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Document 52009AE0621

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission — Zweite Überprüfung der Energiestrategie — EU-Aktionsplan für Energieversorgungssicherheit und -solidarität

ABl. C 228 vom 22.9.2009, p. 84–89 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

22.9.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 228/84


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission — Zweite Überprüfung der Energiestrategie — EU-Aktionsplan für Energieversorgungssicherheit und -solidarität“

KOM(2008) 781 endg.

2009/C 228/16

Die Europäische Kommission beschloss am 13. November 2008, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission - Zweite Überprüfung der Energiestrategie - EU-Aktionsplan für Energieversorgungssicherheit und -solidarität

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 12. März 2009 an. Berichterstatterin war Frau SIRKEINEN

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 452. Plenartagung am 24./25. März 2009 (Sitzung vom 25. März) mit 130 gegen 3 Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der EWSA begrüßt die Mitteilung, in der die Kommission der Energieversorgungssicherheit die dringend notwendige Aufmerksamkeit widmet, und gelangt zu folgenden Schlussfolgerungen:

die Notwendigkeit einer gemeinsamen internen und externen Energiestrategie der Mitgliedstaaten ist durch die jüngsten Erdgasversorgungskrisen erneut deutlich zutage getreten;

dass das dritte Energiebinnenmarktpaket immer noch nicht geschnürt worden ist, steht im Widerspruch zu den drei Zielsetzungen der Energiepolitik - Versorgungssicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit;

die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Erdölversorgung und dem Verkehrssektor werden von der Kommission nicht gebührend berücksichtigt;

die Kommission geht in ihrer Mitteilung nicht auf die sozialen Aspekte energiepolitischer Maßnahmen ein;

die Mitteilung vermittelt nicht den Eindruck, dass die Lage besonders dringlich ist;

die Kommission sollte raschestmöglich eine Mitteilung zur Überwindung der Hindernisse für erneuerbare Energien in der EU vorlegen, in der die erneuerbaren Energieträger im Rahmen des Gesamtenergiesystems analysiert werden;

das Vorhaben der Kommission, eine Agenda für 2030 zu erstellen und ein Zukunftsbild für 2050 zu entwerfen, ist äußerst wichtig, da technologische Umwälzungen und Veränderungen der Energiesysteme Zeit brauchen;

in dem neuen hinweisenden Nuklearprogramm wurden die einschlägigen Bemerkungen des EWSA umfassend berücksichtigt.

1.2

Der Ausschuss empfiehlt Folgendes:

alle EU-Instrumente, die die Gefährdung der Versorgungssicherheit verringern können, müssen wirksam und dringend angewendet werden;

wenn die Beschlussfassung über die jüngsten Legislativvorschläge abgeschlossen ist, sollte das Augenmerk ihrer Durchsetzung gelten; neue Vorschläge für Rechtsvorschriften sollten im Interesse möglichst großer Rechts- und Planungssicherheit vermieden werden;

von den fünf Punkten des Aktionsplans sollte die Energieeffizienz als zentrales Instrument an die erste Stelle gesetzt werden, da es ein großes Potenzial an kostenwirksamen Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz gibt;

die Kommission sollte eine Prioritätenrangfolge ihrer zahlreichen angekündigten Maßnahmen festlegen;

es müssen dringend Maßnahmen in Bezug auf die isolierten Energiemärkte ergriffen und die transeuropäischen Energienetze vollendet werden;

zusätzlich zu den Infrastrukturinvestitionen muss auch dem hohen Investitionsbedarf in die Energieerzeugung und in die Grundlagenforschung mit Blick auf den Zeithorizont 2050 mehr Aufmerksamkeit zukommen;

im Rahmen ihrer Außenbeziehungen muss die EU neben einer Strategie zur Sicherung ihrer Energieversorgung auch ein verantwortungsvolles nachhaltiges globales Energiekonzept entwickeln;

ein breit gefächertes Spektrum an Maßnahmen ist erforderlich, um Energieeinsparungen zu fördern, doch muss eine Überregulierung auf europäischer Ebene vermieden werden;

die EU muss sich im Bereich der Energieeffizienz-Technologien an die Spitze setzen;

die Kommission sollte, wo immer möglich, für verschiedene Energieverbrauchsarten die Machbarkeit individueller Ziele als wirkungsvolles Instrument zur Steigerung der Energieeffizienz prüfen, vor allem bei binnenmarktrelevanten Erzeugnissen und Diensten;

in Anbetracht des hohen Investitionsbedarfs im Bereich der Energieerzeugung sollte schleunigst über die Zukunft der Kernenergie entschieden werden;

in dem Zukunftsbild für 2050 muss die weltweite Lage berücksichtigt werden, da sie den Rahmen für die Ambitionen der EU vorgibt.

2.   Einleitung

2.1

Die Ziele der EU-Energiepolitik sind Nachhaltigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Versorgungssicherheit. Der Versorgungssicherheit kam in jüngster Zeit nicht die gebührende Aufmerksamkeit zu, und dies hat sich als ungünstig erwiesen, wie durch die Auswirkungen des russisch-ukrainischen Gasstreits, die Rezession und die außerordentlich instabilen Energiepreise deutlich wurde. Dabei ist nicht die Außenabhängigkeit bei der Energieversorgung das eigentliche Problem, sondern die zunehmende Abhängigkeit von Energie-Lieferländern, die sich nicht an die gleichen Regeln halten wie Europa, sowie die stetig steigende Erdgasnachfrage gefährden die Versorgungssicherheit.

2.2

Die wichtigsten Legislativvorschläge der EU in den letzten beiden Jahren sind das 3. Energiebinnenmarktpaket und das Energie- und Klimapaket. Das Energie- und Klimapaket wurde in rekordverdächtiger Geschwindigkeit im Dezember 2008 in erster Lesung angenommen, wobei die Regelung vieler Detailfragen dem Ausschussverfahren überlassen wurde. Das Energiebinnenmarktpaket ist auch nach zwei Jahren noch nicht fertig geschnürt, was in klarem Widerspruch zu der Notwendigkeit eines gut funktionierenden Binnenmarktes steht, um alle drei energiepolitischen Zielsetzungen erreichen zu können.

2.3

Die verschiedenen energiepolitischen Ziele sind voneinander abhängig, und die Maßnahmen zu ihrer Umsetzung verstärken sich weitgehend gegenseitig. Aber eben nur weitgehend. Das Ziel der Versorgungssicherheit muss Vorrang haben. In Anbetracht der ernsten Folgen von Versorgungsunterbrechungen und Energiearmut muss die Energieversorgung der Bürger und der Unternehmen unter allen Umständen gewährleistet sein.

3.   Wesentlicher Inhalt des Kommissionsdokuments

3.1

Die Zweite Überprüfung der Energiestrategie wurde von der Europäischen Kommission im November 2008 veröffentlicht. Die Kommission schlägt einen EU-Aktionsplan für Energieversorgungssicherheit und -solidarität mit fünf Schwerpunkten vor:

Infrastrukturbedarf und Diversifizierung der Energieversorgung;

Außenbeziehungen im Energiebereich;

Öl- und Gasvorräte und Krisenreaktionsmechanismen;

Energieeffizienz;

Optimale Nutzung eigener Energieressourcen der EU.

3.2

Im Rahmen der Zweiten Überprüfung der Energiestrategie wird eine Aktualisierung des Hinweisenden Nuklearprogramms 2007 vorgelegt. Schwerpunktmäßig geht es darin um die Versorgungssicherheit, den Investitionsbedarf und Rahmenbedingungen für Investitionen.

3.3

In Verbindung mit der Zweiten Überprüfung der Energiestrategie unterbreitet die Kommission folgende Vorschläge:

das Energieeffizienzpaket 2008;

eine Änderung der Richtlinie über Ölvorräte; und

einen geänderten Vorschlag für eine Richtlinie zur Schaffung eines Gemeinschaftsrahmens für nukleare Sicherheit.

3.4

Im Rahmen der Zweiten Überprüfung der Energiestrategie kündigt die Kommission folgende Vorschläge an:

im Jahr 2010 eine Überarbeitung der Richtlinie zur Erdgasversorgungssicherheit;

die Förderung der umweltverträglichen Entwicklung der einheimischen Ressourcen der EU an fossilen Brennstoffen;

eine Mitteilung zur Überwindung der Hindernisse für erneuerbare Energien in der EU; und

eine Initiative zur Finanzierung einer nachhaltigen Energiewirtschaft als gemeinsames Projekt der Kommission und der Europäischen Investitionsbank.

3.5

Die Kommission schlägt daher vor, die Energiepolitik für Europa im Jahr 2010 zu aktualisieren und für 2030 eine Agenda und für 2050 ein Zukunftsbild und einen neuen Aktionsplan zu entwerfen.

4.   Allgemeine Bemerkungen

4.1

Der EWSA begrüßt die Mitteilung der Kommission vor allem deshalb, weil es dringend nötig ist, die Energieversorgungssicherheit in den Blickpunkt zu rücken, und weil die Kommission sich darin um einen umfassenden Ansatz zur Bewältigung der aktuellen energiepolitischen Herausforderungen bemüht. Die EU verfügt über eigene Instrumente, um die Gefährdung ihrer Versorgungssicherheit zu verringern. Die Kommission hat eine Aufstellung des Instrumentariums vorgenommen, das nun wirksam angewendet werden muss.

4.2

Das Tätigwerden der EU im Bereich Energieversorgungssicherheit sollte jedoch nicht zu mehr Legislativvorschlägen führen. Nach Annahme der derzeit auf dem Tisch liegenden Pakete sollte das Augenmerk auf die Umsetzung gerichtet werden. Der Rechtsrahmen muss stabil bleiben, damit die notwendigen Maßnahmen unter möglichst verlässlichen Bedingungen durchgeführt werden können.

4.3

Die Notwendigkeit einer gemeinsamen Energiestrategie der Mitgliedstaaten ist erneut deutlich zutage getreten. Immer wieder ist - auch vom EWSA - die Forderung erhoben worden, die EU müsse „mit einer Stimme sprechen“. Solange - insbesondere die großen - Mitgliedstaaten nur darauf bedacht sind, ihre eigenen Schäfchen ins Trockene zu bringen, wird die europäische Energieszene hinter ihrem Potenzial zurückbleiben und schwächer, anfälliger und ineffizienter sein als nötig.

4.4

Der EWSA heißt die fünf Punkte des Aktionsplans gut, würde jedoch die Energieeffizienz an erste Stelle setzen - oder vielmehr Energieeinsparungen, denn letztendliches Ziel sollte die Verringerung der Energienutzung sein, wobei die Energieeffizienz zentrales Mittel zum Zweck ist. Zwar machen auch optimale Ergebnisse in diesem Bereich den Handlungsbedarf in den anderen Bereichen nicht weniger dringlich, doch gibt es ein großes Potenzial an kostenwirksamen Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz, das genutzt werden sollte, um andere, kostenträchtigere Maßnahmen zu vermeiden. Als wichtigstes Beispiel wäre in diesem Zusammenhang das Energieeffizienzpotenzial von Gebäuden zu nennen.

4.5

Nach Meinung des EWSA geht die Kommission nicht angemessen auf die Problematik der Erdölversorgung und des Verkehrssektors ein. 36 % des EU-Energiebedarfs wird durch Öl gedeckt, das vor allem im Verkehr eingesetzt wird, und mit dem zunehmenden Straßenverkehrsaufkommen steigen auch die CO2-Emissionen. Zudem dürften die Ölpreise weiterhin starken Schwankungen ausgesetzt sein, wobei mit erheblichen Preisanstiegen zu rechnen ist. Im Januar legte der EWSA auf Ersuchen des Europäischen Parlaments eine Stellungnahme zum Thema „Lösungsansätze für die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Ölversorgung“ (1) vor.

4.6

In ihrer Mitteilung vernachlässigt die Kommission auch die sozialen Aspekte der Energiepolitik, wie beispielsweise Arbeitsplatzverluste, Entstehung neuer Arbeitsplätze in einer grüneren Wirtschaft, schulische und berufliche Bildung und Energiearmut. Der Ausschuss weist darauf hin, dass Energie keine Ware im üblichen Sinn ist und dass die Versorgung der Verbraucher als Dienstleistung von allgemeinem Interesse den Grundsätzen des allgemeinen und des erschwinglichen Zugangs genügen muss.

4.7

Die Kommission vermittelt nach Ansicht des EWSA nicht wirklich den Eindruck, dass die Lage so dringlich ist, wie in Anbetracht der vergangenen und jüngsten Versorgungsprobleme doch allemal anzunehmen wäre. In ihrer Mitteilung kündigt die Kommission zahlreiche (mehr als 45) geplante Aktionen an, in der Hauptsache die Vorlage von Mitteilungen. Um der Dynamik keinen Abbruch zu tun, sollte eine Prioritätenrangfolge festgelegt werden.

4.8

Der EWSA begrüßt ferner das Vorhaben, auf der Grundlage eines neuen Aktionsplans eine Agenda für 2030 zu erstellen und ein Zukunftsbild für 2050 zu entwerfen. In seiner Stellungnahme zum Energiemix (2) ging der Ausschuss bereits im Jahr 2006 auf ein solches Zukunftsbild ein. Aufgrund der langen Amortisierungsfristen brauchen technologische Umwälzungen ebenso wie einschneidende Veränderungen der Energiesysteme Zeit. Deshalb ist ein Zukunftsbild, das über das begrenzte Anpassungspotenzial der heutigen Technologien und Infrastrukturen hinausblickt, von wesentlicher Bedeutung.

5.   Besondere Bemerkungen

5.1   Förderung der für die Erfordernisse der EU wesentlichen Infrastrukturen

5.1.1

Der EWSA befürwortet, dass die Kommission in diesem Bereich tätig ist, zumal die fortwährende Außenabhängigkeit bei der Energieversorgung Anlass zur Sorge gibt. Der EWSA möchte die nachstehenden Bemerkungen vortragen.

5.1.2

Die von der Kommission ermittelten sechs Prioritäten sind allesamt wichtig; und Effizienz setzt Prioritäten voraus. Ende Januar 2009 hat die Kommission unter diesen Prioritäten spezifische Projekte vorgelegt, die im Rahmen des EU-Konjunkturprogramms finanziert werden sollen. Es ist schwierig, zu diesen prioritären Vorhaben Stellung zu beziehen, ohne über transparente Informationen über diese und andere in Betracht kommende Projekte sowie Informationen über eine potenzielle private und öffentliche Finanzierung zu verfügen.

5.1.3

Es ist zu bedauern, dass die isolierten Energiemärkte im Ostseeraum nicht schon früher thematisiert wurden. Nun herrscht dringender Handlungsbedarf. Gleichzeitig sollte dafür gesorgt werden, dass kleine isolierte Mitgliedstaaten ihren Energiebedarf durch einen Verbund mit dem europäischen Festland decken können.

5.1.4

Was die Gaskorridore anbelangt, stellte der EWSA jüngst in seiner Stellungnahme zur externen Dimension der Energiepolitik fest, dass vermutlich mehrere Projekte notwendig sein dürften, um die künftig notwendige Erdgasfernleitungskapazität decken zu können. Aus politischer Sicht sollten die Projekte nicht als konkurrierende Optionen betrachtet werden. Es müssen nun dringend Maßnahmen ergriffen werden, um die Erdgas-Versorgungssicherheit zu gewährleisten, und dazu ist eine konzertierte Vorgehensweise der Mitgliedstaaten und der Kommission erforderlich.

5.1.5

Ein Sammelkaufmechanismus bedarf näherer Erläuterungen. Auch stellt sich die Frage, warum nur der kaspische Raum anvisiert wird.

5.1.6

Die Versorgungssicherheitsprobleme lassen sich nicht allein durch Infrastrukturen für den Energietransport lösen. Die notwendige Ersetzung von Kraftwerken erfordert Investitionen in Höhe von nahezu 1 Billion EUR. Zum Teil hat die Kommission diesen Sachverhalt in dem Abschnitt über die eigenen Energiereserven der EU berücksichtigt, doch wären genauere Überlegungen zum Investitions- und Finanzierungsbedarf erforderlich.

5.1.7

Ein wesentlicher Aspekt im Zusammenhang mit Investitionen ist die Funktion der verschiedenen Akteure - der EU, ihrer Finanzinstitutionen, der Mitgliedstaaten und der Unternehmen. Die Unternehmen tätigen die Investitionen, und zwar dann, wenn die Voraussetzungen stimmen. Auch wenn auf einem turbulenten Energiemarkt Fehler unterlaufen, sind die Unternehmen immer noch am besten in der Lage, den Markt zu bewerten und Risiken zu übernehmen. Der öffentliche Sektor und die Politik können für die richtigen Rahmenbedingungen sorgen und - in Grenzen - Anreize und politische Unterstützung geben. Der EWSA befürwortet daher nachdrücklich die Absicht der Kommission, enger und wirksamer mit dem privaten Sektor und den Finanzinstitutionen zusammen zu arbeiten.

5.2   Stärkere Gewichtung von Energie in den Außenbeziehungen der EU

5.2.1

Im Januar 2009 legte der EWSA seine Stellungnahme zur externen Dimension der Energiepolitik vor. Die darin vorgetragenen Bemerkungen, Schlussfolgerungen und Empfehlungen sind nach wie vor relevant und stehen im Einklang mit den Vorschlägen der Kommission in ihrer Mitteilung. Allerdings legt der Ausschuss vor allem auf zwei Punkte mehr Nachdruck: Es muss darauf hingewirkt werden, dass die Lieferländer auf ihrem Energiemarkt die gleichen Bedingungen gewähren wie die EU, z.B. Zugang zur Infrastruktur, Investitionsschutz usw., und vor allem sollten die Mitgliedstaaten, wenn sie die Aushandlung von Handelsverträgen unterstützen, als Vorbedingung für ihre Unterstützung entsprechende gemeinsam vereinbarte Rahmenbedingungen einfordern.

5.2.2

Der EWSA legte ferner einen Ansatz für die Energieaußenbeziehungen vor, der auf zwei Säulen beruht: zum einen auf der europäischen Energieversorgungssicherheit und zum anderen auf einem verantwortungsvollen nachhaltigen globalen Energiekonzept. Die globale Verantwortung Europas wird von der Kommission nur kurz und auch nur teilweise angesprochen. Diese Verantwortung bedarf einer umfassenden Aufmerksamkeit, denn es reicht nicht, wenn die EU nur in den internationalen Klimaverhandlungen eine Führungsrolle übernimmt.

5.3   Bessere Öl- und Gasvorratshaltung und Krisenreaktionsmechanismen

5.3.1

Der EWSA stimmt der Ansicht der Kommission in Sachen Erdgasversorgungssicherheit zu. Notfallmaßnahmen sind angezeigt, doch muss und kann es dafür andere Lösungen geben als die kostspielige Haltung verbindlicher Erdgasvorräte. Alternative Möglichkeiten sind die Diversifizierung der Versorgungsquellen und -wege, LNG, Zusammenarbeit mit Nachbarländern, aussetzbare Verträge und die Umstellung auf andere Brennstoffe.

5.4   Neue Impulse für die Energieeffizienz

5.4.1

Der EWSA hat sich in mehreren Stellungnahmen zum Thema Energieeffizienz geäußert und ausführlich praktische Maßnahmen erörtert. Der Ausschuss ist mit dem Ansatz der Kommission einverstanden, möchte aber einige Bemerkungen hinzufügen.

5.4.2

Es gibt eine breite, nahezu unbegrenzte Auswahl an Maßnahmen, wie Energie effizienter erzeugt und genutzt werden kann. Die Kommission hat eine ganze Reihe Rechtsvorschriften vorgeschlagen, u.a. zur Energieeffizienz von Gebäuden, zur Energiekennzeichnung und zum Ökodesign. Offensichtlich plant sie noch weitere Vorlagen. Dabei bittet der EWSA sehr genau darauf zu achten, dass keine Überregulierungen erfolgen, sondern dass die Innovationspotenziale bestmöglich ausgeschöpft werden können. Politische Maßnahmen - Vorschriften, öffentliche Förderung usw. - sind notwendig, um Fortschritte bei Energieeinsparungen zu erzielen, müssen jedoch sorgfältig konzipiert werden, um in den jeweiligen Anwendungsbereichen am kostenwirksamsten zu sein und den Markt so wenig wie möglich zu verzerren. Maßnahmen der EU sollten sich nur auf binnenmarktrelevante Erzeugnisse und Dienste beziehen. Der EWSA würde es begrüßen, wenn mehr Gewicht auf freiwillige Maßnahmen, Selbst- und Koregulierung und auch Standardisierung gelegt würde.

5.4.3

Europa steht bei der Förderung der Energieeffizienz an vorderster Front. Es muss auch auf dem Gebiet energieeffizienter Technologien eine Vorreiterrolle übernehmen. Europa muss aus seiner führenden Rolle umfassend Kapital schlagen, und zwar durch die Finanzierung von Forschung und Entwicklung, Innovationsförderung und Risikofinanzierung, geeignete Standardisierungsmaßnahmen sowie die Förderung offener Märkte in Europa und weltweit, eines wirksamen internationalen Klimaübereinkommens und internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Energieeffizienz.

5.4.4

Der EWSA unterstützt zwar das Ziel für eine 20 %ige Steigerung der Energieeffizienz, hegt jedoch Bedenken dagegen, dieses Ziel verbindlich festzuschreiben. Energieeffizienz betrifft sämtliche menschlichen und wirtschaftlichen Tätigkeiten und kann auf unzählige Arten und Weisen gefördert werden. Wie könnte da z.B. eine gerechte Lastenteilung erreicht werden? Stattdessen empfiehlt der Ausschuss, dass die Kommission, wo immer möglich, für verschiedene Energieverbrauchsarten die Machbarkeit individueller Ziele als wirkungsvolles Instrument zur Steigerung der Energieeffizienz prüfen sollte, vor allem bei binnenmarktrelevanten Erzeugnissen und Diensten.

5.5   Bessere Nutzung eigener Energiereserven der EU

5.5.1

Der EWSA stimmt den Aussagen der Kommission zur Nutzung der eigenen Energiereserven der EU weitgehend zu. Eine realistische Beurteilung der Entwicklung des Energiebedarfs sowie der Potenziale, Einschränkungen und Voraussetzungen für die Entwicklung und Nutzung verschiedener Energiequellen ist wichtig.

5.5.2

Der EWSA begrüßt die Absicht der Kommission, eine Mitteilung zur Überwindung der Hindernisse für erneuerbare Energien in der EU vorzulegen, und drängt sie, dies baldmöglichst zu tun. Die wichtige Frage, wie die Nutzung erneuerbarer Energieträger, die zukünftig die wichtigsten und umweltverträglichsten heimischen Energieträger sein werden, ausgebaut werden kann, hätte schon früher im Rahmen des Gesamtenergiesystems analysiert und behandelt werden sollen. Relevant sind in diesem Zusammenhang, wie auch die Kommission hervorhebt, netzbedingte Probleme, aber auch der Bedarf an Reserveenergie. Bei der Erarbeitung der Studie sollte auch der Frage nachgegangen werden, ob es durch die Schaffung evtl. „Reserveenergien“ u.U. zu einer negativen Bilanz der erneuerbaren Energieträger in Bezug auf Emissionen oder Versorgungssicherheit kommen kann. Des Weiteren wären Probleme bei Planungs- und Genehmigungsverfahren zu klären.

5.5.3

Der EWSA stimmt zu, dass verbindliche Normen für CO2-Emissionen erst nach Auswertung industrieller Kohlenstoffabscheidungs-Demonstrationsprojekte in Betracht gezogen werden sollten.

5.5.4

Was Kernenergie anbelangt, so hat der EWSA seit geraumer Zeit die Ansicht vertreten, dass alle Energieoptionen für Stromerzeugung zur Verfügung stehen müssen, wenn die Energieziele erreicht werden sollen. In Anbetracht des hohen Investitionsbedarfs im Bereich der Energieerzeugung in nächster Zeit sollte in den Mitgliedstaaten, die sich für die Kernenergieoption entschieden haben oder entscheiden werden, schleunigst Klarheit über die Zukunft der Kernenergie geschaffen werden. Den Prognosen der Kommission zufolge wird die Kernenergiekapazität bis 2020 um ein Viertel zurückgehen; ohne neue Kernkraftwerke wird die Kapazität teilweise durch Kohle- und Gaskraftwerke ersetzt werden, durch die sich die Emissions- und Versorgungssicherheitsprobleme verschärfen werden. Die Sicherheit kerntechnischer Anlagen bedarf ständiger Aufmerksamkeit sowie der Mitwirkung der Behörden; die Entsorgung radioaktiver Abfälle muss geregelt werden. Der EWSA äußert sich in einer separaten Stellungnahme zu dem geänderten Vorschlag für eine Richtlinie zur Schaffung eines Gemeinschaftsrahmens für nukleare Sicherheit.

5.5.5

Der EWSA begrüßt die Absicht der Kommission, Vorlagen über den Bedarf an Energieerzeugungskapazität - Ölraffinerie- oder Stromerzeugungskapazität - zu unterbreiten. Dabei muss aber unbedingt berücksichtigt werden, dass die EU weder über Investitionen in Energieerzeugungskapazitäten entscheiden noch entsprechende Empfehlungen unterbreiten kann, da sie auch potenzielle Risiken nicht übernehmen kann. Das Zusammentragen und Analysieren einschlägiger Informationen und auch Modellierung kann sehr nützlich sein, und in diesem Zusammenhang empfiehlt sich eine Zusammenarbeit mit der Internationalen Energieagentur.

5.6   Entwurf eines Zukunftsbildes für 2050

5.6.1

Der EWSA heißt die Absicht der Kommission gut, 2010 eine neue Energiepolitik für Europa vorzuschlagen und eine Agenda für 2030 zu erstellen und ein Zukunftsbild für 2050 zu entwerfen. Er befürwortet auch, dass sie sich dabei auf eine breit angelegte Konsultation zur Prüfung möglicher längerfristige Ziele stützen will.

5.6.2

In diesem Zusammenhang erachtet er die vorläufig von der Kommission angesprochenen Bereiche - kohlenstofffreie Stromversorgung, Ölabhängigkeit des Verkehrs, Gebäude, Stromnetzverbund, hocheffizientes Energiesystem mit geringer Kohlenstoffintensität - als absolut wesentliche langfristige Herausforderungen. Um diese Herausforderungen bewältigen zu können, müssen alle technologischen Optionen, auch Kernfusion und Wasserstoff, offen gehalten werden.

5.6.3

Die weltweite Lage und die globalen Entwicklungen müssen in dem Zukunftsbild berücksichtigt werden, da sie den Rahmen für die Ambitionen der EU vorgeben. Die Lage in Europa und die Entscheidungen der EU werden in vielerlei Hinsicht durch die schnell wachsende Energienachfrage in den Entwicklungsländern, den Klimawandel und - hoffentlich - international vereinbarte Maßnahmen zur Eindämmung und Anpassung, die Verfügbarkeit fossiler Energieträger usw. beeinflusst. Als anschauliches Beispiel mag das Wechselbad der Gefühle im Zusammenhang mit den Erdölpreisen dienen - gestern noch der Schock der schwindelerregenden Preissteigerungen, heute die Angst vor Produktionsdrosselungen aufgrund des Preissturzes.

5.7   Aktualisierung des Hinweisenden Nuklearprogramms

5.7.1

Der EWSA nimmt mit Zufriedenheit zur Kenntnis, dass die Kommission seine Stellungnahme zum Hinweisenden Nuklearprogramm (3) aus dem Jahr 2007 sowie seine Sondierungsstellungnahme zum Thema „Künftige Investitionen in die Kernindustrie und ihre Rolle in der Energiepolitik der EU“ (4) umfassend berücksichtigt hat. Zunächst steht die EU vor der wichtigen Aufgabe, den fortschrittlichsten Rahmen für Kernenergie im Einklang mit den höchsten Standards in Bezug auf Sicherheit, Gefahrenabwehr und Nichtverbreitung weiterzuentwickeln. Die Problematik der Entsorgung radioaktiver Abfälle, der Sicherung einer langfristigen Finanzierung von Stilllegungen, der Bedrohung durch Terrorismus und der Notwendigkeit eines harmonisierten Haftungssystems wird in Übereinstimmung mit den Ansichten des EWSA behandelt. Der EWSA betont, dass alle Kosten, die in diesem Zusammenhang anfallen, von den Betreibern der kerntechnischen Anlagen zu zahlen sind.

5.7.2.

Wie schon zuvor stimmt der EWSA zu, dass Kernenergie im künftigen Energiemix Europas im Hinblick auf die Eindämmung des Klimawandels und die Sicherung der Stromversorgung eine wichtige Rolle zu spielen hat. Er hält es ebenfalls für notwendig, die Bedenken der Öffentlichkeit auszuräumen, und begrüßt entsprechende Vorschläge. Der EWSA befürwortet die Empfehlungen für gemeinsame Reaktorsicherheitsstandards sowie die Erwägung, dass neue Reaktoren mindestens die Generation-III-Standards für nukleare Sicherheit und Sicherung erfüllen müssen. Einige Maßnahmen für die Erleichterung der Finanzierung neuer Anlagen sind gerechtfertigt, insbesondere in Anbetracht der gegenwärtigen Wirtschaftslage, doch dürfen staatliche Beihilfen oder EU-Haushaltsmittel nicht zu diesem Zweck eingesetzt werden. Auch wenn einige Mitgliedstaaten signalisiert haben, dem Bau neuer Atomkraftwerke offener gegenüber zu stehen, so wird der Bau, die Finanzierung, der Betrieb und die Entsorgung Aufgabe privater Unternehmer sein. Der Staat setzt lediglich den Rahmen. Bei geplanten kerntechnischen Anlagen sollten Informationen – auch über die Kosten – so früh wie möglich offen und umfassend vorgelegt werden, um eine öffentliche Debatte und die Teilhabe der Öffentlichkeit zu ermöglichen.

Brüssel, den 25. März 2009

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Mario SEPI


(1)  Siehe EWSA-Stellungnahme CESE 46/2009 vom 14.1.2009 zum Thema „Lösungsansätze für die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Ölversorgung“, Hauptberichterstatter: Herr Osborn.

(2)  Siehe Stellungnahme CESE zum Thema „Die Energieversorgung der Europäischen Union - eine Strategie für einen sinnvollen Energiemix“, Berichterstatterin: Frau Sirkeinen, ABl. C 318 vom 23.12.2006, S. 185.

(3)  Siehe Stellungnahme CESE zum Hinweisenden Nuklearprogramm, Berichterstatterin: Frau Sirkeinen, ABl. C 256 vom 27.10.2007, S. 51.

(4)  Siehe Stellungnahme CESE 1912/2008 vom 4.12.2008 zum Thema „Künftige Investitionen in die Kernindustrie und ihre Rolle in der Energiepolitik der EU“, Berichterstatter: Herr Iozia.


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