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Document 52015AE3604

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Strategie für einen digitalen Binnenmarkt für Europa“ (COM(2015) 192 final)

ABl. C 71 vom 24.2.2016, p. 65–74 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

24.2.2016   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 71/65


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Strategie für einen digitalen Binnenmarkt für Europa“

(COM(2015) 192 final)

(2016/C 071/11)

Berichterstatter:

Raymond HENCKS

Mitberichterstatter:

Thomas McDONOGH

Die Europäische Kommission beschloss am 12. Mai 2015, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Strategie für einen digitalen Binnenmarkt für Europa

(COM(2015) 192 final).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 24. November 2015 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 512. Plenartagung am 9./10. Dezember 2015 (Sitzung vom 9. Dezember) mit 219 gegen 2 Stimmen bei 7 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der EWSA begrüßt die Kommissionsstrategie für einen digitalen Binnenmarkt, sieht indes mit Sorge, dass ein Teil der Mitgliedstaaten bisher kaum den notwendigen politischen Willen erkennen lässt, eine kreative, innovative und nicht nur konsumorientierte digitale Union auf den Weg zu bringen.

1.2.

Die von der Juncker-Kommission vorgeschlagene Strategie setzt bei den bisherigen Strategien und Programmen zur Förderung der Digitalisierung an und soll der schleppenden digitalen Politik der EU neue Impulse geben. Gleichzeitig beinhaltet sie eine Neuausrichtung auf den Handel und die Verbraucher sowie die notwendigen Maßnahmen, um den Handel auszuweiten, die Verbraucherzahlen zu erhöhen und die Verbraucherbedingungen wie auch den Verbraucherschutz zu verbessern.

1.3.

Oberstes Gebot in diesem Kontext ist die Schließung der Qualifikationslücke. Dabei geht es womöglich gleichermaßen um Lese-, Schreib- und Rechenkompetenzen wie um digitale Kompetenzen und deren verantwortungsvolle Nutzung. Dann muss der Umgang mit Plattformen einfach sein, damit die Marktentwicklung gefördert wird, und deshalb sollten die Tätigkeiten dieser Plattformen nicht eingeengt werden. Und da schließlich noch relevante Anwendungen benötigt werden, ist die Schwerpunktsetzung auf Normung zu begrüßen. Der Ausbau der elektronischen Behördendienste wird dazu beitragen, dass sich mehr Bürger näher mit digitalen Medien befassen. Aus Sicht der Verbraucher befürwortet der EWSA die Initiativen zur Sicherstellung eines besseren Zugangs für Verbraucher und Unternehmen zu digitalen Waren und Dienstleistungen in ganz Europa.

1.4.

Einige — nicht alle — der in Ziffer 4.2 (Schaffung der richtigen Bedingungen für florierende digitale Netze und Dienste) erläuterten Initiativen betreffen die Netzinfrastruktur und gehören zur digitalen Agenda. Diese Vorschläge sind aufgrund des Binnenmarktkontexts und des vorgesehenen knappen Zeitplans maßgeblich. Einige der anderen in dieser Ziffer genannten Initiativen sind für die Verbraucherrechte bedeutsam.

1.5.

Der EWSA befürwortet die Absicht der Kommission, die 28 unterschiedlichen nationalen digitalen Strategien und Märkte in einem europäischen Ansatz zusammenzuführen und der EU eine Führungsposition in der globalen digitalen Wirtschaft zu sichern, die inzwischen von Drittländern dominiert wird.

1.6.

Der EWSA geht davon aus, dass die EU aufgrund ihrer überragenden Kenntnisse und umfangreichen Erfahrungen in einigen Bereichen der Digitaltechnik ihren Rückstand noch aufholen kann. Der EWSA plädiert in diesem Kontext für die Entwicklung bereichsübergreifender Forschungszentren und europäischer Synergien im Rahmen des Europäischen Forschungsraums in Bereichen wie Cloud Computing, Nanoelektronik, Massendatenspeicherung und -verarbeitung, per Fernzugriff abfragbare oder steuerbare Geräte (vernetzte Objekte) sowie intelligente Dienste.

1.7.

Die EU kann ihren Rückstand aufholen, wenn es ihr gelingt, kurzfristig ihre Ressourcen zu bündeln und unter Einbeziehung aller Interessenträger in die Debatte über die Strategie für einen digitalen Binnenmarkt die öffentlichen und privaten Anstrengungen der 28 Mitgliedstaaten zu mobilisieren und zu koordinieren. Der EWSA heißt die Absicht der Kommission gut, zu jeder im Rahmen der Strategie geplanten Maßnahme eine öffentliche Konsultation durchzuführen.

1.8.

Der EWSA bedauert, dass die Strategie für einen digitalen Binnenmarkt keine soziale Dimension aufweist (vom Aspekt der digitalen Kompetenz einmal abgesehen), obwohl die Weiterentwicklung der Dienste und Geschäftsmodelle die Arbeitswelt tiefgreifend verändern wird. Neben den potenziellen Vorteilen müssen auch die zahlreichen Risiken und Herausforderungen, die sich insbesondere in den Bereichen Beschäftigungssicherheit und Arbeitsorganisation wie auch der sozialen Sicherheit stellen, sowie die im Vertrag vorgesehenen Verfahren für den sozialen Dialog und die horizontale Sozialklausel in der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt berücksichtigt werden (1). In Anbetracht der Auswirkungen auf die Beschäftigung sollte nach Meinung des EWSA die soziale Dimension den vierten Pfeiler der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt für Europa bilden.

2.   Einleitung

2.1.

Nach dem Verständnis des EWSA beinhaltet der Begriff „digitaler Binnenmarkt“ die Verlagerung von Geschäften und Tätigkeiten aus dem gegenwärtigen EU-Binnenmarkt ins Internet. Teilweise hat diese Verlagerung schon stattgefunden, doch zielen die Initiativen der Kommission darauf ab, das digitale Potenzial umfassend zum Tragen zu bringen. Die Markt- und Geschäftstätigkeiten umfassen die Produktion von Gütern und Bereitstellung von Dienstleistungen sowie anschließend Vermittlungsleistungen, Vertrieb und Verbrauch. Die Transaktionen zwischen Verbrauchern, Unternehmen und Behörden werden durch die sozialen Netzwerke und die Entwicklung hin zu einer Gesellschaft des Teilens geprägt. Die Behörden werden im digitalen Binnenmarkt zum Diensteanbieter.

2.2.

Die Vorteile einer Verlagerung von Geschäftsabläufen ins Internet sind erwiesen: besser integrierte Wertschöpfungskette, raschere Prozessabfolge von Entwurf bis Lieferung, verbesserte Kundenschnittstellen (vor allem aufgrund der sozialen Netzwerke) und insgesamt gesteigerte Wettbewerbsfähigkeit. Mit dem fortschreitenden digitalen Wandel werden letztlich das Internet der Dinge und Industrie 4.0 Einzug halten.

2.3.

Das Besondere am Binnenmarkt ist, dass er transnational angelegt und daher grundsätzlich internettauglich ist. Jedoch gibt es Probleme auf dem Binnenmarkt selbst und mit der Anpassung von Vorschriften, Gesetzen und Regelungen an das digitale Umfeld, die digitalen Kompetenzen der Verbraucher, Unternehmen und Behörden sind noch nicht ausgereift, die technische Infrastruktur für den digitalen Binnenmarkt weist noch Mängel auf, und die Dominanz großer Plattformen ist potenziell bedenklich.

2.4.

Parallel zur Strategie für einen digitalen Binnenmarkt setzt die Kommission die digitale Agenda um, die aus der begründeten Besorgnis entstanden ist, dass die EU im Hard- und Softwarebereich ins Hintertreffen gerät, was den digitalen Binnenmarkt jedoch nur am Rande betrifft. Der Kommission zufolge wäre die Vollendung des digitalen Binnenmarkts äußerst vorteilhaft für die Wirtschaftsleistung und Beschäftigung, und sowohl die EU als auch die Mitgliedstaaten verfügen schon jetzt über die notwendigen Voraussetzungen, um ihn auf den Weg zu bringen.

2.5.

Das Scheitern der Vollendung des Dienstleistungsbinnenmarkts hat weitreichende Auswirkungen auf die Entwicklung des digitalen Binnenmarkts. Der Dienstleistungssektor ist der bedeutendste Wirtschaftszweig in den Mitgliedstaaten. Die Bereitstellung von Dienstleistungen erfolgt zunehmend über Online-Transaktionen, und so könnte die fortschreitende Umsetzung der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt auch den Dienstleistungsbinnenmarkt voranbringen.

2.6.

Regeln, Bestimmungen und Gesetze, die für papiergestützte Verfahren und die Anfangszeiten des elektronischen Geschäftsverkehrs konzipiert wurden, erweisen sich für die Vollendung des digitalen Binnenmarkts als Hemmschuh. Der EWSA begrüßt die vorgeschlagenen Maßnahmen und den ehrgeizigen Zeitplan für ihre Umsetzung:

Rechtsetzungsvorschläge für einfache und wirksame grenzübergreifende Vertragsbestimmungen für Verbraucher und Unternehmen;

Überprüfung der Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz;

Maßnahmen auf dem Gebiet der Paketzustellung;

breit angelegte Überprüfung zur Vorbereitung von Rechtsetzungsvorschlägen gegen ungerechtfertigtes Geoblocking;

Untersuchung des Wettbewerbs im Sektor des elektronischen Handels im Hinblick auf den Online-Handel mit Waren und die Online-Erbringung von Dienstleistungen;

Rechtsetzungsvorschläge für eine Reform des Urheberrechts;

Rechtsetzungsvorschläge zur Verringerung des Verwaltungsaufwands der Unternehmen infolge unterschiedlicher Mehrwertsteuer-Regelungen;

Initiativen in Bezug auf das Eigentum an Daten, den freien Datenfluss (z. B. zwischen Cloud-Anbietern) und eine europäische Cloud;

Überprüfung der e-Datenschutz-Richtlinie.

2.7.

Im Vergleich zu dem in Ziffer 2.6 skizzierten plausiblen Rechtsetzungsprogramm sind die zur Sensibilisierung der Unternehmen, Behörden und Verbraucher für digitale Medien sowie zur Verbesserung ihrer digitalen Kompetenzen vorgesehenen Maßnahmen weniger fasslich.

Die digitalen Fertigkeiten und Kenntnisse zahlreicher Gruppen von EU-Bürgern sind ebenso unzulänglich wie die diesbezüglichen Vorschläge der Kommission. Der EWSA bedauert, dass die Kommission diesem wichtigen Erfolgsfaktor für die Vollendung des digitalen Binnenmarkts und die europäische Informationsgesellschaft nicht den erforderlichen Stellenwert einräumt;

Aufstellung eines Plans mit den Prioritäten für die IKT-Normung und Erweiterung des Europäischen Interoperabilitätsrahmens für öffentliche Dienste;

neuer e-Government-Aktionsplan mit einer Initiative zum Grundsatz der einmaligen Abfrage und einer Initiative zur Verknüpfung von Unternehmensregistern.

Insgesamt werden diese Initiativen Auswirkungen für die Bürger, KMU, behördliche sowie private Dienstleistungen und für die Vollendung des digitalen Binnenmarkts notwendige Anwendungen haben, doch scheint es ihnen an Zielgenauigkeit und Dringlichkeitscharakter zu mangeln. Der EWSA wird die Entwicklung dieser Initiativen, für die durchweg die EU und die Mitgliedstaaten zuständig sind, aufmerksam verfolgen.

2.8.

Es werden einige wichtige Infrastruktur-Initiativen vorgeschlagen:

Überprüfung der Satelliten- und Kabelrichtlinie;

Rechtsetzungsvorschläge zur Reform der geltenden Telekommunikationsvorschriften;

Überprüfung der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste;

Schaffung einer vertraglichen öffentlich-privaten Partnerschaft für Cybersicherheit.

Telekommunikation und Cybersicherheit haben offensichtliche Priorität, aber auch die Vorschriften für die Bereitstellung audiovisueller Inhalte über Kabel, Satellit und Breitband sollten schleunigst geklärt werden.

2.9.

Plattformen spielen eine wichtige Rolle im digitalen Binnenmarkt. Die meisten Verbraucher, Unternehmen und Behörden gehen täglich damit um. Zugang und Nutzung sind einfach und häufig kostenlos. Ihre Weiterentwicklung ist unerlässlich, aber nicht ganz unproblematisch:

Sie erleichtern disruptive Anwendungen, die Branchen und etablierte Firmen herausfordern und den Kunden Vorteile bieten, deren Legalität indes von den etablierten Firmen infrage gestellt wird.

Viele Plattformen haben marktbeherrschende Stellungen, die Fragen bezüglich eines potenziellen Missbrauchs aufwerfen.

Die meisten großen Plattformen sind außerhalb der EU beheimatet. Es gibt indes EU-Plattformen, die auf gleiche Ausgangsbedingungen angewiesen sind, um am Markt zu bestehen und zu gedeihen.

In diesem Zusammenhang begrüßt der EWSA die Konsultation, die eine umfassende Analyse der Rolle der Plattformen auf dem Markt einschließlich illegaler Inhalte im Internet zum Ziel hat. Der digitale Binnenmarkt ist auf florierende Plattformen angewiesen, und deshalb sollten die Tätigkeiten dieser Plattformen ansonsten nicht durch Rechtsvorschriften eingeengt werden.

2.10.

Der EWSA warnt in Anbetracht dieser Überlegungen, dass die in Ziffer 2.7 genannten Maßnahmen für die Verbraucher, Unternehmen und Behörden die Achillesferse der Strategie sein könnten, und äußert Vorbehalte in Bezug auf Plattformen.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1.

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Europäische Union die herausragenden Möglichkeiten der digitalen Technologien bislang nicht ausgeschöpft hat. Das liegt vor allem daran, dass der europäische Markt immer noch in 28 nationale Märkte zersplittert ist.

3.2.

Nun ziehen es einige Mitgliedstaaten offensichtlich vor, eine rein nationale digitale Strategie weiterzuverfolgen und zu entwickeln als den Weg für eine kreative und innovative europäische digitale Union zu ebnen. Gleichzeitig haben der deutsche und der französische Wirtschaftsminister für die Schaffung eines gemeinsamen Rahmens plädiert, für den sie starke Impulse geben wollen.

3.3.

Der EWSA nimmt ferner zur Kenntnis, dass die Regierungschefs einiger Mitgliedstaaten in einem Schreiben an den Ratspräsidenten Vorbehalte über die Umsetzung der Strategie zum Ausdruck gebracht haben. Sie fordern darin, dass nur die Bereiche reguliert werden sollten, in denen dies nach dem Grundsatz der intelligenten Regulierung und anhand umfassender Folgenabschätzungen eindeutig angezeigt sei. Der digitale Binnenmarkt könne eindeutig nur dann zum Erfolg geführt werden, wenn Innovation, Investition und Unternehmergeist nicht im Keim erstickt würden. Der EWSA teilt diese Ansicht, sofern die Interessen der Verbraucher und Beschäftigten ebenbürtig berücksichtigt werden.

3.4.

Die Kommission knüpft mit dieser neuen Strategie für die Vollendung des digitalen Binnenmarkts an die Digitale Agenda für Europa aus dem Jahr 2010 an. Von den darin vorgesehenen 101 Maßnahmen sind laut Kommission 72 erfolgreich abgeschlossen worden, und 23 dürften fristgerecht abgeschlossen werden. Der digitale Binnenmarkt ist damit allerdings nicht vollendet, und deshalb findet sich ein Teil der Maßnahmen in der hier erörterten neuen Strategie wieder.

3.5.

Bei der Vorlage der politischen Leitlinien für die neue Europäische Kommission gab Kommissionspräsident Juncker zu bedenken, dass durch die Schaffung eines vernetzen digitalen Binnenmarkts ein zusätzliches Wachstum von bis zu 250 Mrd. EUR erzielt und somit hunderttausende neuer Arbeitsplätze geschaffen werden könnten. Der Mitteilung zufolge kann die Schaffung des digitalen Binnenmarkts mit zusätzlichen 415 Mrd. EUR zum europäischen BIP beitragen, und den beiden für die digitale Wirtschaft zuständigen Kommissionsmitgliedern zufolge wird ein digitaler Binnenmarkt 3,8 Mio. Arbeitsplätze hervorbringen.

3.6.

Nach Meinung des EWSA ist es kontraproduktiv, den Bürgern eine Unmenge von Zahlen als Wahrheit zu verkaufen, die eigentlich Schönfärberei sind und je nach Quelle innerhalb der Kommission auch noch unterschiedlich ausfallen. Auf diese Weise wird letztlich das Vertrauen in die politischen Entscheidungsträger untergraben, und es stellt sich Gleichgültigkeit gegenüber den wirklichen Problemen ein.

3.7.

Die Kommission hat bislang noch nie den Beweis erbracht, dass sich ihre derartigen Prognosen bewahrheitet haben. Der EWSA fordert sie auf, am Ende ihres Mandats Bilanz zu ziehen und die Ergebnisse ihren Vorhersagen gegenüberzustellen.

3.8.

Der EWSA hält eine Vollendung des digitalen Binnenmarkts während der laufenden Mandatsperiode der Kommission für unwahrscheinlich, zumal keine einschlägigen Folgenabschätzungen oder Forschungsergebnisse veröffentlicht werden, die diese Aussagen unterstützen. Die Schätzungen der Kommission sollten Studien gegenübergestellt werden, denen zufolge der digitale Wandel zu umfangreichen Arbeitsplatzverlusten führen wird (2).

3.9.

Laut Kommission würde die Vollendung des vernetzten digitalen Binnenmarkts gewährleisten, dass Europa auch in Zukunft zu den weltweiten Vorreitern der Digitalwirtschaft gehört, und den europäischen Unternehmen die Möglichkeit zur Expansion auf den Märkten außerhalb der EU eröffnen.

3.10.

Der EWSA stellt mit Bedauern fest, dass die EU ihr im Jahr 2000 in der Lissabon-Strategie festgeschriebenes Ziel, zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu werden, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen, sichtlich nach unten korrigiert hat.

3.11.

Die Europäische Union ist ins Hintertreffen geraten.

Die Digitalwirtschaft wird inzwischen von den USA und Asien dominiert. Für die ca. 50 großen europäischen Anbieter elektronischer Kommunikationsdienste gelten 28 unterschiedliche nationale Regelwerke, während die sechs großen Netzbetreiber des US-amerikanischen Marktes und die drei chinesischen Telekommunikationsriesen jeweils einem einzigen Regelungsrahmen unterliegen. Die Vision eines innereuropäischen digitalen Markts als Integrationsfaktor ist in einer grenzenlosen digitalen Welt überholt und hat ohnehin nicht verhindert, dass sich die großen Plattformen aus Drittländern in den meisten EU-Mitgliedstaaten Monopol- oder Oligopolstellungen gesichert haben.

3.12.

Der EWSA hofft jedoch nach wie vor, dass die EU ihren Rückstand noch aufholen kann und die Strategie für einen digitalen Binnenmarkt für Europa geeignet ist, dem Sektor neue Impulse zu geben. Voraussetzung ist jedoch, dass sie auf Kreativität angelegt ist und sich nicht auf die Nutzung von Digitaltechnik beschränkt, einen gesellschaftlichen Quantensprung hin zur digitalen Früherziehung fördert, auf die Schließung der digitalen Kluft hinarbeitet, Zugang und Barrierefreiheit für alle Bürger gewährleistet und angemessene öffentliche und private Investitionen in Schul- und Berufsbildung sowie Forschung sicherstellt.

3.13.

Dazu muss die EU ihre Ressourcen zusammenlegen und die öffentlichen und privaten Anstrengungen in den 28 Mitgliedstaaten mobilisieren und koordinieren, wenn sie nicht die umwälzenden Neuentwicklungen verpassen will, die die digitale Wirtschaft regelmäßig erfassen, wie bspw. die lawinenartige Entwicklung mobiler Apps innerhalb weniger Jahre, Cloud-Computing, Massendaten (Big Data) oder das strategische Potenzial der riesigen Plattformen für digitale Dienste, die mittlerweile für die Nutzung des Internet unausweichlich geworden sind. In die Debatte über die Strategie für einen digitalen Binnenmarkt müssen alle Interessenträger einbezogen und der Schutz und die grundlegenden Rechte der Bürger, Verbraucher, Arbeitnehmer und Menschen mit Behinderungen berücksichtigt werden, um eine inklusive Gesellschaft sicherzustellen.

3.14.

Allerdings muss der EWSA feststellen, dass die Strategie für einen digitalen Binnenmarkt keinerlei soziale Dimension aufweist. Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Beschäftigung und die damit verbundenen Gefahren werden weitgehend ausgeblendet, obwohl die ständige Weiterentwicklung der Dienste und Geschäftsmodelle einen tiefgreifenden Wandel in der Arbeitswelt bewirkt und das Wesen der Arbeit sowie die Art der Unternehmensstruktur wesentlich verändern und womöglich eine Auflösung der Tarifverträge herbeiführen wird. Deshalb müssen die im Vertrag vorgesehenen Verfahren für den sozialen Dialog sowie die horizontale Sozialklausel in der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt berücksichtigt werden. In seiner Stellungnahme CCMI/136 zum Thema „Auswirkungen der Digitalisierung auf die Dienstleistungsbranche und die Beschäftigung im Rahmen des industriellen Wandels“ hat der EWSA eine Reihe Empfehlungen ausgesprochen, um zu verhindern, dass die Digitalisierung nicht die Wirksamkeit der bestehenden Berufsbildungs-, Beschäftigungsschutz-, Sozialschutz- und Steuersysteme untergräbt. In Anbetracht der Auswirkungen auf die Beschäftigung sollte nach Meinung des EWSA die soziale Dimension den vierten Pfeiler der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt für Europa bilden.

3.15.

Die Massendatenverarbeitung ist ein weiterer Bereich, in dem die EU ihren Standpunkt geltend machen kann, denn die technischen Normen für die Datenerhebung und -verarbeitung müssen erst noch festgelegt werden. Dazu müssen die unterschiedlichen nationalen Vorschriften in einem kohärenten europäischen Rahmen zusammengeführt werden, bei dem über ein intelligentes Datenverarbeitungskonzept ein Ausgleich von wirtschaftlichen Interessen und Schutz der Privatsphäre bspw. im medizinischen Bereich, im Gesundheitswesen, bei Personendienstleistungen, in der Ernährungsindustrie usw. sichergestellt wird.

3.16.

Die Europäische Union kann ausgehend von den Diskussionen der Mitgliedstaaten über technische Normen eine europäische Datenpolitik entwickeln, die auf geeigneten rechtlichen Rahmenbedingungen beruht, und die Kontrolle über die Normen zum Schutz personenbezogener Daten behalten (siehe Swift-Abkommen), um zu verhindern, dass sie von anderen Akteuren vorgegeben werden.

3.17.

Der EWSA weist ferner darauf hin, dass die IT-Branche eine ausgeprägt ungleiche Geschlechterverteilung aufweist und IKT-Fachleute meistens Männer sind. In Anbetracht der vielen offenen Stellen in der IT-Branche sollten die Europäische Union und die Mitgliedstaaten Maßnahmen ergreifen, um mehr Frauen für IT-Berufe zu gewinnen.

3.18.

In ihrem Bericht Golden growth: Restoring the lustre of the European economic model hat die Weltbank die Europäische Union in sechs Blöcke untergliedert und anhand von Digitalisierungsindikatoren die erheblichen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten hinsichtlich der Nutzung von Digitaltechnik, der digitalen Kompetenzen und Anwendungen sowie des elektronischen Geschäftsverkehrs aufgezeigt. Der EWSA fordert die Kommission auf, diesen Unterschieden bei der Festlegung der prioritären Maßnahmen ihres Arbeitsplans umfassend Rechnung zu tragen.

3.19.

Schließlich nimmt der EWSA die Aussage der Kommission zur Kenntnis, dass neben der EU-seitigen etwa 21,4 Mrd. EUR umfassenden Finanzierung der Europäische Fonds für strategische Investitionen eine breite Palette von digitalen Vorhaben unterstützen soll, und stellt fest, dass die Europäische Investitionsbank und der Europäischen Investitionsfonds umfangreiche zusätzliche Finanzierungsmöglichkeiten bereitstellen. Der EWSA begrüßt, dass sich die Kommission gemeinsam mit der Europäischen Investitionsbank, Projektträgern und Mitgliedstaaten darum bemühen wird, dass alle verfügbaren Investitionsmittel vollständig genutzt werden. Er fragt sich allerdings, warum die für die Mitgliedstaaten bereitgestellten Mittel weitgehend unausgeschöpft geblieben sind. Er fordert eine eingehende Untersuchung, um künftig eine wirksame und effektive Ausschöpfung sicherzustellen.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1.    Besserer Zugang für Verbraucher und Unternehmen zu digitalen Waren und Dienstleistungen in ganz Europa

4.1.1.   Rechtsetzungsvorschläge für einfache und wirksame grenzübergreifende Vertragsbestimmungen für Verbraucher und Unternehmen

Dies ist ein ehrgeiziges Unterfangen, dessen Erfolg zu begrüßen wäre. Der grenzüberschreitende elektronische und auch sonstige Geschäftsverkehr wird für KMU und Privatpersonen trotzdem weiterhin sprachliche und kulturelle Probleme aufwerfen. Durch faire und einfache standardisierte Vertragstexte in allen EU-Sprachen wird zwar ein Hemmnis ausgeräumt, doch bleiben Bedenken über die Sicherheit des inländischen und grenzübergreifenden elektronischen Geschäftsverkehrs bestehen. Deshalb begrüßt der EWSA die Cybersicherheitsinitiative.

Der EWSA geht davon aus, dass alle Vorschläge im Rahmen der Entwicklung der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt in Europa ein hohes Verbraucherschutzniveau gewährleisten und in keinem Mitgliedstaat eine Herabsetzung des gegenwärtigen Verbraucherschutzniveaus zur Folge haben.

In Kreisen der Sozialpartner werden nach wie vor gewisse Befürchtungen laut, dass der grenzüberschreitende elektronische Geschäftsverkehr die bestehenden inländischen Unternehmen bedrohen könnte. Aus diesem Grund muss die soziale Dimension in der Strategie verankert werden.

4.1.2.   Überprüfung der Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz

Eine wirksame Zusammenarbeit ist in jedem Fall eine unverzichtbare Voraussetzung für einen reibungslosen grenzübergreifenden Verbraucherschutz. Angemessene Rechtsschutz- und Entschädigungsmechanismen dürften für die Akzeptanz von grenzüberschreitendem Online-Handel wesentlich sein.

Es sollte alles darangesetzt werden, den bürokratischen Aufwand für KMU zu verringern.

Nach Meinung des EWSA sollte die Kommission

sicherstellen, dass die Verbraucher zu fairen und angemessenen Bedingungen grenzüberschreitend auf rechtmäßig verfügbare Inhalte zugreifen können;

untersuchen, in welchem Maße Verbraucher aufgrund ihres Wohnortlandes online diskriminiert werden und welche Folgen dies für die Wirtschaft und die Verbraucher hat; dementsprechend sollte sie Maßnahmen zur Bekämpfung jeglicher Diskriminierung vorschlagen;

die Einführung und Durchsetzung von Verbraucherrechten überprüfen, die Geltung von Verbraucherrechten für digitale Produkte darlegen und sicherstellen, dass Verbraucher und Unternehmen ihre Rechte verstehen und die Gewissheit haben, dass sie durchgesetzt werden.

4.1.3.   Maßnahmen auf dem Gebiet der Paketzustellung

Im inländischen Internethandel gewährleisten schnelle Reaktions- und kurze Lieferzeiten die Kundenzufriedenheit. Im grenzüberschreitenden Online-Handel besteht in dieser Hinsicht Handlungsbedarf, wenngleich bereits große internationale Paketdienste in Europa tätig sind.

4.1.4.   Breit angelegte Überprüfung zur Vorbereitung von Rechtsetzungsvorschlägen gegen ungerechtfertigtes Geoblocking  (3)

Betroffen sind Online-Handel und audiovisuelle Dienste. Auf dem Gebiet des Online-Handels führen Suchen nach Gütern und Dienstleistungen selten zu Ergebnissen außerhalb des geografischen Bereichs des Interessenten. Dagegen könnte die Anzeige von Ergebnissen aus der gesamten EU den Suchenden überfordern.

In den Suchmaschinen können Einstellungen für die geografische Ausrichtung vorgenommen werden. Möglicherweise aber werden Verbrauchern je nach Nationalität oder Wohnsitz unterschiedliche Preisangebote unterbreitet, wie die Beschwerde gegen Disneyland Paris verdeutlicht. Der EWSA plädiert dafür, durch geeignete Maßnahmen gleiche Ausgangsbedingungen für den grenzüberschreitenden Handel sicherzustellen, um die Verbraucher zu schützen. Ein weiteres Problem ist, dass in manchen Fällen der grenzüberschreitende Zugriff auf Websites schlichtweg verweigert wird.

Bei Geoblocking im audiovisuellen Bereich kommen zwei Aspekte ins Spiel: Zum einen können Nutzer zwar zu Hause, aber nicht von unterwegs auf rechtmäßig erworbene Dienste zugreifen, und zum anderen können EU-Bürger aus einem Mitgliedstaat nicht auf Dienste in einem anderen Mitgliedstaat zugreifen. Für den ersten Aspekt empfiehlt der EWSA zur Zugangserleichterung die Einführung digitaler Identitäten. Geoblocking im zweiten Fall beruht meistens auf rechtlichen Beschränkungen oder geschäftlichen Überlegungen. Ein effizienter Rechtsrahmen wäre hilfreich, doch sollte vermieden werden, Geschäftsmodelle zu behindern, die auf Werbung und Marktzugang angewiesen sind.

4.1.5.   Untersuchung des Wettbewerbs im Sektor des elektronischen Handels im Hinblick auf den Online-Handel mit Waren und die Online-Erbringung von Dienstleistungen

Der EWSA begrüßt eine Überwachung des Marktes durch die Wettbewerbsbehörden und die Verhängung strenger Sanktionen bei Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung. Indes gibt er zu bedenken, dass hinter der Entwicklung der Digitaltechnik und der digitalen Wirtschaft zum Nutzen von Wirtschaft und Gesellschaft große Unternehmen stehen. Er empfiehlt deshalb nachdrücklich, die geplanten Untersuchungen strikt auf die bewährten Grundsätze des Handels- und Wettbewerbsrechts zu stützen.

4.1.6.   Rechtsetzungsvorschläge für eine Reform des Urheberrechts

Der EWSA unterstützt diese Vorschläge unter der Voraussetzung, dass die verschiedenen Geschäftsmodelle praktikabel bleiben und die Rechte der Inhaber geistiger Eigentumsrechte respektiert werden.

4.1.7.   Überprüfung der Satelliten- und Kabelrichtlinie

Diese Richtlinie betrifft die Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung. Der EWSA stimmt zu, dass sie im Zusammenhang mit den in Ziffer 4.1.6 angesprochenen Rechtsetzungsvorschlägen für eine Reform des Urheberrechts und in Anbetracht der tiefgreifenden Veränderungen in diesen Branchen überarbeitet werden muss.

4.1.8.   Rechtsetzungsvorschläge zur Verringerung des Verwaltungsaufwands der Unternehmen, der sich aus unterschiedlichen Mehrwertsteuer-Regelungen ergibt

Eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg des digitalen Binnenmarkts ist ein Konzept zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft, da das europäische und nationale Steuerrecht für die moderne digitale Wirtschaft ungeeignet ist und Steuerumgehung und unlauteren Wettbewerb fördert. Der EWSA befürwortet den Mehrwertsteueransatz der Kommission (Erhebung im Land des Kunden und nicht im Land des Anbieters) sowie den Grundsatz der direkten Besteuerung von Gewinnen am Ort der Wertschöpfung. Er unterstützt auch die Bemühungen der Kommission, den Verwaltungsaufwand zu verringern, der den Unternehmen aus den unterschiedlichen Mehrwertsteuer-Systemen entsteht. Bezüglich Aktionsschwerpunkt iv wäre es einfacher, die Befreiung auf Transaktionen innerhalb der EU auszudehnen.

4.2.    Schaffung der richtigen Bedingungen für florierende digitale Netze und Dienste

4.2.1.   Rechtsetzungsvorschläge zur Reform der geltenden Telekommunikationsvorschriften

Der ins Auge springende Unterschied zwischen den Telekommunikationssektoren in Europa auf der einen und in Asien und den USA auf der anderen Seite ist die Fragmentierung des europäischen Markts. Im Hinblick auf den Aufbau von Organisationen, die über die notwendigen Investitions- und Forschungskapazitäten verfügen, um im globalen Wettbewerb zu bestehen, sollten in Anbetracht des exponentiellen Wachstums des elektronischen Datenverkehrs bei jeder Überprüfung auch die Kapazitäten der Tier-1- und Tier-2-Internetdiensteanbieter berücksichtigt werden. Bei der Überprüfung sollte auch eine ausgewogene Lösung für das Problem der Netzneutralität angestrebt werden. In dem Maße, wie audiovisuelle Inhalte gegenwärtig und künftig über das Internet bereitgestellt werden, müssen die Telekommunikationsbetreiber über die Flexibilität verfügen, die Erwartungen der Nutzer hinsichtlich Übertragungsqualität und -geschwindigkeit zu erfüllen.

Der EWSA begrüßt die durchgängige Absicht der Kommission, den Verbraucherschutz sicherzustellen, die Fragmentierung zu verringern und die Harmonisierung zu verstärken.

4.2.2.   Überprüfung der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste

Es gibt durchaus große Unterschiede zwischen lizenzierten Rundfunkanstalten und nicht-regulierten Diensteanbietern. Die Grenzen werden jedoch durch die Weiterverbreitung von reglementierten Inhalten über Breitband und eine Vielzahl von Video-on-Demand-Anbietern, die unzähligen Blogger im Nachrichtenraum und die Tatsache, dass es von den meisten Zeitungen mittlerweile eine elektronische Ausgabe gibt, zunehmend verwischt.

Der EWSA bezweifelt indes, dass es wünschenswert ist, tunlichst sämtliche Dienste einer einheitlichen Regelung zu unterwerfen. Für den linearen Rundfunk müssen aufgrund der Gemeinwohlverpflichtung und der begrenzten Wahlmöglichkeiten der Zuschauer Standards festgelegt werden. Der Breitbandzugang zu Websites liegt im Ermessen des Nutzers, ebenso wie die Ausübung der elterlichen Kontrolle. In Anbetracht der Veränderungsdynamik in der audiovisuellen Industrie sind eine Überprüfung und Überarbeitung erforderlich, wobei auf Ausgewogenheit zu achten ist.

4.2.3.   Umfassende Analyse der Rolle der Plattformen auf dem Markt einschließlich illegaler Inhalte im Internet

In der EU wie auch in anderen Weltregionen wird die digitale Agenda weitgehend von Plattformen gestützt und auch von ihnen vorangetrieben. Die erfolgreichen großen Plattformen haben sich eine marktbeherrschende Stellung gesichert, die indes nicht missbraucht werden darf. Der EWSA warnt die Kommission jedoch davor, die Tätigkeiten dieser Unternehmen nur aufgrund ihrer Größe und Erfolge einzuengen, denn dadurch könnte die Entwicklung des digitalen Binnenmarkts in Europa behindert werden.

Indes sind die von der Kommission vorgeschlagenen Aktionsschwerpunkte vernünftig und durchdacht und können den Nutzen der Plattformen im digitalen Binnenmarkt steigern. Die Kommission sollte jedoch unbedingt einen ausgewogenen Ansatz verfolgen und nicht die legitimen Geschäftsinteressen der Plattformen ignorieren.

4.2.4.   Überprüfung der e-Datenschutz-Richtlinie

Der EWSA unterstützt diesen Ansatz für den Schutz personenbezogener Daten. Er glaubt allerdings nicht, dass das Recht auf Vergessenwerden in seiner jetzigen Form langfristig aufrechterhalten werden kann, da die Auslegung der EU zu weit gefasst und die Durchsetzung dieses Rechts im weltweiten Internet technisch schwierig ist. Der EWSA drängt die Kommission, dieses Recht zum Schutz der Schwachen weiterzuentwickeln, um seine globale Akzeptanz sicherzustellen.

4.2.5.   Schaffung einer vertraglichen öffentlich-privaten Partnerschaft für Cybersicherheit

Die verschiedenen Stufen der Wertschöpfungsketten in der digitalen Wirtschaft überschreiten Grenzen und die nationale Dimension, was der Cyberkriminalität Tür und Tor öffnet. Der EWSA begrüßt die in der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt vorgesehene Partnerschaft mit der Industrie im Bereich Cybersicherheit, die endlich auf eine schon lang angesagte Kultur des Risikomanagements und des wirksamen Informationsflusses abhebt.

Einen Aspekt von Cyberkriminalität hat die Kommission jedoch übergangen: Die Informations- und Kommunikationstechnologien bieten Möglichkeiten der Cyber-Überwachung, die unter Missachtung der Grundfreiheiten zur Überwachung von personenbezogenen Daten und persönlichen Mitteilungen sowie zur Spionage gegenüber Staaten und ihren politischen Führungskräften genutzt werden können. Nach Meinung des EWSA sollten auf EU-Ebene Informationen ausgetauscht und die Kapazitäten für Erkennung und Intervention verbessert werden.

Die Kommission macht keine Angaben zum Umfang, den Ergebnissen oder der Struktur (Anzahl der Partner) der vorgeschlagenen Partnerschaft. Der EWSA gibt ferner den derzeitigen Umfang an Marktinvestitionen in Cybersicherheit zu bedenken. Deshalb kann sich der EWSA erst zu diesem Vorschlag äußern, wenn ihm genauere Informationen vorliegen.

4.3.

Bestmögliche Ausschöpfung des Wachstumspotenzials der digitalen Wirtschaft

4.3.1.   Initiativen in Bezug auf das Eigentum an Daten, den freien Datenfluss (z. B. zwischen Cloud-Anbietern) und eine europäische Cloud

Der EWSA ist sich darüber im Klaren, dass es bei der Massendatenverarbeitung einen Konflikt zwischen dem Schutz personenbezogener Daten und der notwendigen Zusammenführung von personenbezogenen Daten in wirtschaftlichen, sozialen und medizinischen Mega-Analysen gibt. Er drängt die Kommission, diesen Konflikt bei der geplanten Überprüfung zu lösen.

4.3.2.   Aufstellung eines Plans mit den Prioritäten für die IKT-Normung und Erweiterung des Europäischen Interoperabilitätsrahmens für öffentliche Dienste

Der EWSA unterstützt diese Initiative. Zwar sorgen internationale Ausschüsse für ein gewisses Maß an Normung von Hardware und Systemsoftware, doch gibt es unbestritten noch einen umfangreichen Normungs- und Interoperabilitätsbedarf auf sektoraler, Anwendungs- und App-Ebene — eine Voraussetzung für eine mächtige Steigerung von Nutzen und Relevanz des digitalen Binnenmarkts.

4.3.3.   Neuer e-Government-Aktionsplan mit einer Initiative zum Grundsatz der einmaligen Abfrage und einer Initiative zur Verknüpfung von Unternehmensregistern

Für e-Government sind die Mitgliedstaaten verantwortlich. Es gibt Vorreiter und Nachzügler. Die Fortentwicklung von e-Government und das reibungslose Funktionieren der elektronischen Verwaltung sind eine unerlässliche Voraussetzung für einen digitalen Binnenmarkt.

4.3.4.   Digitale Kompetenzen und Qualifikationen

Die Kommission plant keine Legislativmaßnahme zur Förderung der digitalen Kompetenzen und Qualifikationen, sondern überlässt das diesbezügliche Tätigwerden den Mitgliedstaaten. Der EWSA ist enttäuscht, dass es keine neuen Initiativen in diesem Bereich gibt. Es wäre zumindest eine Mitteilung der Kommission angebracht, die einen Überblick über Standards und bewährte Verfahren gibt. Zudem muss ein Schwerpunkt auf die Förderung von Lese-, Schreib- und Rechenkompetenzen als wichtiger Bestandteil der digitalen Kompetenzen gelegt werden.

Die vom EWSA erwünschte Mitteilung würde einen auf die einzelnen Lebensabschnitte abgestimmten Rahmen aufstellen und dazu übergreifende Vorschläge für lebensbegleitendes Lernen unterbreiten. Der Rahmen sollte in vier Bereiche untergliedert sein: Bildung, Berufsleben, Ruhestand, Behinderung:

A

BILDUNG

A1

Primarbereich — Vermittlung grundlegender Fertigkeiten

A2

Sekundarbereich — zwei Zweige sind vorgesehen:

Vermittlung genereller Kompetenzen, die es den Lernenden ermöglichen, problemlos in der Informationsgesellschaft zu leben und zu arbeiten;

Vermittlung fachspezifischer digitaler Kompetenzen, um Lernende mit den entsprechenden Fähigkeiten für die IT-Fachpraxis zu rüsten und die Qualifikationslücke in der Branche zu schließen. In diesem Zusammenhang muss auch gezielt ein besseres Geschlechtergleichgewicht im IT-Bereich gefördert werden.

A1 und A2: Sowohl im Primar-als auch im Sekundarbereich muss ein Schwerpunkt auf die verantwortungsvolle Anwendung der digitalen Kompetenzen gelegt werden.

A3

Tertiärbereich — zwei Zweige sind vorgesehen:

Vermittlung berufsspezifischer Kompetenzen; in Lehrgängen wie Ingenieurwesen, Mathematik und Biotechnologie über Lehrveranstaltungen und Prüfungen;

Ausbildung in Spitzentechnologien im Hinblick auf die Besetzung offener Stellen im Hightech-Bereich.

B

BERUFSLEBEN

B1

Arbeitgeberseitige Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen und systematische berufliche Weiterbildung, damit die Qualifikationen immer auf dem neuesten Stand sind.

B2

Staatliche Ausbildungsmaßnahmen für Arbeitslose, die über die zuständigen Agenturen organisiert werden.

C

RUHESTAND

C1

IT-Skills für alle, die den Anschluss an die Informationsgesellschaft verpasst haben.

C2

Spezielle Programme, damit ältere Menschen den Anschluss an die Informationsgesellschaft nicht verlieren.

D

BEHINDERUNG

Unterstützung in jeder Phase, um Menschen mit Behinderungen und fortschreitenden Behinderungen dauerhaft in die Informationsgesellschaft zu integrieren.

Aus den Zahlenangaben der Kommission ist klar ersichtlich, dass es in jedem Lebensalter überall Qualifikationsdefizite gibt. Nach Meinung des EWSA kann nur über ein strukturiertes und geregeltes Programm in jedem Mitgliedstaat erreicht werden, dass, wenn überhaupt, nur wenige Bürger aus der Informationsgesellschaft und dem digitalen Binnenmarkt ausgeschlossen werden. Er hat bereits wiederholt konsequente Qualifizierungsmaßnahmen gefordert. Vor dem Hintergrund der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt ist es für die Kommission nun an der Zeit, zu handeln.

Brüssel, den 9. Dezember 2015.

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Auswirkungen der Digitalisierung auf die Dienstleistungsbranche und die Beschäftigung“ (ABl. C 13 vom 15.1.2016, S. 161).

(2)  Siehe Fußnote 1.

(3)  Richtlinie 2006/123/EG.


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