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Document 52009AE0632

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zur Sicherheit der Patienten unter Einschluss der Prävention und Eindämmung von therapieassoziierten Infektionen

    ABl. C 228 vom 22.9.2009, p. 113–115 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    22.9.2009   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 228/113


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zur Sicherheit der Patienten unter Einschluss der Prävention und Eindämmung von therapieassoziierten Infektionen“

    KOM(2008) 837 endg./2 — 2009/0003 (CNS)

    2009/C 228/22

    Der Europäische Rat beschloss am 21. Januar 2009, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

    Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zur Sicherheit der Patienten unter Einschluss der Prävention und Eindämmung von therapieassoziierten Infektionen“

    Das Präsidium des Ausschusses beauftragte die Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft am 24. Februar 2009 mit der Ausarbeitung dieser Stellungnahme.

    Angesichts der Dringlichkeit der Arbeiten bestellte der Ausschuss auf seiner 452. Plenartagung am 24./25. März 2009 (Sitzung vom 25. März 2009) Herrn Lucien BOUIS zum Hauptberichterstatter und verabschiedete mit 135 Stimmen bei 4 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Bemerkungen und Empfehlungen

    1.1

    Schätzungen zufolge kommt es in den EU-Mitgliedstaaten bei 8 bis 12 % der Patienten, die bei ihrer Einlieferung ins Krankenhaus keine entsprechenden Krankheiten aufwiesen, während der Behandlung zu Zwischenfällen (1).

    1.2

    Trotz der geringen Anzahl durchgeführter Studien kann aus dem Vergleich zwischen der Sterblichkeitsrate von Patienten, die sich während der Behandlung eine Infektion zugezogen haben, und derjenigen von Patienten mit derselben Pathologie, die ohne Zusammenhang mit einer Therapie aufgetreten ist, der Schluss gezogen werden, dass die therapieassoziierten Infektionen das Mortalitätsrisiko offenbar um den Faktor 3 erhöhen.

    1.3

    Die therapieassoziierten Infektionen führen zu erheblichen Mehrkosten, sei es aufgrund der verlängerten Verweildauer im Krankenhaus, der medizinischen Bekämpfung der Infektion, der Laboruntersuchungen und Überwachung, der Behandlung von Spätfolgen oder der Entschädigung an die Angehörigen im Todesfall.

    1.4

    Eine Verringerung der therapieassoziierten Infektionen um 10 % würde bereits zu Einsparungen führen, die um das Fünffache höher sind als die Kosten für Vorsorgemaßnahmen der Krankenhäuser (2).

    1.5

    Der Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zum Thema Sicherheit der Patienten unter Einschluss der Prävention und Eindämmung von therapieassoziierten Infektionen ist also ein Vorstoß von ethischer, sozialer und ökonomischer Tragweite. Angesichts der Bedeutung der Bekämpfung therapieassoziierter Infektionen wäre eigentlich das Rechtsinstrument einer Richtlinie angezeigt gewesen

    1.6

    Der EWSA begrüßt diesen Vorschlag, der mit Artikel 152 EGV in Einklang steht, in dem es heißt, dass die Tätigkeit der Gemeinschaft die Politik der Mitgliedstaaten ergänzt und auf die Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung und die Beseitigung von Ursachen für die Gefährdung der menschlichen Gesundheit gerichtet ist.

    1.7

    Der EWSA hält die vorgeschlagenen Fördermaßnahmen für sinnvoll und möchte Bemerkungen und Vorschläge zu ihrer Präzisierung sowie zur weiteren Verbesserung der Patientensicherheit durch Prävention und Eindämmung von therapieassoziierten Infektionen machen.

    1.8

    Insbesondere hält der EWSA weitere Untersuchungen über die Umstände, unter denen therapieassoziierte Infektionen und Zwischenfälle auftreten, für erforderlich. Vor dem Hintergrund etwaiger Patientenklagen wäre eine Klärung des Status der erhobenen Daten wünschenswert, um die Rechte der Patienten zu schützen, gleichzeitig aber den für das Risikomanagement zuständigen Fachleuten und Strukturen die notwendigen Untersuchungen und Analysen zu ermöglichen.

    1.9

    Der EWSA weist vor allem darauf hin, dass einzelstaatliche politische Maßnahmen und Programme aufgestellt oder erweitert, die Unterrichtung der Bürger und Patienten verbessert, die Meldesysteme koordiniert und die Fortbildung des Gesundheitspersonals auf Ebene der Mitgliedstaaten und der einzelnen Gesundheitseinrichtungen ausgebaut werden müssen.

    1.10

    Der EWSA macht darauf aufmerksam, dass therapieassoziierte Infektionen sowohl stationär als auch ambulant behandelte Patienten treffen können, und fordert deshalb, dass bei der Behandlung in allen Behandlungseinrichtungen die Therapien und die Bekämpfung von Zwischenfällen gleichermaßen überwacht werden.

    2.   Zusammenfassung der Empfehlungen der Kommission

    2.1   Hintergrund der Empfehlung

    2.1.1

    Gemäß Artikel 152 des Vertrags ergänzt die Tätigkeit der Gemeinschaft die Politik der Mitgliedstaaten und ist auf die Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung, die Verhütung von Humankrankheiten und die Beseitigung von Ursachen für die Gefährdung der menschlichen Gesundheit gerichtet.

    2.1.2

    Schätzungen zufolge kommt es in den EU-Mitgliedstaaten bei ca. 10 % der Patienten während einer medizinischen Behandlung zu Zwischenfällen (3).

    2.1.3

    Die Mitgliedstaaten der EU weisen hinsichtlich der Entwicklung und Durchführung wirksamer und umfassender Strategien zur Förderung der Patientensicherheit einen unterschiedlichen Stand auf.

    2.2   Der Ansatz der Empfehlung

    2.2.1

    Die Mitgliedstaaten sollten umfassende Berichterstattungssysteme einrichten, so dass Lehren aus den Zwischenfällen gezogen und deren Umfang und Ursachen im Hinblick auf die Entwicklung effizienter Lösungen und Maßnahmen zugunsten der Patientensicherheit erfasst werden können.

    2.2.2

    Auf dem Gebiet der Patientensicherheit sollten auf Gemeinschaftsebene vergleichbare und aggregierte Daten erhoben und bewährte Verfahrensweisen unter den Mitgliedstaaten verbreitet werden.

    2.2.3

    Prävention und Eindämmung von therapieassoziierten Infektionen sollten für Gesundheitsversorgungseinrichtungen eine langfristige strategische Priorität darstellen. Alle Hierarchieebenen und Funktionen sollten dabei zusammenarbeiten.

    2.2.4

    Durch Einbindung in den Prozess der Patientensicherheit sollten die Patienten informiert und zum Handeln befähigt werden.

    3.   Allgemeine Bemerkungen

    3.1   Der EWSA erinnert daran, dass unter therapieassoziierten Infektionen solche verstanden werden, von denen die Patienten bis zu ihrer Aufnahme in eine Gesundheitseinrichtung frei waren, und dass diese Infektionen mit Behandlungsverfahren in Verbindung stehen oder völlig unabhängig davon lediglich durch den Krankenhausaufenthalt selbst erworben werden können.

    3.1.1   Der EWSA betont, dass zur Gewährleistung hoher Hygienestandards für das eingesetzte Personal die notwendigen Voraussetzungen vorliegen müssen. Dies betrifft insbesondere die Arbeitsbedingungen des Personals in Bezug auf die für die Patientinnen und Patienten zur Verfügung stehende Arbeitszeit, die notwendige Weiterqualifizierung und die Zufriedenheit über die Arbeitsbedingungen. Deshalb werden die Träger des Gesundheitswesens aufgefordert, die hierfür erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen.

    3.2   Der EWSA stellt fest, dass die Übertragung sowohl endogen als auch exogen erfolgen kann, d.h. von einem Kranken zum anderen durch Kontakte mit dem Gesundheitspersonal oder mit dessen Arbeitsinstrumenten, aber auch durch Kontaminationen in der Umgebung (Wasser, Luft, Geräte oder Stoffe, Lebensmittel usw.).

    3.2.1   Unabhängig von der Art der Übertragung wird das Auftreten einer Infektion durch den Zustand des Patienten beeinflusst:

    sein Alter und seine Krankheiten;

    bestimmte Behandlungen (insbesondere Überdosen an Antibiotika);

    bestimmte notwendige Maßnahmen im Zusammenhang mit einer Behandlung.

    3.3   Angesichts der medizinischen Fortschritte, durch die auch immer schwächere Patienten versorgt werden können, womit immer mehr Risikofaktoren ins Spiel kommen, müssen die Qualität der Behandlung, aber auch die Sicherheit aller Maßnahmen sowie die Umgebungsfaktoren in der aufnehmenden Gesundheitseinrichtung im Rahmen einer konsequenten Organisation Gegenstand einer genau bestimmten und kontrollierten Praxis, einer verstärkten Wachsamkeit und von Informations- und Fortbildungsmaßnahmen sein.

    3.4   Die Verringerung des vermeidbaren Anteils an therapieassoziierten Infektionen, wie etwa Nosokomial- oder Krankenhausinfektionen, ist ein grundlegendes Element der Patientensicherheit; weitere Risiken eines Krankenhausaufenthaltes sind z.B. Stürze, Nebenwirkungen von Medikamenten usw. Die Infektionsprävention muss also in eine umfassendere Konzeption für alle Zwischenfälle integriert werden.

    3.5   In diesem Sinne begrüßt der EWSA den von der Kommission vorgelegten Vorschlag für eine Empfehlung.

    4.   Besondere Bemerkungen

    4.1   Sicherheit der Patienten — Allgemeine Probleme

    4.1.1

    Der EWSA hält es für unbedingt nötig, in jedem Mitgliedstaat einen Ausschuss für die Bekämpfung therapieassoziierter Infektionen mit der Aufgabe einzurichten, in Zusammenarbeit mit den für Krankenhaushygiene zuständigen Teams ein nationales strategisches Programm zu erarbeiten, das auf die Ebene der Regionen und der einzelnen Gesundheitseinrichtungen zugeschnitten werden kann. Ein solches Programm müsste natürlich regelmäßig bewertet werden.

    4.1.2

    Der EWSA betrachtet es als äußerst dringlich, die Strukturen für die Bekämpfung therapieassoziierter Infektionen zu verbessern und die Gesundheitseinrichtungen zu veranlassen, systematisch Präventions- und Eindämmungsmaßnahmen zu treffen. Die gleiche Wachsamkeit muss auch ambulanten Behandlungen gelten.

    4.1.3

    Der EWSA begrüßt die Absicht der Kommission, die Organisationen und Vertreter der Patienten in die Ausarbeitung von Strategien und Programmen zur Förderung der Patientensicherheit auf allen Ebenen einzubeziehen, was eine effektive Transparenz bei den Beobachtungstätigkeiten vor Ort und den damit zu verbindenden Informationstätigkeiten erforderlich macht.

    4.1.4

    Der EWSA ist der Ansicht, dass der juristische Status der erhobenen qualitativen und quantitativen Daten zu den therapieassoziierten Infektionen und anderen Zwischenfällen bestimmt werden muss, da manche von ihnen bei Rechtsstreitigkeiten den Gerichten vorgelegt werden; es geht darum, ein Gleichgewicht zwischen der Wahrung der Rechte der Patienten einerseits und der Ermöglichung einer vertieften Analyse der Zwischenfälle durch die mit Risikomanagement befassten Fachleute und Einrichtungen andererseits zu finden.

    4.1.5

    Der EWSA hält es für wichtig, dass Evaluierungen in einem Klima des Vertrauens stattfinden, und betont deshalb, dass jedes Meldesystem klar vom Disziplinarsystem und den dazugehörigen Verfahren gegen die Ärzte und das übrige Gesundheitspersonal sowie das Personal in der Verwaltung und dem Dienstleistungsbereich getrennt werden muss.

    4.1.6

    Der EWSA hält es im Interesse einer hinreichenden Unterrichtung der Patienten über die Risiken und die Sicherheitsniveaus für angebracht, Leitfäden mit Empfehlungen für bewährte hygienische Verhaltensweisen und die zu treffenden Maßnahmen zu entwickeln.

    4.1.7

    Der EWSA geht davon aus, dass die Förderung der Aus- und Weiterbildung des mit der Sicherheit der Patienten befassten Personals die Grundlage für jede Präventionsstrategie ist, und ist deshalb der Auffassung, dass die Fortbildung des für die Hygiene zuständigen Personals durch eine bessere inhaltliche Festlegung der Ausbildung der Ärzte und des Pflegepersonals, aber auch aller übrigen Arbeitskräfte in Krankenhäusern gestützt werden kann.

    4.1.8

    Der EWSA weist auf die notwendige Bereitschaft des Gesundheitspersonals hin, die Bemerkungen der Patienten und/oder ihrer Angehörigen zu hygienischen Mängeln oder Verstößen ernst zu nehmen. Die Sensibilisierung der Patienten für die Vorschriften der Krankenhaushygiene muss von einer ebenso starken Sensibilisierung des Gesundheitspersonals für die Bemerkungen und Wünsche der Patienten und ihrer Angehörigen begleitet werden.

    4.2   Prävention und Eindämmung von therapieassoziierten Infektionen

    4.2.1

    Für den EWSA setzt die Eindämmung von therapieassoziierten Infektionen notwendig folgende Aufgaben voraus:

    Überwachung der Krankenhausumgebung durch einen Fachmann für Bio-Hygiene, der die Kontrolle von Luft und Wasser, der Desinfektion der Geräte und der mikrobiologischen Qualität von Oberflächen vornimmt;

    strikte Einhaltung der Vorschriften für die Handhygiene des Gesundheitspersonals, der Patienten und ihrer Angehörigen;

    Überwachung der Lebensmittel durch mikrobiologische Kontrollen und der Einhaltung der Vorschriften für die Rohstoffe und Endprodukte, der Kühl- und Wärmeketten, der Behandlung der Waren und Abfälle und der Hygienepraxis des Küchen- und Dienstpersonals;

    Überwachung der Reinlichkeit der Räume in Krankenhäusern und der Maßnahmen und Therapien, die einen regelmäßigen Austausch von Pflegemitteln erfordern;

    besondere Kontrolle des kalten und heißen Wassers aus öffentlichen Wasserleitungen und des Wassers, das für medizinische Zwecke speziell aufbereitet wird.

    4.2.2

    Der EWSA bemängelt, dass in der Empfehlung der Kommission nicht genügend auf die Verpflichtung eingegangen wird, Zwischenfälle zu untersuchen. Bestimmte Methoden wie etwa Morbiditäts-/Mortalitätsstatistiken, könnten, wenn sie in den Gesundheitseinrichtungen regelmäßig angewandt würden, ebenfalls die Sicherheit der Patientenversorgung verbessern.

    4.2.3

    Der EWSA hält einen Austausch der Informationen über Feststellungen und Beobachtungen sowie bewährter Verfahren, die im Rahmen einer Koordination zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten angewandt werden, für geeignet, um bestimmte Verfahrensweisen zu klassifizieren, zu kodifizieren oder gar zu standardisieren und damit die Aufstellung von Referenzgrößen zu gestatten, die bei der Sanierung von Gesundheitseinrichtungen oder bei Neubauten von großem Nutzen sein können.

    4.2.4

    Der EWSA nimmt zur Kenntnis, dass die Kommission anregt, dafür innerhalb eines Jahres einen geeigneten bereichsübergreifenden Mechanismus einzuführen, und wird aufmerksam die Umsetzung dieser Absicht verfolgen.

    Brüssel, den 25. März 2009

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Mario SEPI


    (1)  Technischer Bericht „Improving Patient Safety in the EU“, ausgearbeitet für die Europäische Kommission, veröffentlicht 2008 von der RAND Cooperation, zitiert in: KOM(2008) 837 endg.

    (2)  Bericht über die Politik zur Bekämpfung von Nosokomialinfektionen, erstellt vom französischen parlamentarischen Amt für die Bewertung gesundheitspolitischer Maßnahmen, 2006.

    (3)  Siehe Fußnote 2.


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