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Document 52020AE5186

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen zu einer EU-Strategie für den Massenzahlungsverkehr“ (COM(2020) 592 final)

    EESC 2020/05186

    ABl. C 220 vom 9.6.2021, p. 72–78 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    9.6.2021   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 220/72


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen zu einer EU-Strategie für den Massenzahlungsverkehr“

    (COM(2020) 592 final)

    (2021/C 220/10)

    Berichterstatter:

    Antonio GARCÍA DEL RIEGO

    Mitberichterstatter:

    Kęstutis KUPŠYS

    Befassung

    Europäische Kommission, 11.11.2020

    Rechtsgrundlage

    Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

    Zuständige Fachgruppe

    Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch

    Annahme in der Fachgruppe

    2.3.2021

    Verabschiedung auf der Plenartagung

    24.3.2021

    Plenartagung Nr.

    559

    Ergebnis der Abstimmung

    (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

    268/2/8

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1.

    Im Vordergrund der Digitalisierung von Finanzdienstleistungen steht der Zahlungsverkehr, und reibungslos funktionierende Zahlungsmethoden sind für Unternehmer und Händler ausschlaggebend, wenn es um die erfolgreiche Gründung und das Wachstum ihres Unternehmens geht. COVID-19 hat den Trend zur bargeldlosen Zahlung und zu Zahlungen im elektronischen Handel verstärkt und auf Seiten der Einzelhändler den Bedarf an der Einführung von Omnichannel-Tools zur Annahme von Offline-, Online- und mobilen Zahlungen steigen lassen. Die Einführung solcher Tools, die Investitionen in IT-Systeme und Hardware erfordert, stellt insbesondere für kleine und mittlere Einzelhandelsbetriebe eine zusätzliche Belastung dar.

    1.2.

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) teilt die Auffassung der Kommission in Bezug auf die strategische Bedeutung des Zahlungsverkehrs und hält ebenfalls weitere Arbeiten für nötig, um Zahlungsvorgänge im Binnenmarkt mit neuen einheimischen und gesamteuropäischen Zahlungslösungen zu ermöglichen. Der EWSA ist gleichfalls der Ansicht, dass die Kommission als politischer Katalysator fungieren sollte, während es jedoch die Aufgabe des Privatsektors ist, innovative digitale Zahlungslösungen zu entwickeln.

    1.3.

    Der EWSA betont, dass Bargeld für Verbraucher nach wie vor das bevorzugte Zahlungsmittel bei Zahlungsvorgängen im Einzelhandel an Verkaufsstellen und im persönlichen Kontakt darstellt. Bargeld ist für die soziale Inklusion und den Zugang zur Grundversorgung von entscheidender Bedeutung.

    1.4.

    Der EWSA teilt die Auffassung, dass ein digitaler Euro das bestehende Zentralbankgeld ergänzen und nicht auf eine Verdrängung des Privatsektors abzielen sollte, dass dem Privatsektor beim Vertrieb von Lösungen in Bezug auf den digitalen Euro eine Rolle zukommen sollte und dass die Rechte und Pflichten der Nutzer eindeutig definiert sein müssen. Der Schutz der Privatsphäre bei Zahlungsvorgängen sollte als ein wichtiges Recht des Nutzers gemeinsam mit anderen Merkmalen, die denen von Bargeld ähneln, berücksichtigt werden.

    1.5.

    Der EWSA richtet folgende Empfehlungen an die Kommission:

    1.5.1.

    Angesichts der großen Zahl der in der Strategie angeführten wichtigsten Maßnahmen sollten die Maßnahmen und Aktivitäten nach ihrer Priorität geordnet werden.

    1.5.2.

    Die aktuellen Ungewissheiten in Bezug auf ein nachhaltiges Geschäftsmodell für Sofortzahlungen sollten reduziert werden.

    1.5.3.

    Legislative Maßnahmen im Bereich der Zahlungsinstrumente sollten als verfrüht erachtet werden. Der EWSA zieht es vor, dass Marktteilnehmer geeignete Produkte für Verbraucher entwickeln und legislative Maßnahmen erst in Erwägung gezogen werden, wenn keine geeigneten Lösungen gefunden werden.

    1.5.4.

    Die umfassende Durchsetzung der SEPA-Verordnung durch die Mitgliedstaaten sollte sichergestellt werden, insbesondere im Zusammenhang mit einer mangelnden Befolgung der Bestimmungen des Artikels 9 (sogenannte IBAN-Diskriminierung) durch Zahler und Zahlungsempfänger, wobei es den Verbrauchern in der EU möglich sein sollte, ein einziges Zahlungskonto für Euro-Überweisungen zu verwenden und grenzüberschreitende Euro-Banküberweisungen innerhalb des SEPA in ebenso einfacher Weise zu tätigen, wie dies innerhalb ihres Heimatlandes der Fall ist.

    1.5.5.

    Die Kommission sollte sich in ihren Bemühungen auf die Interoperabilität zwischen existierenden und im Entstehen begriffenen eID-Lösungen konzentrieren; es hat den Anschein, als müssten der Privatsektor und die Behörden bei der Bereitstellung von eID-Lösungen, die zum Teil zur Durchführung einer starken Kundenauthentifizierung (Strong Customer Authentication, SCA) bei Zahlungsvorgängen verwendet werden können, besser unterstützt werden. Es bedarf einer allgemein akzeptierten öffentlichen elektronischen Identität, die auf der Auswahl durch den Verbraucher, seiner Zustimmung und der Garantie basiert, dass seine Privatsphäre geachtet wird.

    1.5.6.

    Die Akzeptanz von Bargeld sollte auf EU-Ebene harmonisiert werden, da es diesbezüglich aktuell beträchtliche Unterschiede zwischen den Ländern gibt.

    1.5.7.

    Der Datenaustausch zwischen verschiedenen Sektoren sollte durch Regelungen entsprechend den Grundsätzen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) (1) für alle Finanzdienstleister ausgeweitet werden, um weitere Vorteile für die europäischen Verbraucher zu erzielen, da dies für einen innovativen und wettbewerbsfähigen Finanzsektor förderlich sein kann.

    1.5.8.

    Es sollten Rechtsvorschriften vorgeschlagen werden, die darauf abzielen, das Recht auf Zugang zu technischen Infrastrukturen, die für die Bereitstellung von Zahlungsdiensten als notwendig erachtet werden, unter fairen, zumutbaren und diskriminierungsfreien Bedingungen sicherzustellen.

    1.6.

    Der EWSA ist der Ansicht, dass die einschlägigen Marktteilnehmer Rechtsvorschriften sowie einer Beaufsichtigung und Überwachung unterworfen werden sollten, die geeignet sind, gleiche Wettbewerbsbedingungen für all jene sicherzustellen, die dieselben Dienste und Tätigkeiten anbieten.

    1.7.

    Der EWSA erkennt die Notwendigkeit an, ein offenes und zugängliches Zahlungsökosystem sicherzustellen und die Einbeziehung von Zahlungs- und E-Geld-Instituten im Anwendungsbereich der Richtlinie über die Wirksamkeit von Abrechnungen (Settlement Finality Directive, SFD) zu beurteilen.

    1.8.

    Der EWSA begrüßt die vorgeschlagenen Maßnahmen, die darauf abzielen, eine Verpflichtung zur Reduzierung der globalen Durchschnittskosten für Finanztransfers auf unter 3 % bis zum Jahr 2030 zu erreichen. Er fordert die Kommission auf, eine aktive Rolle bei der Überwachung und Sicherstellung der Unterstützung für die einschlägigen Maßnahmen zu übernehmen, wie sie in der Roadmap des Finanzstabilitätsrats zur Verbesserung des grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs („Roadmap for Enhancing Cross-border Payments“) festgelegt sind.

    2.   Die Strategie der Kommission

    2.1.

    In ihrer Mitteilung vom Dezember 2018 unterstützte die Kommission „ein vollintegriertes Sofortzahlungssystem in der EU, um die Risiken und Anfälligkeiten von Massenzahlungssystemen zu verringern und die Autonomie der bestehenden Zahlungsverkehrslösungen zu erhöhen“ (2).

    2.2.

    Durch digitale Innovationen hat sich die Bereitstellung von Finanzdienstleistungen drastisch verändert. Mit zunehmender Digitalisierung und sich wandelnden Verbraucherpräferenzen nimmt die Zahl der bargeldlosen Transaktionen derzeit rasch zu (3). Die COVID-19-Pandemie hat die Umstellung auf digitale Zahlungen weiter beschleunigt und deutlich gezeigt, wie überaus wichtig ein sicherer, zugänglicher und bequemer (auch kontaktloser) Zahlungsverkehr für Ferntransaktionen oder Transaktionen mit persönlichem Kontakt ist.

    2.3.

    Insbesondere dank der Entwicklung des einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraums (Single Euro Payments Area — SEPA) und der Harmonisierung der Rechtsvorschriften für Massenzahlungen konnten in den letzten Jahren erhebliche Verbesserungen erzielt werden. Allerdings bleibt der EU-Zahlungsverkehrsmarkt nach wie vor in erheblichem Maße entlang nationaler Grenzen fragmentiert, da die meisten inländischen Zahlungslösungen, die auf Karten oder Sofortzahlungen beruhen, grenzüberschreitend nicht funktionieren. Die Dynamik des europäischen Zahlungsverkehrsmarkts zeigt, dass die Gefahr von Inkonsistenzen besteht, weshalb ein klarer „Governance“-Rahmen erforderlich ist, um die EU-Strategie für den Massenzahlungsverkehr zu unterstützen.

    2.4.

    Das Ziel der Kommission ist die Schaffung eines in hohem Maße wettbewerbsfähigen Zahlungsverkehrsmarkts, der allen Mitgliedstaaten — ungeachtet ihrer Währung — zugutekommt und auf dem alle Marktteilnehmer zu fairen und gleichen Bedingungen miteinander in Wettbewerb treten können, um innovative Zahlungslösungen anzubieten, die internationalen Verpflichtungen der EU vollumfänglich entsprechen.

    2.5.

    Da bei der digitalen Innovation im Finanzsektor der Zahlungsverkehr im Vordergrund steht, wird die Umsetzung dieser Strategie dazu beitragen, die umfassendere Vision der Kommission für das digitale Finanzwesen sowie folgende Ziele zu verwirklichen: die Überwindung der Marktfragmentierung, die Förderung marktorientierter Innovationen im Finanzsektor und die Bewältigung neuer Herausforderungen und Risiken im Zusammenhang mit der Digitalisierung des Finanzsektors bei gleichzeitiger Gewährleistung der Technologieneutralität.

    2.6.

    Die vorliegende Strategie wird daher zusammen mit der Strategie für ein digitales Finanzwesen für die EU (4) und den beiden Legislativvorschlägen zu einem neuen EU-Rahmen zur Stärkung der digitalen operativen Resilienz (5) und zu Kryptowerten vorgelegt (6). Darüber hinaus ergänzt sie die aktualisierte Strategie für den Massenzahlungsverkehr, welche die EZB/das Eurosystem im November 2019 vorgestellt hat (7).

    3.   Allgemeine Bemerkungen

    3.1.

    Digitale Finanzdienstleistungen werden für europäische Verbraucher und Unternehmen immer wichtiger. Durch die COVID-19-Pandemie hat die Bedeutung der Digitalisierung in Gesellschaften, einschließlich des Bereichs der Finanzdienstleistungen, weiter zugenommen. Im Vordergrund der Digitalisierung von Finanzdienstleistungen steht der Zahlungsverkehr, und reibungslos funktionierende Zahlungsmethoden sind für Unternehmer und Händler ausschlaggebend, wenn es um die erfolgreiche Gründung und das Wachstum ihres Unternehmens geht. COVID-19 hat den Trend zur bargeldlosen Zahlung und zu Zahlungen im elektronischen Handel verstärkt und auf Seiten der Einzelhändler den Bedarf an der Einführung von Omnichannel-Tools zur Annahme von Offline-, Online- und mobilen Zahlungen steigen lassen. Eine solche Einführung erfordert Investitionen in IT-Systeme und Hardware und stellt insbesondere für kleine und mittlere Einzelhandelsbetriebe eine zusätzliche Belastung dar.

    3.2.

    Der EWSA begrüßt die Unterstützung der Kommission für die Modernisierung und Vereinfachung der Zahlungsannahmeeinrichtungen von Händlern in der EU durch die Bereitstellung von Finanzmitteln und Schulungsmöglichkeiten. Es ist wichtig, die Schlüsselrolle der KMU in der europäischen Wirtschaft hervorzuheben. Es handelt sich dabei um einen bedeutsamen Sektor, da rund 90 % der europäischen Unternehmen KMU sind, die mehr als 50 % der Arbeitsplätze bereitstellen. Kleine und mittlere Unternehmen können zu einer kräftigen Erholung der Wirtschaft beitragen.

    3.3.

    Der EWSA teilt die Auffassung der Kommission in Bezug auf die strategische Bedeutung des Zahlungsverkehrs und meint ebenfalls, dass ein anhaltender Mangel an gesamteuropäischen digitalen Zahlungslösungen, die überall in Europa genutzt werden können, die Gefahr einer weiteren Marktfragmentierung birgt, während globale Akteure den gesamten innereuropäischen Markt des grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs erobern. Aus diesem Grund sind — auch wenn europäische Verbraucher und Unternehmen bereits Zugang zu effizienten, wettbewerbsfähigen und innovativen Zahlungslösungen und Zahlungsinstrumenten haben — weitere Arbeiten nötig, um Zahlungsvorgänge innerhalb des Binnenmarktes durch neue einheimische, gesamteuropäische Zahlungslösungen zu ermöglichen. Der EWSA ist gleichfalls der Ansicht, dass die Kommission als politischer Katalysator fungieren sollte, während es jedoch die Aufgabe des Privatsektors ist, innovative digitale Zahlungslösungen zu entwickeln.

    3.4.

    Der EWSA ist der festen Überzeugung, dass Sofortzahlungslösungen von größter Bedeutung sind. Allerdings empfiehlt er der Kommission, angesichts der großen Zahl der in der Strategie angeführten wichtigsten Maßnahmen die Maßnahmen und Aktivitäten klar nach ihrer Priorität zu ordnen. Einige der wichtigsten Maßnahmen und die übergeordneten Ziele der Strategie für den Massenzahlungsverkehr, insbesondere das Ziel der Bereitstellung einheimischer, gesamteuropäischer Zahlungslösungen, werden bei ihrer Umsetzung beträchtliche Anstrengungen auf Seiten der Industrie erfordern. Der EWSA ist der Auffassung, dass alle zusätzlichen Anforderungen und Regulierungsprojekte sorgfältig bewertet werden sollten.

    3.5.

    Der EWSA empfiehlt der Kommission, der Zahl der Betrugsfälle im Zusammenhang mit Sofortzahlungslösungen besondere Aufmerksamkeit zu widmen und erforderlichenfalls geeignete Schritte zu unternehmen.

    3.6.

    Der EWSA erachtet es als dringend notwendig, durch allgemeine und berufliche Bildungsmaßnahmen die digitalen Fertigkeiten und Kompetenzen zu verbessern. Teilweise muss dies unter Zugrundelegung des Referenzrahmens für digitale Kompetenzen und durch die Ermutigung der Mitgliedstaaten erfolgen, die Bildung im Bereich der am meisten benötigten Fähigkeiten auf allen Ebenen lebensbegleitend auszubauen. Das Ziel ist, dass die einzelnen Nutzer wirklich datenkompetent agieren, Datenbewusstsein und die Kontrolle über ihre Daten haben, für Massendatenanwendungen und Datenqualitätsmanagement sensibilisiert sind sowie ihr digitales Umfeld und die damit verbundenen Gefahren (z. B. Personalisierung) kennen.

    3.7.

    Der EWSA möchte vermeiden, dass Verbraucher mangels digitaler Kompetenzen oder Werkzeuge „abgehängt“ und anfällig für finanzielle Ausgrenzung werden, was eine eindeutige Gefahr für ältere Menschen in Europa darstellt, deren Zahl zunimmt.

    4.   Besondere Bemerkungen

    Säule 1: Zunehmend digitale Lösungen und Sofortzahlungslösungen mit europaweiter Reichweite

    4.1.

    Der EWSA unterstützt nachdrücklich die Anstrengungen, den europäischen Zahlungsverkehrsmarkt mit mehreren einheimischen, gesamteuropäischen Zahlungslösungen auszustatten. Diese sollten einen Mehrwert für Verbraucher und Unternehmen als Endnutzer erbringen, europäische Marktteilnehmer in die Lage versetzen, mit den aktuell dominierenden Marktteilnehmern sowie den entstehenden und möglicherweise zukünftig dominierenden Marktteilnehmern wie BigTechs besser mithalten zu können, und würden die Rolle des Euro auf internationaler Ebene stärken. Angesichts der aktuellen Marktlage und der etablierten Stellung der großen Akteure auf dem Kartenmarkt wäre die Schaffung solcher gesamteuropäischen Zahlungslösungen ein bedeutendes Unterfangen für die europäische Zahlungsverkehrsbranche.

    4.2.

    Der EWSA unterstützt die Idee, die Möglichkeit einer europaweiten Verwendung von Lastschriften für Zahlungen in Ladengeschäften zu untersuchen. Die Anwendung des elektronischen Lastschriftverfahrens (ELV), das in Deutschland weit verbreitet ist, könnte ausgeweitet werden. Lastschriftverfahren (SEPA-Lastschrift) würden somit mit den marktdominierenden Kartensystemen in Wettbewerb treten.

    4.3.

    Um die Entwicklung gesamteuropäischer Zahlungslösungen basierend auf Sofortzahlungen zu ermöglichen, müssen die Marktteilnehmer bezüglich des Geschäftsmodells unbedingt Klarheit haben. Andernfalls ist nicht zu erwarten, dass Investitionsentscheidungen getroffen werden. Der EWSA empfiehlt der Kommission, die aktuellen Ungewissheiten in Bezug auf ein nachhaltiges Geschäftsmodell für Sofortzahlungen zu reduzieren.

    4.4.

    Was die Anzahl der Zahlungsdienstleister, die auf Euro lautende Sofortzahlungen anbieten und dem System des SEPA Instant Credit Transfer (SCT Inst) beigetreten sind, anbelangt, besteht insbesondere im Euro-Währungsgebiet bereits eine gute Abdeckung durch Zahlungsdienstleister. Für eine vollständige Abdeckung im Bereich der Sofortzahlungen reicht dies jedoch noch nicht aus. Auf dem Markt gibt es Bestrebungen, die Teilnahmequote der Zahlungsdienstleister zu steigern und hinsichtlich der auf Euro lautenden Sofortüberweisungen eine umfassendere Abdeckung und ein größeres Angebot zu erreichen. Der EWSA unterstützt Maßnahmen, in deren Rahmen sich unter anderem mit der Teilnahme, der Interoperabilität und anderen Punkten, die sich aus der weit verbreiteten Nutzung von SCT Inst, auch im Hinblick auf den Verbraucherschutz, ergeben, befasst wird.

    4.5.

    Der EWSA stimmt mit der Kommission darin überein, dass Lösungen für Endnutzer interoperabel und zugänglich sein, einen Mehrwert erbringen und den Bedürfnissen vieler verschiedener Nutzer entsprechen sowie Merkmale aufweisen sollten, die denen der anderen einschlägigen Zahlungsinstrumente entsprechen. Der EWSA hält es für verfrüht, legislative Maßnahmen in diesem Bereich zu erwägen. Es sollte besser den Marktteilnehmern überlassen werden, unter den gegebenen Wettbewerbsbedingungen für Verbraucher geeignete Produkte zu entwickeln. Legislative Maßnahmen sollten erst dann in Betracht gezogen werden, wenn keine geeigneten Lösungen gefunden werden.

    4.6.

    Der EWSA stimmt mit der Kommission vollkommen darin überein, dass für eine umfassende Durchsetzung der SEPA-Verordnung durch die Mitgliedstaaten gesorgt werden muss, insbesondere im Zusammenhang mit einer mangelnden Befolgung der Bestimmungen des Artikels 9 (sogenannte IBAN-Diskriminierung) durch Zahler und Zahlungsempfänger. Wie in Artikel 9 festgelegt, sollte es Verbrauchern in der EU möglich sein, ein einziges Zahlungskonto für Euro-Überweisungen zu verwenden und grenzüberschreitende Euro-Banküberweisungen innerhalb des SEPA in ebenso einfacher Weise zu tätigen wie innerhalb ihres Heimatlandes. Viele Betreiber lehnen jedoch grenzüberschreitende Lastschriftaufträge von Verbrauchern mit ausländischen IBANs oder sogar SEPA-Überweisungen an ausländische IBANs nach wie vor ab. Dies stellt ein wesentliches Hindernis im Binnenmarkt dar und schränkt den Zugang von Verbrauchern zu grenzüberschreitenden Diensten ein. Die Mitgliedstaaten sollten dazu aufgerufen werden, die Durchsetzung dieser Verordnung, die seit 2014 in Kraft ist, mit mehr Nachdruck zu verfolgen.

    4.7.

    Lösungen in Bezug auf die elektronische Identität (eID) sind ein wesentlicher Bestandteil digitaler Dienste, unter anderem von Finanzdienstleistungen. eIDAS stellt einen ersten Schritt in Richtung einer grenzüberschreitenden Anerkennung und Nutzung national anerkannter eID-Systeme dar. Dennoch hat sich gezeigt, dass der aktuelle eIDAS-Rahmen unzureichend ist und nicht zu den benötigten Ergebnissen führt. Es bedarf einer allgemein akzeptierten elektronischen Identität, die auf der Auswahl durch den Verbraucher, seiner Zustimmung und der Garantie basiert, dass seine Privatsphäre geachtet wird. Der EWSA legt der Kommission daher nahe, sich in ihren Bemühungen auf die Interoperabilität zwischen existierenden und im Entstehen begriffenen eID-Lösungen zu konzentrieren, und ist der Meinung, dass der Privatsektor gemeinsam mit den Behörden — nach dem Vorbild der nordischen Länder — bei der Bereitstellung von eID-Lösungen, die zum Teil zur Durchführung einer starken Kundenauthentifizierung (Strong Customer Authentication, SCA) bei Zahlungsvorgängen verwendet werden können, besser unterstützt werden sollte.

    4.8.

    Eine breite Akzeptanz digitaler Zahlungen ist ein wesentlicher Bestandteil eines modernen Zahlungsverkehrsmarktes. Der EWSA unterstützt Maßnahmen zur Bewertung des Ausmaßes der Akzeptanz digitaler Zahlungsmittel durch Händler und zur Ermittlung von Möglichkeiten, diese Akzeptanz insbesondere unter KMU und kleineren Händlern zu steigern und zu fördern. Für die Gesellschaft insgesamt ist es von entscheidender Bedeutung, den Zugang zu und die Akzeptanz von Bargeld zu wahren. Dasselbe gilt jedoch für digitale Zahlungsmittel, da Verbraucher die Wahl haben sollten.

    4.9.

    Der EWSA betont, dass Bargeld weiterhin das Zahlungsinstrument ist, das von Verbrauchern bei ihren Zahlungen im Einzelhandel an Verkaufsstellen und im persönlichen Kontakt bevorzugt wird, wie in der kürzlich von der Europäischen Zentralbank veröffentlichen „SPACE“-Studie aufgezeigt (8). Die Merkmale von Bargeld unterscheiden sich beträchtlich von denen digitaler Zahlungen. Bargeld ist das einzige Zahlungsmittel, bei dem die Privatsphäre geschützt ist. Bargeld ist Staatsgeld, für das die Zentralbank haftet. Sollten alle elektrischen und elektronischen Geräte ausfallen (durch ein „digitales Coronavirus“), wird es das einzige verbleibende Zahlungsmittel in der Wirtschaft sein. Bargeld ist für die soziale Inklusion und den Zugang zu bestimmten Diensten der Grundversorgung von entscheidender Bedeutung. Die Kommission und die EZB sollten den Zugang zu und die Akzeptanz von Bargeld genau beobachten und bei Bedarf geeignete Maßnahmen ergreifen.

    4.10.

    Eine der Folgen der COVID-19-Krise ist, dass sich viele Einzelhändler dafür entschieden haben, (vorübergehend) kein Bargeld zu akzeptieren. Wie von der Kommission aufgezeigt, ist Bargeld ein durch die Verträge abgesichertes gesetzliches Zahlungsmittel. Die Entwicklungen bei der Nutzung von Bargeld sollten durch die Nachfrage gesteuert werden. Die Regelungen hinsichtlich der Annahme von Bargeld unterscheiden sich von Land zu Land. Es muss eine Harmonisierung auf EU-Ebene erfolgen.

    4.11.

    Angesichts der derzeitigen Entwicklungen ist es verständlich, dass die EZB die mögliche Ausgabe eines digitalen Euro untersucht und die Kommission diese Bemühungen unterstützt. Ein digitaler Euro könnte beispiellose Auswirkungen haben, sodass diese Pläne sehr sorgfältig beurteilt werden sollten. Der EWSA unterstützt die von der EZB vorgeschlagenen Grundsätze, nämlich dass ein digitaler Euro Zentralbankgeld ergänzen und nicht auf eine Verdrängung des Privatsektors abzielen sollte, dass dem Privatsektor beim Vertrieb von Lösungen in Bezug auf den digitalen Euro eine Rolle zukommen sollte und dass die Rechte und Pflichten der Nutzer eindeutig definiert sein müssen. Der Schutz der Privatsphäre bei einem Zahlungsvorgang sollte als ein wichtiges Recht des Nutzers gemeinsam mit anderen Merkmalen, die denen von Bargeld ähneln, berücksichtigt werden. Derselbe Ansatz sollte für jede Initiative in EU-Mitgliedstaaten außerhalb des Euro-Währungsgebiets in Bezug auf CBDCs (digitale Zentralbankwährungen) gelten.

    Säule 2: Innovative und wettbewerbsfähige Märkte für Massenzahlungen

    4.12.

    Die teilweise noch laufende Umsetzung der zweiten Zahlungsdiensterichtlinie (PSD2) (9) stellt für die Zahlungsdienstbranche ein bedeutendes Unterfangen dar. Die PSD2 brachte zwei wesentliche Änderungen mit sich: die Einführung der starken Kundenauthentifizierung und den Zugang von Drittanbietern zu Zahlungskonten. In einigen Fällen, insbesondere im Hinblick auf die starke Kundenauthentifizierung für E-Commerce-Transaktionen, endete die Umsetzungsfrist mit Jahresende 2020. Der EWSA fordert die Kommission auf, die Auswirkungen der PSD2 im Detail zu untersuchen, bevor eine Überprüfung vorgeschlagen wird.

    4.13.

    Der EWSA unterstützt Schritte zum Aufbau eines Rahmens für ein „offenes Finanzwesen“ für Europa. Ein offenes Finanzwesen könnte den europäischen Verbrauchern weitere Vorteile bringen, da dadurch die Innovationskraft und die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzsektors gefördert werden können. Der EWSA ist der Meinung, dass ein umfassender Rahmen für ein offenes Finanzwesen nicht auf denselben Grundsätzen wie die PSD2 basieren kann, da durch diese Richtlinie nur Zahlungskonten und Zahlungsdienstleister erfasst werden und nur ein einseitiger Datenaustausch durch einen Teil des Marktes geregelt wird. Ein spezifischer Text, der alle Finanzdienstleister in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) abdeckt (10), sollte verfasst werden, und die Möglichkeiten zur Ausweitung des Datenaustauschs zwischen verschiedenen Sektoren sollten geprüft werden. Der Mitteilung zur Strategie für ein digitales Finanzwesen (11) zufolge will die Kommission diesen Vorschlag bis Mitte 2022 vorlegen.

    4.14.

    Kontaktlose Zahlungen sind zunehmend alltäglich geworden und im Zusammenhang mit der aktuellen COVID-19-Pandemie von besonderer Bedeutung. Insbesondere als Reaktion auf Forderungen aus Händlerkreisen wurde bzw. wurden in den meisten Ländern der Höchstbetrag bzw. die Höchstbeträge für kontaktlose Zahlungen in der ersten Phase der Pandemie erhöht — in vielen Fällen bis zu der von der PSD2 erlaubten Obergrenze (50 EUR pro Transaktion und 150 EUR insgesamt). Bei einer Überprüfung der PSD2 sollte jede Änderung dieser gesetzlichen Höchstbeträge im Sinne einer Abwägung der Benutzerfreundlichkeit gegen Sicherheits- und Haftungsaspekte sorgfältig bewertet werden.

    4.15.

    Der EWSA stimmt mit der Kommission darin überein, dass bei der Überprüfung der PSD2 die von den derzeit nicht regulierten Diensten herrührenden Gefahren rechtlich erfasst werden sollten. Obwohl es sich bei diesen Anbietern um bedeutende Marktteilnehmer handelt, die zusätzlich auch regulierte Zahlungs- oder E-Geld-Dienstleistungen erbringen, fallen sie nach wie vor nicht in den Regulierungsrahmen. Der EWSA ist der Auffassung, dass diese ebenso als Zahlungsdienstleister reguliert und beaufsichtigt werden sollten, sofern sie für die Marktdynamik von großer Bedeutung sind und von den Verbrauchern als Anbieter eines Zahlungsdienstes wahrgenommen werden. Es ist wichtig, dass alle einschlägigen Marktteilnehmer Rechtsvorschriften sowie einer Beaufsichtigung und Überwachung unterworfen werden, die geeignet sind, gleiche Wettbewerbsbedingungen für all jene sicherzustellen, die dieselben Dienste und Tätigkeiten anbieten.

    Säule 3: Effiziente und interoperable Massenzahlungssysteme und andere unterstützende Infrastrukturen

    4.16.

    Der EWSA erkennt die Notwendigkeit an, ein offenes und zugängliches Zahlungsökosystem sicherzustellen und im Zuge der Überprüfung der Richtlinie über die Wirksamkeit von Abrechnungen (Settlement Finality Directive — SFD) (12) zu bewerten, ob eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der Richtlinie auf Zahlungs- und E-Geld-Institute vorteilhaft wäre, um diesen den direkten Zugang zu Zahlungssystemen und Infrastrukturen wie TARGET2 und TARGET Instant Payment System (TIPS) zu ermöglichen. Der EWSA hält es für besonders wichtig, für die Sicherheit und Integrität großer Zahlungssysteme zu sorgen. Dies wird von noch größerer Bedeutung sein, falls der Anwendungsbereich der Richtlinie im Zuge der Überprüfung der PSD2 auf Marktteilnehmer wie technische Dienstleister ausgeweitet wird, die derzeit rechtlich nicht erfasst sind. Auch das unterstreicht die Notwendigkeit, dass allen Parteien der Zugang unter denselben (Wettbewerbs-)Bedingungen garantiert wird.

    4.17.

    Der EWSA unterstützt uneingeschränkt das Ziel der Kommission, Rechtsvorschriften vorzuschlagen, die darauf abzielen, das Recht auf Zugang zu technischen Infrastrukturen, die für die Bereitstellung von Zahlungsdiensten als notwendig erachtet werden, unter fairen, zumutbaren und diskriminierungsfreien Bedingungen sicherzustellen. Derzeit haben einige wichtige Technologien wie Nahfeldkommunikationsantennen (Near Field Communication, NFC) auf einigen Mobilgeräten, die für die Bereitstellung von Zahlungsdiensten notwendig sind, eingeschränkten Zugang, wodurch der Wettbewerb im Bereich des kontaktlosen mobilen Zahlungsverkehrs beschränkt wird und Banken gezwungen sind, eine Gebühr an einen Dritten zu entrichten, nur um es Verbrauchern zu ermöglichen, eine Technologie (wie NFC) für ihre alltäglichen Zahlungen zu verwenden. Die Banken könnten in einigen Fällen die von ihnen entrichteten Gebühren schließlich an die Verbraucher weitergeben. Zwar wurde dieses Problem in einigen Mitgliedstaaten bereits gelöst, ein Aufgreifen auf europäischer Ebene ist jedoch wichtig, um allen Unionsbürgern zu ermöglichen, von einem gesteigerten Wettbewerb in diesem Bereich zu profitieren, gleiche Wettbewerbsbedingungen für Zahlungsdienstleister zu schaffen und mobile kontaktlose Zahlungen stärker zu verbreiten. Mittels Rechtsvorschriften sollte sichergestellt werden, dass alle Teilnehmer dieselben Rechte und Pflichten haben und denselben Lizenzierungs- und anderen regulatorischen Anforderungen unterworfen sind.

    Säule 4: Ein effizienter internationaler Zahlungsverkehr, einschließlich Finanztransfers

    4.18.

    Der EWSA erkennt an, wie wichtig eine Verbesserung des globalen grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs ist, und stimmt den von der Kommission genannten Maßnahmen zu, etwa der Förderung einer Übernahme globaler internationaler Standards für den Zahlungsverkehr, wie der SWIFT-GPI („Global Payments Innovation“) und der Norm ISO20022, wodurch der grenzüberschreitende Zahlungsverkehr im entsprechenden Bankennetz verbessert wird.

    4.19.

    Finanztransfers sind nach wie vor die teuerste Zahlungsart. Der EWSA begrüßt die vorgeschlagenen Maßnahmen, die darauf abzielen, eine Verpflichtung zur Reduzierung der globalen Durchschnittskosten für Finanztransfers auf unter 3 % bis zum Jahr 2030 zu erreichen. Er fordert die Kommission auf, eine aktive Rolle bei der Überwachung und der Sicherstellung der Unterstützung für die einschlägigen Maßnahmen zu übernehmen, wie sie in der Roadmap des Finanzstabilitätsrats zur Verbesserung des grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs („Roadmap for Enhancing Cross-border Payments“) festgelegt sind. Gebühren können finanziell benachteiligte Personen überdurchschnittlich stark treffen. Zwar haben der Wettbewerb und technische Fortschritte bereits dazu beigetragen, den Zugang zu schnelleren und kostengünstigeren Instrumenten für grenzüberschreitende Finanztransfers zu verbessern, dennoch bleibt noch viel zu tun. Für Betreiber von Finanztransfer-Systemen, die Transfers in Länder bzw. aus Ländern in der Nachbarschaft der EU anbieten, könnte ein besserer Zugang zu Zahlungsinfrastrukturen innerhalb der EU eine Grundlage für Kostensenkungen darstellen.

    Brüssel, den 24. März 2021

    Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Christa SCHWENG


    (1)  ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1.

    (2)  COM(2018) 796 final.

    (3)  Nach Angaben der EZB umfasste der bargeldlose Zahlungsverkehr im Jahr 2018 91 Mrd. Transaktionen im Euro-Währungsgebiet und 112 Mrd. Transaktionen in der EU, während es 2017 noch 103 Mrd. Transaktionen waren.

    (4)  COM(2020) 591 final.

    (5)  COM(2020) 595 final.

    (6)  COM(2020) 593 final.

    (7)  https://www.ecb.europa.eu/press/key/date/2019/html/ecb.sp191126~5230672c11.en.html.

    (8)  Study on the payment attitudes of consumers in the euro area (SPACE), Dezember 2020.

    (9)  ABl. L 337 vom 23.12.2015, S. 35.

    (10)  ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1.

    (11)  COM(2020) 591 final.

    (12)  ABl. L 166 vom 11.6.1998, S. 45.


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