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Document 52013AE5037

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Durchgängig elektronische Vergabe öffentlicher Aufträge zur Modernisierung der öffentlichen Verwaltung — COM(2013) 453 final

ABl. C 67 vom 6.3.2014, p. 96–100 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

6.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 67/96


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Durchgängig elektronische Vergabe öffentlicher Aufträge zur Modernisierung der öffentlichen Verwaltung

COM(2013) 453 final

2014/C 67/19

Berichterstatter: Paulo BARROS VALE

Die Europäische Kommission beschloss am 26. Juni 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 314 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Durchgängig elektronische Vergabe öffentlicher Aufträge zur Modernisierung der öffentlichen Verwaltung

COM(2013) 453 final.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 2. Oktober 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober 2013 (Sitzung vom 16. Oktober) mit 147 gegen 3 Stimmen bei 2 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) hatte bereits Gelegenheit, sich zu diesem Thema zu äußern, und hat sich dabei für eine rasche Umsetzung der durchgängig (1) elektronischen Vergabe öffentlicher Aufträge (2) ausgesprochen. Er bekräftigt an dieser Stelle seine Unterstützung für eine umfassende Einführung dieses Verfahrens, das zu einer optimalen Ressourcennutzung beiträgt.

1.2

Die durchgängig elektronische Vergabe öffentlicher Aufträge ist als Mittel zur Modernisierung der öffentlichen Verwaltung zu sehen, deren Effizienz durch die strikter und transparenter geregelte Auftragsvergabe verbessert wird.

1.3

Sie ist auch eine Chance für die Wirtschaft, insbesondere für die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), denen sich in einem offeneren und transparenteren Markt neue Geschäftsmöglichkeiten bieten.

1.4

Der EWSA bringt jedoch seine Besorgnis über die bislang mageren Ergebnisse zum Ausdruck, die die Verwirklichung des ursprünglichen Ziels, bis 2016 den endgültigen Übergang zur elektronischen Auftragsvergabe zu vollziehen, gefährden.

1.5

Anlass zu Besorgnis gibt das schwache Engagement der Mitgliedstaaten in dieser Frage, die sich immer noch gegen die Einführung von Verfahren sträuben, deren Vorteile für die öffentliche Verwaltung und die Wirtschaftsteilnehmer doch bekannt sind. Die Kommission sollte hier weiter Überzeugungsarbeit leisten, damit die durchgängig elektronische Vergabe öffentlicher Aufträge umgesetzt wird, und zwar sowohl durch Einführung dieses öffentlichen Vergabesystems in all ihren Verfahren als auch durch den Erlass entsprechender Rechtsvorschriften und die Verbreitung beispielhafter Vorgehensweisen. Der Ausschuss begrüßt im Übrigen die Tatsache, dass die Kommission den Mitgliedstaaten auf Wunsch ihre eigenen Lösungen zur elektronischen Auftragsvergabe zur Verfügung stellt.

1.6

Der Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe ist ein sehr heterogener Markt, auf dem zahlreiche Lösungen und Plattform koexistieren, die allerdings zumeist nicht auf Interoperabilität ausgelegt sind. Das Fehlen strategischer Leitlinien und auch der mangelnde Wille der Mitgliedstaaten zur Umsetzung gemeinsamer, für alle zugänglicher Lösungen erschwert den Zugang der Wirtschaftsbeteiligten aus dem In- und Ausland und beeinträchtigt damit den freien Wettbewerb. Hier kommt der Kommission die Aufgabe zu, normierend einzugreifen und die technischen Anforderungen auf der Grundlage der bereits geleisteten und geförderten (und einmütig unterstützten) Arbeiten zu vereinheitlichen, insbesondere im Rahmen des PEPPOL-Projekts. Diese Harmonisierung ist ein wichtiger Schritt hin zur Demokratisierung eines Marktes, der im Sinne einer sorgsamen Verwendung öffentlicher Mittel transparent und zugänglich sein muss.

1.7

Nach Ansicht des EWSA sollten die entsprechenden Lösungen für alle zugänglich sein, d.h. ohne Sprachbarrieren und auch für Menschen mit Behinderungen barrierefrei sein. Zugleich gilt es, die Kosten für die Einrichtung neuer oder die Anpassung bereits bestehender Plattformen sowie für ihre Wartung möglichst gering zu halten. Der Normung kommt daher größte Bedeutung zu.

1.8

Öffentliche Aufträge bleiben jedoch für KMU mit unzureichender Größe und zu geringen Human- und Finanzressourcen ein schwer zugänglicher Markt. Der EWSA bekräftigt seinen Standpunkt, dass die KMU durch die europäischen Rechtsvorschriften für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen dabei unterstützt werden sollten, die Anforderungen bezüglich des Kapitals und der Erfahrungen zu erfüllen, z.B. durch die Gründung von Konsortien oder befristeten Arbeitsgemeinschaften (3).

1.9

Der derzeit erörterte Richtlinienvorschlag über die elektronische Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen ist ein weiterer wichtiger Schritt hin zur Vollendung einer durchgängig elektronischen öffentlichen Auftragsvergabe. Die Vereinheitlichung der Angaben auf der Rechnung, die eine Interoperabilität erlauben wird, dürfte erhebliche Vorteile bringen. Ungeachtet dieser Vorteile sind jedoch nach Einschätzung des EWSA die für die Einführung und Verbreitung vorgesehenen Fristen zu lang bemessen. In Zeiten fortwährender technischer Weiterentwicklungen sind Bemühungen um Normung und Vereinheitlichung wünschenswert und dringend notwendig, weil sonst die gefundenen Lösungen zu spät kommen könnten.

1.10

Dass die Kommission die Entwicklung der Infrastruktur für die elektronische Auftragsvergabe in ganz Europa über die Fazilität "Connecting Europe" finanziert, ist zwar durchaus begrüßenswert, wird aber durch die vom Rat vorgenommene drastische Kürzung der dafür bereit gestellten Beträge gefährdet. Der EWSA bedauert diese Kürzung, die erhebliche Einschnitte für die von der Kommission geförderten Projekte von gemeinsamem Interesse mit sich bringt, insbesondere für die Unterstützung der Entwicklung und Umsetzung der elektronischen öffentlichen Auftragsvergabe.

1.11

Der EWSA betont, dass es in diesem Bereich wie bei allen Prozessen der Veränderung und des Wandels vor allem auf die Schulung der beteiligten Menschen ankommt. Die Möglichkeit, Ausbildungsmaßnahmen aus den Strukturfonds 2014-2020 zu finanzieren, ist eine lobenswerte Initiative. Aber auch die Schulung der Mitarbeiter im öffentlichen Dienst darf nicht vergessen werden, ist sie doch für den Erwerb neuer technischer Kompetenzen und die Sensibilisierung für die neuen Arbeitsmethoden im virtuellen Umfeld von wesentlicher Bedeutung.

1.12

Der EWSA möchte diese Gelegenheit nutzen und den Rat ersuchen, an die Mitgliedstaaten zu appellieren, die diesbezüglichen Ideen umzusetzen, die in den von der Kommission und den beratenden Einrichtungen erarbeiteten Dokumenten vorgeschlagen werden, um so die Wirkung der geleisteten Arbeiten zu verbessern.

2.   Wesentlicher Inhalt des Kommissionsdokuments

2.1

In der Mitteilung wird eine Bilanz der Umsetzung der durchgängig elektronischen Vergabe öffentlicher Aufträge gezogen, so wie es in der Mitteilung "Eine Strategie für die e-Vergabe" (4) vorgesehen ist.

2.2

Die Reform der öffentlichen Auftragsvergabe, die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung, die Verringerung des Verwaltungsaufwands und die Steigerung der Transparenz sind Faktoren, die das Wirtschaftswachstum begünstigen, wobei die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung zu den fünf Prioritäten zählt, die die Kommission in ihren Jahreswachstumsberichten 2012 und 2013 gesetzt hat. 2011 machten die öffentlichen Ausgaben für Waren, Bauleistungen und Dienstleistungen 19 % des BIP der EU aus. Dies verdeutlicht die Bedeutung einer Reform der öffentlichen Auftragsvergabe, durch die öffentliche Mittel eingespart und dann für Investitionen in wachstumsfördernde Maßnahmen eingesetzt werden können.

2.3

Die Reform der öffentlichen Auftragsvergabe und die Einführung des Modells der durchgängig elektronischen öffentlichen Auftragsvergabe bieten auch die Möglichkeit, die Funktionsweise der öffentlichen Verwaltung grundlegend zu überdenken, um sie transparenter und rationeller zu gestalten. Dies kann zur Erreichung der in der Strategie Europa 2020 dargelegten Ziele in Bezug auf ein nachhaltiges Wachstum beitragen.

2.4

Die meisten KMU haben derzeit Zugang zum Internet: nur 4,6 % von ihnen hatten im Jahr 2012 keinen Zugang zum Internet (5). Somit ist die Mehrheit der KMU für eine durchgängig elektronische öffentliche Auftragsvergabe gerüstet, wobei die Unternehmen in den Ländern, in denen die e-Vergabe allgemein einsetzt wird, positive Erfahrungen gemacht haben. Dessen ungeachtet sollte die Förderung kostengünstiger und leicht zu nutzender elektronischer Rechnungsstellungs- und Vergabedienste einen besonderen Schwerpunkt bilden.

2.5

Ungeachtet der allgemein verbreiteten Nutzung des Internets steht die elektronische öffentliche Auftragsvergabe noch ganz am Anfang, wobei die Kommission die e-Vergabe bis Mitte 2016 verbindlich vorschreiben will. So wird der Anteil der elektronischen Angebotsabgabe in der EU im Jahr 2011 auf nur rund 10 % geschätzt. In der Mehrzahl der Mitgliedstaaten ist die elektronische Angebotsabgabe freiwillig, nur Portugal hat sie oberhalb einer bestimmten Schwelle verbindlich eingeführt. Auch die Anwendung der elektronischen Rechnungsstellung oberhalb einer bestimmten Schwelle ist für einige bereits Realität, allerdings verwenden nur schätzungsweise 12 % der Unternehmen elektronische Mittel, um Rechnungen an Behörden zu senden oder von diesen zu erhalten.

2.6

Das künftige Vorgehen bedingt zwangsläufig eine Normung der elektronischen öffentlichen Auftragsvergabe, um die elektronische Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen von der Ausnahme zur Regel zu machen, und Maßnahmen, um die Mitgliedstaaten zu ermutigen, nationale Strategien mit detaillierten Aktionsplänen zu erarbeiten, mit denen sichergestellt werden soll, dass die elektronische Vergabe und die elektronische Rechnungsstellung umgesetzt werden und ein Austausch beispielhafter Vorgehensweisen erfolgt.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Der Ausschuss bekräftigt seinen Standpunkt, wonach der Überprüfung des Rechtsrahmens für die öffentliche Auftragsvergabe große Bedeutung beizumessen ist. Diese Überprüfung sollte eine Dematerialisierung der Verfahren ermöglichen und die schrittweise Einführung der elektronischen Vergabe öffentlicher Aufträge verpflichtend vorschreiben. Er stellt jedoch fest, dass die erzielten Fortschritte unerwünschte Wirkungen haben, wie die Ergebnisse hinsichtlich des Einsatzes der elektronischen Vergabe öffentlicher Aufträge zeigen.

3.2

Die Fragmentierung des Marktes für die elektronische Vergabe öffentlicher Aufträge hat aufgrund der Alleingänge mehrerer Mitgliedstaaten zugenommen, womit es nun unterschiedliche Lösungen und Plattformen gibt, die aufgrund mangelnder strategischer Leitlinien nicht auf Interoperabilität ausgelegt sind, die doch eine wesentliche Voraussetzung für den Zugang aller zu diesem Markt ist. Während auf lokaler Ebene ein Anstieg der Zahl der Teilnehmer an den Ausschreibungen zu verzeichnen ist, was auf einen verbesserten Zugang zu diesem Markt hindeutet, kann dies für die Teilnahme an grenzüberschreitenden Ausschreibungen nicht behauptet werden. In diesem Bereich haben insbesondere KMU Schwierigkeiten nicht nur technischer Art, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen. So haben KMU nur dann Zugang zu grenzüberschreitenden Ausschreibungen, wenn sie sich zu Konsortien zusammenschließen; diese Lösung könnte und sollte auf einzelstaatlicher Ebene angeboten und gefördert werden.

3.3

Der EWSA hält die Interoperabilität für eine wesentliche Frage und spricht sich für ein energischeres Voranschreiten in diese Richtung aus. Er befürwortet daher die eingeleiteten Normungsinitiativen und die Nutzung der Erfahrungen der Länder, in denen dieses System am meisten vorangeschritten ist.

3.4

Die durchgängig elektronische Vergabe von öffentlichen Aufträgen ist ein wichtiges Instrument, das für eine striktere Regelung und mehr Transparenz in einem Bereich sorgt, der uns alle angeht und daher in punkto Ehrlichkeit und Seriosität absolut beispielgebend sein sollte.

3.5

Dieser Prozess kann in vielerlei Hinsicht nutzbringend sein:

bei der Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung;

durch mehr Markteffizienz bei einer erheblichen Verringerung der Transaktions- und Opportunitätskosten in den einzelnen Phasen der Auftragsvergabe sowohl für den Auftraggeber als auch für das Unternehmen, das den Zuschlag erhält;

in Form positiver Umweltauswirkungen durch elektronische Dokumente, sei es durch den geringeren Papierverbrauch oder die geringeren Umweltauswirkungen im Zusammenhang mit der Verbreitung der Unterlagen;

Verkürzung der Vergabe- und Zahlungsfristen;

einfachere Kontrolle des Prozesses;

Integration und Ausbau des Binnenmarktes;

Ausweitung des Marktes für öffentliche Aufträge auf nationale und grenzübergreifende KMU, da die Schwierigkeiten aufgrund der Distanz zum Ausschreibungsort verringert werden, was den Zugang zu Ausschreibungen im In- und Ausland erleichtert;

das elektronische Ausfüllen des Formulars durch den Bieter, das mit Prüfmechanismen versehen ist, verringert den Spielraum für Fehler und damit die Gefahr eines Ausschlusses wegen fehlender Konformität;

über die Plattformen können Anbieter über die Veröffentlichung von Ausschreibungen informiert werden;

Gelegenheit zur Modernisierung der öffentlichen Verwaltung, was die Digitalisierung weiterer Behördenverfahren nach sich ziehen wird, wodurch der Verwaltungsaufwand verringert wird;

Verringerung der Kosten dank der Willenserklärungen zum Vertragsabschluss;

Geschäftschancen für Anbieter von Technologie- und Kommunikationsdienstleistungen;

Schaffung neuer Kompetenzen bei den Beamten der Behörden und Beschäftigten der Unternehmen.

3.6

Folgende potenzielle Nachteile sind zu nennen:

hohe Kosten für die Einrichtung und Pflege der Plattformen für die elektronische Auftragsvergabe, die mit hohen Investitionen verbunden sind, obgleich die daraus erwachsenden Vorteile dies aufwiegen;

in den Ländern, in denen die Investitionen in diese Plattformen bereits vorangeschritten sind, können sich für die Behörden wie auch für die Unternehmen erhebliche Kosten für die Anpassung der Software und sogar der Hardware ergeben;

Sicherheit der Daten auf den elektronischen Plattformen;

die Abhängigkeit von Dienstleistungen Dritter, z.B. von Telekommunikationsdienstleistern und Betreibern von Vergabeplattformen;

die Zunahme der Vorschriften für die erforderlichen Schritte im Rahmen der Auftragsvergabe (Abgabe von Geboten, Einreichung von Unterlagen und Ausfüllen von Formularen) könnte mehr Verfahrensfehler verursachen, die zur Ungültigkeit der Auftragsvergabe bzw. des Vertrags führen könnten.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1

Der derzeit erörterte Richtlinienvorschlag über die elektronische Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen und zur Einführung einer europäischen Norm für diesen Bereich ist ein begrüßenswerter Schritt hin zur Verwirklichung einer durchgängig elektronischen öffentlichen Auftragsvergabe. Allerdings befinden sich die Ausstellung und der Austausch elektronischer Rechnungen noch in einem frühen Anfangsstadium. Die Vereinheitlichung der Angaben auf der Rechnung wird der so sehr angestrebten Interoperabilität den Weg ebnen. Nach Einschätzung des EWSA sind jedoch die ins Auge gefassten Fristen zu lang bemessen und tragen nicht zum Ziel einer raschen Verbreitung der elektronischen Rechnungstellung im öffentlichen Auftragswesen bei. Die Einführung dieses Verfahrens dürfte jedoch eine Sogwirkung auf die anderen Märkte ausüben.

4.2

Dem Vorschlag mangelt es auch an ambitionierteren Zielen, beschränkt er sich doch darauf, dass die Behörden keine Rechnungsdokumente zurückweisen dürfen, wenn diese gemäß der europäischen Norm ausgestellt wurden.

4.3

Die Mitgliedstaaten haben bereits erhebliche Investitionen in die Infrastruktur getätigt, weshalb die Normung dringend abgeschlossen werden sollte, um bereits getätigte Investitionen gewinnbringend zu nutzen und neuerliche Investitionen in Infrastrukturen zu vermeiden, die mittlerweile möglicherweise nicht mehr der neuen Norm entsprechen.

4.4

Die Kommission wird das Europäische Komitee für Normung (CEN) mit den entsprechenden Normungsarbeiten beauftragen. Nach Auffassung des EWSA sollten die mittlerweile im Rahmen des CEN BII-Workshop erzielten Fortschritte einbezogen werden, darunter die sogenannten "interoperablen Standard-Profile" und die Erfahrungen im Rahmen von PEPPOL (Pan-European Public Procurement Online - Europaweite Online-Abwicklung des öffentlichen Auftragswesens), die Interoperabilitätsbrücken liefert, die zur Verknüpfung der in den Mitgliedstaaten bereits vorhandenen Plattformen erforderlich sind.

4.5

Angesichts der derzeit knappen Finanzmittel begrüßt der EWSA das Vorhaben der Kommission, die Entwicklung einer europaweiten Infrastruktur für die e-Vergabe über die Fazilität "Connecting Europe" (CEF) zu finanzieren und zu unterstützen (6). Angesichts der Kürzung der bereitgestellten Mittel von 9,2 Mrd. EUR auf nur 1 Mrd. EUR empfiehlt der EWSA, bei der Verteilung dieser knappen Mittel die Investitionen in den Ausbau der Verfahren zur elektronischen öffentlichen Auftragsvergabe nicht zu vergessen.

4.6

Da die erfolgreiche Einführung der durchgängig elektronischen Vergabe öffentlicher Aufträge nicht nur von der Kommission abhängt, sollten die Mitgliedstaaten darauf hingewiesen werden, dass ihnen dabei auch eine Rolle zukommt, damit dieses Verfahren zur gängigen Praxis wird. Die Kommission sollte hier nicht nur mit gutem Beispiel vorangehen und ihre eigenen Vergabeverfahren elektronisch durchführen, sondern auch die Mitgliedstaaten auf diesem Weg unterstützen, indem sie ihre Befugnisse auf dem Gebiet der Normung wahrnimmt, beispielhafte Vorgehensweisen verbreitet und die Aufstellung nationaler Strategien zur Einführung eines öffentlichen Vergabesystems ohne irgendwelche Hindernisse für die Teilnahme unterstützt, d.h. eines interoperablen Systems, das allen offen steht. Der Kommission kommt auch die wichtige Aufgabe zu, bereits entwickelte Open-Source-Lösungen zur Verfügung zu stellen.

4.7

Die Europäische Kommission hat eine Studie angekündigt, in deren Rahmen festgestellt werden soll, welche Strategien für die e-Vergabe und die elektronische Rechnungsstellung in Europa am erfolgreichsten sind, um die Mitgliedstaaten bei der Bewertung ihrer eigenen Politiken zu unterstützen. Die Verbreitung bewährter Verfahren ist wichtig und wünschenswert. Dazu wurden bereits mehrere Studien durchgeführt und deren Ergebnisse veröffentlicht, beispielsweise die Empfehlungen der e-TEG-Expertengruppe, das "Golden Book of e-procurement" (Goldenes Buch zur Praxis der elektronischen Auftragsvergabe) (diese beiden Studien wurden zwar unabhängig voneinander durchgeführt, gelangen aber zu übereinstimmenden Ergebnissen) oder der Abschlussbericht des PEPPOL-Projekts. Die Gegebenheiten sind von Land zu Land unterschiedlich, weshalb die Aufstellung der einzelnen Strategien unterstützt werden sollte, aber nicht unbedingt durch die Veröffentlichung einer weiteren Studie, was sich als kontraproduktiv und unnötig herausstellen könnte.

4.8

Der Ausschuss begrüßt die Bestrebungen der Kommission, die Entwicklung und Verwendung elektronischer Zertifikate unter Verwendung von Instrumenten wie der virtuellen Unternehmensakte (Virtual Company Dossier, VCD) von PEPPOL zu fördern. Dadurch können die Beteiligten die erforderlichen Unterlagen an jeden öffentlichen Auftraggeber in Europa übersenden, der sie dann auswerten und annehmen kann.

4.9

Befürwortet wird auch die Absicht, die Ausgaben für die öffentliche Auftragsvergabe und die damit verbundenen Leistungsindikatoren auf nationaler Ebene zu überwachen. Ein Beispiel ist hier das portugiesische Portal "Base" (7), über das es bereits möglich ist, die Ausgaben für öffentliche Aufträge zu kontrollieren und verschiedene Statistiken abzurufen.

4.10

Der EWSA begrüßt die Möglichkeit, die Einrichtung von Schulungsprogrammen für Unternehmen aus den Strukturfondsmitteln 2014-2020 zu finanzieren, wobei den Maßnahmen für KMU hier größeres Augenmerk geschenkt werden sollte. Dabei sollten jedoch auch die Schulungsmaßnahmen für den öffentlichen Sektor nicht vernachlässigt werden, weshalb es Schulungsprogramme zu entwickeln gilt, die die effiziente Nutzung der neuen kostengünstigeren elektronischen Verfahren fördern. Wichtig ist auch die Möglichkeit, Infrastrukturmaßnahmen zu finanzieren, die nicht nur für die Behörden, sondern auch für die Unternehmen bestimmt sein sollten.

4.11

Der EWSA misst der Frage der Interoperabilität und des Zugangs für alle wie bereits erwähnt größte Bedeutung bei und begrüßt daher, dass die Kommission die wichtigsten Grundsätze veröffentlicht hat, denen elektronische Systeme für die öffentliche Auftragsvergabe entsprechen müssen. Dabei kommt es nicht nur auf die leichte Zugänglichkeit für grenzübergreifende Anbieter und KMU an, sondern der EWSA fordert auch die Berücksichtigung der sprachlichen Barrieren und der Hindernisse für den Zugang von Personen mit einer Behinderung. Gemäß den Bestimmungen von Art. 21 der Grundrechtecharta der Europäischen Union und des von der EU ratifizierten Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ist nämlich die Diskriminierung aufgrund einer Behinderung verboten.

Brüssel, den 16. Oktober 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  Die durchgängig elektronische Vergabe ist der Einsatz elektronischer Verfahren für Kommunikation und Vorgangsbearbeitung durch Einrichtungen des öffentlichen Sektors beim Einkauf von Waren und Dienstleistungen oder der Ausschreibung öffentlicher Arbeiten, der sich auf alle Phasen des Verfahrens erstreckt, von der Vorbereitung (Veröffentlichung der Ausschreibungen, Zugang zu den Unterlagen, Einreichung der Gebote, Bewertung der Gebote und Vergabe) bis zur Phase nach der Vergabe (Bestellung, Rechnungsstellung und Bezahlung).

(2)  ABl. C 11 vom 15.1.2013, S. 44.

(3)  ABl. C 11 vom 15.1.2013, S. 44.

(4)  COM(2012) 179 final

(5)  Daten: Eurostat 2013.

(6)  ABl. C 143 vom 22.5.2012, S. 116-119.

(7)  www.base.gov.pt


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