, dass unter Sachverständigen zunehmend Einigkeit darüber herrscht, dass Ungarn keine Demokratie mehr ist; in der Erwägung, dass Ungarn laut dem Demokratieindex 2019 der Universität Göteborg (V-Dem) zum ersten autoritären Mitgliedstaat der EU überhaupt geworden ist; in der Erwägung, dass Ungarn als „hybrides Regime“ eingestuft wurde und in dem Bericht „Nations in Transit 2020“ der Organisation Freedom House seinen Status als „halb gefestigte Demokratie“ verloren hat; in der Erwägung, dass Ungarn im Demokratieindex 2022 der Economist Intelligence Unit als „unvollständige Demokratie“ eingestuft wird und unter 167 Ländern den 56. Platz (einen Platz schlechter als 2020) belegt; in der Erwägung, dass laut dem V-Dem-Demokratieindex 2022 unter den EU-Mitgliedstaaten Ungarn im vergangenen Jahrzehnt eines der Länder war, die sich weltweit am stärksten in Richtung einer Autokratie gewandelt haben;

Unabhängigkeit der Justiz und anderer Institutionen sowie die Rechte der Richter

Z.

in der Erwägung, dass die Kommission am 13. Juli 2022 im Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2022 im Länderkapitel zu Ungarn darauf hingewiesen hat, dass die im Zusammenhang mit dem vom Europäischen Parlament eingeleiteten Verfahren nach Artikel 7 Absatz 1 EUV sowie in früheren Berichten über die Rechtsstaatlichkeit geäußerten Bedenken in Bezug auf die Unabhängigkeit der Justiz noch immer nicht ausgeräumt sind, was auch für die entsprechende Empfehlung im Rahmen des Europäischen Semesters gilt; in der Erwägung, dass diese Bedenken insbesondere die Herausforderungen betreffen, denen sich der unabhängige Landesrichterrat gegenübersieht, wenn es darum geht, die Befugnisse des Präsidenten des Landesrichteramtes, die Vorschriften für die Wahl des Präsidenten des Obersten Gerichts (Kúria) und die Möglichkeit von Ermessensentscheidungen bei der Ernennung und Beförderung von Richtern, der Zuweisung von Rechtssachen und der Zahlung von Boni an Richter und Gerichtsbedienstete miteinander in Einklang zu bringen; in der Erwägung, dass die Justiz hinsichtlich Effizienz und Qualität in Bezug auf die Dauer der Verfahren gut abschneidet und insgesamt einen hohen Digitalisierungsgrad aufweist, und in der Erwägung, dass die Gehälter von Richtern und Staatsanwälten weiterhin schrittweise steigen; in der Erwägung, dass am 26. August 2022 mehrere Organisationen der Zivilgesellschaft den Justizminister aufgefordert haben, sich nach umfassenden Konsultationen mit der Öffentlichkeit und Sachverständigen, einschließlich der Selbstverwaltungs- und Vertretungsorgane der Justiz und der Venedig-Kommission, mit den Problemen der ungarischen Justiz zu befassen;

AA.

in der Erwägung, dass der EuGH in seinem Urteil vom 23. November 2021 in der Rechtssache C-564/19 gegen IS (Rechtswidrigkeit des Vorlagebeschlusses) entschieden hat, dass Artikel 267 AEUV dahin auszulegen ist, dass er dem entgegensteht, dass das Höchstgericht eines Mitgliedstaats die Rechtswidrigkeit eines Vorabentscheidungsersuchens eines untergeordneten Gerichts feststellt, weil die vorgelegten Fragen für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits nicht erheblich und erforderlich seien; in der Erwägung, dass der Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts das untergeordnete Gericht verpflichtet, eine solche Entscheidung des nationalen Höchstgerichts außer Acht zu lassen; in der Erwägung, dass Artikel 267 AEUV dahin auszulegen ist, dass er der Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen einen nationalen Richter entgegensteht, die damit begründet wird, dass dieser den EuGH um eine Vorabentscheidung gemäß Artikel 267 AEUV ersucht hat;

AB.

in der Erwägung, dass die Menschenrechtskommissarin des Europarats in einer am 14. Dezember 2018 abgegebenen Erklärung den Präsidenten Ungarns ersucht hat, das Legislativpaket zu den Verwaltungsgerichten an das ungarische Parlament zurückzuverweisen; in der Erwägung, dass die Venedig-Kommission in ihrer Stellungnahme vom 19. März 2019 zu dem Gesetz über die Verwaltungsgerichte und zu dem Gesetz über das Inkrafttreten des Gesetzes über die Verwaltungsgerichte und bestimmte Übergangsbestimmungen erklärt hat, der Hauptnachteil des für die Verwaltungsgerichte beschlossenen organisatorischen und administrativen Modells bestehe darin, dass einige wenige Interessenträger mit sehr umfangreichen Befugnissen ausgestattet seien und es keine wirksamen Kontrollen und Gegenkontrollen gebe, mit denen diese Befugnisse ausgeglichen werden könnten;

AC.

in der Erwägung, dass die Menschenrechtskommissarin des Europarats in ihrem Bericht vom 21. Mai 2019 im Anschluss an ihren Besuch vom 4. bis 8. Februar 2019 in Ungarn feststellte, dass eine Reihe von Justizreformen in Ungarn in den 2010er Jahren Anlass zu Besorgnis über ihre Auswirkungen auf die Unabhängigkeit der Justiz geben und dass im System der ordentlichen Gerichtsbarkeit Fragen hinsichtlich der Wirksamkeit der Aufsicht des Landesrichterrats über den Präsidenten des Landesgerichtsamts aufgekommen sind, nachdem es unlängst zu Anomalien in den Beziehungen zwischen den beiden Justizbehörden in Bezug auf Ernennungsverfahren gekommen war; in der Erwägung, dass die Kommissarin es zwar begrüßte, dass als Reaktion auf die Stellungnahme der Venedig-Kommission die ursprünglichen Rechtsvorschriften unlängst geändert wurden, jedoch nicht davon überzeugt war, dass die Änderungen ausreichten, um die von der Venedig-Kommission festgestellten schwerwiegenden Bedenken auszuräumen;

AD.

in der Erwägung, dass das ungarische Parlament 2019 beschlossen hat, das Inkrafttreten des Legislativpakets zu den Verwaltungsgerichten zu verschieben, und dass die Regierung erklärt hat, sie habe die Idee der Einführung separater Verwaltungsgerichte aufgegeben; in der Erwägung, dass mehrere wichtige Elemente des Pakets im Zuge einer Reihe von Gesetzesänderungen eingeführt wurden, die zwischen 2019 und 2021 beschlossen wurden;

AE.

in der Erwägung, dass die Menschenrechtskommissarin des Europarats in ihrer Erklärung vom 28. November 2019 das ungarische Parlament aufgefordert hat, ein Gesetz zu ändern, mit dem die Unabhängigkeit der Justiz beeinträchtigt wird; in der Erwägung, dass die Menschenrechtskommissarin der Ansicht war, dass die Bestimmungen, die den Verwaltungsbehörden die Möglichkeit eröffnen, nach ungünstigen Entscheidungen der ordentlichen Gerichte Verfassungsbeschwerde einzulegen, Bedenken hinsichtlich der Wahrung der Garantien für ein faires Verfahren für den jeweiligen Beschwerdeführer aufkommen ließen und dass in Verbindung mit den vorgeschlagenen Änderungen in Bezug auf die Qualifikationen und Ernennungen von Richtern und die Einheitlichkeit der Rechtsprechung die Gesetzgebungsmaßnahmen auch die Gefahr bergen, die Unabhängigkeit der einzelnen Richter in ihren Kernaufgaben zu beeinträchtigen und eine übermäßig starke Hierarchie innerhalb des Justizsystems zu schaffen;

AF.

in der Erwägung, dass die Venedig-Kommission in ihrer Stellungnahme vom 16. Oktober 2021 zu den Änderungen des Gesetzes über die Organisation und Verwaltung der Gerichte und des Gesetzes über die Rechtsstellung und die Vergütung der Richter, die das ungarische Parlament im Dezember 2020 angenommen hat, die in ihrer Stellungnahme von 2012 ausgesprochenen Empfehlungen zur Rolle des Präsidenten des Landesgerichtsamts bekräftigt hat, die nicht berücksichtigt worden waren; in der Erwägung, dass die Venedig-Kommission auch empfohlen hat, klare, transparente und vorhersehbare Bedingungen für den Fall zu schaffen, dass abgeordnete Richter nach der Abordnung in eine höhere Position versetzt werden sollen; in der Erwägung, dass die Venedig-Kommission mehrere Empfehlungen in Bezug auf die Zuweisung von Fällen, die Befugnis des Präsidenten der Kúria zur Erhöhung der Zahl der Mitglieder der Spruchkörper, die Einheitlichkeitsbeschlüsse und die Zusammensetzung der Kammern im Beschwerdeverfahren in Bezug auf die Einheitlichkeit abgegeben hat; in der Erwägung, dass die Venedig-Kommission auch festgestellt hat, dass die Regelung für die Ernennung des Präsidenten der Kúria, die mit den Änderungen von 2019 eingeführt wurde, angesichts der entscheidenden Aufgaben des Inhabers dieses Amtes im Justizsystem schwerwiegende Risiken der Politisierung und erhebliche Folgen für die Unabhängigkeit der Justiz oder deren Wahrnehmung durch die Öffentlichkeit mit sich bringen könnte;

AG.

in der Erwägung, dass die GRECO in ihrem zweiten Zwischenbericht vom 25. September 2020 über die Befolgung der Empfehlungen festgestellt hat, dass im Hinblick auf die Richterschaft und die drei diesbezüglich noch nicht umgesetzten Empfehlungen keine weiteren Fortschritte erzielt worden waren und dass ihre eigenen Erkenntnisse zu den Befugnissen des Präsidenten des Landesgerichtsamts (sowohl in Bezug auf das Verfahren zur Ernennung oder Beförderung von Kandidaten für Richterstellen als auch auf das Verfahren zur Neuzuweisung von Richtern) nach wie vor von besonderer Bedeutung waren; in der Erwägung, dass die GRECO in Bezug auf die Staatsanwaltschaft das Inkrafttreten von Gesetzesänderungen begrüßte, mit denen die Einbeziehung eines Disziplinarbeauftragten in Disziplinarverfahren verbindlich vorgeschrieben wird, dass sie aber nicht mit Sicherheit feststellen konnte, ob ihre 17. Empfehlung (Disziplinarverfahren in Bezug auf die Staatsanwaltschaft) umgesetzt worden war oder nicht; in der Erwägung, dass sie vielmehr feststellte, dass keine Fortschritte erzielt worden waren, was die Verlängerung der Amtszeit des Generalstaatsanwalts, die weitreichende Immunität der Staatsanwälte und die Ausarbeitung von Kriterien dafür, unter welchen Umständen untergeordneten Staatsanwaltschaften Fälle entzogen werden können, anbelangt;

AH.

in der Erwägung, dass der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für die Unabhängigkeit von Richtern und Anwälten in seiner Mitteilung vom 15. April 2021 an die Regierung Ungarns die Auffassung vertrat, dass die Ernennung des Präsidenten der Kúria als Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz und als Versuch angesehen werden kann, die Justiz dem Willen der Legislative zu unterwerfen, was einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung darstellt; in der Erwägung, dass der Sonderberichterstatter auch betonte, dass die Wahl des Präsidenten der Kúria trotz des offenkundigen Einwands des Landesjustizrats besonders besorgniserregend ist, und darauf hinwies, dass die Entscheidung, die ablehnende Stellungnahme des Landesjustizrats außer Acht zu lassen, als politische Erklärung der Regierungsmehrheit ausgelegt werden kann; in der Erwägung, dass nach Angaben des Sonderberichterstatters das wichtigste Ziel — wenn nicht gar das Hauptziel — der Reform des Justizsystems darin bestand, dem verfassungsrechtlich geschützten Grundsatz der Unabhängigkeit der Justiz Abbruch zu tun und es der Legislative und der Exekutive zu ermöglichen, in die Rechtspflege einzugreifen;

AI.

in der Erwägung, dass das Ministerkomitee des Europarats in seiner Entscheidung vom 2. Dezember 2021 über die laufende verstärkte Überwachung der Umsetzung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in der Rechtssache Gazsó Group gegen Ungarn darauf hingewiesen hat, dass die betreffende Reihe von Rechtssachen das strukturelle Problem der überlangen Dauer von Zivil-, Straf- und Verwaltungsverfahren und des Fehlens wirksamer innerstaatlicher Rechtsbehelfe betrifft; in der Erwägung, dass das Ministerkomitee mit Genugtuung die Annahme des Gesetzes zur Einführung eines Rechtsbehelfs für überlange Zivilverfahren zur Kenntnis genommen hat, die staatlichen Stellen jedoch nachdrücklich aufgefordert hat, dafür Sorge zu tragen, dass er mit der Europäischen Menschenrechtskonvention im Einklang steht; in der Erwägung, dass das Ministerkomitee die staatlichen Stellen angesichts der Bedeutung der Angelegenheit, ihres technischen Charakters und des Ablaufs der Frist, die der EGMR in seinem Piloturteil auf den 16. Oktober 2016 festgelegt hatte, nachdrücklich aufgefordert hat, alle erdenklichen Möglichkeiten zur Beschleunigung des Zeitplans zu prüfen;

AJ.

in der Erwägung, dass das Ministerkomitee des Europarates in seiner Interimsresolution vom 9. März 2022 zu der laufenden verstärkten Überwachung der Umsetzung des Urteils des EGMR in der Rechtssache Baka/Ungarn die staatlichen Stellen nachdrücklich aufgefordert hat, ihre Bemühungen im Hinblick darauf zu verstärken, in enger Zusammenarbeit mit dem Sekretariat des Ministerkomitees zu ermitteln, wie sich durch Einführung der erforderlichen Maßnahmen sicherstellen lässt, dass ein Beschluss des ungarischen Parlaments, den Präsidenten der Kúria seines Amtes zu entheben, einer wirksamen Kontrolle durch ein unabhängiges Gericht im Einklang mit der Rechtsprechung des EGMR unterliegt; in der Erwägung, dass das Ministerkomitee die staatlichen Stellen darin außerdem erneut auf ihre Zusage hingewiesen hat, die innerstaatlichen Rechtsvorschriften über den Status der Richter und die Verwaltung der Gerichte zu bewerten, und sie nachdrücklich aufgefordert hat, zu ihrer Evaluierung Schlussfolgerungen vorzulegen, auch in Bezug auf die Garantien und Absicherungen zum Schutz der Richter vor unzulässiger Einmischung, damit das Ministerkomitee umfassend beurteilen kann, ob die durch einschlägige Verstöße verursachten Bedenken hinsichtlich der abschreckenden Wirkung auf Richter, die ihr Recht auf freie Meinungsäußerung ausüben, ausgeräumt wurden;

AK.

in der Erwägung, dass Ungarn im Index für Rechtsstaatlichkeit 2021 der Organisation „World Justice Project“ unter 139 Ländern den 69. Platz (zwei Plätze schlechter als im Vorjahr) und innerhalb der Region EU, Europäische Freihandelsassoziation und Nordamerika den letzten Platz (31 von 31) belegt;

Korruption und Interessenkonflikte

AL.

in der Erwägung, dass die Kommission am 13. Juli 2022 im Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2022 im Länderkapitel zu Ungarn darauf hingewiesen hat, dass die Umsetzung der meisten Maßnahmen im Rahmen der Strategie zur Korruptionsbekämpfung 2020-2022 verschoben und keine neue Strategie angekündigt wurde und dass weiterhin Unzulänglichkeiten in Bezug auf Lobbyismus und den „Drehtüreffekt“ sowie in Bezug auf die Parteien- und Wahlkampffinanzierung bestehen; in der Erwägung, dass die unabhängigen Kontrollmechanismen weiterhin nicht ausreichen, um Korruptionsfälle aufzudecken, und dass immer noch Bedenken hinsichtlich der fehlenden systematischen Kontrolle und der unzureichenden Überwachung von Vermögens- und Interessenerklärungen sowie des Mangels an Vorschriften über Interessenkonflikte für gemeinnützige Trusts bestehen; in der Erwägung, dass das Ausbleiben einer soliden Erfolgsbilanz bei Ermittlungen zu Korruptionsvorwürfen gegen hochrangige Beamte und ihr unmittelbares Umfeld nach wie vor Anlass zu ernster Besorgnis gibt, obwohl einige neue Korruptionsverfahren auf hoher Ebene eingeleitet wurden; in der Erwägung, dass das Fehlen einer gerichtlichen Überprüfung von Entscheidungen, keine Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen gegen Korruption durchzuführen, nach wie vor Anlass zur Sorge gibt, insbesondere in einem Umfeld, in dem die Risiken von Klientelismus sowie Günstlings- und Vetternwirtschaft in der öffentlichen Verwaltung auf hoher Ebene weiterhin nicht angegangen werden;

AM.

in der Erwägung, dass die Kommission in ihren Antworten auf die schriftlichen Anfragen an Kommissionsmitglied Hahn zur Anhörung vom 11. November 2019 zur Entlastung der Kommission für 2018 darauf hingewiesen hat, dass für den Zeitraum 2014-2020 in Ungarn nach einer horizontalen Prüfung der Vergabe öffentlicher Aufträge, bei der schwerwiegende Mängel in der Funktionsweise des Verwaltungs- und Kontrollsystems in Bezug auf die Kontrolle der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge festgestellt wurden, pauschale Finanzkorrekturen akzeptiert und durchgeführt wurden;

AN.

in der Erwägung, dass der Rat in seiner Empfehlung vom 12. Juli 2022 zum nationalen Reformprogramm Ungarns 2022 mit einer Stellungnahme des Rates zum Konvergenzprogramm Ungarns 2022 empfohlen hat, dass Ungarn tätig werden sollte, um den Rahmen für die Korruptionsbekämpfung zu stärken, indem unter anderem die Bemühungen der Staatsanwaltschaft und der Zugang zu öffentlichen Informationen verbessert werden, und die Unabhängigkeit der Justiz zu stärken sowie die Qualität und Transparenz des Entscheidungsprozesses durch einen wirksamen sozialen Dialog, die Zusammenarbeit mit anderen Interessenträgern und regelmäßige Folgenabschätzungen zu verbessern und den Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zu verbessern;

AO.

in der Erwägung, dass das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung am 10. Juni 2021 in seinem Tätigkeitsbericht 2020 erklärte, es habe der Kommission empfohlen, 2,2 % der im Rahmen der europäischen Struktur- und Investitionsfonds und des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums für den Zeitraum 2016-2020 geleisteten Zahlungen wieder einzuziehen; in der Erwägung, dass dies der höchste Prozentsatz der wiedereinzuziehenden Zahlungen unter allen Mitgliedstaaten ist und weit über dem Durchschnitt von 0,29 % liegt; in der Erwägung, dass Betrug im Zusammenhang mit Mitteln aus EU-Entwicklungsfonds begangen wurde, die Ungarn zugewiesen wurden; in der Erwägung, dass die soziale Ungleichheit und die Armut in Verbindung mit einem hohen Maß an Korruption zugenommen haben, was nicht nur zu großer Unsicherheit in der Bevölkerung führt, sondern auch eine Verletzung der Grundrechte darstellt;

AP.

in der Erwägung, dass die Kommission Ungarn im November 2021 ein Schreiben übermittelt hat, in dem Probleme im Zusammenhang mit der Unabhängigkeit der Justiz, mit der ineffizienten Strafverfolgung in Fällen von Korruption und mit Mängeln bei der Vergabe öffentlicher Aufträge dargelegt wurden, die ein Risiko für die finanziellen Interessen der EU darstellen könnten; in der Erwägung, dass die Kommission in ihrem Schreiben darlegt, dass systemische Probleme bestehen und in Fällen von Korruption niemand zur Rechenschaft gezogen wird, und dass sie den staatlichen Stellen Ungarns 16 konkrete Fragen vorgelegt hat, etwa zu Themen wie Interessenkonflikten, den Begünstigen von Unionsmitteln und der Gewährleistung der gerichtlichen Kontrolle durch unabhängige Gerichte; in der Erwägung, dass die Kommission die Anwendung der Konditionalitätsverordnung (10) trotz dieser Bedenken bis April 2022 hinausgezögert hat;

AQ.

in der Erwägung, dass die Kommissionspräsidentin am 5. April 2022 mitgeteilt hat, das für Haushalt und Verwaltung zuständige Kommissionsmitglied, Johannes Hahn, habe die ungarischen Behörden von den Plänen der Kommission in Kenntnis gesetzt, den nächsten Schritt einzuleiten und den Mechanismus der Konditionalitätsverordnung formell in Gang zu setzen, vor allem in Bezug auf Korruptionsprobleme; in der Erwägung, dass die Kommission mit der Ausfertigung einer schriftlichen Mitteilung am 27. April 2022 endlich das förmliche Verfahren gegen Ungarn im Rahmen der Konditionalitätsverordnung eingeleitet hat; in der Erwägung, dass die Kommission am 20. Juli 2022 beschlossen hat, Ungarn von ihrer Absicht in Kenntnis zu setzen, einen Vorschlag für einen Durchführungsbeschluss des Rates vorzulegen, und dem Land Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben;

AR.

in der Erwägung, dass die Kommission am 6. April 2022 beschlossen hat, Ungarn ein zusätzliches Aufforderungsschreiben zu übermitteln, um die ordnungsgemäße Umsetzung der Richtlinie 2014/24/EU über die öffentliche Auftragsvergabe (11), der Richtlinie 2014/23/EU über die Konzessionsvergabe (12) und der Richtlinie 2014/25/EU über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (13) in innerstaatliches Recht sicherzustellen; in der Erwägung, dass es nach Angaben der Kommission nach ungarischem Recht zulässig ist, aus Sicherheitsgründen und bei durch Steuervergünstigungen subventionierten Verträgen in größerem Umfang Ausnahmen anzuwenden, und dass diese Ausnahmen dazu führen, dass die Verpflichtungen nach dem Unionsrecht für ein breiteres Spektrum von Verträgen nicht gelten; in der Erwägung, dass die Kommission zudem der Ansicht ist, dass Änderungen des ungarischen Gesetzes über den Bergbau, die die Möglichkeit vorsehen, ohne transparente Ausschreibungsverfahren Bergbaukonzessionen zu vergeben, gegen den Grundsatz der Transparenz verstoßen;

AS.

in der Erwägung, dass die Kommission am 19. Mai 2022 beschlossen hat, Ungarn ein Aufforderungsschreiben bezüglich der nicht ordnungsgemäßen Umsetzung der Richtlinie (EU) 2017/1371 über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtetem Betrug (14) in innerstaatliches Recht zu übermitteln;

AT.

in der Erwägung, dass die GRECO in ihrem zweiten Zwischenbericht vom 25. September 2020 über die Befolgung der Empfehlungen festgestellt hat, dass Ungarn erst fünf der 18 Empfehlungen aus dem vierten Evaluierungsbericht zufriedenstellend umgesetzt oder behandelt hat, und zu dem Schluss gekommen ist, dass es nach wie vor „global unbefriedigend“ ist, dass die Empfehlungen insgesamt in geringem Maße befolgt werden;

AU.

in der Erwägung, dass Ungarn beschlossen hat, sich weder an der verstärkten Zusammenarbeit zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft noch an der verstärkten Zusammenarbeit der Staatsanwaltschaften der EU zu beteiligen;

AV.

in der Erwägung, dass der Internationale Rat der UNESCO für Baudenkmäler und Kunststätten in seiner technischen Überprüfung des im Mai 2021 erstellten Berichts über den Erhaltungszustand des ungarischen Teils des grenzüberschreitenden Welterbes „Kulturlandschaft Fertö/Neusiedler See“ zu dem Schluss gekommen ist, dass das Projekt „Sopron Fertö Lake Resort“ in seiner geplanten Größe und Form die Authentizität und Integrität des grenzüberschreitenden Welterbes beeinträchtigen würde;

AW.

in der Erwägung, dass Ungarn unter den 180 Ländern und Gebieten, die im Korruptionswahrnehmungsindex 2021 von Transparency International erfasst werden, den 73. Platz belegt (einen Platz schlechter als im Vorjahr) und dass sich die Platzierung des Landes seit 2012 kontinuierlich verschlechtert hat;

Privatsphäre und Datenschutz

AX.

in der Erwägung, dass in dem Bericht über die Reise einer Ad-hoc-Delegation seines Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres vom 29. September bis 1. Oktober 2021 nach Budapest Bedenken hinsichtlich fehlender Garantien bei der Aufsicht in Bezug auf die geltenden Rechtsvorschriften ohne echte Kontrollen und Gegenkontrollen und Rechtsbehelfe geäußert wurden; in der Erwägung, dass zudem Bedenken hinsichtlich des mutmaßlichen Einsatzes der Spähsoftware Pegasus der NSO-Group und der verstärkten Überwachung von Aktivisten, Journalisten, Rechtsanwälten und Politikern durch den Staat geäußert wurden;

AY.

in der Erwägung, dass das Enthüllungsportal Direkt36 auf der Grundlage einer zugespielten Datenbank im Juli 2021 aufgedeckt hat, dass zwischen 2018 und 2021 etwa 300 ungarische Bürgerinnen und Bürger — darunter unabhängige Journalisten, Medieninhaber, Rechtsanwälte, Politiker, regierungskritische Geschäftsleute und ehemalige Staatsbeamte — ohne ihr Wissen mit der Spähsoftware Pegasus ausgespäht wurden; in der Erwägung, dass der Europäische Datenschutzbeauftragte in seinen Vorbemerkungen vom 15. Februar 2022 zu moderner Spähsoftware zu dem Schluss kam, dass durch den weitverbreiteten Einsatz hochentwickelter Spähsoftware wie Pegasus nicht nur die Grundrechte und -freiheiten-, sondern auch Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in beispielloser Weise gefährdet und geschädigt werden könnten, eine Reihe von Schritten und Maßnahmen als Garantie zum Schutz vor der unrechtmäßigen Verwendung von Spähsoftware dargelegt und darauf hingewiesen hat, dass die wirksamste Option zum Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten darin bestünde, die Entwicklung und den Einsatz von Spähsoftware mit der Leistungsfähigkeit von Pegasus in der Union zu untersagen; in der Erwägung, dass regierungsfreundliche Medien in Ungarn kaum über Pegasus berichtet haben;

AZ.

in der Erwägung, dass das Ministerkomitee des Europarats in seiner Entscheidung vom 9. März 2022 über die laufende verstärkte Überwachung der Umsetzung des Urteils des EGMR in der Rechtssache Szabó und Vissy gegen Ungarn erneut darauf hingewiesen hat, dass der betreffende Fall die Verletzung des Rechts der Kläger auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens und auf Schutz ihrer Korrespondenz aufgrund der ungarischen Rechtsvorschriften über Maßnahmen der geheimen Überwachung im Interesse der nationalen Sicherheit betrifft, wobei diese Rechtsvorschriften keine hinreichend präzisen, wirksamen und umfassenden Garantien in Bezug auf die Anordnung, Durchführung und mögliche Wiedergutmachung dieser Maßnahmen enthielten; in der Erwägung, dass das Ministerkomitee ferner betont hat, dass die geheime Überwachung als Handlung mit äußerst einschneidender Wirkung betrachtet werden sollte, mit der unter Umständen in das Recht auf freie Meinungsäußerung und auf Privatsphäre eingegriffen wird und die Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft bedroht werden, und dass es erneut darauf hingewiesen hat, dass die staatlichen Stellen 2017 als Reaktion auf das Urteil des EGMR verkündet hatten, es bedürfe einer Gesetzesreform; in der Erwägung, dass das Ministerkomitee mit großer Besorgnis festgestellt hat, dass sich das Gesetzgebungsverfahren immer noch in einer vorläufigen Phase befand und die staatlichen Stellen keine weiteren relevanten Entwicklungen dargelegt hatten, und die staatlichen Stellen deshalb nachdrücklich aufgefordert hat, dringend die erforderlichen Maßnahmen zu beschließen, um die innerstaatlichen Rechtsvorschriften vollständig mit den Anforderungen der Europäischen Menschenrechtskonvention in Einklang zu bringen, einen Zeitplan für das Gesetzgebungsverfahren festzulegen und dem Komitee den Entwurf eines Gesetzgebungsvorschlags vorzulegen;

Meinungsfreiheit einschließlich Medienpluralismus

BA.

in der Erwägung, dass die Kommission am 13. Juli 2022 im Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2022 im Länderkapitel zu Ungarn darauf hingewiesen hat, dass die funktionale Unabhängigkeit und Wirksamkeit der Medienbehörde gestärkt werden muss und dass die fortgesetzte Weiterleitung erheblicher Mengen an staatlicher Werbung an regierungsfreundliche Medien zu ungleichen Wettbewerbsbedingungen in der Medienlandschaft führt; in der Erwägung, dass die öffentlich-rechtlichen Medien in einem komplexen institutionellen System tätig sind, das Bedenken hinsichtlich ihrer redaktionellen und finanziellen Unabhängigkeit aufkommen lässt, und dass die Medienschaffenden bei der Ausübung ihrer Tätigkeit weiterhin mit Herausforderungen, einschließlich der Überwachung von investigativen Journalisten, konfrontiert sind; in der Erwägung, dass der Zugang zu öffentlichen Informationen weiterhin durch die Regelung der der Gefahrensituation behindert wird;

BB.

in der Erwägung, dass die Kommission am 15. Juli 2022 beschlossen hat, Ungarn wegen Verstoßes gegen das EU-Telekommunikationsrecht vor dem Gerichtshof zu verklagen, weil der ungarische Medienrat aus äußerst fragwürdigen Gründen entschieden hat, den Antrag von Klubrádió auf Zuteilung von Funkfrequenzen abzulehnen; in der Erwägung, dass die Kommission zu dem Schluss gekommen ist, dass die Weigerung des ungarischen Medienrates, die Sendelizenz von Klubrádió zu verlängern, unverhältnismäßig und intransparent war und dass das nationale ungarische Mediengesetz in diesem besonderen Fall diskriminierend angewandt wurde und mithin gegen die Richtlinie (EU) 2018/1972 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (15) und das Recht auf freie Meinungsäußerung verstoßen wurde;

BC.

in der Erwägung, dass die Mitteleuropäische Stiftung für Presse und Medien (Közép-Európai Sajtó és Média Alapítvány, KESMA) am 11. September 2018 gegründet wurde; in der Erwägung, dass die Zusammenführung von über 470 Medienunternehmen unter dem Dach der KESMA Auswirkungen in Form einer Verkleinerung des Raums für unabhängige und oppositionelle Medien und einer Einschränkung des Zugangs der Bürgerinnen und Bürger Ungarns zu Informationen hatte; in der Erwägung, dass die für die öffentlichen Medien und die KESMA ausgegebenen Mittel verwendet werden, um Regierungspropaganda zu betreiben und die Opposition und nichtstaatliche Organisationen zu diskreditieren; in der Erwägung, dass die Medienlandschaft durch Manipulation der Eigentumsverhältnisse im Medienbereich, die Vereinnahmung der Regulierungsstellen und die Übernahme ehemals unabhängiger Medien durch den Staat, Einnahmen aus Werbung im Auftrag der Regierung und die Vergabe von Lizenzen — Methoden, die in anderen Teilen Europas repliziert werden — verzerrt werden kann;

BD.

in der Erwägung, dass der EGMR in seinem Urteil vom 8. Oktober 2019 in der Rechtssache Szurovecz gegen Ungarn festgestellt hat, der fehlende Zugang der Medien zu Aufnahmeeinrichtungen für Asylsuchende sei ein Verstoß gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung; in der Erwägung, dass die Überwachung der Umsetzung dieses Urteils noch im Gange ist;

BE.

in der Erwägung, dass der EGMR in seinem Urteil vom 3. Dezember 2019 in der Rechtssache Scheiring und Szabó gegen Ungarn und in seinem Urteil vom 2. Dezember 2021 in der Rechtssache Szél gegen Ungarn zu dem Schluss kam, dass im Zusammenhang mit dem Zeigen von Bannern im ungarischen Parlament Verstöße gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung vorliegen; in der Erwägung, dass die Überwachung der Umsetzung dieser Urteile noch im Gange ist;

BF.

in der Erwägung, dass der EGMR in seinem Urteil vom 20. Januar 2020 in der Rechtssache Magyar Kétfarkú Kutya Párt gegen Ungarn eine Verletzung des Rechts auf freie Meinungsäußerung festgestellt hat, was die Verhängung von Strafen gegen die politische Partei wegen der Bereitstellung einer mobilen App anbelangt, mit der Wähler in die Lage versetzt wurden, während eines Referendums über Migrationsfragen im Jahr 2016 ungültige Stimmen zu fotografieren, anonym hochzuladen und zu kommentieren; in der Erwägung, dass die Überwachung der Umsetzung dieses Urteils noch im Gange ist;

BG.

in der Erwägung, dass die Beauftragte der OSZE für die Freiheit der Medien in ihrer Erklärung vom 23. März 2020 ihre Besorgnis über die Bestimmungen des ungarischen Entwurfs eines Gesetzes über die Reaktion auf die COVID-19-Pandemie zum Ausdruck gebracht hat, die sich nachteilig auf die Arbeit der Medien, die über die Pandemie berichten, auswirken könnten;

BH.

in der Erwägung, dass der EGMR in seinem Urteil vom 26. Mai 2020 in der Rechtssache Mándli und andere gegen Ungarn festgestellt hat, die Aussetzung der Akkreditierung der Beschwerdeführer als Journalisten im ungarischen Parlament sei ein Verstoß gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung; in der Erwägung, dass die Überwachung der Umsetzung dieses Urteils noch im Gange ist;

BI.

in der Erwägung, dass am 24. Juli 2020 nach der Entlassung des Chefredakteurs des wichtigsten unabhängigen Nachrichtenportals in Ungarn, index.hu, über 70 Journalisten geschlossen ihre Kündigung einreichten und auf diese Weise die offensichtliche Einmischung in und den Druck auf ihr Medienunternehmen seitens der Regierung anprangerten;

BJ.

in der Erwägung, dass dem von der Kommission finanzierten und im Juli 2020 veröffentlichten ersten „Mapping Media Freedom Snapshot“ zufolge die COVID-19-Krise die größten Auswirkungen auf die Medienfreiheit — vor allen anderen europäischen Gebieten — wohl in Ungarn hatte, da bereits bestehende Herausforderungen verschärft wurden und neue Probleme hinzukamen; in der Erwägung, dass die während des Notstands in Ungarn verabschiedeten neuen Rechtsvorschriften gegen die Verbreitung „falscher“ oder „verzerrter“ Informationen zu Unsicherheit und Selbstzensur bei Medienunternehmen und -akteuren geführt haben;

BK.

in der Erwägung, dass die Menschenrechtskommissarin des Europarats in ihrem Memorandum vom 30. März 2021 über die Meinungs- und Medienfreiheit in Ungarn darauf hingewiesen hat, dass die kombinierten Auswirkungen einer Medienregulierungsbehörde, die nicht frei von politischer Kontrolle ist, und ständiger und verzerrender staatlicher Eingriffe in den Medienmarkt die Bedingungen für Medienpluralismus und freie Meinungsäußerung in Ungarn beeinträchtigt haben; in der Erwägung, dass die Kommissarin auch zu dem Schluss kam, dass die freie politische Debatte und der freie Austausch unterschiedlicher Meinungen — die Voraussetzungen für das Gedeihen demokratischer Gesellschaften — insbesondere außerhalb der Hauptstadt stark eingeschränkt wurden;

BL.

in der Erwägung, dass die Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für die Förderung und den Schutz des Rechts auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung in ihrer im Anschluss an ihren Besuch vom 15. bis 22. November 2021 in Ungarn abgegebenen Erklärung darauf hingewiesen hat, dass die Eingriffe Ungarns in den Bereich der Medien in den vergangenen zehn Jahren Risiken für die Menschenrechte bei der bevorstehenden Wahl mit sich bringen könnten; in der Erwägung, dass die Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen ferner darauf hingewiesen hat, dass Einfluss auf die Medienaufsichtsbehörden ausgeübt wird, staatliche Mittel in beträchtlicher Höhe zur Unterstützung regierungsfreundlicher Medien bereitgestellt werden, die Ausdehnung und Weiterentwicklung von Medien, die einer regierungsfreundlichen redaktionellen Linie folgen, gefördert wird und Medienunternehmen und Journalisten, die kritisch über die Regierung berichten, ausgegrenzt werden, wodurch die staatlichen Stellen die Medienbranche gezielt umgestaltet haben, und dass sie bei ihren Bemühungen um die Schaffung von „Ausgewogenheit“ die Medienvielfalt, den Pluralismus und die Unabhängigkeit der Medien ausgehöhlt haben;

BM.

in der Erwägung, dass die internationale Wahlbeobachtungsmission der OSZE in ihrer Erklärung vom 4. April 2022 über vorläufige Erkenntnisse und Schlussfolgerungen im Anschluss an die Parlamentswahl und das Referendum erklärt hat, dass die Möglichkeit, bei der Stimmabgabe eine Entscheidung in Kenntnis der Sachlage zu treffen, durch die Verzerrung und die mangelnde Ausgewogenheit in der Berichterstattung, die Gegenstand der Beobachtung war, und in Ermangelung von Diskussionen zwischen den maßgeblichen Kandidaten erheblich eingeschränkt wurde; in der Erwägung, dass die internationale Wahlbeobachtungsmission der OSZE am 29. Juli 2022 in ihrem Abschlussbericht hervorhob, dass umfangreiche Werbekampagnen der Regierung und eine parteiische Berichterstattung in den öffentlichen und vielen privaten Medien der Regierungspartei eine allgegenwärtige Wahlkampfplattform boten;

BN.

in der Erwägung, dass das Staatliche Wahlamt Ungarns am 8. April 2022 die landesweite Kampagne nichtstaatlicher Organisationen, bei der dazu aufgefordert wurde, bei dem Referendum über den Zugang von Kindern zu Informationen über Fragen der sexuellen Ausrichtung und der Geschlechtsidentität ungültige Stimmen abzugeben, als rechtswidrig einstufte und gegen 16 verschiedene ungarische nichtstaatliche Organisationen, die sich an der Kampagne für das Referendum beteiligt hatten, Geldbußen verhängte;

BO.

in der Erwägung, dass Ungarn unter den 180 Ländern und Gebieten, die in der Rangliste der Pressefreiheit 2022 von Reporter ohne Grenzen erfasst sind, den 85. Platz belegt und in der Analyse für die Region Europa und Zentralasien als eines der Länder aufgeführt ist, die drakonische Gesetze gegen Journalisten verschärft haben;

Freiheit der Lehre

BP.

in der Erwägung, dass der EuGH in seinem Urteil vom 6. Oktober 2020 in der Rechtssache C-66/18, Kommission gegen Ungarn („Hochschulbildung“), entschieden hat, dass Ungarn durch den Erlass der in Artikel 76 Absatz 1 Buchstaben a und b des Gesetzes Nr. CCIV von 2011 über das nationale Hochschulwesen in der geänderten Fassung vorgesehenen Maßnahmen gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 13, Artikel 14 Absatz 3 und Artikel 16 der Charta, Artikel 49 AEUV, Artikel 16 der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt (16) und das Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation verstoßen hat; in der Erwägung, dass die Zentraleuropäische Universität Budapest verlassen musste;

BQ.

in der Erwägung, dass die ungarische Regierung im Oktober 2018 beschloss, Geschlechterstudien aus einer Liste von Masterstudiengängen zu streichen, die für eine Akkreditierung und öffentliche Finanzierung infrage kommen;

BR.

in der Erwägung, dass das ungarische Parlament am 2. Juli 2019 Änderungen an einer Reihe von Gesetzen über das institutionelle System und die Finanzierung von Forschung, Entwicklung und Innovation angenommen hat, wodurch die Akademie der Wissenschaften ihrer Autonomie beraubt wurde; in der Erwägung, dass die Leitung der Universität für Theater- und Filmkunst (Színház- és Filmművészeti Egyetem, SzFE) am 31. August 2020 aus Protest gegen die Einsetzung eines von der Regierung ernannten Gremiums zurückgetreten ist; in der Erwägung, dass das Ministerium für Technologie und Innovation fünf Mitglieder des neuen Kuratoriums ernannt und die vom Senat der Universität vorgeschlagenen Mitglieder abgelehnt hat; in der Erwägung, dass zwei Drittel der bis Ende 2021 gegründeten 33 gemeinnützigen Stiftungen zur Verwaltung von Vermögenswerten im öffentlichen Interesse zuvor staatlich betriebene Hochschuleinrichtungen verwalten sollen;

BS.

in der Erwägung, dass die Venedig-Kommission in ihrer Stellungnahme vom 2. Juli 2021 zu den Änderungen des Grundgesetzes Ungarns, die das ungarische Parlament im Dezember 2020 angenommen hatte, die Auffassung vertrat, dass Artikel 7 der neunten Änderung in Bezug auf Artikel 38 des Grundgesetzes und die Verankerung von „gemeinnützigen Stiftungen zur Verwaltung von Vermögenswerten im öffentlichen Interesse“ im Grundgesetz überprüft werden müssten; in der Erwägung, dass die Venedig-Kommission die Auffassung vertrat, dass diese Stiftungen vielmehr durch einfaches Gesetz geregelt werden sollten, in dem alle einschlägigen Transparenz- und Rechenschaftspflichten im Hinblick auf die Verwaltung ihrer (öffentlichen und privaten) Mittel sowie angemessene Vorkehrungen für die Unabhängigkeit hinsichtlich der Zusammensetzung und Arbeitsweise des Kuratoriums klar festgelegt sind; in der Erwägung, dass die Venedig-Kommission auch darauf hingewiesen hat, dass in den einschlägigen Gesetzen die wichtige Funktion der Universitäten als Orte des freien Denkens und des freien Austauschs von Argumenten berücksichtigt werden sollte, wobei alle geeigneten Maßnahmen vorzusehen seien, mit denen die akademische Unabhängigkeit und die institutionelle Autonomie in angemessener Weise garantiert werden;

BT.

in der Erwägung, dass die Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für die Förderung und den Schutz des Rechts auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung in ihrer im Anschluss an ihren Besuch vom 15. bis 22. November 2021 in Ungarn abgegebenen Erklärung die staatlichen Stellen nachdrücklich aufgefordert hat, die Freiheit der Lehre wirksam zu schützen und die Rechte der Lehrkräfte und Studierenden zu achten, da mit der Privatisierung öffentlicher Universitäten Risiken für die Autonomie der Wissenschaft verbunden sind;

Religionsfreiheit

BU.

in der Erwägung, dass am 21. Dezember 2018 eine umfassende Änderung des Kirchengesetzes von 2011 verkündet wurde; in der Erwägung, dass die Änderung nach Angaben der ungarischen Regierung Religionsgemeinschaften die Möglichkeit eröffnen würde, beim Hauptstädtischen Landgericht Budapest den Rechtsstatus einer Glaubensgemeinschaft, einer eingetragenen Religionsgemeinschaft oder einer anerkannten Konfession zu beantragen; in der Erwägung, dass die Überwachung der Umsetzung des Urteils des EGMR in der Rechtssache Magyar Keresztény Mennonita Egyház (Christlich-Mennonitische Kirche Ungarns) und andere gegen Ungarn, in dem eine Verletzung des Rechts auf Vereinigungsfreiheit im Lichte des Rechts auf Religionsfreiheit aufgrund der Abmeldung von Kirchen aus dem Register festgestellt wurde, noch im Gange ist;

BV.

in der Erwägung, dass die Venedig-Kommission in ihrer Stellungnahme vom 2. Juli 2021 zu den Änderungen des Grundgesetzes Ungarns, die das ungarische Parlament im Dezember 2020 angenommen hatte, empfohlen hat, dass das öffentliche Schulsystem einen objektiven und pluralistischen Lehrplan vorsehen muss, in dem Indoktrinierung und Diskriminierung aus gleich welchem Grund zu unterlassen sind, wobei die Überzeugungen der Eltern und ihre Wahlfreiheit zwischen Religionsunterricht und konfessionslosem Unterricht zu achten sind;

BW.

in der Erwägung, dass die Kommission am 13. Juli 2022 im Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2022 im Länderkapitel zu Ungarn darauf hingewiesen hat, dass weiterhin Druck auf Organisationen der Zivilgesellschaft ausgeübt wird; in der Erwägung, dass mehrere Organisationen der Zivilgesellschaft am 27. Juli 2022 darauf hingewiesen haben, dass der von der Regierung vorgelegte Gesetzesentwurf, durch den die Vorschriften über die Konsultation der Öffentlichkeit im Interesse einer Einigung mit der Kommission geändert würden, nur Scheinlösungen bietet; in der Erwägung, dass die Kommission ebenfalls darauf hingewiesen hat, dass die Stärkung der Beteiligung der Öffentlichkeit an der Rechtsetzung ein wichtiges Ziel ist, das jedoch in erster Linie einen konkreten Willen der Regierung, eine sinnvolle Umsetzung der bestehenden Rechtsvorschriften und weitaus wirksamere Garantien als im Gesetzentwurf vorgesehen erfordern würde;

Vereinigungsfreiheit

BX.

in der Erwägung, dass der EuGH in seinem Urteil vom 18. Juni 2020 in der Rechtssache C-78/18, Kommission gegen Ungarn (Transparenz von Verbänden), zu dem Schluss gekommen ist, dass Ungarn gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 63 AEUV und den Artikeln 7, 8 und 12 der Charta verstoßen hat, indem es durch den Erlass von Bestimmungen (17) des Gesetzes Nr. LXXVI von 2017 über die Transparenz von aus dem Ausland unterstützten Organisationen diskriminierende und ungerechtfertigte Beschränkungen für ausländische Spenden an Organisationen der Zivilgesellschaft eingeführt hat; in der Erwägung, dass die Kommission am 18. Februar 2021 beschlossen hat, ein Aufforderungsschreiben an die staatlichen Stellen Ungarns zu richten, weil sie nicht die Maßnahmen ergriffen hatten, die erforderlich sind, um dem Urteil nachzukommen; in der Erwägung, dass die Kommission am 20. Juli 2021 im Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2021 im Länderkapitel zu Ungarn darauf hinwies, dass das ungarische Parlament das Gesetz aufgehoben und neue Vorschriften über die Prüfung der Rechtmäßigkeit im Zusammenhang mit der Zivilgesellschaft eingeführt hatte und dass weiterhin Druck auf regierungskritische Organisationen der Zivilgesellschaft ausgeübt wurde; in der Erwägung, dass durch den systematischen Rückbau der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie und die systematische Einschränkung der Grundrechte der Spielraum für Oppositionsparteien und Organisationen der Zivilgesellschaft, Gewerkschaften und Interessengruppen eingeschränkt wurde, wobei kein Raum für den sozialen Dialog und Konsultationen gelassen wird;

BY.

in der Erwägung, dass dem Erlass des neuen Gesetzes keine öffentlichen Konsultationen irgendeiner Art vorausgingen und auch keine nichtstaatlichen Organisationen direkt konsultiert wurden, was im Widerspruch zu der Empfehlung der Venedig-Kommission aus ihrer Stellungnahme vom 20. Juni 2017 steht, dass bei öffentlichen Konsultationen so weit wie möglich alle Organisationen der Zivilgesellschaft einbezogen werden sollten, deren Status, Finanzierung oder Tätigkeitsbereiche durch das Inkrafttreten des Gesetzes beeinträchtigt würden; in der Erwägung, dass diese Organisationen nach dem neuen Gesetz nun regelmäßigen Finanzprüfungen durch den Rechnungshof Ungarns unterzogen werden können; in der Erwägung, dass Organisationen der Zivilgesellschaft Besorgnis darüber geäußert haben, dass über den Rechnungshof Ungarns, dessen Hauptaufgabe darin besteht, die Verwendung öffentlicher Mittel und nicht jene privater Spenden zu überwachen, mehr Druck auf sie ausgeübt werden soll; in der Erwägung, dass Organisationen der Zivilgesellschaft davor gewarnt haben, dass der Staat mit dem neuen Gesetz über nichtstaatliche Organisationen in die Vereinigungsfreiheit von Organisationen, die auf der Grundlage des Vereinigungsrechts gegründet wurden, sowie in die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger, die sich für das öffentliche Interesse einsetzen, eingreifen wird und dass das Gesetz der Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und der demokratischen Öffentlichkeit insgesamt abträglich ist; in der Erwägung, dass der Rechnungshof Ungarns am 17. Mai 2022 mit der Prüfung von Dutzenden nichtstaatlicher Organisationen begonnen und Informationen über ihre Buch- und Kassenführungsmethoden angefordert hat;

BZ.

in der Erwägung, dass am 23. Juli 2021 mitgeteilt wurde, dass von den Geberstaaten der Zuschüsse des Europäischen Wirtschaftsraums und Norwegens — Island, Liechtenstein und Norwegen — keine Einigung über die Ernennung eines Fondsbetreibers erzielt wurde, der Mittel für die Zivilgesellschaft in Ungarn verwalten soll; in der Erwägung, dass im laufenden Finanzierungszeitraum folglich keine Programme durchgeführt werden, wodurch die für Ungarn vorgesehenen Mittel in Höhe von 214,6 Mio. EUR aufgehoben werden;

CA.

in der Erwägung, dass die Venedig-Kommission und das BDIMR der OSZE in ihrer gemeinsamen Stellungnahme vom 17. Dezember 2018 zu Abschnitt 253 des Gesetzes XLI vom 20. Juli 2018 zur Änderung bestimmter Steuergesetze und anderer damit zusammenhängender Gesetze sowie zur Einwanderungssondersteuer erklärt haben, dass die Steuer in Höhe von 25 % auf finanzielle Unterstützung einer in Ungarn ausgeübten migrationsfördernden Tätigkeit oder auf finanzielle Unterstützung der Tätigkeit einer Organisation mit Sitz in Ungarn, die eine migrationsfördernde Tätigkeit ausübt, nicht dem Erfordernis der Rechtmäßigkeit entspricht und einen ungerechtfertigten Eingriff in das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Recht auf Vereinigungsfreiheit der betroffenen nichtstaatlichen Organisationen darstellt;

CB.

in der Erwägung, dass die Menschenrechtskommissarin des Europarats in ihrem Bericht vom 21. Mai 2019 im Anschluss an ihren Besuch vom 4. bis 8. Februar 2019 in Ungarn betonte, dass durch gesetzgeberische Maßnahmen die Tätigkeiten der Zivilgesellschaft, die in einer demokratischen Gesellschaft als uneingeschränkt legitim gelten sollten, stigmatisiert und kriminalisiert wurden, dass diese Maßnahmen eine anhaltende abschreckende Wirkung auf nichtstaatliche Organisationen haben und dass einige der gesetzlichen Bestimmungen außergewöhnlich vage und willkürlich sind und in der Praxis nicht umgesetzt werden;

CC.

in der Erwägung, dass der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für die Menschenrechte von Migranten in seinem Bericht vom 11. Mai 2020 im Anschluss an seinen Besuch vom 10. bis 17. Juli 2019 in Ungarn festgestellt hat, dass Organisationen der Zivilgesellschaft, die sich für die Rechte von Migranten in Ungarn einsetzen, bei der Ausübung ihrer legitimen und wichtigen Arbeit auf zahlreiche Hindernisse stoßen, die aus Gesetzesänderungen, finanziellen Beschränkungen und anderen operativen und praktischen Maßnahmen der zuständigen staatlichen Stellen resultieren; in der Erwägung, dass der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen überdies feststellte, dass mehrere Organisationen der Zivilgesellschaft mit Verleumdungskampagnen überzogen wurden, auf die in einigen Fällen verwaltungs- oder strafrechtliche Ermittlungen folgten;

Das Recht auf Gleichbehandlung, einschließlich der Rechte von LGBTIQ

CD.

in der Erwägung, dass die Kommission im Bericht 2022 über die Rechtsstaatlichkeit vom 13. Juli 2022 im Länderkapitel zu Ungarn darauf hingewiesen hat, dass dem ungarischen Beauftragten für Grundrechte mehr Kompetenzen übertragen worden sind, der Status seiner Akkreditierung jedoch aufgrund von Bedenken bezüglich seiner Unabhängigkeit herabgesetzt wurde; in der Erwägung, dass die Globale Allianz der nationalen Menschenrechtsinstitutionen im Bericht und den Empfehlungen der virtuellen Tagung ihres Unterausschusses für die Akkreditierung vom 14. bis 25. März 2022 empfohlen hat, den Status des Beauftragten für Grundrechte auf den B-Status herabzusetzen, da der Unterausschuss nicht die erforderlichen schriftlichen Nachweise erhalten hat, mit denen belegt wird, dass der Beauftragte sein Mandat in Bezug auf schutzbedürftige Gruppen wie ethnische Minderheiten, LGBTIQ, Menschenrechtsverteidiger, Flüchtlinge und Migranten oder im Zusammenhang mit wichtigen Menschenrechtsangelegenheiten wie Medienpluralismus, zivilgesellschaftlicher Raum und Unabhängigkeit der Justiz wirksam erfüllte; in der Erwägung, dass der Unterausschuss der Ansicht war, dass der Beauftragte in einer Weise gehandelt hat, durch die die Einhaltung der Pariser Grundsätze zu den Kriterien für die Standards hinsichtlich nationaler Menschenrechtsinstitutionen erheblich gefährdet wurde; in der Erwägung, dass der Unterausschuss auch Probleme beim Auswahl- und Ernennungsverfahren sowie bei den Arbeitsbeziehungen zu und der Zusammenarbeit mit Organisationen der Zivilgesellschaft und Menschenrechtsverteidigern festgestellt hat;

CE.

in der Erwägung, dass das Parlament Ungarns am 15. Juni 2021 ein Gesetz verabschiedet hat, mit dem ursprünglich gegen Pädophilie vorgegangen werden sollte und das aber nach den von Abgeordneten der Regierungspartei Fidesz vorgeschlagenen Änderungen nun Klauseln enthält, mit denen die Darstellung von Homosexualität und Geschlechtsangleichungen gegenüber Minderjährigen untersagt wird; in der Erwägung, dass dieses Gesetz die Behandlung von Homosexualität und Geschlechtsangleichungen im Sexualkundeunterricht untersagt und vorsieht, dass diesbezügliche Unterrichtseinheiten fortan nur von registrierten Organisationen erteilt werden dürfen; in der Erwägung, dass im Zuge der Änderungen des Gesetzes über kommerzielle Werbung und des Mediengesetzes Werbung und Inhalte mit LGBTI in Kategorie V (d. h. nicht für Minderjährige empfohlen) eingestuft werden müssen; in der Erwägung, dass es nicht hinnehmbar ist und zu weiterer Diskriminierung und Stigmatisierung sexueller Minderheiten führt, wenn die sexuelle Ausrichtung und die Geschlechtsidentität mit Straftaten wie Pädophilie in Zusammenhang gebracht werden; in der Erwägung, dass die Regierung Ungarns im Zuge der innerstaatlichen Rechtsvorschriften, mit denen der Zugang zu Inhalten verboten oder beschränkt wird, in denen die sogenannte Abweichung der eigenen Identität von dem angeborenen Geschlecht, Geschlechtsumwandlungen oder Homosexualität für Personen unter 18 Jahren dargestellt wird, ein Dekret erlassen hat, mit dem Kinderbuchläden vorgeschrieben wird, Bücher und Medien mit Darstellungen von Homosexualität in „geschlossenen Verpackungen“ darzubieten, und der Verkauf von Büchern oder Medien mit Darstellungen von gleichgeschlechtlichen Beziehungen oder Geschlechtsumwandlungen im Umkreis von 200 Metern um Schulen oder Kirchen verboten wurde; in der Erwägung, dass das auch für das von Labriz herausgegebene illustrierte Kinderbuch „Meseország mindenkié“ (Märchenland für alle) gilt;

CF.

in der Erwägung, dass die Kommission am 2. Dezember 2021 beschlossen hat, den staatlichen Stellen Ungarns eine mit Gründen versehene Stellungnahme zu übermitteln, in der sie darlegte, dass Ungarn durch die Verpflichtung zur Kenntlichmachung von Abweichungen von den traditionellen Geschlechterrollen die Freiheit der Meinungsäußerung von Autoren und Buchverlegern einschränkt (Artikel 11 der Charta), eine ungerechtfertigte Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung (Artikel 21 der Charta) vornimmt und die EU-Rechtsvorschriften über unlautere Geschäftspraktiken gemäß der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern (18) fehlerhaft anwendet;

CG.

in der Erwägung, dass die Kommission am 15. Juli 2022 beschlossen hat, Ungarn aufgrund seiner nationalen Vorschriften vor dem EuGH zu verklagen, mit denen für Personen unter 18 Jahren der Zugang zu Inhalten verboten oder eingeschränkt werden soll, die eine sogenannte „Abweichung von der eigenen Identität in Bezug auf das Geschlecht bei der Geburt, die Geschlechtsumwandlung oder die Homosexualität“ darstellen; in der Erwägung, dass die Kommission zu dem Schluss gekommen ist, dass diese Bestimmungen vor allem gegen die Richtlinie 2010/13/EU zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (19), die Richtlinie 2000/31/EG über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (20) sowie gegen die Würde des Menschen, die Achtung des Privat- und Familienlebens, die Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit und das Recht auf Nichtdiskriminierung gemäß den Artikeln 1, 7, 11 bzw. 21 der Charta verstoßen; in der Erwägung, dass die Kommission ebenfalls darauf hingewiesen hat, dass die angefochtenen Bestimmungen aufgrund der Schwere dieser Verstöße auch gegen die in Artikel 2 EUV festgelegten gemeinsamen Werte verstoßen; in der Erwägung, dass sich 18 Mitgliedstaaten der EU am 22. Juni 2021 einer Erklärung am Rande der Tagung des Rates (Allgemeine Angelegenheiten) angeschlossen haben, in der sie sich gegen die Annahme des Gesetzes ausgesprochen haben;

CH.

in der Erwägung, dass die Menschenrechtskommissarin des Europarats in ihrem Bericht vom 21. Mai 2019 im Anschluss an ihren Besuch in Ungarn vom 4. bis 8. Februar 2019 dargelegt hat, dass Ungarn bei der Gleichstellung der Geschlechter und den Rechten der Frauen Rückschritte verzeichnet, dass die politische Vertretung von Frauen auffallend gering ist und dass in der Regierungspolitik Frauenfragen eng mit Familienangelegenheiten verbunden sind und dass die staatlichen Stellen die Umsetzung einer eigenen Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter eingestellt haben;

CI.

in der Erwägung, dass der unabhängige Experte der Vereinten Nationen für den Schutz vor Gewalt und Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung und Identität in seiner Erklärung vom 29. April 2020 Ungarn nachdrücklich aufforderte, Vorschläge für Rechtsvorschriften zurückzuziehen, mit denen Transgender-Personen und gendervarianten Personen das Recht auf rechtliche Anerkennung und Selbstbestimmung verwehrt würde;

CJ.

in der Erwägung, dass der Ausschuss der Vereinten Nationen für die Rechte des Kindes am 3. März 2020 in seinen abschließenden Bemerkungen zum sechsten regelmäßigen Bericht Ungarns die ungarische Regierung aufforderte, tätig zu werden, eine Strategie anzunehmen und schutzbedürftige Kinder zu informieren und zu unterstützen, auch durch spezifische Maßnahmen zugunsten von Mädchen, Roma-Kindern, Kindern von Asylsuchenden und Migranten sowie lesbischen, schwulen, bisexuellen, Transgender- und intersexuellen Kindern; in der Erwägung, dass der Ausschuss auch schwerwiegende Bedenken darüber geäußert hat, dass Kinder mit Behinderungen ihrer Familien beraubt werden und in Einrichtungen untergebracht sind, dass die staatlichen Stellen Ungarns unzureichende Maßnahmen ergreifen, um der Institutionalisierung ein Ende zu setzen und den Zugang zu Gesundheits- und Rehabilitationsdiensten und anderen Eingliederungsmaßnahmen zu fördern, dass es Fälle von sexuellem Missbrauch und Misshandlung von Kindern mit Behinderungen in Einrichtungen gibt, dass es an Informationen über die Situation von Roma-Kindern mit Behinderungen mangelt und dass Kinder mit Behinderungen nach wie vor stigmatisiert werden;

CK.

in der Erwägung, dass das ungarische Parlament am 5. Mai 2020 eine Entschließung angenommen hat, in der es die Ratifizierung des Übereinkommens zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Übereinkommen von Istanbul) abgelehnt hat;

CL.

in der Erwägung, dass der EGMR in seinem Urteil vom 16. Juli 2020 in der Rechtssache Rana gegen Ungarn eine Verletzung des Rechts auf Achtung des Privatlebens im Fall eines Transgender-Mannes aus dem Iran festgestellt hat, der in Ungarn Asyl erhalten hatte, aber sein Geschlecht und seinen Namen dort nicht legal ändern konnte; in der Erwägung, dass das Ministerkomitee des Europarats in seinem Beschluss vom 10. Juni 2022 über die noch ausstehende verstärkte Überwachung der Vollstreckung mit Besorgnis festgestellt hat, dass die ungarischen Behörden keine Maßnahmen ergriffen haben, um eine angemessene Lösung für rechtmäßig aufhältige Drittstaatsangehörige herbeizuführen, die eine rechtliche Anerkennung des Geschlechts beantragen; in der Erwägung, dass das ungarische Parlament darüber hinaus im Mai 2020 Rechtsvorschriften verabschiedet hat, durch die eine rechtliche Anerkennung des Geschlechts für ungarische Transgender-Personen unmöglich wurde;

CM.

in der Erwägung, dass die Menschenrechtskommissarin des Europarats in ihrer Erklärung vom 14. Juni 2021 die ungarischen Parlamentsabgeordneten aufgefordert hat, Änderungsanträge abzulehnen, in deren Folge Diskussionen über die sexuelle Identität, die Geschlechtsidentität und die Vielfalt der Geschlechter verboten würden; in der Erwägung, dass die Venedig-Kommission in ihrer Stellungnahme vom 13. Dezember 2021 zur Vereinbarkeit des Gesetzes LXXIX von 2021 zur Änderung bestimmter Gesetze zum Schutz von Kindern mit internationalen Menschenrechtsnormen zu dem Schluss gekommen ist, dass die Änderungen kaum als mit der Europäischen Menschenrechtskonvention und den internationalen Menschenrechtsnormen vereinbar gelten können, und die staatlichen Stellen Ungarns nachdrücklich aufgefordert hat, eine Reihe von Bestimmungen aufzuheben;

CN.

in der Erwägung, dass die Venedig-Kommission in ihrer Stellungnahme vom 2. Juli 2021 zu den Änderungen des Grundgesetzes Ungarns, die das Parlament Ungarns im Dezember 2020 angenommen hatte, empfohlen hat, dass die Änderung des Grundgesetzes Ungarns in Bezug auf die Beschreibung der Ehe als Verbindung von Mann und Frau mit dem Zusatz „die Mutter ist eine Frau, der Vater ist ein Mann“ nicht als Gelegenheit genutzt werden sollte, bestehende Gesetze zum Schutz von Personen, die keine Heterosexuellen sind, aufzuheben oder diese Gesetze zu deren Nachteil zu ändern; in der Erwägung, dass die Venedig-Kommission zudem empfohlen hat, die Auslegung und Anwendung der Änderungen des Grundgesetzes Ungarns, insbesondere bei der Ausarbeitung der Durchführungsbestimmungen, so durchzuführen, dass der Grundsatz des Diskriminierungsverbots aus gleich welchem Grund, auch wegen der sexuellen Ausrichtung und der Geschlechtsidentität, sorgfältig zur Geltung gebracht wird; in der Erwägung, dass die Änderung mit dem Wortlaut „Ungarn schützt das Recht des Kindes auf eine seinem angeborenen Geschlecht entsprechende Identität“ aufgehoben oder geändert werden sollte, damit sie nicht dazu führt, dass Transgender-Personen das Recht auf rechtliche Anerkennung ihrer erworbenen Geschlechtsidentität verwehrt wird;

CO.

in der Erwägung, dass die Venedig-Kommission in ihrer Stellungnahme vom 18. Oktober 2021 zu den Änderungen des Gesetzes über die Gleichbehandlung und die Förderung der Chancengleichheit und des Gesetzes über den Beauftragten für Grundrechte in der vom Parlament Ungarns im Dezember 2020 angenommenen Fassung darauf hingewiesen hat, dass mit der Zusammenlegung der Gleichstellungsstellen mit den nationalen Menschenrechtsinstitutionen Risiken verbunden sind, die unter anderem auf unterschiedliche Traditionen, rechtliche Verfahren und Handlungsansätze der Institutionen zurückzuführen sind, und festgestellt hat, dass die Kollision der Befugnisse, die der Beauftragte für Grundrechte bereits nach dem Gesetz CXI hat, mit den Befugnissen, die er in seiner Eigenschaft als Nachfolger der ungarischen Gleichbehandlungsstelle erwirbt, ein eindeutiger Beleg für ein Risiko ist, durch das die Wirksamkeit der Arbeit im Bereich der Förderung der Gleichstellung und der Bekämpfung von Diskriminierung geschwächt werden kann;

CP.

in der Erwägung, dass die Kommissarin für Menschenrechte des Europarats in ihrer Erklärung vom 13. Januar 2022 bekräftigt hat, dass die Entscheidung der Regierung Ungarns, am selben Tag wie die Parlamentswahl ein landesweites Referendum über den Zugang von Kindern zu Informationen über Fragen der sexuellen Ausrichtung und der Geschlechtsidentität durchzuführen, zutiefst bedauerlich war, da dadurch der Instrumentalisierung der Menschenrechte von LGBTIQ Vorschub geleistet wurde; in der Erwägung, dass die internationale Wahlbeobachtungsmission der OSZE in ihrem Abschlussbericht vom 29. Juli 2022 hervorgehoben hat, dass der Rechtsrahmen für das Referendum weitgehend ungeeignet ist und keine Chancengleichheit bei den Referendumskampagnen bietet, sodass die wichtigsten Empfehlungen gemäß den bewährten internationalen Verfahren nicht eingehalten werden, und dass nach einer Änderung aus dem Jahr 2018 die Regierung entgegen den bewährten internationalen Verfahren uneingeschränkte Kampagnenrechte hat, wenn sie ein Referendum initiiert, und dass die Behörden nicht verpflichtet sind, den Wählern objektive Informationen über die Themen des Referendums oder die Standpunkte der Befürworter und Gegner zur Verfügung zu stellen, wodurch die Fähigkeit der Wähler, eine fundierte Entscheidung zu treffen, infrage gestellt wird; in der Erwägung, dass das Referendum gegen LGBTIQ, das am 3. April 2022 in Ungarn stattfand, ungültig war, da keine der beiden Optionen („ja“ oder „nein“) 50 % der Stimmen erhielt; in der Erwägung, dass das Referendum weithin als Verstoß gegen den Grundsatz des Diskriminierungsverbots kritisiert wurde;

CQ.

in der Erwägung, dass die internationale Wahlbeobachtungsmission der OSZE in ihrem Abschlussbericht vom 29. Juli 2022 hervorgehoben hat, dass weniger als 20 % aller Kandidaten Frauen waren, wodurch die Möglichkeit, die geringe Vertretung von Frauen in der nationalen Politik Ungarns zu stärken, erheblich eingeschränkt wurde; in der Erwägung, dass der Anteil der 2022 ins ungarische Parlament gewählten Frauen 14 Prozent beträgt;

CR.

in der Erwägung, dass der Ausschuss der Vereinten Nationen für die Rechte von Menschen mit Behinderungen in seinen abschließenden Bemerkungen vom 25. März 2022 zum kombinierten zweiten und dritten Bericht Ungarns Bedenken geäußert hat, dass Menschen mit Behinderungen kein Mechanismus zur selbstständigen Entscheidungsfindung zur Verfügung steht, und dass er Ungarn empfohlen hat, seine Rechtsvorschriften zu ändern, damit bei der unterstützten Entscheidungsfindung die Würde, die Selbstständigkeit, der Wille und die Präferenzen von Menschen mit Behinderungen bei der Ausübung ihrer Rechtsfähigkeit geachtet werden; in der Erwägung, dass der Ausschuss Ungarn zudem empfohlen hat, seine Maßnahmen neu zu konzipieren und seine Haushaltsmittel auf gemeindenahe Unterstützungsdienste wie persönliche Assistenz umzulenken, damit Menschen mit Behinderungen ein unabhängiges und gleichberechtigtes Leben in der Gemeinschaft führen können;

Die Rechte von Personen, die einer Minderheit angehören, einschließlich Roma und Juden, und der Schutz vor hetzerischen Äußerungen, die gegen diese Minderheiten gerichtet sind

CS.

in der Erwägung, dass die Kommission am 9. Juni 2021 beschlossen hat, Ungarn ein Aufforderungsschreiben zu übermitteln, da die innerstaatlichen Rechtsvorschriften des Landes nicht vollständig im Einklang mit den EU-Rechtsvorschriften über das Diskriminierungsverbot gemäß der Richtlinie 2000/43/EG zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (21) und der Richtlinie 2000/78/EG des Rates zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (22) standen, wonach die Mitgliedstaaten wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen im Fall von Diskriminierungen vorsehen müssen; in der Erwägung, dass eine grundlegende Änderung im Juli 2020 erfolgte, als Ungarn die innerstaatliche Sanktionsregelung änderte und die Gerichte verpflichtete, eine moralische Entschädigung für Diskriminierung im Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung nur in Form von Schulungen oder Bildungsdienstleistungen und nicht in Form einer einmaligen Zahlung zu gewähren; in der Erwägung, dass das Europäische Parlament die Mitgliedstaaten wiederholt aufgefordert hat, mit wirksamen legislativen und politischen Maßnahmen gegen Antiziganismus vorzugehen;

CT.

in der Erwägung, dass die Kommission am 2. Dezember 2021 Ungarn ein Aufforderungsschreiben zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/913/JI des Rates zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit übermittelt hat (23), da nach ungarischem Recht die öffentliche Billigung, Leugnung oder grobe Verharmlosung internationaler Verbrechen nicht unter Strafe steht und nicht sichergestellt ist, dass rassistische und fremdenfeindliche Beweggründe als erschwerender Umstand gelten oder dass die nationalen Gerichte bei begangenen Straftaten diesen Beweggründen Rechnung tragen;

CU.

in der Erwägung, dass der Ausschuss der Vereinten Nationen für die Beseitigung der Rassendiskriminierung in seinen abschließenden Bemerkungen vom 6. Juni 2019 zu den kombinierten 18. bis 25. regelmäßigen Berichten Ungarns erklärt hat, er sei zutiefst beunruhigt über die Verbreitung rassistischer Hetze gegen Roma, Migranten, Flüchtlinge, Asylsuchende und andere Minderheiten, wodurch Hass und Intoleranz gefördert werden und zuweilen zu Gewalt gegen diese Gruppen, insbesondere von führenden Politikern und in den Medien, auch im Internet, aufgestachelt wird; in der Erwägung, dass der Ausschuss insbesondere darüber, dass Personen des öffentlichen Lebens, auch auf höchster Ebene, Erklärungen abgegeben haben sollen, durch die rassistisch motiviertem Hass Vorschub geleistet werden könnte, insbesondere im Rahmen der 2015 eingeleiteten Kampagne der Regierung gegen Migranten und Flüchtlinge, sowie über die Präsenz und die Tätigkeit von Organisationen, die rassistisch motiviertem Hass Vorschub leisten, zutiefst beunruhigt war; in der Erwägung, dass der Ausschuss zwar die Informationen über die Maßnahmen zur Verbesserung der Lage der Roma, auch in den Bereichen Gesundheit und Bildung, sowie im Rahmen der nationalen Strategie für soziale Eingliederung von 2011 zur Kenntnis genommen hat, jedoch nach wie vor äußerst besorgt über das Fortbestehen der Diskriminierung der Roma, die Segregation und die extreme Armut, der sie ausgesetzt sind, ist;

CV.

in der Erwägung, dass der Beratende Ausschuss des Europarats zum Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten in seiner fünften Stellungnahme zu Ungarn vom 26. Mai 2020 darauf hingewiesen hat, dass Ungarn zwar seine Politik zur Unterstützung nationaler Minderheiten auf der Grundlage eines soliden Rechtsrahmens beibehalten hatte, es jedoch nach wie vor notwendig war, die strukturellen Schwierigkeiten der Roma in allen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens, einschließlich Bildung, Beschäftigung, Wohnraum und Zugang zur Gesundheitsversorgung, anzugehen; in der Erwägung, dass der Ausschuss betont hat, dass es dringender Maßnahmen bedarf, um die Lage der Roma zu verbessern, gegen den vorzeitigen Schulabgang vorzugehen und inklusive und hochwertige Bildung, auch in abgesonderten Gebieten, zu fördern; in der Erwägung, dass in benachteiligten Regionen eine stärkere Komplementarität zwischen nationalen und lokalen Maßnahmen erforderlich ist, um langfristige Lösungen für Beschäftigungs- und Wohnprobleme zu finden, wobei der Zugang zur Gesundheitsversorgung und zu sozialen Dienstleistungen nach wie vor großen praktischen Hindernissen unterliegt, vor allem zum Nachteil von Frauen und Kindern der Bevölkerungsgruppe der Roma;

CW.

in der Erwägung, dass das Ministerkomitee des Europarats in seinem Beschluss vom 10. Juni 2022 betreffend die ausstehende verstärkte Überwachung der Vollstreckung der Urteile des EGMR in den Rechtssachen Horváth und Kiss gegen Ungarn erneut darauf hingewiesen hat, dass der betreffende Fall die diskriminierende Fehlplatzierung und Überrepräsentation von Roma-Kindern in Sonderschulen für Kinder mit geistiger Behinderung betraf und dass der Staat eine positive Verpflichtung hat, zu verhindern, dass diskriminierende Praktiken fortgeführt werden; in der Erwägung, dass der Ausschuss die Behörden erneut mit Nachdruck aufgefordert hat, entgegen den Feststellungen der Sachverständigenausschüsse Beispiele für die Wirksamkeit der verwaltungsrechtlichen und gerichtlichen Rechtsbehelfe vorzulegen und die diesbezüglich bereitgestellten statistischen Daten zu vervollständigen, von den Behörden nachdrücklich verlangt hat, die statistischen Angaben um nach Ethnie aufgeschlüsselte Daten zu ergänzen, aus denen die Zahl der Beschwerden hervorgeht, die im Fall von Roma-Kindern eingereicht wurden, und die Aufforderung an die Behörden eindringlich bekräftigt hat, weitere Informationen über alle einschlägigen Verfahren vor dem Beauftragten für Grundrechte vorzulegen;

CX.

in der Erwägung, dass die Überwachung der Vollstreckung der Urteile des EGMR in der Rechtssache Balázs gegen Ungarn in Bezug auf Verstöße gegen das Diskriminierungsverbot in Verbindung mit dem Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung aufgrund des Versäumnisses der Behörden, wirksame Ermittlungen durchzuführen und dabei die Frage zu prüfen, ob rassistische Beweggründe für Misshandlungen der Roma-Antragsteller durch die Strafverfolgungsorgane vorliegen, noch im Gange ist;

CY.

in der Erwägung, dass die Fraktionsvorsitzenden des Parlaments am 29. Juli 2022 eine Erklärung angenommen haben, in der die offen rassistischen Äußerungen von Premierminister Viktor Orbán, dass man kein gemischtrassiges Volk werden wolle, verurteilt wurden, und betont haben, dass diese Erklärungen im Widerspruch zu unseren Werten stehen, die auch in den EU-Verträgen verankert sind;

Die Grundrechte von Migranten, Asylsuchenden und Flüchtlingen

CZ.

in der Erwägung, dass der EuGH am 19. März 2020 in der Rechtssache C-564/18, LH gegen Bevándorlási és Menekültügyi Hivatal (Tompa) [Amt für Migrations- und Flüchtlingsangelegenheiten (Tompa)], entschieden hat, dass die Richtlinie 2013/32/EU zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (24) einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der ein Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abgelehnt werden kann, weil der Antragsteller über einen Staat in das Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats eingereist ist, in dem er keiner Verfolgung oder Gefahr eines ernsthaften Schadens ausgesetzt ist oder in dem ein angemessenes Schutzniveau gewährleistet ist; in der Erwägung, dass der EuGH zu dem Schluss kam, dass die Richtlinie auch nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, die einem Gericht, das mit einem Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung befasst wird, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abgelehnt wurde, eine Frist von acht Tagen für seine Entscheidung setzen, wenn dieses Gericht nicht in der Lage ist, innerhalb einer solchen Frist die Wirksamkeit der materiell-rechtlichen Vorschriften und der dem Antragsteller vom EU-Recht gewährten Verfahrensgarantien zu gewährleisten;

DA.

in der Erwägung, dass der EuGH in seiner Entscheidung vom 2. April 2020 in den verbundenen Rechtssachen C-715/17, C-718/17 und C-719/17, einschließlich Kommission gegen Ungarn (Vorübergehender Mechanismus für die Umsiedlung von Personen, die internationalen Schutz beantragt haben), für Recht erkannt und entschieden hat, dass Ungarn seit den 25. Dezember 2015 dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 5 Absatz 2 des Beschlusses des Rates (EU) 2015/1601 (25) und folglich gegen seine anschließenden Verpflichtungen zur Umsiedlung nach Artikel 5 Absätze 4 bis 11 dieses Beschlusses verstoßen hatte, da es nicht in regelmäßigen Abständen, zumindest aber alle drei Monate, eine angemessene Zahl der internationalen Schutz beantragenden Personen angegeben hat, die schnell in sein Hoheitsgebiet umgesiedelt werden können;

DB.

in der Erwägung, dass der EuGH in seiner Entscheidung in den verbundenen Rechtssachen C-924/19 PPU und C-925/19 PPU gegen Országos Idegenrendészeti Főigazgatóság Dél-alföldi Regionális Igazgatóság und Országos Idegenrendészeti Főigazgatóság am 14. Mai 2020 für Recht erkannt hat, dass die Richtlinie 2008/115/EG über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (26) und die Richtlinie 2013/33/EU zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten (27) dahin auszulegen sind, dass die Verpflichtung eines Drittstaatsangehörigen, sich ständig in einer Transitzone aufzuhalten, die eingegrenzt und geschlossen ist, in der seine Bewegungen beschränkt sind und überwacht werden und die er aus eigenen Stücken rechtmäßig in keine Richtung verlassen kann, einer Freiheitsentziehung gleichkommt, wie sie für eine Haft im Sinne der genannten Richtlinien charakteristisch ist; in der Erwägung, dass der EuGH darauf hingewiesen hat, dass das EU-Recht einer Reihe von Bestimmungen in den Rechtsvorschriften Ungarns entgegensteht;

DC.

in der Erwägung, dass der EuGH in seinem Urteil vom 17. Dezember 2020 in der Rechtssache C-808/18, Kommission gegen Ungarn („Accueil des demandeurs de protection internationale“), entschieden hat, dass Ungarn gegen seine Verpflichtungen aus den Richtlinien 2008/115/EG, 2013/32/EU und 2013/33/EU verstoßen hat, da: i) vorgesehen ist, dass Anträge von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen auf internationalen Schutz nur in den Transitzonen von Röszke und Tompa gestellt werden dürfen, und gleichzeitig die Zahl der Antragsteller, die täglich in diese Transitzonen einreisen dürfen, drastisch begrenzt wurde; ii) ein System der systematischen Internierung von Personen, die internationalen Schutz beantragt haben, in den Transitzonen von Röszke und Tompa eingerichtet wurde; iii) die Abschiebung aller illegal in seinem Hoheitsgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ermöglicht wurde, ohne dass dabei die im Besitzstand festgelegten Verfahren und Garantien Anwendung finden; und iv) die Ausübung des Rechts der Personen, die internationalen Schutz beantragt haben, auf Verbleib im ungarischen Hoheitsgebiet von Voraussetzungen abhängig gemacht wurde, die gegen EU-Recht verstoßen; in der Erwägung, dass die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) am 27. Januar 2021 angekündigt hat, ihre Tätigkeit in Ungarn nach dem Urteil des EuGH auszusetzen; in der Erwägung, dass die Kommission am 12. November 2021 beschlossen hat, Ungarn wegen Nichtbefolgung des Urteils vor dem EuGH zu verklagen und den EuGH aufzufordern, die Zahlung finanzieller Sanktionen anzuordnen (Rechtssache C-123/22);

DD.

in der Erwägung, dass die Kommission am 9. Juni 2021 beschlossen hat, den staatlichen Stellen Ungarns ein Aufforderungsschreiben und eine mit Gründen versehene Stellungnahme zu übermitteln, weil sie die Richtlinie 2013/32/EU in Bezug auf Bestimmungen über die persönliche Anhörung, die medizinische Untersuchung, Garantien für unbegleitete Kinder und Jugendliche und in Bezug auf das Asylverfahren nicht vollständig umgesetzt haben;

DE.

in der Erwägung, dass die Kommission am 15. Juli 2021 beschlossen hat, Ungarn vor dem EuGH zu verklagen, da ein neues Asylverfahren nicht mit Artikel 6 der Richtlinie 2013/32/EU vereinbar sei, der im Lichte von Artikel 18 der Charta ausgelegt wurde (Rechtssache C-823/21 Kommission gegen Ungarn);

DF.

in der Erwägung, dass der EuGH in seinem Urteil vom 16. November 2021 in der Rechtssache C-821/19, Kommission/Ungarn („Incrimination de l‘aide aux demandeurs d’asile“), entschied, dass Ungarn gegen seine Verpflichtungen verstoßen hat, und zwar: i) gemäß Artikel 33 Absatz 2 der Richtlinie 2013/32/EU, da ein Antrag auf internationalen Schutz deshalb als unzulässig abgelehnt werden kann, weil der Antragsteller über einen Staat, in dem er keiner Verfolgung ausgesetzt war und in dem für ihn nicht die Gefahr bestand, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, oder in dem ein angemessenes Schutzniveau gewährleistet war, in sein Hoheitsgebiet eingereist ist; ii) gemäß Artikel 8 Absatz 2 und Artikel 22 Absatz 1 der Richtlinie 2013/32/EU sowie Artikel 10 Absatz 4 der Richtlinie 2013/33/EU, da es in seinem innerstaatlichen Recht das Verhalten einer jeden Person, die im Rahmen einer Organisationstätigkeit Unterstützung bei der Stellung oder förmlichen Stellung eines Asylantrags in seinem Hoheitsgebiet gewährt, mit Strafe bedroht hat, wenn zweifelsfrei nachgewiesen werden kann, dass die betreffende Person wusste, dass der Antrag nach dem innerstaatlichen Recht keine Aussicht auf Erfolg hatte; und iii) gemäß Artikel 8 Absatz 2, Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe c und Artikel 22 Absatz 1 der Richtlinie 2013/32/EU sowie Artikel 10 Absatz 4 der Richtlinie 2013/33/EU, da jeder Person, die einer solchen Straftat verdächtigt wird, das Recht genommen wurde, sich den Außengrenzen des Landes zu nähern;

DG.

in der Erwägung, dass die Menschenrechtskommissarin des Europarats in ihrem Bericht vom 21. Mai 2019 über ihren Besuch in Ungarn vom 4. bis 8. Februar 2019 festgestellt hat, dass die von der ungarischen Regierung seit 2015 eingenommene Haltung gegen Migration und Asylsuchende zu einem Rechtsrahmen geführt hat, durch den die Aufnahme von Asylsuchenden und die Integration anerkannter Flüchtlinge gemäß den internationalen Menschenrechtsverpflichtungen geschwächt werden;

DH.

in der Erwägung, dass der Europäische Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe in seinem Bericht vom 17. März 2020 im Anschluss an einen Besuch in Ungarn im Jahr 2018 hervorgehoben hat, dass seit dem Ad-hoc-Besuch des Ausschusses im Jahr 2017 nichts unternommen wurde, um wirksame Garantien zur Verhinderung der Misshandlung von Personen einzuführen, die von ungarischen Polizeibeamten über den Grenzzaun nach Serbien zurückgeführt wurden, und dass es offenkundig nach wie vor keine Rechtsmittel gab, die diesen Personen wirksamen Schutz vor ihrer Rückführung bzw. Zurückweisung oder auch Kettenzurückweisung bieten könnten;

DI.

in der Erwägung, dass der Ausschuss der Vereinten Nationen für die Beseitigung der Rassendiskriminierung in seinen abschließenden Bemerkungen vom 6. Juni 2019 zu den kombinierten 18. bis 25. regelmäßigen Berichten Ungarns seine Besorgnis über die alarmierende Lage von Asylsuchenden, Flüchtlingen und Migranten und über Berichte, dass der Grundsatz der Nichtzurückweisung de jure und de facto nicht in vollem Umfang geachtet wurde, zum Ausdruck gebracht hat; in der Erwägung, dass der Ausschuss auch zutiefst beunruhigt war über die gemeldete übermäßige Anwendung von Gewalt durch Strafverfolgungsbeamte gegen Drittstaatsangehörige, die an einem beliebigen Ort in Ungarn angetroffen wurden, und diejenigen, die man in der Nähe der Grenze zu Serbien angetroffen hat, „zurückgewiesen“ wurden, was zu Verletzungen und körperlichen Schäden führte;

DJ.

in der Erwägung, dass der EGMR in seinem Urteil vom 2. März 2021, R.R. u. a. gegen Ungarn, festgestellt hat, dass der Mangel an Nahrung für den ersten Kläger (R. R.) und die Aufenthaltsbedingungen der anderen Kläger (eine Schwangere und Kinder) zu einem Verstoß gegen das Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung geführt haben; in der Erwägung, dass der EGMR ferner festgestellt hat, dass der Aufenthalt der Kläger in der Transitzone de facto einen Freiheitsentzug darstellte und dass das Fehlen einer förmlichen Entscheidung der Behörden und eines Verfahrens, mit dem die Rechtmäßigkeit ihrer Inhaftierung von einem Gericht rasch hätte entschieden werden können, zu Verletzungen des Rechts auf Freiheit und Sicherheit geführt hat; in der Erwägung, dass der EGMR in seinen Urteilen vom 24. Februar 2022 in der Rechtssache M.B.K. u. a. gegen Ungarn und vom 2. Juni 2022 in der Rechtssache H. M. u. a. gegen Ungarn zu ähnlichen Schlussfolgerungen gelangt ist; in der Erwägung, dass die Überwachung der Umsetzung dieser Urteile noch im Gange ist;

DK.

in der Erwägung, dass der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für die Menschenrechte von Migranten in seinem Bericht vom 11. Mai 2020 im Anschluss an seinen Besuch in Ungarn im Jahr 2019 seine Forderung an die ungarische Regierung bekräftigt hat, eine sinnvolle Neubewertung der derzeitigen Lage und seiner Migrationspolitik vorzunehmen, und darauf hingewiesen hat, dass Ungarn die sogenannte Krisenlage aufheben sollte, die nicht der Realität entspricht und schwerwiegende negative Auswirkungen auf die Menschenrechte von Migranten, Asylsuchenden, die Freiheit zivilgesellschaftlicher Organisationen und die Befugnisse der Justiz hat, sowie alle anderen restriktiven Maßnahmen mit ähnlichen Merkmalen und Folgen aufheben sollte;

DL.

in der Erwägung, dass der EGMR in seinem Urteil vom 8. Juli 2021 in der Rechtssache Shahzad gegen Ungarn festgestellt hat, dass gegen den Kläger eine „kollektive“ Ausweisung verhängt worden war, da seine individuelle Lage von den staatlichen Stellen nicht geprüft worden war, die ihm keine echten und wirksamen Möglichkeiten zur Einreise nach Ungarn aufgezeigt hatten, und dass seine Rückführung nicht das Ergebnis seines Verhaltens gewesen war und dem Kläger kein angemessener Rechtsbehelf zur Verfügung stand; in der Erwägung, dass die verstärkte Überwachung der Umsetzung dieses Urteils noch im Gange ist;

DM.

in der Erwägung, dass das Ministerkomitee des Europarats in seiner Entscheidung vom 2. Dezember 2021 über die noch ausstehende verstärkte Überwachung der Umsetzung des Urteils des EGMR in den Rechtssachen Ilias und Ahmed gegen Ungarn erneut darauf hingewiesen hat, dass es in der betreffenden Rechtssache um einen Verstoß gegen die Verfahrenspflicht nach Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention ging, wonach die Gefahr von Misshandlungen zu bewerten ist, bevor antragstellende Asylsuchende nach Serbien rückgeführt werden, indem es sich auf eine allgemeine Vermutung eines „sicheren Drittstaats“ stützte, dass das Komitee mit tiefem Bedauern festgestellt hat, dass keine Schritte unternommen worden waren, um die erforderliche Neubewertung der gesetzlichen Vermutung des Status als „sicherer Drittstaat“ in Bezug auf Serbien durchzuführen, und dass das Komitee seine Aufforderung bekräftigt hat, eine solche Neubewertung ohne weitere Verzögerung und im Einklang mit den Anforderungen der Rechtsprechung des EGMR vorzunehmen sowie die Gründe und Ergebnisse dieser Neubewertung vorzulegen; in der Erwägung, dass das Komitee mit großer Besorgnis festgestellt hat, dass trotz der in seiner früheren Entscheidung geäußerten Bedenken die Praxis der Rückführungen ohne ordentliches Verfahren fortgesetzt wurde, und nachdrücklich seine Forderung an die ungarischen staatlichen Stellen bekräftigt hat, die sich aus dem Urteil des EGMR ergebenden Anforderungen uneingeschränkt zu erfüllen und dafür zu sorgen, dass Rückführungen in geordnete Verfahren und Garantien eingebettet sind, insbesondere in Bezug auf das im Völkerrecht verankerte Recht eines jeden Menschen, Asyl zu beantragen;

DN.

in der Erwägung, dass die Überwachung der Umsetzung der Urteile des EGMR in der Rechtssache Nabil und andere gegen Ungarn in Bezug auf die Verletzung des Rechts der Asylsuchenden auf Freiheit und Sicherheit aufgrund ihrer Inhaftierung bis zur Prüfung der Begründetheit ihrer Asylanträge noch im Gange ist;

DO.

in der Erwägung, dass die Menschenrechtskommissarin des Europarats in ihren an das Ministerkomitee des Europarats gerichteten Ausführungen vom 12. August 2022 darauf hingewiesen hat, dass der Zugang zu Asylverfahren und zu einer substanziellen und individuellen Risikobewertung in Ungarn aufgrund der aufeinanderfolgenden und sich überschneidenden Maßnahmen, die von der Regierung seit 2015 ergriffen wurden, de facto unmöglich geworden ist; in der Erwägung, dass potenziellen Asylsuchenden entweder die legale Einreise in das Hoheitsgebiet verweigert wird oder sie — von wenigen Ausnahmen abgesehen — verpflichtet werden, Ungarn zu verlassen und sich im Rahmen eines Verfahrens in der Botschaft einer Vorabkontrolle zu unterziehen, bevor sie einen Antrag auf internationalen Schutz stellen können; in der Erwägung, dass dieser schrittweise Abbau des Asylsystems kontinuierlich von einem harten migrationsfeindlichen Diskurs der ungarischen Regierung begleitet und angeheizt worden ist, wodurch die Aufnahme und der Schutz von Flüchtlingen und Asylsuchenden in dem Land weiter untergraben werden;

Wirtschaftliche und soziale Rechte

DP.

in der Erwägung, dass der Rat in seiner Empfehlung vom 12. Juli 2022 zum nationalen Reformprogramm Ungarns für dasselbe Jahr und in seiner Stellungnahme zum Konvergenzprogramm Ungarns 2022 empfohlen hat, dass Ungarn die Eingliederung der am stärksten benachteiligten Gruppen in den Arbeitsmarkt, insbesondere durch den Ausbau von Qualifikationen, fortsetzt und die Dauer der Leistungen bei Arbeitslosigkeit verlängert, die Sozialhilfe auf einen angemessenen Stand bringt und den Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen und angemessenem Wohnraum für alle verbessert; in der Erwägung, dass er darin empfohlen hat, dass Ungarn die Bildungsergebnisse verbessert und die Beteiligung benachteiligter Gruppen, insbesondere der Roma, an einer hochwertigen, regulären Bildung erhöht und den Zugang zu Vorsorgeleistungen und zur Grundversorgung verbessert;

DQ.

in der Erwägung, dass der Ausschuss der Vereinten Nationen für die Rechte des Kindes in den abschließenden Bemerkungen vom 3. März 2020 zum sechsten periodischen Bericht Ungarns empfohlen hat, dass Ungarn weiterhin in Maßnahmen zur Beseitigung der Armut investieren und dabei Roma-Kindern und Kindern, die in sozioökonomisch benachteiligten Gebieten leben, besondere Aufmerksamkeit widmen sollte, dass der Ausschuss schwerwiegende Bedenken geäußert hat, was die Zahl der vorzeitigen Schulabgänger, von denen die meisten aus benachteiligten Verhältnissen stammen, die Zuweisung öffentlicher Schulen an Religionsgemeinschaften, die zur Segregation aufgrund von Religion und Weltanschauung beitragen können, die anhaltende Segregation von Roma-Kindern im Bildungswesen, das Bildungsgefälle zwischen Roma-Kindern und Kindern anderer Volksgruppenzugehörigkeit, das Fehlen amtlicher Daten über Roma-Kinder im Bildungswesen, Mobbing, Misshandlung und Ausgrenzung von Kindern in Schulen, insbesondere von LGBTI-Kindern, und die Anwendung von Disziplinarmethoden in Schulen, die Kinder nicht vor physischer und psychischer Gewalt schützen, anbelangt;

DR.

in der Erwägung, dass die ungarische Regierung am 11. Februar 2022 ein Notstandsdekret erlassen hat, in dem im Rahmen des Streikgesetzes die während eines Streiks zu erbringenden „erforderlichen Mindestleistungen“ festgelegt wurden, die so weit ausgelegt werden, dass Streiks nunmehr unmöglich geworden sind; in der Erwägung, dass durch das Dekret die Rechte von Lehrern eingeschränkt wurden, die am 16. März 2022 erklärt hatten, einen Streik zu planen;

DS.

in der Erwägung, dass seit der Annahme des Verbots, den öffentlichen Raum für den gewöhnlichen Aufenthalt zu nutzen, mehrere ordentliche Gerichte das Verfassungsgericht ersucht haben, diese Änderung für nichtig zu erklären, und dabei geltend machten, sie sei aus vielen Gründen grundgesetzwidrig; in der Erwägung, dass das Verfassungsgericht nach einer erheblichen Verzögerung sämtliche von den ordentlichen Gerichten eingereichten Ersuchen in allen Punkten abgelehnt und sich geweigert hat, Anträge zu berücksichtigen, in denen die Argumentation der Regierung nicht gestützt wurde; in der Erwägung, dass das System der sozialen Sicherheit im Fall der Obdachlosigkeit vorrangig darauf ausgerichtet ist, den Aufenthalt Obdachloser im öffentlichen Raum für illegal zu erklären und Strafmaßnahmen anstelle von Maßnahmen zur sozialen Inklusion zu ergreifen;

1.

bekräftigt, dass sich seine Bedenken auf die folgenden Probleme in Ungarn beziehen:

die Funktionsweise des Verfassungs- und des Wahlsystems,

die Unabhängigkeit der Justiz und anderer Institutionen sowie die Rechte der Richter,

Korruption und Interessenkonflikte,

den Schutz der Privatsphäre und den Datenschutz,

die Freiheit der Meinungsäußerung einschließlich des Medienpluralismus,

die Freiheit der Lehre,

die Religionsfreiheit,

die Vereinigungsfreiheit,

das Recht auf Gleichbehandlung, einschließlich der Rechte von LGBTIQ;

die Rechte von Personen, die einer Minderheit angehören, einschließlich Roma und Juden, und den Schutz vor hetzerischen Äußerungen, die gegen diese Minderheiten gerichtet sind,

die Grundrechte von Migranten, Asylsuchenden und Flüchtlingen,

wirtschaftliche und soziale Rechte.

2.

ist der Ansicht, dass die in den Entschließungen des Parlaments dargelegten Sachverhalte und Entwicklungen in ihrer Gesamtheit eine systemrelevante Bedrohung der in Artikel 2 EUV genannten Werte und die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung dieser Werte sind; ist zutiefst besorgt und verurteilt die vorsätzlichen und systematischen Bestrebungen der ungarischen Regierung, die in Artikel 2 EUV verankerten Grundwerte der Europäischen Union zu untergraben; betont, dass sich diese Entwicklungen seit der Einleitung des Verfahrens nach Artikel 7 Absatz 1 EUV erheblich verschärft haben; betont, dass die ungarische Regierung die Verantwortung für die Rückkehr zur Einhaltung des EU-Rechts und zur Achtung der in Artikel 2 EUV verankerten Werte trägt, und bringt sein tiefes Bedauern darüber zum Ausdruck, dass das Fehlen entschlossener Maßnahmen der EU zu einem Zerfall der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte in Ungarn beigetragen hat, wodurch das Land gemäß den einschlägigen Indizes zu einem hybriden System der Wahlautokratie geworden ist;

3.

missbilligt, dass der Rat nicht in der Lage ist, in dem laufenden Verfahren nach Artikel 7 Absatz 1 EUV nennenswerte Fortschritte zu erzielen; fordert den Rat nachdrücklich auf, dafür zu sorgen, dass während laufender Verfahren nach Artikel 7 EUV mindestens einmal pro Vorsitz Anhörungen stattfinden und darin auch auf neue Entwicklungen eingegangen wird, die sich auf Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Grundrechte auswirken; fordert den Rat auf, nach jeder Anhörung ein ausführliches Protokoll zu veröffentlichen; betont, dass keine Einstimmigkeit im Rat erforderlich ist, um eine eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Werte der EU gemäß Artikel 7 Absatz 1 zu ermitteln, konkrete Empfehlungen an die betroffenen Mitgliedstaaten zu richten und Fristen für die Umsetzung dieser Empfehlungen zu setzen; bekräftigt seine einschlägige Aufforderung an den Rat und betont, dass jede weitere Verzögerung einer solchen Maßnahme einem Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit durch den Rat selbst gleichkäme; betont, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, gemeinsam zu handeln und den Angriffen auf die in Artikel 2 EUV verankerten Werte ein Ende zu setzen; fordert den Rat auf, so bald wie möglich Empfehlungen an Ungarn zu richten, damit das Land die in der Entschließung des Parlaments vom 12. September 2018 und in der vorliegenden Entschließung genannten Probleme behebt, und das Land aufzufordern, alle genannten Urteile und Empfehlungen umzusetzen, einschließlich derer zur Parlamentswahl vom 3. April 2022; beharrt darauf, dass das Parlament in allen Verfahren im Zusammenhang mit Artikel 7 EUV die Möglichkeit haben sollte, dem Rat seinen begründeten Vorschlag vorzulegen und an Anhörungen nach Artikel 7 EUV teilzunehmen, und in jeder Phase des Verfahrens unverzüglich und umfassend unterrichtet werden sollte;

4.

fordert den Rat und die Kommission auf, dem systematischen Rückbau der Rechtsstaatlichkeit und dem Zusammenwirken der verschiedenen, in seinen Entschließungen festgestellten Verstöße gegen Werte mehr Aufmerksamkeit zu widmen; betont, dass die demokratischen Institutionen geschwächt und letztendlich die Menschenrechte und das Leben aller Menschen in dem Land beeinträchtigt werden, in dem Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit begangen werden, wenn diese Verstöße ungeahndet bleiben; betont, dass die EU alle in Artikel 2 EUV verankerten Werte mit gleicher Entschlossenheit verteidigen sollte;

5.

fordert die Kommission auf, die verfügbaren Instrumente — insbesondere beschleunigte Vertragsverletzungsverfahren und Anträge auf einstweilige Maßnahmen beim Gerichtshof und Klagen wegen unterlassener Vollstreckung von Urteilen des Gerichtshofs — in vollem Umfang zu nutzen, um der eindeutigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Werte, auf die sich die EU gründet, durch Ungarn zu begegnen; weist erneut auf die Bedeutung der Konditionalitätsverordnung hin und begrüßt den Beschluss, den einschlägigen Mechanismus im Fall Ungarns auszulösen, wenn auch nach langer Verzögerung und mit begrenztem Anwendungsbereich; fordert die Kommission auf, im Rahmen der Verordnung Sofortmaßnahmen in Bezug auf andere Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit zu ergreifen, insbesondere im Bereich der Unabhängigkeit der Justiz und anderer Gründe, die in dem Schreiben der Kommission an Ungarn vom 19. November 2021 genannt werden; betont, dass die Konditionalitätsverordnung ein das Verfahren nach Artikel 7 ergänzendes Instrument ist, das in jedem Mitgliedstaat unmittelbar gilt und seit Januar 2021 durchsetzbar ist, und fordert die Kommission auf, alle erforderlichen Schritte für ihre wirksame Durchsetzung zu treffen; stellt fest, dass die Gefahr der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Mitteln aus der Aufbau- und Resilienzfazilität besteht, und fordert die Kommission erneut auf, den nationalen Plan Ungarns nicht zu billigen, bis Ungarn allen länderspezifischen Empfehlungen des Europäischen Semesters im Bereich Rechtsstaatlichkeit vollständig nachgekommen ist und alle einschlägigen Urteile des EuGH und des EGMR umgesetzt hat; erwartet, dass die Kommission alle Risiken von Programmen im Rahmen der Kohäsionspolitik ausschließt, die zum Missbrauch von EU-Mitteln oder zu Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit beitragen, bevor sie Partnerschaftsabkommen und kohäsionspolitische Programme genehmigt; fordert die Kommission auf, die Dachverordnung (28) und die Haushaltsordnung (29) strenger anzuwenden, um gegen jedwede missbräuchliche Verwendung von EU-Mitteln für politische Zwecke vorzugehen; ist der Auffassung, dass die Anwendung dieser Instrumente zum Schutz der in Artikel 2 EUV verankerten Werte in einer Zeit, in der diese Werte durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine und die von Russland gegen die EU ergriffenen Maßnahmen bedroht sind, noch dringlicher ist;

6.

bekräftigt seine Forderung an die Kommission, dafür zu sorgen, dass den Endempfängern oder Begünstigten von EU-Mitteln diese Mittel nicht vorenthalten werden, wenn im Rahmen des Mechanismus der Rechtsstaatlichkeit-Konditionalität gemäß Artikel 5 Absätze 4 und 5 der Verordnung über eine allgemeine Konditionalitätsregelung Sanktionen verhängt werden; fordert die Kommission auf, Wege zu finden, wie EU-Mittel über lokale Gebietskörperschaften und nichtstaatliche Organisationen verteilt werden können, wenn die jeweilige Regierung hinsichtlich der Mängel bei der Anwendung des Rechtsstaatsprinzips nicht kooperiert;

7.

fordert die Kommission auf, die unabhängige Zivilgesellschaft in Ungarn zu unterstützen, die die in Artikel 2 EUV verankerten Werte schützt, insbesondere über das Programm „Bürgerinnen und Bürger, Gleichstellung, Rechte und Werte“; fordert die Kommission erneut auf, eine umfassende Strategie für die Zivilgesellschaft zum Schutz und zur Weiterentwicklung des zivilgesellschaftlichen Raums in der EU anzunehmen, in der alle bestehenden Instrumente zusammengefasst sind und die eine Reihe konkreter Maßnahmen zum Schutz und zur Stärkung des zivilgesellschaftlichen Raums enthält;

8.

fordert die Kommission und den Rat erneut auf, unverzüglich Verhandlungen mit dem Parlament über einen EU-Mechanismus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte in Form einer interinstitutionellen Vereinbarung aufzunehmen, einschließlich eines ständigen Politikzyklus der EU-Organe;

9.

begrüßt die Schlussfolgerungen der Konferenz zur Zukunft Europas, insbesondere die Schlussfolgerungen des Vorschlags 25 über Rechtsstaatlichkeit, demokratische Werte und europäische Identität, und bekräftigt, dass das Verfahren zum Schutz der Werte, auf die sich die EU gründet, gestärkt und Klarheit in Bezug auf die Entschlossenheit und die Folgen von Verletzungen der Grundwerte geschaffen werden muss;

10.

beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Rat und der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten sowie dem Europarat, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und den Vereinten Nationen zu übermitteln.

(1)  ABl. C 433 vom 23.12.2019, S. 66.

(2)  ABl. C 270 vom 7.7.2021, S. 91.

(3)  Angenommene Texte, P9_TA(2022)0204.

(4)  ABl. C 99 vom 1.3.2022, S. 218.

(5)  Urteil vom 24. Juni 2019, Europäische Kommission v Republik Polen, C-619/18, ECLI:EU:C:2019:531, Rn. 42.

(6)  Gutachten 2/13 des Gerichtshofs vom 18. Dezember 2014, Gutachten nach Artikel 218 Absatz 11 AEUV, ECLI:EU:C:2014:2454, Rn. 168.

(7)  Urteil vom 27. Februar 2018, Associação Sindical dos Juízes Portugueses / Tribunal de Contas, C-64/16, ECLI:EU:C:2018:117, Rn. 32.

(8)  ABl. C 316 vom 6.8.2021, S. 2.

(9)  ABl. C 282 vom 26.8.2020, S. 107.

(10)  Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2020 über eine allgemeine Konditionalitätsregelung zum Schutz des Haushalts der Union (ABl. L 433 I vom 22.12.2020, S. 1).

(11)  ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 65.

(12)  ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 1.

(13)  ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 243.

(14)  ABl. L 198 vom 28.7.2017, S. 29.

(15)  ABl. L 321 vom 17.12.2018, S. 36.

(16)  ABl. L 376 vom 27.12.2006, S. 36.

(17)  Bestimmungen, mit denen einigen Kategorien von Organisationen der Zivilgesellschaft, und zwar solchen, die unmittelbar oder mittelbar ausländische Unterstützung in einer einen bestimmten Schwellenwert überschreitenden Höhe erhalten, Registrierungs-, Melde- und Offenlegungspflichten auferlegt werden und die vorsehen, dass gegen Organisationen, die diesen Pflichten nicht nachkommen, Sanktionen verhängt werden können.

(18)  ABl. L 149 vom 11.6.2005, S. 22.

(19)  ABl. L 95 vom 15.4.2010, S. 1.

(20)  ABl. L 178 vom 17.7.2000, S. 1.

(21)  ABl. L 180 vom 19.7.2000, S. 22.

(22)  ABl. L 303 vom 2.12.2000, S. 16.

(23)  ABl. L 328 vom 6.12.2008, S. 55.

(24)  ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 60.

(25)  Beschluss (EU) 2015/1601 des Rates vom 22. September 2015 zur Einführung von vorläufigen Maßnahmen im Bereich des internationalen Schutzes zugunsten von Italien und Griechenland (ABl. L 248 vom 24.9.2015, S. 80).

(26)  ABl. L 348 vom 24.12.2008, S. 98.

(27)  ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 96.

(28)  ABl. L 231 vom 30.6.2021, S. 159.

(29)  ABl. L 193 vom 30.7.2018, S. 1.


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