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Document 52010AE1173

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates“ — KOM(2010) 94 endg. — 2010/0064 (COD)

ABl. C 48 vom 15.2.2011, p. 138–144 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

15.2.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 48/138


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates“

KOM(2010) 94 endg. — 2010/0064 (COD)

2011/C 48/24

Berichterstatterin: Madi SHARMA

Der Europäische Rat und das Europäische Parlament beschlossen am 22. Juli 2010, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates

KOM(2010) 94 endg. – 2010/0064 (COD).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 2. September 2010 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 465. Plenartagung am 15./16. September 2010 (Sitzung vom 15. September) mit 110 Ja-Stimmen bei 7 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der EWSA verurteilt aufs Schärfste sexuellen Missbrauch und sexuelle Ausbeutung von Kindern und lobt die Kommission für die Intensivierung des europäischen Engagements zur Bekämpfung des Kindesmissbrauchs, indem sie den Rahmenbeschluss 2004/68/JI durch eine neue, sachgerechtere Richtlinie ersetzen will. Die Schwere der Verbrechen, das Ausmaß der Schäden und der Grad der Gefahr und Verletzbarkeit von Kindern überall auf der Welt darf niemals unterschätzt werden. Kinderschutz muss auf allen Ebenen eine Priorität sein, und Opfern wie Straftätern muss maximaler Beistand zur Rehabilitation gewährt werden, um den künftigen Schutz der Gesellschaft zu fördern.

1.2

Der EWSA wiederholt seine Forderung an die Mitgliedstaaten, die noch nicht tätig geworden sind, und an die Europäische Union, im Rahmen des neuen Vertrags von Lissabon dringend das Übereinkommen des Europarates zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch und das Fakultativprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornografie zu unterzeichnen und zu ratifizieren, damit die Union imstande ist, ihren Umgang mit europäischen Bürgern, die Kinder missbrauchen, effektiv zu überarbeiten (1). Die Europäische Union kann über bilaterale Abkommen auf andere Staaten (z.B. Russland, Bosnien und Herzegowina) Einfluss nehmen, damit auch sie der Konvention beitreten. Wirksamer als die einzelstaatlichen Ratifizierungen wird eine Übernahme von Bestimmungen der Übereinkommen in EU-Recht sein, um eine rasche Übernahme nationaler Maßnahmen zu erleichtern und eine bessere Überwachung der Durchführung zu gewährleisten.

1.3

Ein Rechtsrahmen ist wichtig, um die Verfolgung und Verurteilung von Sexualstraftätern handhaben zu können. Doch von größter Bedeutung sind Präventionsmaßnahmen in ganz Europa, die mit den Rechtsvorschriften einhergehen müssen. Sie werden zwar in der Richtlinie als Ziel betont, aber nur unzureichend behandelt. Der EWSA könnte eine Stellungnahme zur Überprüfung der Präventionsmaßnahmen abgeben und die dabei bewährtesten Verfahren der Zivilgesellschaft und der staatlichen Stellen weltweit herausarbeiten.

1.4

Der EWSA empfiehlt die Schaffung einer Plattform für den Austausch von bewährten Verfahren zur Bekämpfung dieser Straftaten mit legislativen und nichtlegislativen Maßnahmen und zur Entwicklung von methodischen Instrumenten und Ausbildungsmaßnahmen. Sie sollte mit einer engeren Zusammenarbeit zwischen den zivilgesellschaftlichen Organisationen, den Sozialpartnern und den NRO einhergehen, um die Öffentlichkeitsarbeit und Sensibilisierung auf der lokalen Ebene zu unterstützen.

1.5

Der EWSA fordert die EU-Organe (Europäische Kommission, Rat und Parlament) auf, mittels ihrer einflussreichen und privilegierten Position gemeinsam Druck auf Drittstaaten auszuüben, insbesondere in den wohlhabenden Staaten der Welt (z.B. USA, Kanada, Japan, Australien und Russland), um die Entfernung von Internetseiten zu verlangen, auf denen pornografisches Material mit Kindern gespeichert ist. Die EU muss auch nachdrücklicher auf ein verantwortungsvolles Handeln seitens der ICANN dringen (2).

1.6

Der EWSA möchte, dass die Entfernung von Internetseiten mit Kinderpornografie prioritär behandelt wird; nur falls dies nicht möglich ist, sollten sie gesperrt werden. In diesem Zusammenhang könnte der EWSA nach Konsultierung der mit diesem Thema befassten Fachleute und der Zivilgesellschaft eine Stellungnahme zu den Vor- und Nachteilen einer Entfernung bzw. Sperrung abgeben.

1.7

Der EWSA möchte die Mitgliedstaaten ermuntern, bei Gelegenheit dieser neuen Richtlinie eine Debatte über die Festlegung eines europaweiten Mindestalters der sexuellen Mündigkeit zu eröffnen. Vor dem Hintergrund der Mobilität, der Einwanderung und des Wandels der gesellschaftlichen Werte in Europa müssen Erörterungen und Konsultationen darüber stattfinden, welchen Einfluss „Traditionen“ diesbezüglich haben.

1.8

Der EWSA empfiehlt der Kommission, eindeutige Begriffsbestimmungen für bestimmte Termini vorzunehmen, die andernfalls bei der Übernahme in nationale Gesetze zu Unklarheiten führen könnten.

1.9

Der EWSA fordert, dass die Richtlinie für alle Mitgliedstaaten einheitliche Fristen festsetzt. Wo sinnvoll, möchte der EWSA noch weiter gehen und auch empfehlen, dass die Verjährungsfrist erst beginnt, wenn das Opfer 18 Jahre alt geworden ist.

1.10

Der EWSA wurde in seiner Arbeit von vielen NRO und Fachleuten im Bereich des Kinderschutzes unterstützt, auf deren Webseiten Empfehlungen zur neuen Richtlinie zu finden sind (3). Der EWSA würdigt die lobenswerte Arbeit aller NRO, die überall in der Welt zum Schutz der Kinder tätig sind, und zollt den europäischen Institutionen, dem Europarat und den Vereinten Nationen Anerkennung dafür, dass sie die rechtliche Handhabe für den Schutz der Kinder vor sexueller Ausbeutung bereitstellen.

2.   Gründe für die Richtlinie und ihre Zielsetzung

2.1

Die Union anerkennt die in Artikel 3 (EUV) des Vertrags über die Europäische Union und in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, vor allem in Artikel 24, verankerten Rechte des Kindes und seine Rechtsgrundlage, in der die konkrete Verpflichtung festgeschrieben ist, den notwendigen Schutz der Kinder sicherzustellen, was in Einklang mit der UN-Konvention über die Rechte des Kindes steht und erfordert, dass bei allen Maßnahmen für Kinder die Sorge für deren Wohl an erster Stelle stehen muss. Dies führte zu gezielten Maßnahmen der Förderung, Sicherung und Durchsetzung der Kinderrechte und der EU-Strategie für die Jugend in allen internen und externen Politikbereichen der EU.

2.2

Die neue Richtlinie steht im Einklang mit Vorschlägen zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Opferschutz sowie mit dem Programm zur Förderung der sicheren Nutzung des Internet und greift sachbezogenere verfahrensrechtliche und strafrechtliche Vorschriften zum Kinderschutz aus den Mitgliedstaaten auf. Damit wird die Wirksamkeit der Präventionsmaßnahmen in der EU insgesamt verbessert, indem etwa verhindert wird, dass Straftäter in einen Mitgliedstaat mit weniger strengen Vorschriften umziehen, um dort ihre Straftaten zu begehen. Gemeinsame Begriffsbestimmungen würden den Austausch von sachdienlichen gemeinsamen Daten ermöglichen, deren Vergleichbarkeit verbessern und die internationale Zusammenarbeit erleichtern.

2.3

Durch die neue Richtlinie werden erfasst:

neue Straftaten mittels Informationstechnologie einschließlich der neuen Straftat des „Grooming“;

Bestimmungen zur Erleichterung der Strafermittlung und Anklageerhebung;

Verfolgung von im Ausland begangenen Straftaten von Straftätern mit Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats oder mit gewöhnlichem Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, auch dann, wenn die Straftat außerhalb der EU begangen wird;

neue Opferschutzbestimmungen, die gewährleisten, dass die Opfer leichten Zugang zu Rechtsbehelfen haben und ihre Teilnahme an Strafverfahren ihnen nicht zum Nachteil gerät;

Prävention von Straftaten durch Maßnahmen, die sich auf frühere Straftäter konzentrieren, um Wiederholungstaten zu verhindern, und die den Zugang zu Kinderpornografie im Internet beschränken.

3.   Allgemeine Bemerkungen zu der Begründung

3.1

In Erwägung, dass „bei allen Maßnahmen zur Bekämpfung dieser Straftaten in Einklang mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und der UN-Konvention über die Rechte des Kindes das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein muss“, unterstützt der EWSA die Entscheidung, das Subsidiaritätsprinzip einzuhalten, aber gleichzeitig die nationalen Rechtsvorschriften zu aktualisieren, auszuweiten und zu verschärfen. Die Mitgliedstaaten müssen in der Lage sein können, bei der Festlegung der extraterritorialen gerichtlichen Zuständigkeit für Straftatbestände vom Erfordernis der „doppelten Strafbarkeit“ abzusehen. Das heißt, den Mitgliedstaaten muss gestattet werden, alle Formen sexueller Ausbeutung von Kindern zu verfolgen.

3.2

Die vorhandenen und die neuen Rechtsvorschriften müssen besser durchgesetzt werden und erfordern eine Überwachung durch die Kommission mit Unterstützung von Europol und der Strafverfolgungsbehörden, um zu gewährleisten, dass für den Schutz der Kinder tatsächlich Vorrang besteht. Es müssen gemeinsame Grundsätze und Kriterien für die Festlegung der Schwere der Straftaten sexueller Missbrauch und sexuelle Ausbeutung festgelegt werden. Dazu empfiehlt der EWSA, eine Plattform zu gründen, um bewährte Verfahrensweisen zur Bekämpfung solcher Straftaten mit legislativen und nichtlegislativen Maßnahmen und zur Entwicklung von methodischen Instrumenten und Ausbildungsmaßnahmen auszutauschen. Dies könnte unter größerer Zusammenarbeit mit den Organisationen der Zivilgesellschaft, den Sozialpartnern und den NRO geschehen, um die Öffentlichkeitsarbeit und Sensibilisierung auf lokaler Ebene zu unterstützen.

3.3

Fälle mit großer öffentlicher Resonanz, besonders solche mit mutmaßlichen politischen oder religiösen Implikationen oder aber Wiederholungstaten müssen völlig transparent auf EU-Ebene überwacht werden, um Rückfälle zu vermeiden (4).

3.4

Um die Präventionsstrukturen zu erweitern und die Gefährdung der Opfer zu verringern, sollte die Richtlinie auch mit anderen EU-Politikbereichen, zum Beispiel soziale Sicherheit, Bildung, Familie, Beschäftigung und „digitale Agenda“ in Einklang gebracht werden. Zu besonders gefährdeten Gruppen gehören Kinder von Immigranten und Asylsuchenden, unbegleitete Minderjährige, sozial benachteiligte, ausgegrenzte oder behinderte Kinder, solche in Kinderheimen oder Pflegefamilien oder solche, die in Familien leben, in denen Gewalt und Missbrauch herrschen.

3.5

Die Strafaufklärung in den USA und in Europa zeigt eine enge Korrelation zwischen dem Herunterladen von Seiten, die sexuellen Missbrauch von Kindern und Babys zum Inhalt haben, und konkretem sexuellen Vergehen an Kindern. Eine Einstufung des Strafmaßes lediglich auf der Grundlage von konkreten Kontakten dürfte also mehr Kinder (insbesondere Babys) schwerwiegendem Missbrauch aussetzen.

3.6

92 % der Internetseiten mit Kindermissbrauchsinhalten befinden sich auf Servern in Nordamerika, Europa und Russland (5). Der EWSA ist der Ansicht, dass die Europäische Kommission, der Rat und das Europäische Parlament eine einflussreiche und privilegierte Position haben, die gestattet, auf Drittstaaten, insbesondere die wohlhabenden Staaten der Welt, Druck auszuüben, um die Entfernung von Internetseiten zu verlangen, die Kindermissbrauchsmaterial enthalten.

3.7

Es bedarf einer intensiveren Werbung bei den Bürgern für Sicherheit im Internet und für die europäische digitale Agenda (6). Wegen des zunehmenden Peer-to-Peer-Austauschs von Bildern, die Kindesmissbrauch zum Inhalt haben (7), und der immer häufigeren Kontaktaufnahme zu Kindern zum Zwecke des sexuellen Missbrauchs (Grooming) in sozialen Netzen im Internet müssen umgehend Maßnahmen zur Ermittlung und Verfolgung der Straftäter selbst, derjenigen, die sich solche Internetseiten oder Bilder anschauen und der Diensteanbieter, die solche Seiten speichern, getroffen werden. Die Techniken zur Identifizierung aller Beteiligten in dieser Missbrauchskette bestehen bereits, und die EU muss nur mit größerem Nachdruck bei der ICANN auf verantwortungsvolles Handeln dringen (8).

3.8

Im Mittelpunkt des Richtlinienvorschlags stehen das „Wohl des Kindes“ und der „Schutz von Kindern“. Insgesamt aber mangelt es der Richtlinie an Einzelheiten darüber, welche Vorsorgemaßnahmen durchzuführen wären. Vorsorgemaßnahmen müssen in ganz Europa von allererster Bedeutung sein und Hand in Hand mit gesetzgeberischen Maßnahmen einhergehen. Bei Präventionsmaßnahmen hat die EU-Kommission nur wenig Zuständigkeiten, aber sie sollte in der Richtlinie Strukturen fördern und vorschlagen, mit denen solche Maßnahmen von Dritten eingeführt werden könnten.

3.9

Im Zusammenhang mit Präventionsmaßnahmen könnten weitere Finanzmittel gefordert werden, um die Kommissionsprogramme (z.B. DAPHNE und das Rahmenprogramm) auszuweiten und neue Programme zu entwickeln, die von Partnern aus der Zivilgesellschaft ausgeführt würden. Der EWSA ist der Meinung, dass öffentliche Aufklärung über das Vorhandensein von besonderen Gesetzen zur Bestrafung bestimmter Verhaltensweisen, die Kindern schaden, eine wirksame Vorbeugung sein könnte.

3.10

Interventionsprogramme sind von großer Bedeutung für die Verhütung von Kindesmissbrauch und müssen zusammen mit rechtlichen Sanktionen durchgeführt werden. Deshalb regt der EWSA Folgendes an: In dem Abschnitt „Gründe für den Vorschlag und Zielsetzung“ heißt es: „Die spezifischen Ziele würden die wirksame Strafverfolgung umfassen, den Schutz der Rechte der Opfer und die Prävention der sexuellen Ausbeutung und des sexuellen Missbrauchs von Kindern“. Der Wortlaut sollte wie folgt ergänzt werden: „ durch eine rasche Identifizierung der kindlichen Opfer durch eigens dafür ausgebildetes Personal und durch kinderorientierte Interventionen, die auf Kinder und Straftäter ausgerichtet sind “.

3.11

Es wäre auch zu prüfen, welche Präventionsmaßnahmen und Strafverfolgungen beim „Peer-to-Peer“-Missbrauch und -Bilderhandel zu wählen wären. Wegen der Zunahme des Austauschs von Dateien und der Kontaktaufnahme („Grooming“) in sozialen Netzen müssen unverzüglich Maßnahmen zur Feststellung und Verfolgung der Sexualstraftäter selbst, derjenigen, die sich solche Internetseiten ansehen und der Diensteanbieter, die solche Seiten speichern, getroffen werden.

3.12

In dem Richtlinienvorschlag wird (im Abschnitt „Gründe und Zielsetzung“) darauf hingewiesen, „dass eine nicht unerhebliche Minderheit von Kindern in Europa während ihrer Kindheit sexuellen Übergriffen ausgesetzt ist“. Aber auch die Gefahr für die Kinder außerhalb Europas muss bedacht werden: Ein Kind ist ein Kind – überall in der Welt, und es braucht Schutz vor reisenden Sexualstraftätern aus Europa, die andere europäische oder nichteuropäische Kinder missbrauchen.

3.13

Der Ausdruck „Kinderpornografie“ (im Titel, unter den Begriffsbestimmungen und im Text) sollte durch den Ausdruck „ Bilder oder sonstiges Material zum sexuellen Missbrauch von Kindern “ ersetzt werden. Der Ausdruck „Pornografie“ wird mit Erotika assoziiert.

3.14

„Tourismus“: Im Richtlinienvorschlag (Erwägungsgrund 9) wird der Ausdruck „Sextourismus“ benutzt. Der nunmehr bei Fachleuten und NRO verwendete Begriff lautet hingegen „reisende Sexualstraftäter (9). „Tourismus“ wird mit Ferien und Spaß assoziiert, worauf bereits in der früheren EWSA-Stellungnahme zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch (10) hingewiesen wurde.

3.15

Traditionen“ (Erwägungsgrund 7): „Die Richtlinie soll nicht die Maßnahmen der Mitgliedstaaten hinsichtlich sexueller Handlungen regeln, die (…) der normalen Entdeckung der Sexualität im Laufe der menschlichen Entwicklung zugeordnet werden können; in diesem Zusammenhang wird auch den unterschiedlichen kulturellen und rechtlichen Traditionen (…) Rechnung getragen“. Der EWSA empfiehlt im Kontext von Mobilität, Immigration und veränderten gesellschaftlichen Werten in ganz Europa, darüber Erörterungen und Konsultationen zu führen, welche Auswirkungen „Traditionen“ in diesem Zusammenhang haben. In diesen Konsultationen und den rechtlichen Konsequenzen sollten auch Kulturpraktiken behandelt werden wie z.B. Genitalverstümmelung, die als sexueller Missbrauch von Kindern angesehen werden können.

3.16

Öffentlich zugänglich“ (Erwägungsgrund 13): „Kinderpornografie (…) [kann nicht] als freie Meinungsäußerung gelten. Zur Bekämpfung der Kinderpornografie muss die Verbreitung von Kindermissbrauchsmaterial eingeschränkt werden, indem Straftätern das Laden derartiger Inhalte auf das öffentlich zugängliche Internet erschwert wird.Die Richtlinie muss Kindermissbrauchsmaterial in jedem Kommunikationsmedium  (11) und in jeder Form verhindern. Der Ausdruck „Darstellungen“ umfasst nicht alles Material, aber die Richtlinie muss sich auch auf nicht bildhaftes Kindermissbrauchsmaterial erstrecken. Ferner müssen in der Richtlinie die Begriffe „künstlerische Freiheit“ und „Meinungsfreiheit“ behandelt werden, und es ist sicherzustellen, dass sie im Zusammenhang mit Kindermissbrauchsmaterial nicht falsch interpretiert werden können. Deshalb sollte der Wortlaut von Artikel 2 Buchstabe b) mit der Begriffsbestimmung für „Kinderpornografie“ wie folgt geändert werden (12): „(i) jegliches Material mit Darstellungen eines Kindes, das (…)“ ; „(ii) jegliche Darstellung der Geschlechtsorgane (…)“; „ (iii) jegliches Material mit Darstellungen einer Person mit kindlichem Erscheinungsbild“ .

3.17

Im Zusammenhang damit, dass „Internetanbieter (…) angeregt oder dabei unterstützt werden [können], auf freiwilliger Basis Verhaltenkodizes und Leitlinien für die Sperrung des Zugangs zu derartigen Internetseiten zu entwickeln“ (Erwägungsgrund 13) möchte der EWSA betonen, dass es vorrangig darum gehen muss, die Inhalte bereits an der Quelle zu entfernen, und nur wenn dies nicht möglich ist (z.B. weil diese außerhalb der EU liegen), den Zugang zu solchen Seiten zu sperren. Dies sollte innerhalb der EU zu einer gesetzlichen Vorschrift gemacht werden, wenn die Wirtschaft, die Internetdiensteanbieter, die Wirtschafts- und Finanzakteure wie etwa die Kreditkartenunternehmen es wirklich ernst mit ihrem Kampf gegen diese Form von Missbrauch meinen.

4.   Besondere Bemerkungen zu den Artikeln der Richtlinie

4.1

Artikel 1 („Gegenstand“) sollte wie folgt ergänzt werden: „Strafen auf dem Gebiet des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Darstellung von Kindermissbrauchsmaterial “.

4.2

Artikel 2 Buchstabe b) (iv) sollte wie folgt ergänzt werden: „realistische Darstellung oder Abbildung eines Kindes …“.

4.3

Artikel 2 Buchstabe b): Der Ausdruck „primär“ sollte durchweg gestrichen werden, da er vom Schwerpunkt „für sexuelle Zwecke“ ablenkt.

4.4

Artikel 2 Buchstabe e): Streichung des Satzteils „… mit Ausnahme von Staaten oder sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts in der Ausübung ihrer hoheitlichen Rechte und von öffentlich-rechtlichen internationalen Organisationen“, da es auch bei juristischen Personen keine Straflosigkeit wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern geben darf.

4.5

Artikel 3 Absatz 3 und Artikel 8 zum Begriff „sexuelle Mündigkeit“. In Bezug auf den Satz „Wer sexuelle Handlungen an einem Kind vornimmt, das nach den einschlägigen Bestimmungen des nationalen Rechts das Alter der sexuellen Mündigkeit noch nicht erreicht hat“ sei darauf hingewiesen, dass nach der UN-Kinderrechtskonvention und der europäischen Definition ein Kind eine Person unter 18 Jahren ist; dazu steht die Begriffsbestimmung des Artikels 3 in Widerspruch, der in Artikel 8 allerdings teilweise wieder behoben wird („Auf gegenseitigem Einverständnis beruhende sexuelle Handlungen Gleichaltriger“). Zudem werden in Artikel 3, 4, 5 und 8 keine auf gegenseitigem Einverständnis beruhende sexuelle Handlungen im oder über dem Alter der sexuellen Mündigkeit geregelt. Nach Ansicht des EWSA müsste dieser Punkt noch weiter erörtert und geklärt werden. Der Ausschuss fordert die Mitgliedstaaten dazu auf, diese Richtlinie zum Anlass zu nehmen, europaweit ein einheitliches Mindestalter für sexuelle Mündigkeit festzulegen. Eine weitere Klärung ist auch für den Begriff „vergleichbares Alter“ erforderlich.

Artikel 3 Absatz 4 (i): Angesichts der hohen Zahl von Fällen, die in der Familie geschehen, sollte die „Elternverantwortung“ als eine Vertrauensstellung spezifiziert werden. Dies stünde in Einklang mit der UN-Kinderrechtskonvention. Zudem sollte der Ausdruck „anerkannt“ in der Bezugnahme auf eine „Stellung des Vertrauens, der Autorität oder des Einflusses auf das Kind“ gestrichen werden. Dies ist von Belang in Zusammenhang mit Veranstaltungen in Europa nicht nur in pädophilen Kreisen, sondern auch in Familien und in religiösen, erzieherischen oder sonstigen Betreuungseinrichtungen. Es ist unerlässlich, dass absolut niemand, gleichgültig, ob er/sie eine Vertrauensstellung in der politischen oder in der religiösen Welt hat, Immunität gegen strafrechtliche Verfolgung, Verhör oder Datenzugriffe erhält.

4.6

Artikel 3 Absatz 5: In das Verzeichnis der Straftaten im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch sollte auch „Exhibitionismus“ gemäß der akzeptablen Begriffsbestimmung der EU-Kommission (13) aufgenommen werden.

4.7

Artikel 4 Absatz 2 bis 5 regeln „pornografische Darbietungen“ bei unmittelbarer Beteiligung konkreter Kinder. Dies könnte mit Artikel 5 verwechselt werden, in dem „Straftaten im Zusammenhang mit Kinderpornografie“ geregelt werden. Zur Beseitigung dieser Verwechslungsgefahr wäre eine Anmerkung sinnvoll.

4.8

Artikel 4 bis 8: Bezüglich der Ausdrücke „wissentlich“ und „vorsätzlich“ muss in der Richtlinie eine eindeutige Begriffsbestimmung dieser Ausdrücke erfolgen.

4.9

Artikel 4 Absatz 1: Der Ausdruck „vorsätzlich“ sollte gestrichen werden, da er Straftätern gestatten würde, zu ihrer Verteidigung vorzubringen, dass sie das Alter ihrer Opfer nicht kannten (14).

4.10

Artikel 4 Absatz 8: Die Bestimmung „Wer sexuelle Handlungen (…) vornimmt“ sollte ergänzt werden mit: „ oder es zulässt “ und eine Strafverfolgung ermöglichen, „ unabhängig davon, ob die sexuelle Handlung ausgeführt wurde “.

4.11

Artikel 6 („Kontaktaufnahme zu Kindern für sexuelle Zwecke“) sollte auf verschiedene andere Formen der Kontaktaufnahme ausgeweitet werden, z.B. auch solche durch Personen, die für den Schutz von Kindern verantwortlich sind, und solche außerhalb des Internets.

4.12

Artikel 7 und 9: Diese Artikel sollten entsprechend den übrigen Teilen der Richtlinie das Strafmaß für die betreffenden Straftaten nennen.

4.13

Artikel 7 Absatz 3 Buchstabe b): Ein Teil der reisenden Sexualstraftäter sind Gelegenheitstäter, die eine sich bietende Gelegenheit für sexuellen Missbrauch nutzen. Deshalb empfiehlt der EWSA, auch „ die Organisation von Reisen und/oder sonstigen Reisearrangements im Zusammenhang mit der Begehung einer Straftat nach den Artikeln 3 bis 7 “ unter Strafe zu stellen.

4.14

Artikel 8: Die Feststellung „sofern die sexuellen Handlungen keinen Missbrauch implizieren“ sollte ersetzt werden durch den Wortlaut „ sofern die sexuellen Handlungen keinen Zwang implizieren “.

4.15

Artikel 9 („Erschwerende Umstände“) sollte wie folgt ergänzt werden: „(i) Die Straftat wurde unter Anwendung schwerer Gewalt oder Drohung begangen, oder die Straftat hat dem Kind schweren Schaden zugefügt oder war geeignet, ihm schweren Schaden zuzufügen “.

4.16

Angesichts der Schäden bei Kindern, die solche Straftaten selbst noch im Erwachsenenalter bewirken können, empfiehlt der EWSA, für sie keine Verjährung gelten zu lassen bzw. eine Mindestlaufzeit festzusetzen.

4.17

Artikel 10 und 12 berücksichtigen nicht, dass Straftäter ihren Wohnsitz wechseln können, und gehen nicht weit genug, um sie am Reisen zu hindern. In der früheren Stellungnahme (15), die der EWSA gemeinsam mit der Kinderschutzorganisation ECPAT (16) ausgearbeitet hat, wurde empfohlen:

Beaufsichtigung und Verbot;

bilaterale Kooperationsabkommen;

Abkommen zur Rückführung von überführten Straftätern;

Ausstellung von Foreign Travel Orders (FTO) (Verhängung von Ausreisebeschränkungen).

4.18

Artikel 11 („Verantwortlichkeit juristischer Personen“): Juristische Personen, die das Verhalten von Straftätern ermöglichen, sind ebenfalls verantwortlich zu machen, unabhängig davon, ob sie davon profitieren oder nicht. Deshalb ist der Passus „die zu ihren Gunsten von einer Person begangen wurde“ zu streichen.

4.19

Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe b) („Sanktionen gegen juristische Personen“): Dieser Passus sollte in dem Sinne geändert werden, dass nicht nur ein Verbot der Ausübung einer Handelstätigkeit ausgesprochen wird, sondern „jeglicher Tätigkeit“, die den Kontakt zu Kindern ermöglicht.

4.20

Artikel 13 („Verzicht auf Strafverfolgung“) muss „ sicherstellen “ und nicht nur „die Möglichkeit vorsehen“, dass Kinder, die Opfer von Straftaten geworden sind, wegen ihrer Beteiligung an rechtswidrigen Handlungen nicht strafrechtlich verfolgt oder bestraft werden.

4.21

Artikel 14 („Ermittlung und Strafverfolgung“): Damit Ermittlung und Strafverfolgung praktikabel und effizient sein können, müssen Vorkehrungen für den Zugang zu angemessenen Finanzmitteln für die Ausbildung, Beratung und Erforschung neuer Techniken getroffen werden. Ermittlungsverfahren müssen vollständig transparent sein. In diesem Artikel sollte ferner festgelegt werden, dass für bestimmte Straftaten keine Verjährungsfrist gilt.

4.22

Artikel 14 Absatz 2 („während eines hinlänglich langen Zeitraums“): Die Mitgliedstaaten müssen bei der Festlegung der Verjährungsfristen flexibel sein, damit sie dem Ausmaß der Folgen auf das Leben und/oder das Wohl des Opfers Rechnung tragen können.

4.23

Der EWSA empfiehlt, in der Richtlinie zu spezifizieren, dass die in den Mitgliedstaaten geltenden Verjährungsfristen erst mit der Volljährigkeit des Opfers beginnen. Ferner fordert er die Kommission auf, auf eine Harmonisierung der nationalen Verjährungsfristen hinzuarbeiten, um Unklarheiten oder Fehler zu vermeiden, wenn die Strafverfolgungsbehörden Ermittlungen über Landesgrenzen hinweg durchführen.

4.24

In Artikel 14 Absatz 3 („über wirksame Ermittlungsinstrumente verfügen“) muss unbedingt gewährleistet werden, dass neben diesen Ermittlungsinstrumenten auch voll ausgebildetes Personal vorhanden ist, das sie anwenden kann.

4.25

In Artikel 15 werden „Meldungen“ unterstützt, aber keine Verfahrensweisen und Finanzierungsregelungen genannt, mit denen ein rasches Eingreifen durch Angehörige der Berufsgruppen unterstützt wird, die mit Kindern arbeiten. In Erwägung, dass Straftaten gegen Kinder eher selten gemeldet werden, sollten in allen Mitgliedstaaten effiziente und einfache Meldeverfahren eingeführt werden.

4.26

Um rechtzeitige Meldungen über Verdächtige oder konkrete Fällen sexuellen Missbrauchs und sexueller Ausbeutung zu fördern, muss sichergestellt werden, dass die Personen, die in gutem Glauben Meldung erstatten, vor straf- oder zivilrechtlichen Verfahren, Beschwerden vor Ethikausschüssen oder vor Verfolgung wegen Verletzung der Vertraulichkeitsbestimmungen geschützt werden.

4.27

Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe d) („Gerichtliche Zuständigkeit und Koordinierung der Strafverfolgung“) schweigt vollständig über alle Aspekte der Auslieferung von Straftatverdächtigen. Dieser Punkt wird in Artikel 5 des Fakultativprotokolls zur UN-Kinderrechtskonvention behandelt und sollte auch in der Richtlinie der Kommission ein Thema sein. Im selben Absatz sollte der Ausdruck „zugunsten einer im Hoheitsgebiet (…) niedergelassenen juristischen Person“ ergänzt werden durch „(…) niedergelassenen oder operierenden “.

4.28

Artikel 16 Absatz 2: Der EWSA empfiehlt, in dem Satz „dass eine Straftat (…) nach den Artikeln 3 und 7 (…)“ die Artikel 3, 4, 5, 6 und 7 aufzuführen.

4.29

Artikel 16 Absatz 3: Wenn es die Mitgliedstaaten wirklich ernst meinen mit dem allgemeinen Schutz der Kinder, darf es keine Ausnahmen geben. Deshalb sollte die Ausnahmebestimmung „Ein Mitgliedstaat kann beschließen, dass er die Gerichtsbarkeitsbestimmungen (…) nicht oder nur in bestimmten Fällen oder unter bestimmten Umständen anwendet, wenn die Straftat außerhalb seines Hoheitsgebiets begangen wurde“ gestrichen werden.

4.30

Artikel 17 Absatz 1: Zum Satz „erhalten Unterstützung, (…)“ empfiehlt der EWSA jedem Mitgliedstaat, Kindern, die Opfer einer Straftat nach den Artikeln 3 bis 7 sind, angemessene und fachgerechte Unterstützung zu gewähren, darunter auch Unterkunft an einem sicheren Ort, medizinische und psychosoziale Betreuung sowie Ausbildung. Die Mitgliedstaaten müssen sicherstellen, dass diese Dienste von ausgebildetem Fachpersonal und unter Berücksichtigung der kulturellen Identität/Herkunft des Kindes, seines Geschlechts und seines Alters geleistet werden (17). Mit solchen Maßnahmen kann die Gefährdung verringert und somit die Vorbeugung verbessert werden.

4.31

Artikel 19: Die Aspekte der „Strafermittlungen“ werden in Artikel 8 des Fakultativprotokolls zum UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes behandelt und sollten auch in der Richtlinie der Kommission berücksichtigt werden.

4.32

Auch empfiehlt der EWSA, auf die Resolution 2005/20 des UN-Wirtschafts- und Sozialrats zu Leitlinien für den Schutz kindlicher Opfer und Zeugen von Straftaten in Justizverfahren Bezug zu nehmen (18).

4.33

Viele Kinder, die missbraucht wurden, sei es von ihren Eltern, die sie verkauft haben, von Menschenhändlern oder von Erwachsenen, die mit der Prostitution zu tun haben, haben das Vertrauen in die Erwachsenen verloren; das heißt, erst muss wieder die Grundlage für Vertrauen geschaffen werden, bevor Ermittlungen stattfinden können. Die Mitgliedstaaten müssen also mit der Vollstreckung der Gesetze zur Verfolgung solcher Straftaten auch die Opfer identifizieren und dann das Leben der Kinder wieder herstellen, etwa durch Unterbringung in Unterkünften, Betreuung, Schutz und spezielle psychologische Unterstützung.

4.34

Artikel 19 Absatz 3 Buchstabe e) sollte wie folgt ergänzt werden: „Es sollten möglichst wenige Vernehmungen durchgeführt werden; zudem sollten Vernehmungen nur dann durchgeführt werden, wenn sie für das Strafverfahren oder die Sicherheit und das Wohl des Kindes unabdingbar sind“.

4.35

Artikel 21 („Sperrung des Zugangs zu Webseiten“) sollte neu gefasst werden (19). Dabei sollte einer Entfernung der Webseiten der Vorrang vor ihrer Sperrung gegeben werden, die nur eine sekundäre Maßnahme sein sollte, sofern eine Löschung nicht möglich ist. Eine Sperrung könnte eine kurzfristige taktische Maßnahme parallel zur Beseitigung sein, um den Zugang zu blockieren und unbeteiligte Nutzer vor Bildern mit Kindermissbrauchsinhalten zu schützen (20). In diesem Artikel sollte ferner von den Mitgliedstaaten verlangt werden, unverzüglich zu handeln und entsprechende Webseiten abzuschalten.

4.36

Ist die Entfernung nicht unverzüglich möglich, sollten die Bemühungen dahin gehen, die Bewegungen und Aktivitäten auf Webseiten, die mit der Verbreitung von Kindermissbrauchsinhalten im Zusammenhang stehen, zu verfolgen, um die zuständigen internationalen Stellen für die Strafverfolgung mit Informationen zu versorgen und zu veranlassen, solche Inhalte später zu entfernen und die Verteiler zu ermitteln. Der EWSA empfiehlt:

vereinte internationale Bemühungen der Registrierstellen für Internet-Domain-Namen und der einschlägigen Behörden zur Löschung von Domain-Namen mit Kindermissbrauchsinhalten;

größere Anstrengungen zur Ermittlung des Datenaustauschs, einschließlich des Peer-to-Peer-Austauschs.

4.37

Artikel 21 Absatz 2: Auch sollte darauf hingearbeitet werden, dass Finanzeinrichtungen die Finanztransaktionen verfolgen und unterbrechen, die mit Hilfe ihrer Dienste den Zugang zu Kindermissbrauchsinhalten erleichtern.

5.   Weitere Elemente, deren Aufnahme in die Richtlinie erwogen werden sollte

5.1

Der Datenschutz kommt in der Richtlinie nicht zur Sprache: Der Schutz der Kinder sollte unter den in der Europäischen Menschenrechtskonvention präzise festgelegten Voraussetzungen Vorrang vor Datenschutz und Meinungsfreiheit haben.

5.2

Auf EU-Ebene sind zu installieren eine stärkere Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden, nationale und internationale Managementsysteme für Straftäter und ein Warnsystem für vermisste Kinder.

5.3

Ebenfalls nicht thematisiert wurde der Missbrauch von Kindern durch andere Kinder. Dies muss als Sonderfall betrachtet werden und könnte unter Artikel 9 fallen. Es wird nur kurz in Artikel 20 in einer Bemerkung zu Interventionsprogrammen erwähnt (21).

5.4

Zwar soll das Subsidiaritätsprinzip ohne Abstriche gelten, aber der EWSA fordert die Mitgliedstaaten auf, mit besonderen Maßnahmen sicherzustellen, dass die erforderliche Supervision und psychologische Betreuung für Personen vorhanden ist, die im Bereich Opferschutz tätig sind, um seelische Belastungen zu vermeiden. Unter dem Gesichtspunkt der Humanressourcen sollte dies keine freiwillige Option, sondern eine Vorschrift sein.

5.5

Der EWSA anerkennt, dass die Kommission stärkeren Bedarf an einem „Austausch von Informationen und Erfahrungen auf dem Gebiet der Strafverfolgung, des Opferschutzes oder der Prävention (…), Maßnahmen zur Bewusstseinsschärfung, (…), Kooperation mit dem privaten Sektor, (…) Förderung der Selbstregulierung“ sieht. In diesem Zusammenhang möchte der EWSA darauf hinweisen, dass auch der Arbeitsplatz zu beachten ist. Dies würde es Arbeitgebern und Arbeitnehmern gestatten, sich ihrer Verantwortung bewusst zu werden und ungesetzliche Handlungen zu melden, die zuerst am Arbeitsplatz ans Licht kommen oder durch Kunden/Lieferanten bekannt werden (22).

5.6

Der EWSA nimmt zur Kenntnis, dass durch die Einführung der neuen Richtlinie keine zusätzlichen Kosten anfallen. Dennoch sind mehr Mittel, etwa für Ermittlungen, Öffentlichkeitsarbeit, Ausbildungen, Beratung und Rechtsbeistand erforderlich, um sicherzustellen, dass diese Formen des Missbrauchs so bald wie möglich ausgemerzt werden.

5.7

Schließlich plädiert der EWSA für die Schaffung einer internationalen Strafverfolgungsagentur, die Kindesmissbrauchsfälle in der ganzen Welt ermittelt, die Verteiler entsprechender Inhalte identifiziert und verfolgt und Kinder aus Zwangslagen befreit. Es gibt zahlreiche Vorgehensweisen (23), mit denen der Zugang zu Inhalten minimiert werden kann und die, falls sie weltweit angewandt würden, eine effizientere, raschere und abschreckendere Antwort auf solche Straftaten gewährleisten könnten.

Brüssel, den 15. September 2010

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Mario SEPI


(1)  Siehe Hinweis in der Stellungnahme des EWSA (ABl. C 317 vom 23.12.2009, S. 43 (FN 5): „Übereinkommen des Europarates zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch“, 25.10.2007, siehe: http://conventions.coe.int/Treaty/EN/treaties/Html/201.htm Folgende EU-Mitgliedstaaten haben das Übereinkommen nicht unterzeichnet: Tschechische Republik, Ungarn, Lettland und Malta.

(http://conventions.coe.int/Treaty/Commun/ChercheSig.asp?NT=201&CM=&DF=&CL=ENG).

„Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie“, Verabschiedung: Mai 2000, Inkrafttreten: Januar 2002. Siehe:

http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Aussenpolitik/Themen/Menschenrechte/Download/Fakultativprotokoll__Kinderhandel.pdf Folgende EU-Mitgliedstaaten haben das Fakultativprotokoll nicht ratifiziert: Tschechische Republik, Finnland, Irland, Luxemburg und Malta (http://treaties.un.org/Pages/ViewDetails.aspx?src=TREATY&mtdsg_no=IV-11-c&chapter=4&lang=en).

(2)  ICANN - Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (Zentralstelle für die Vergabe von Internet-Namen und -Adressen).

(3)  IWF (www.iwf.org.uk); ECPAT International (http://www.ecpat.com); Save the Children (www.savethechildren.org); Missing Children Europe (www.missingchildreneurope.eu); Amnesty International (www.amnesty.org).

(4)  An den vielen kürzlich berichteten Fälle von Missbrauch, von denen einige durch staatliches Vorgehen aufgedeckt wurden, zeigt sich das große Ausmaß an systematischem Missbrauch in religiösen Einrichtungen, pädophilen Kreisen und Schulen und Waisenhäusern, von denen viele über Jahrzehnte hinweg gedeckt wurden, um das Image oder Ansehen von Einzelpersonen oder Institutionen zu schützen.

(5)  http://www.iwf.org.uk/documents/20100511_iwf_2009_annual_and_charity_report.pdf.

(6)  http://ec.europa.eu/information_society/digital-agenda/index_de.htm.

(7)  Aus dem Projekt „ISIS: Protecting children in online social networks“ geht hervor, dass in Peer-to-Peer-Netzen jede Minute Tausende von Dateien ausgetauscht werden, die Kindesmissbrauch zum Inhalt haben. Siehe auch: „Supporting Law Enforcement in Digital Communities through Natural Language Analysis“, International Workshop on Computational Forensics, Springer Lecture Notes in Computer Science 5158 (2008), S. 122-134.

(8)  ICANN - Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (Zentralstelle für die Vergabe von Internet-Namen und –Adressen).

(9)  CEOP - Child Exploitation and Online Centre.

(10)  Siehe Fußnote 1.

(11)  ABl. C 224 vom 30.8.2008, S. 61.

(12)  Anm. d. Übers.: Die Änderung bezieht sich auf das englischsprachige Original (Ersetzung von „depict“ durch „present“).

(13)  Dieses Thema wurde kürzlich in einer Rechtssache in Portugal betont.

(14)  Die Kinderschutzorganisation ECPAT empfiehlt die Einführung einer besonderen Regelung, wonach die Beweislast zum Alter von Personen, die auf dem Bildmaterial über den sexuellen Missbrauch von Kindern zu sehen sind, den Personen zufällt, die dieses Material herstellen, vertreiben oder besitzen. In den Niederlanden gilt diese Regelung bereits.

(15)  Siehe Fußnote 1.

(16)  ECPAT steht für „End Child Prostitution, Child Pornography and the Trafficking of Children for Sexual Purposes“ und verfügt über einen besonderen Beraterstatus beim Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen (ECOSOC).

(17)  Rio de Janeiro Declaration and Call for Action to Prevent and Stop Sexual Exploitation of Children and Adolescents (Erklärung von Rio de Janeiro und Aktionsaufruf zur Vorbeugung und Beendigung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen).

(18)  Siehe: http://www.un.org/docs/ecosoc/documents/2005/resolutions/Resolution%202005-20.pdf.

(19)  Siehe Internet Watch Foundation, Bericht über Blockierung und Entfernung von Webseiten.

(20)  http://www.iwf.org.uk/public/page.148.htm.

(21)  Schätzungsweise ein Drittel der Straftäter im Bereich sexueller Missbrauch von Kindern ist jünger als 18 Jahre (May-Chahal und Herzog, 2003).

(22)  Der EWSA hat eine unionsweite Initiative „Europa gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern - WIR SAGEN NEIN!“ vorgeschlagen. Siehe Hinweis auf Stellungnahme in FN 1.

(23)  Siehe Bericht der Internet Watch Foundation.


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