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Document 52008IE1571

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Ausweitung der Antidiskriminierungsmaßnahmen über die Beschäftigung hinaus auf andere Bereiche und Zweckmäßigkeit einer einzigen umfassenden Antidiskriminierungsrichtlinie

ABl. C 77 vom 31.3.2009, p. 102–108 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

31.3.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 77/102


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Ausweitung der Antidiskriminierungsmaßnahmen über die Beschäftigung hinaus auf andere Bereiche und Zweckmäßigkeit einer einzigen umfassenden Antidiskriminierungsrichtlinie“

(2009/C 77/24)

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 17. Januar 2008, gemäß Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

„Ausweitung der Antidiskriminierungsmaßnahmen über die Beschäftigung hinaus auf andere Bereiche und Zweckmäßigkeit einer einzigen umfassenden Antidiskriminierungsrichtlinie“.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 18. Juli 2008 an. Berichterstatter war Herr CROOK.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 447. Plenartagung am 17./18. September 2008 (Sitzung vom 18. September) mit 112 gegen 3 Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Das Recht auf Gleichbehandlung ist sowohl ein universelles Recht als auch ein Grundprinzip des Gemeinschaftsrechts. Es ist in der Charta der Grundrechte verankert und gründet sich auf die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, die übrigen von allen Mitgliedstaaten unterzeichneten internationalen Übereinkommen und die verfassungsmäßigen Traditionen, die allen Mitgliedstaaten gemeinsam sind.

1.2

Gemäß Artikel 13 EGV ist die EU verpflichtet, jede Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts, der Rasse oder ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung in allen Bereichen, für die sie zuständig ist, zu bekämpfen. Der Lissabon-Vertrag erhebt die Bekämpfung der Diskriminierung zu einem spezifischen Ziel der EU.

1.3

Die Diskriminierung aus den in Artikel 13 genannten Gründen könnte die in Artikel 2 EGV festgelegten Ziele der Europäischen Gemeinschaft aushöhlen, darunter die Förderung eines hohen Beschäftigungs- und Sozialschutzniveaus, die Gleichheit von Frauen und Männern, die Anhebung des Lebensstandards und der Lebensqualität, der wirtschaftliche und soziale Zusammenhalt und die Solidarität unter den Mitgliedstaaten.

1.4

Ein wirksamer Schutz gegen Diskriminierung über den Beschäftigungsbereich hinaus ist wichtig, um die Entwicklung demokratischer und toleranter Gesellschaften zu gewährleisten, die den Ausdruck der Vielfalt sowie die uneingeschränkte Beteiligung und Einbindung aller Menschen in das wirtschaftliche und soziale Leben ermöglichen.

1.5

Angesichts der anhaltenden Ungleichheit und Diskriminierung in der EU muss gehandelt werden. Diskriminierung schadet dem Einzelnen, aber auch der europäischen Gesellschaft insgesamt. Das geltende EU-Recht ist in dieser Hinsicht ungeeignet. Neben dem Schutz vor Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf aus den in Artikel 13 angeführten Gründen gewährleistet das EU-Recht auch den Schutz vor Diskriminierung aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft in Teilbereichen des Sozialsystems (z.B. soziale Sicherheit und Gesundheitsversorgung, Sozialleistungen, Bildung, Zugang zu Waren und Dienstleistungen und Wohnraum) sowie aus Gründen des Geschlechts beim Zugang zu Waren und Dienstleistungen. Hingegen besteht in der EU über den Beschäftigungsbereich hinaus kein rechtlicher Schutz vor Diskriminierung aus Gründen der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters und der sexuellen Orientierung. In den Gemeinschaftsvorschriften zur Bekämpfung der Diskriminierung wird weder die Mehrfachdiskriminierung anerkannt noch ein diesbezüglicher Schutz geboten.

1.6

Die derzeitige Situation des rechtlichen Schutzes in der EU ist komplex. Viele Mitgliedstaaten haben Gesetze erlassen, die über die Anforderungen der EU hinausgehen, auch wenn sie bezüglich des Inhalts, der Art und des Umfangs des gebotenen Schutzes sehr unterschiedlich sind; andere setzen jedoch gerade einmal die Mindeststandards um. Auch wenn Fachbehörden bei der Bekämpfung der Diskriminierung und der Förderung der Gleichstellung nachweislich von Nutzen sind, fordert das EU-Recht das Handeln solcher Einrichtungen nur im Zusammenhang mit der Diskriminierung aus Gründen der Rasse oder ethnischen Herkunft und des Geschlechts. In zahlreichen Mitgliedstaaten existieren Gleichstellungsbehörden, die gegen die Diskriminierung aus allen bzw. einigen der in Artikel 13 genannten Gründen vorgehen.

1.7

Nach Auffassung des EWSA spricht nichts dafür, dass die EU ein Rechtssystem, das auf einer eindeutigen vertraglichen Verpflichtung zur Bekämpfung der Diskriminierung aus sechs expliziten Gründen beruht, aufrechterhält, wenn dieses weiterhin unterschiedliche Schutzniveaus — für bestimmte Fällen einen geringeren Schutz und eine geringere Garantie der Gleichbehandlung aus bestimmten Gründen — ermöglicht. Wenn die Mitgliedstaaten nicht eindeutig dazu verpflichtet sind, einen EU-weiten Standard zu erfüllen, gibt es für sie keinen Anreiz, Gesetze zu erlassen, die für einheitliche Rechte bezüglich aller Diskriminierungsgründe sorgen.

1.8

Der EWSA hat die Sorge, dass die Verwirklichung der Ziele der EU durch diesen hierarchischen Aufbau des Diskriminierungsschutzes erheblich erschwert wird. Diese Struktur könnte die Freizügigkeit von Arbeitnehmern und Waren behindern; so könnten Arbeitnehmer zögern, in Länder mit weniger einklagbaren Rechten umzusiedeln, während es für Anbieter von Waren oder Dienstleistungen negativ wäre, wenn sie in unterschiedlichen Ländern unterschiedliche Gleichstellungsstandards erfüllen müssten. Diese Situation wäre dem sozialen Zusammenhalt abträglich und würde die Teilhabe an der Zivilgesellschaft einschränken.

1.9

Der EWSA ist der Ansicht, dass es jetzt neuer EU-Rechtsakte bedarf, die über den Beschäftigungsbereich hinaus die Diskriminierung aus Gründen der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters und der sexuellen Orientierung untersagen. In Einklang mit den Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit gemäß Artikel 5 EGV kann ein hoher gemeinsamer Standard des rechtlichen Schutzes in allen Mitgliedstaaten nur durch ein Handeln auf Gemeinschaftsebene erreicht werden.

1.10

Die EU sollte in Form einer einzigen, alle vier Gründe abdeckenden Richtlinie tätig werden. Im Interesse der Kohärenz und der Kompatibilität zwischen dem EU-Recht und den nationalen Rechtsvorschriften sollte die neue Richtlinie auf alle anderen Bereiche als den Bereich Beschäftigung und Beruf angewandt werden, für den die Richtlinie zur Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse gilt. Der EWSA ist der Ansicht, dass eine einzige Richtlinie wesentliche Vorteile aufweist: Sie würde größtmögliche Klarheit für Unternehmen und andere Anbieter von Waren und Dienstleistungen schaffen, indem sie diese dazu anhält, die Anforderungen frühzeitig zu erfüllen; sie würde einen effektiven Schutz gegen Mehrfachdiskriminierung garantieren; und schließlich würde sie den sozialen Zusammenhalt stärken.

1.11

Der EWSA begrüßt deshalb den am 2. Juli 2008 veröffentlichten Beschluss der Kommission, eine neue Richtlinie zur Umsetzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung vorzuschlagen.

1.12

Es ist wichtig, dass der neue Rechtsakt das Recht auf Gleichheit weder verwässert noch verringert und nicht zu einer Minderung des Diskriminierungsschutzes im Rahmen der geltenden Antidiskriminierungsvorschriften der EU oder der Mitgliedstaaten führt. Eine neue Richtlinie sollte einen Rahmen für die Einhaltung der Gleichstellungsverpflichtungen gemäß den Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte der Menschen mit Behinderungen bieten und die Pflicht vorsehen, Zugangsmöglichkeiten und angemessene Wohnungen zu schaffen, damit behinderte Menschen voll und ganz am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Sie sollte Maßnahmen ermöglichen, die ein positives Vorgehen und eine mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung vereinbare Vorzugsbehandlung aufgrund des Alters oder einer Behinderung gestatten. Sie darf keine pauschale Begründung für direkte Diskriminierung liefern, sollte jedoch eine unterschiedliche Behandlung dann erlauben, wenn sie der Gleichheit und der Achtung der Menschenwürde förderlich ist. Schließlich sollte sie die Einrichtung bzw. den Aufbau von Fachbehörden vorsehen, um die Gleichbehandlung hinsichtlich der übrigen vier Gründe abzudecken.

2.   Gleichheit ist ein Grundprinzip des EU-Rechts

2.1

Das Recht auf Gleichheit ist sowohl ein universelles Recht als auch ein Grundprinzip des Gemeinschaftsrechts. Es gründet sich auf die von allen Mitgliedstaaten unterzeichneten internationalen Übereinkommen und die verfassungsmäßigen Traditionen der Mitgliedstaaten und ist in Artikel 21 und 22 der Charta der Grundrechte verankert.

2.2

Das Recht auf Gleichbehandlung von Frauen und Männern am Arbeitsplatz, das vor über 30 Jahren vereinbart wurde, ist ein Meilenstein in der Geschichte der Union. Die Gleichbehandlung von Frauen und Männern bleibt für die Gerechtigkeit im Binnenmarkt, die Freizügigkeit und den Aufbau einer starken und solidarischen europäischen Gesellschaft von wesentlicher Bedeutung.

2.3

In den 90-er Jahren stieg das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Bekämpfung der Diskriminierung aus anderen Gründen als dem Geschlecht und in anderen Bereichen als der Beschäftigung. Die Aufnahme von Artikel 13 in den Amsterdamer Vertrag war ein wichtiger Schritt, der zur Übertragung neuer Zuständigkeiten und ein stärkeres Engagement zugunsten der Gleichstellung führte. Gemäß Artikel 13 EGV ist die EU nunmehr verpflichtet, die Diskriminierung nicht nur aus Gründen des Geschlechts zu bekämpfen, sondern auch aus Gründen der Rasse oder ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters und der sexueller Orientierung.

2.4

Angesichts der Dringlichkeit der Maßnahmen zur Bekämpfung der Diskriminierung aus den anderen Gründen erließ der Rat im Jahr 2000 zwei Richtlinien: die Richtlinie zur Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (2000/43/EG) und die Beschäftigungsrahmenrichtlinie (2000/78/EG) zur Schaffung eines allgemeinen Rahmens für die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. 2004 billigte der Rat die Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Frauen und Männern beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (2004/113/EG).

2.5

In den Erwägungsgründen aller drei Richtlinien wird auf Artikel 6 des EU-Vertrags Bezug genommen und bekräftigt, dass das Recht auf Gleichheit ein Grundrecht darstellt, das auf den Rechten beruht, die in den von allen Mitgliedstaaten unterzeichneten internationalen Übereinkommen und den allen Mitgliedstaaten gemeinsamen verfassungsmäßigen Traditionen verankert sind.

2.6

Diese Auffassung wurde vom Europäischen Gerichtshof in der Rechtssache Mangold gegen Helm  (1) in seinem vorläufigen Urteil über die Auslegung der Richtlinie des Rates 2000/78/EG über Altersdiskriminierung bekräftigt:

74. […] Nach ihrem Artikel 1 bezweckt diese Richtlinie [2000/78] nämlich lediglich ‚die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung‘, wobei das grundsätzliche Verbot dieser Formen der Diskriminierung, wie sich aus der ersten und der vierten Begründungserwägung der Richtlinie ergibt, seinen Ursprung in verschiedenen völkerrechtlichen Verträgen und den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten hat.

75. Das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters ist somit als ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts anzusehen […].“

Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass der Gerichtshof die Anwendung dieses Prinzips nicht auch auf die anderen in der Richtlinie 2000/78 genannten Gründe bekräftigen würde.

2.7

In der Rechtssache Coleman gegen Attridge Law — einem Verfahren, in dem der Europäische Gerichtshof ein vorläufiges Urteil fällen soll — hat sich der Generalanwalt in seinem Schlussantrag wie folgt geäußert (2):

8. Bei Art. 13 EG handelt es sich um eine Ausprägung des Bekenntnisses der gemeinschaftlichen Rechtsordnung zum Grundsatz der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung. […] Die Rechtsprechung des Gerichtshofs in Bezug auf die Rolle von Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung in der gemeinschaftlichen Rechtsordnung ist klar. Gleichheit ist nicht nur ein politisches Ideal und Bestreben, sondern einer der tragenden Grundsätze des Gemeinschaftsrechts […]“.

2.8

Die Richtlinie zur Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse (3) wie auch die Beschäftigungsrahmenrichtlinie (4) spiegeln die Auffassung des Rates wider, dass die Diskriminierung aus den in Artikel 13 genannten Gründen die in Artikel 2 EGV festgelegten Ziele der EU unterminieren könnten, darunter die Förderung eines hohen Beschäftigungs- und Sozialschutzniveaus, die Gleichheit von Frauen und Männern, die Anhebung des Lebensstandards und der Lebensqualität, sowie der wirtschaftliche und soziale Zusammenhalt und die Solidarität unter den Mitgliedstaaten.

2.9

Der Lissabon-Vertrag verleiht der Bekämpfung der Diskriminierung aus den in Artikel 13 (5) genannten Gründen neues Gewicht, indem sie zu einem spezifischen Ziel der EU bei der Entwicklung und Umsetzung ihrer Politik und ihrer Maßnahmen erklärt wird (6).

3.   Bedeutung eines wirksamen Schutzes gegen Diskriminierung über den Beschäftigungsbereich hinaus

3.1

Die Beschäftigungsrahmenrichtlinie enthält allgemeine Rahmenbedingungen für die Gleichbehandlung hinsichtlich der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung im Bereich Beschäftigung und Beruf. Durch die Richtlinie zur Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft wird der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht nur auf den Bereich Beschäftigung und Beruf angewandt, sondern auch auf den Sozialschutz, einschließlich sozialer Sicherheit und Gesundheitsversorgung, Sozialleistungen, Bildung, Zugang zu Waren und Dienstleistungen für die Öffentlichkeit, einschließlich Wohnungen.

3.2

Die Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Frauen und Männern beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen ergänzt den Schutz vor sexuellen Diskriminierung im Bereich Beschäftigung und Beruf in den gemäß Artikel 141 EGV verabschiedeten Richtlinien (7).

3.3

Sowohl in der Richtlinie zur Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse (8) als auch in der Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Frauen und Männern beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (9) hat der Rat anerkannt, dass, um die uneingeschränkte Teilhabe aller Menschen zu gewährleisten, der Schutz vor Diskriminierung über den Beschäftigungsbereich hinausgehen sollte.

3.4

Der EWSA hat die Bedeutung der elektronischen Zugänglichkeit (eAccessibility) (10) bei der Bekämpfung der Diskriminierung und der Ermöglichung der uneingeschränkten gesellschaftlichen Teilhabe aller Gruppen anerkannt und Rechtsvorschriften gemäß Artikel 13 empfohlen, um einen hohen Standard für einschlägige Maßnahmen zu erreichen.

3.5

Der EWSA ist der Auffassung, dass die Beseitigung der Diskriminierung inner- und außerhalb des Arbeitsmarkts für die Erreichung der Lissabon-Ziele wesentlich ist. Umgekehrt erschwert die Diskriminierung im Sozial-, Gesundheits-, Bildungs- und Wohnungswesen oder beim Zugang zu wichtigen öffentlichen oder privaten Dienstleistungen Fortschritte hin zur Verwirklichung des nachhaltigen Wachstums und zur Schaffung neuer und besserer Arbeitsplätze.

4.   Derzeitige Situation der Gleichstellung und der Nichtdiskriminierung in der EU

4.1

Das Europäische Jahr der Chancengleichheit für alle 2007 war eine gute Gelegenheit für EU-Institutionen, nationale Regierungen und die Zivilgesellschaft, über die Bedeutung der Gleichstellung und der Beseitigung der Diskriminierung für die Stärkung des Zusammenhalts in der Gesellschaft nachzudenken. Es führte vor Augen, dass, wie der Rat ausdrücklich festgestellt hat, Ungleichheit und Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts, der Rasse oder ethnischen Herkunft, des Alters, einer Behinderung, der Religion oder Weltanschauung oder der sexuellen Orientierung „in der EU nach wie vorkommen [sic!], was für die einzelnen betroffenen Frauen und Männer und für die Gesellschaft der jeweiligen Mitgliedstaaten insgesamt erhebliche nachteilige Auswirkungen hat (11).

4.2

Das Europäische Jahr zeigte auch die Unterschiede beim Schutz vor Diskriminierung in den geltenden EU-Rechtsvorschriften auf (siehe dazu Ziffern 3.1 und 3.2). Der EWSA hat die Sorge, dass die Verweigerung einer gerechten Behandlung (einschließlich institutioneller diskriminierender Praktiken) im Sinne aller in Artikel 13 genannten Gründe — z.B. im Gesundheits- oder Bildungswesen, beim Zugang zu Gütern oder Dienstleistungen oder zu Wohnraum — zur fortbestehenden Ungleichheit beim Zugang zu Beschäftigung beitragen und die Lebensqualität der Menschen und ihre Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe erheblich beeinträchtigen könnte.

5.   Mehrfachdiskriminierung

5.1

Der Rat hat darauf hingewiesen, dass „das Europäische Jahr deutlich gemacht hat, wie sich die Probleme durch Mehrfachdiskriminierung verschärfen (12).

5.2

Der Begriff „Mehrfachdiskriminierung“ trägt der Tatsache Rechnung, dass jeder Mensch über eine komplexe Identität verfügt. Er bezeichnet den Umstand, dass ein Mensch aus mehreren Gründen, die seine Identität betreffen, diskriminiert oder angefeindet werden kann.

5.3

Im Dezember 2007 legte das Dänische Institut für Menschenrechte einen Bericht über den Umgang mit Mehrfachdiskriminierung (Methoden, Maßnahmen, Gesetze) vor (13). Aus ihren akademischen und juristischen Forschungen und Konsultationen von Interessenträgern schließen die Autoren, dass, um der realen Diskriminierung und Ungleichheit Herr zu werden, praktikable Lösungen zur Bekämpfung der Mehrfachdiskriminierung gefunden werden müssen (14).

5.4

Die EU-Antidiskriminierungsrichtlinien und die nationalen Gesetze zu deren Umsetzung sollten einen ausreichenden Schutz und eine ausreichende rechtliche Absicherung gegen sämtliche Formen der Mehrfachdiskriminierung bieten können. Dazu bedarf es aber des gleichen Schutzes vor Diskriminierung aus allen genannten Gründen. Das EU-Recht ermöglicht dies derzeit aber nur im Beschäftigungsbereich.

6.   Rechtlicher Schutz vor Diskriminierung in der gesamten EU

6.1

Auch wenn die Mitgliedstaaten die Richtlinie zur Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse und die Beschäftigungsrahmenrichtlinie noch nicht angemessen umgesetzt haben (15), haben viele Mitgliedstaaten Gesetze zum Verbot von Diskriminierung geschaffen, die über die Bestimmungen der Richtlinie im Sinne von Artikel 13 hinausgehen.

6.2

Gegenstand einer im Dezember 2006 veröffentlichten „Mapping-Studie“ (16) waren die nationalen Rechtsvorschriften zur Bekämpfung von Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters und der sexuellen Orientierung außerhalb des Bereichs Beschäftigung und Berufs. Die Verfasser stellen fest:

Bei der Untersuchung der europäischen Länder fällt zunächst auf, dass 1. die meisten Länder weit über die Anforderungen aus dem gegenwärtigen EG-Recht hinausgehen und einen gewissen Rechtsschutz vor den im vorliegenden Bericht erörterten Diskriminierungen bieten, und dass sich 2. die Länder bezüglich des Ausmaßes und der Art dieses Schutzes stark voneinander unterscheiden.“  (17).

6.3

Die Verfasser konstatieren große Unterschiede bei den Gründen für den Schutz im Zusammenhang mit den einzelnen Tätigkeitsbereichen und bei der Frage, ob der Schutz in nationalen Verfassungen, allgemeinen Antidiskriminierungsgesetzen, nationalen oder regionalen Rechtsvorschriften oder Sondergesetzen für bestimmte Einzelbereiche (z.B. Wohnungs- oder Bildungswesen) verankert ist. In Bezug auf jeden Grund und jeden Bereich gibt es Abweichungen zwischen den Ländern in Art, Form und Umfang der Ausnahmeregelungen in den Antidiskriminierungsgesetzen (18). Die vergleichende Analyse von Bell, Chopin und Palmer (19) bekräftigt dieses Untersuchungsergebnis, d.h. die Variation und Inkohärenz zwischen den Mitgliedstaaten.

6.4

Wie der Rat in seiner Entschließung zu den Folgemaßnahmen zum Europäischen Jahr festgestellt hat, sind spezifische Gleichstellungsbehörden (mögliche) maßgebliche treibende Kräfte bei der Bekämpfung von Diskriminierung und der Förderung der Gleichheit in jedem Mitgliedstaat. Insbesondere tragen sie zur Bewusstseinsbildung bei. Die Richtlinie zur Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse, die Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Frauen und Männern beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen und die Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Frauen und Männern in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (Neufassung) (20) verpflichten die Mitgliedstaaten zur Einrichtung spezifischer Gleichstellungsbehörden mit dem Ziel der Förderung der rechtlichen Gleichstellung aus Gründen der Rasse oder ethnischen Herkunft und des Geschlechts, nicht aber aus Gründen der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, der sexuellen Orientierung oder des Alters. Die Fachbehörden in den Mitgliedstaaten sind jedoch für ganz unterschiedliche Diskriminierungsgründe zuständig: einige nur für Rasse und ethnische Herkunft, andere für sämtliche in Artikel 13 aufgeführten Gründe sowie weitere Gründe (21). Auf europäischer Ebene gibt es das Netz „Equinet“ (22), dem autonome Einrichtungen und Regierungseinrichtungen angehören, die in den Mitgliedstaaten für die Anwendung der Antidiskriminierungsvorschriften zuständig sind.

6.5

Die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte hat nach einer EU-weiten Überprüfung des rechtlichen Schutzes vor Diskriminierung aus Gründen der sexuellen Orientierung (23) empfohlen, im EU-Recht gleiche Rechte auf Gleichbehandlung aus allen in Artikel 13 genannten Gründen sicherzustellen.

6.6

Nach Auffassung des EWSA existieren keine nachvollziehbaren Argumente für ein System von EU-Antidiskriminierungsvorschriften, das auf der vertraglichen Pflicht zur Bekämpfung der Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts, der Rasse oder ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alter und der sexuellen Orientierung beruht und das geringere Schutzniveaus und beschränkter Garantien für die Gleichbehandlung aus einigen der genannten Gründe ermöglicht und verstetigt.

6.7

Ohne kohärente, alle Gründe abdeckende Rechtsvorschriften auf EU-Ebene gibt es keinen wirklichen Anreiz für die Mitgliedstaaten, kohärente Gesetze zu erlassen, und auch keine Rechtsgrundlage für ein Tätigwerden der Kommission oder des Rates, da die Niveaus des Schutzes vor Diskriminierung ungleichmäßig oder unangemessen sind (so wie derzeit der Fall).

6.8

Der EWSA ist der Ansicht, dass der Erlass von Rechtsvorschriften zum Verbot der Diskriminierung allein nicht ausreicht, um ein Land von der Geißel der Diskriminierung zu befreien; es kann aber gesagt werden, dass er die Tatsache widerspiegelt, dass ein Land die durch die Diskriminierung hervorgerufenen Schäden für den Einzelnen und die Gesellschaft anerkennt und sich in der Pflicht sieht, dagegen mit rechtlichen Mitteln vorzugehen. Das Fehlen von Antidiskriminierungsgesetzen vermittelt jedoch eine ganz andere Botschaft: Es vermittelt den (irrigen) Eindruck, dass es keine Diskriminierung gibt bzw. diese kein gravierendes Problem darstellt, das formelle Präventivmaßnahmen erforderlich machen würde; in politischer Hinsicht bedeutet es, dass die Einwände potenzieller „Diskriminatoren“ gegen jede Form der Regulierung mehr Gewicht haben als die Bemühungen, die Lebensqualität für alle Bürger zu verbessern und den sozialen Zusammenhalt zu stärken.

6.8.1

Es gibt deutliche Anzeichen dafür, dass es informelle nichtlegislative Maßnahmen zur Förderung bewährter Methoden nicht vermocht haben, tief verwurzelte Diskriminierungspraktiken auszumerzen.

6.8.2

Antidiskriminierungsgesetze ohne umfassendes Sensibilisierungs- und Bildungsprogramm und ohne effektive Umsetzung werden ihre Ziele verfehlen.

7.   Eine Hierarchie der Gleichstellungsrechte ist der Verwirklichung der Ziele der EU abträglich

7.1

Der EWSA ist der Auffassung, dass die gegenwärtige Hierarchie der Antidiskriminierungsmaßnahmen in der EU inkonsistent und damit der Verwirklichung der Unionsziele abträglich ist:

Sie behindert die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, die in einigen Mitgliedstaaten weniger einklagbare Rechte auf Nichtdiskriminierung haben als in anderen. Beispielsweise gaben 69,2 % der Personen, die an der Internet-Umfrage der Kommission „Ist Diskriminierung von Bedeutung?“ teilnahmen, an, dass das Niveau des rechtlichen Schutzes vor Diskriminierung aus Gründen des Alters, einer Behinderung, der Religion und der sexuellen Orientierung über den Beschäftigungsbereich hinaus ihre Entscheidung, in einen anderen Mitgliedstaat umzusiedeln, beeinflussen würde (24).

Sie kann die Freizügigkeit von Waren behindern, da Lieferanten in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedliche Gleichstellungsstandards im Bereich Güter und Dienstleistungen erfüllen müssen. Beispielsweise gaben 26,3 % der Unternehmen, die an der Umfrage des Europäischen Unternehmens-Testpanels zum Thema „Antidiskriminierung“ (25) teilnahmen, an, dass das Niveau des rechtlichen Schutzes vor Diskriminierung aus Gründen des Alters, einer Behinderung, der Religion und der sexuellen Orientierung in den Bereichen Güter und Dienstleistungen sowie Wohnungen ihre Unternehmenstätigkeit in dem betreffenden Land beeinflussen würde.

Sie beeinträchtigt die Lebensqualität, da mit hoher Wahrscheinlichkeit Fälle von Diskriminierung und Belästigung ohne gesetzliches Verbot ungeahndet bleiben und wirtschaftliche und soziale Rechte weiterhin nicht in vollem und gleichem Umfang in Anspruch genommen werden können.

Sie wirkt dem sozialen Zusammenhalt entgegen, da nicht alle gesellschaftliche Gruppen umfassend und gleichermaßen anerkannt werden.

Sie schränkt die Teilhabe von größeren Gruppen und Gemeinschaften an der Zivilgesellschaft ein.

7.2

In seiner Entschließung zu den Folgemaßnahmen zum Europäischen Jahr stellt der Rat in Bezug auf die Diskriminierung mit Besorgnis fest, dass

„Diskriminierung zu Armut und sozialer Ausgrenzung führen kann, indem sie die Teilhabe an den Ressourcen und den Zugang zu ihnen verhindert“;

„das Europäische Parlament und die Zivilgesellschaft zu einer Ausdehnung des gesetzlichen Schutzes vor Diskriminierung in Bereichen, die über Beschäftigung und Beruf hinausgehen, aufgerufen haben“ und

die Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission „die Bemühungen zur Verhütung und Bekämpfung von Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts, der Rasse oder der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung innerhalb und außerhalb des Arbeitsmarktes […] verstärken [sollten]“.

8.   Notwendigkeit einer neuen Richtlinie

8.1

Um den Bedenken des Rates Rechnung zu tragen und ein einheitliches Mindestschutzniveau in der gesamten EU sicherzustellen, sind neue Rechtsakte erforderlich, mit denen der Grundsatz der Gleichbehandlung ungeachtet einer Behinderung, der Religion oder Weltanschauung, der sexuellen Orientierung oder des Alters über den Beschäftigungsbereich hinaus umgesetzt werden soll.

8.2

Angesichts der Art und des Ausmaßes der Phänomene im Zusammenhang mit den derzeitigen Diskriminierungsniveaus und ihren Auswirkungen auf die Verwirklichung der Ziele der EU sowie der Notwendigkeit eines gemeinsamen hohen Schutzniveaus in allen Mitgliedstaaten reichen Maßnahmen auf nationaler Ebene nicht aus. Deshalb muss auf Gemeinschaftsebene entsprechend dem in Artikel 5 EG-Vertrag festgelegten Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit gehandelt werden.

8.3

Zu diesem Zweck empfiehlt der EWSA, eine einzigen Richtlinie zu erarbeiten, die die Diskriminierung aus Gründen einer Behinderung, der Religion oder Weltanschauung, der sexuellen Orientierung oder des Alters über den Beschäftigungsbereich hinaus und im Rahmen der Richtlinie zur Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse untersagt sowie die Einrichtung bzw. den Ausbau einer Gleichstellungsbehörde mit umfassenden Befugnissen hinsichtlich aller in den Geltungsbereich dieses Rechtsakts fallenden Fragen fordert. Dies entspricht der wichtigsten Empfehlung der EU-Agentur für Menschenrechte (26).

8.3.1

Der EWSA räumt zwar ein, dass der Schutz im Rahmen der geltenden Antidiskriminierungsrichtlinien verstärkt werden könnte (einschließlich einer deutlicheren Anerkennung der institutionellen Diskriminierung); seine derzeitige Priorität geht dahin sicherzustellen, dass für die vorgenannten Gründen das gleiche Schutzniveau existiert wie jetzt schon für die Rasse und die ethnische Herkunft.

8.4

Der EWSA ist sich bewusst, dass zahlreiche Organisationen, insbesondere Kleinunternehmen, angesichts der damit verbundenen Kosten zunächst mit echter Besorgnis auf einen neuen Legislativvorschlag reagieren werden. Die verschiedenen Regelungsebenen machen die Einhaltung von Rechtsvorschriften für Unternehmen „äußerst schwierig“ (27). Der EWSA ist nicht der Überzeugung, dass die Umsetzung einer einzigen Richtlinie zur Schaffung eines EU-weiten Standards für den Schutz vor Diskriminierung über den Beschäftigungsbereich hinaus zu erheblichen neuen Kosten führen würde. Vielfach würden die Kosten für die Anpassung der Methoden an die Rechtsvorschriften durch eine Erhöhung der Zahl der Kunden infolge der Beseitigung der Diskriminierung wettgemacht. Beispielsweise waren 89,8 % der Teilnehmer an der Umfrage des Europäischen Unternehmens-Testpanels zum Thema „Antidiskriminierung“ der Ansicht, dass Rechtsvorschriften erforderlich sind, um in ganz Europa ein einheitliches Niveau des Schutzes vor Diskriminierung zu gewährleisten (28).

8.5

Der EWSA kennt die Argumente für gesonderte Richtlinien für jeden Diskriminierungsgrund. Er ist aber der Ansicht, dass eine einzige Richtlinie für alle vier Gründe besser ist,

um größtmögliche Klarheit und Transparenz für Privatpersonen sowie Waren- und Dienstleistungsanbieter sicherzustellen. Der EWSA weiß, dass Privatunternehmen nur selten neue Regulierungsformen begrüßen: Werden EU-Antidiskriminierungsstandards für jeden Grund einzeln und zu verschiedenen Zeitpunkten und ohne Gewissheit kohärenter Anforderungen festgelegt, so ist die Einhaltung der Vorschriften insbesondere für kleine Unternehmen mit beschränkten Mitteln weitaus schwieriger;

um wirkungsvolle Reaktionen und Mittel zur Bekämpfung der Mehrfachdiskriminierung zu ermöglichen. Wenn es einen kohärenten und äquivalenten Schutz für alle Gründe gibt, dann können Personen, die wegen mehrere Identitätsmerkmale diskriminiert oder ausgegrenzt werden, geeignete Rechtsmittel einlegen;

um den Rechtsakt verständlich und zugänglich zu gestalten. In seiner Entschließung zu den Folgemaßnahmen zum Europäischen Jahr hat der Rat auf die geringe Bekanntheit der Antidiskriminierungsvorschriften in der Öffentlichkeit hingewiesen (29). Die Aufgabe, den Bekanntheitsgrad zu erhöhen, wird oftmals dadurch erschwert, dass komplexe Unterschiede zwischen den Rechten auf Gleichbehandlung unter verschiedenen Aspekten und in verschiedenen Bereichen in den Rechtsvorschriften der EU und der Mitgliedstaaten existieren;

um jede Form der Hierarchie innerhalb eines europäischen Systems der Rechte auf Gleichbehandlung zu vermeiden. Der soziale Zusammenhalt hängt von dem gemeinsamen Engagement und dem Zusammengehörigkeitsgefühl der Mitglieder einer Gesellschaft ab; er wird viel schwerer zu erreichen sein, wenn die verschiedenen Gruppen feststellen, dass in den Gesetzestexten die Gleichbehandlungsrechte einer Gruppe mehr wiegen als die einer anderen Gruppe.

8.6

Durch die Richtlinie zur Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse wurden über den Beschäftigungsbereich hinaus Kernbereiche festgelegt, für die die EU zuständig ist und in denen es für die Verwirklichung der Ziele der EU wichtig und notwendig ist, die Diskriminierung aus Gründen einer Behinderung, der Religion oder Weltanschauung, der sexuellen Orientierung und des Alters zu unterbinden. Der EWSA empfiehlt nachdrücklich, genau diese Bereiche durch die neue Richtlinie gänzlich abzudecken.

8.7

Der EWSA erkennt an, dass entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip und in bestimmten Tätigkeitsbereichen (z.B. Wohnungs- und Bildungswesen oder bestimmte öffentliche Dienstleistungen) die Organisation und Erbringung von Dienstleistungen und/oder andere Aspekte der Regulierung vornehmlich in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten auf nationaler oder regionaler Ebene fallen. Der EWSA ist der Auffassung, dass gemäß Artikel 5 EGV ein umfassender und hoher gemeinsamer Standard für die Gleichbehandlung in all diesen Tätigkeitsbereichen nur durch Rechtsakte auf europäischer Ebene erreicht werden kann.

8.8

Der EWSA begrüßt deshalb die am 2. Juli 2008 veröffentlichte Entscheidung der Kommission, eine neue Richtlinie vorzuschlagen, mit der das Prinzip der Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung über den durch die Richtlinie zur Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse abgedeckten Beschäftigungsbereich hinaus umgesetzt werden soll. Da der Kommission bereits Vorfassungen dieser Stellungnahme übermittelt wurden, hoffen wir, dass die Argumente und die vorläufigen Schlussfolgerungen der EWSA-Studiengruppe, die eine Richtlinie in der jetzigen Form empfohlen hat, der Kommission bei ihrer Entscheidungsfindung dienlich gewesen sind. Darüber hinaus hoffen wir, dass diese Stellungnahme in ihrer Endfassung die Mitgliedstaaten dazu ermutigen wird, den Wert und die Bedeutung eines einschlägigen Rechtsakts der EU anzuerkennen, und ihnen helfen wird, zur positiven Entwicklung und Akzeptanz dieses Rechtsakts beizutragen.

8.9

Der EWSA unterstützt die Entscheidung der Kommission, eine Richtlinie vorzuschlagen, die mit anderen Richtlinien im Sinne von Artikel 13 weitestgehend auf einer Linie liegt — mit denselben Definitionen der Begriffe „direkte und indirekte Diskriminierung“, „Belästigung“ und „positive Maßnahme“, derselben Geltung für alle in einem Mitgliedstaat lebenden Menschen (einschließlich Drittstaatsangehörigen) und denselben Pflichten für die Mitgliedstaaten, Klagerechte, wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen, Schutz vor Schikanen und die Festlegung der Verlagerung der Beweislast sicherzustellen. Ebenso wichtig sind entsprechende Pflichten, Sensibilisierungsmaßnahmen durchzuführen und den Dialog mit den Sozialpartnern und Nichtregierungsorganisationen zu fördern.

8.10

Der EWSA empfiehlt dem Rat und den anderen EU-Institutionen, bei ihrer Prüfung der vorgeschlagenen Richtlinie folgende Aspekte zu berücksichtigen, um sicherzustellen, dass sie in ihrer endgültigen Form die vorgenannten Ziele erreicht:

8.10.1

Sicherung des Schutzniveaus: Die Erarbeitung einer neuen Richtlinie darf nicht dazu dienen, den Schutz vor Diskriminierung in einem Rechtsakt der EU zu verringern. Auch sollten die Mitgliedstaaten nicht die Möglichkeit haben, die Umsetzung der Richtlinie als Grund für die Absenkung des nationalen Schutzniveaus heranzuziehen.

8.10.2

Gleichbehandlungsrechte und angemessener Wohnraum für Behinderte: Die uneingeschränkte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen stößt nicht nur im Beschäftigungsbereich auf Schwierigkeiten, wobei diese in anderen Bereichen noch größer sein können. Die neue Richtlinie sollte für alle Mitgliedstaaten einen Rahmen schaffen, innerhalb dessen diese ihren Gleichbehandlungs- und Nichtdiskriminierungsverpflichtungen entsprechend dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte der Menschen mit Behinderung nachzukommen. haben

8.10.2.1

Die neue Richtlinie sollte vorsehen, dass alle Personen, die soziale Dienstleistungen (u.a. in den Bereichen soziale Sicherheit, Gesundheitsversorgung, Sozialleistungen, Bildung, Waren und Dienstleistungen, Wohnungswesen) erbringen,

a)

die Bedürfnisse von Behinderten antizipieren, z.B. hinsichtlich des Zugangs zu Gebäuden und Verkehrsmitteln sowie zu Informationen für Behinderte; und

b)

Unterkünfte behindertengerecht gestalten, z.B. durch die Beseitigung von Barrieren im Interesse einer größtmöglichen Teilhabe und eines größtmöglichen Nutzens seitens der Betroffenen.

8.10.2.2

Als eine Form der Diskriminierung sollte in der neuen Richtlinie das Versäumnis definiert werden, angemessene Zugangsmöglichkeiten zu schaffen oder einen angemessenen Wohnraum für eine bestimmte behinderte Person bereitzustellen, es sei denn, diese Maßnahmen würden eine unverhältnismäßige Belastung für den Verantwortlichen darstellen.

8.10.3

Mehrfachdiskriminierung: In der Richtlinie sollte bekräftigt werden, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung den Schutz vor Mehrfachdiskriminierung einschließt, damit diesem Umstand im Recht der EU und der Mitgliedstaaten Rechnung getragen wird.

8.10.4

Positive Maßnahmen: Ungleichheit ist ein tief verwurzeltes Phänomen auch in anderen Bereichen als Beschäftigung und Beruf wie Bildungs-, Gesundheits- und Wohnungswesen, Zugang zu Dienstleistungen in Hotels, Gaststätten usw., Finanzdienstleistungen, Reisen usw. Zur Gewährleistung der absoluten Gleichbehandlung in der Praxis sollte die neue Richtlinie den Mitgliedstaaten ausdrücklich erlauben, Maßnahmen zu ergreifen bzw. fortzusetzen, die darauf abzielen, Nachteile aus Gründen der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung zu verhindern oder auszugleichen.

8.10.5

Vorzugsbehandlung aus Gründen einer Behinderung oder des Alters: In der neuen Richtlinie sollten die nationalen Methoden der Vorzugsbehandlung von Personen aus Gründen ihres Alters oder einer Behinderung anerkannt werden, da viele dieser Methoden die soziale Integration von alten, jungen und behinderten Menschen verbessern. Die neue Richtlinie sollte öffentliche oder private Organisationen nicht davon abhalten, Hilfen anzubieten, mit denen konkrete, finanzielle oder mentale Hürden für die gleichberechtigte Teilhabe überwunden oder abgebaut werden sollen. Sie sollte es den Mitgliedstaaten ermöglichen, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, vorausgesetzt, dass sie ein legitimes Ziel verfolgen, das mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz in Einklang steht, und dass die Mittel zur Verwirklichung dieses Ziels angemessen sind.

8.10.6

Ausnahmeregelungen müssen genau festgelegt sein. Der EWSA räumt ein, dass es Umstände gibt, unter denen eine Sonderbehandlung aus einem bestimmten Schutzgrund angemessen und erforderlich ist; er lehnt aber die Einführung einer Pauschalbegründung für direkte Diskriminierung ab. Ausnahmen vom Diskriminierungsverbot dürfen nicht so weit gefasst sein, dass sie die Wirkung des durch die Richtlinie angestrebten Schutzes beeinträchtigen; andererseits sollte die Richtlinie nicht durch eine lange Liste spezifischer Ausnahmen für bestimmte Situationen oder Gründe übermäßig kompliziert gestaltet werden. Eine Sonderbehandlung sollte im Rahmen der Antidiskriminierungsvorschriften nur dann zulässig sein, wenn sie dazu dient, Gleichheit und Menschenwürde zu fördern und zu stärken, und nicht die Wirkung von Antidiskriminierungsbestimmungen schmälert.

8.10.7

Durchsetzung der Rechte: In der neuen Richtlinie sollten die Bedeutung und der Wert der organisierten Zivilgesellschaft anerkannt und sichergestellt werden, dass Vereinigungen oder Organisationen, die ein berechtigtes Interesse an der Einhaltung der Rechtsvorschriften haben, im Namen bzw. zugunsten von Diskriminierungsopfern auf gerichtliche oder administrative Verfahren zurückgreifen können.

8.10.8

Fachbehörden: Sehr günstig für die Bekanntheit und Umsetzung nationaler Gesetze sowie die Förderung der Gleichbehandlung wäre wohl zweifelsfrei eine unabhängige Fachbehörde, die angemessen ausgestattet und befugt ist, die in der Richtlinie zur Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse (30) oder der Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Frauen und Männern beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (31) genannten Funktionen auszuüben. Die neue Richtlinie sollte die Einrichtung oder den Ausbau einer Behörde bzw. mehrerer Behörden zur Bekämpfung der Diskriminierung aus Gründen der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung vorsehen. Darüber hinaus sollte(n) diese Behörde(n) regelmäßig die Ergebnisse von Antidiskriminierungsmaßnahmen bewerten.

Brüssel, den 18. September 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  [2005] EuGH C-144/04 vom 22. November 2005.

(2)  [2008] EuGH C-303/06 vom 31. Januar 2008.

(3)  Erwägungsgrund 9.

(4)  Erwägungsgrund 11.

(5)  Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (konsolidierte und durch den Vertrag von Lissabon geänderte Fassung), Artikel 19.

(6)  Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (konsolidierte und durch den Vertrag von Lissabon geänderte Fassung), Artikel 10.

(7)  Z.B. Richtlinien 76/207/EWG und 2002/73/EG.

(8)  Erwägungsgrund 12.

(9)  Erwägungsgrund 9.

(10)  Stellungnahme des EWSA vom 30.5.2007 zum Thema „Künftige Rechtsvorschriften zur eAccessibility“, Berichterstatter: Herr HERNÁNDEZ BATALLER (ABl. C 175 vom 27.7.2007).

(11)  Entschließung des Rates zu den Folgemaßnahmen zum Europäischen Jahr der Chancengleichheit für alle (2007), S. 1.

(12)  Ebenda, S. 3.

(13)  Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europpäischen Gemeinschaften, 2007 ISBN 978-92-79-06953-6.

(14)  Ebenda, S. 7.

(15)  Siehe: M. Bell, I. Chopin und F. Palmer, „Entwicklung des Antidiskriminierungsrechts in Europa — Ein Vergleich in den 25 EU-Mitgliedstaaten“, Juli 2007, Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 2007, ISBN 978-92-79-06572-9.

(16)  Siehe: A. McColgan, J. Niessen und F. Palmer: „Vergleich der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften zur Bekämpfung von Diskriminierung außerhalb von Beschäftigung und Beruf“, VT/2005/062, Migration Policy Group und Human European Consultancy, Dezember 2006.

(17)  Ebenda, S. 3.

(18)  Ebenda: Vergleichende Übersichten auf S. 72ff.; vgl. auch M. Bell, I. Chopin und F. Palmer (siehe dazu Fußnote 15).

(19)  Ebenda: Vergleichende Übersichten auf S. 83-113.

(20)  2006/54/EG.

(21)  Siehe: M. Bell, I. Chopin und F. Palmer, „Entwicklung des Antidiskriminierungsrechts in Europa — Ein Vergleich in den 25 EU-Mitgliedstaaten“, Juli 2007, Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 2007, ISBN 978-92-79-06572-9, S. 108-113.

(22)  Vgl. www.equineteurope.org

(23)  „Homophobia and Discriminination on Grounds of Sexual Orientation in the EU Member States: Part I — Legal Analysis“, Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, 2008 (Verfasser: Olivier de Schutter).

(24)  Online-Befragung Juli-Oktober 2007.

(25)  12.7. — 31.8.2007, Frage 4a.

(26)  „Homophobia and Discriminination on Grounds of Sexual Orientation in the EU Member States: Part I — Legal Analysis“, Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, 2008 (Verfasser: Olivier de Schutter).

(27)  Antwort des Europäischen Arbeitgeberverbands auf die Umfrage der Europäischen Kommission „Diskriminierung — Ist Diskriminierung von Bedeutung?“ (12. Oktober 2007).

(28)  12.7. — 31.8.2007, Frage 4b.

(29)  Online-Befragung Juli-Oktober 2007, S. 1.

(30)  Artikel 13.

(31)  Artikel 12.


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